Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen K 117/2001
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K 117/01 Bh

                        II. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard und neben-
amtlicher Richter Weber; Gerichtsschreiber Grunder

                Urteil vom 29. August 2002

                         in Sachen

N.________, 1968, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Fortuna Rechtsschutz-Versicherungs-Gesellschaft, Rechts-
dienst, Soodmattenstrasse 2, 8134 Adliswil,

                           gegen

ASSURA Kranken- und Unfallversicherung, Voralpenstrasse 58,
1723 Marly, Beschwerdegegnerin,

                            und

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

     A.- N.________, geboren 1968, war bei der ASSURA
Kranken- und Unfallversicherung obligatorisch für die Kran-
kenpflege versichert und hatte darüber hinaus die Zusatz-
versicherungen Complementa Plus, Optima Plus und Natura ab-
geschlossen. Wegen einer angeborenen Ptose am linken Augen-
lid hielt sie sich am 13. und 14. Oktober 1999 in der
Klinik K.________ auf, wo sie operiert wurde. Die ASSURA
holte die Berichte der Frau Dr. med. Z.________, Plastische
und Wiederherstellungschirurgie, vom 7. September 1999, des
Dr. med. Y.________, Plastische und Wiederherstellende

Chirurgie FMH, vom 20. September 1999 und der Frau Dr. med.
X.________, Spezialärztin FMH für Ophthalmologie, vom
12. Oktober 1999 ein und teilte N.________ mit Schreiben
vom 27. Oktober 1999 mit, dass sie für die Operation der
Ptose und den Aufenthalt in der Klinik K.________ keine
Leistungen erbringe, da der chirurgische Eingriff über-
wiegend aus ästhetischen Gründen vorgenommen worden sei.
Daran hielt sie mit Verfügung vom 27. Dezember 1999 fest.
Die Einsprache wies sie, nachdem sie den Bericht ihres
Vertrauensarztes, Dr. med. W.________, vom 10. Februar 2000
beigezogen hatte, mit Entscheid vom 26. Mai 2000 ab.

     B.- Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher
N.________ beantragen liess, unter Aufhebung der Verfügung
und des Einspracheentscheids sei die ASSURA zu verpflich-
ten, die gesetzlichen und vertraglichen Leistungen zu er-
bringen, beurteilte das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich teils als Beschwerde im Rahmen der nachträg-
lichen Verwaltungsrechtspflege und teils als Klage, soweit
Leistungen aus den nach VVG abgeschlossen Zusatzversiche-
rungen gefordert wurden. Mit Entscheid vom 9. Juli 2001
wies das Sozialversicherungsgericht Beschwerde und Klage
ab.

     C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt N.________
beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids
sei die ASSURA zur Übernahme der Kosten der operativen Ent-
fernung der Ptose zu verpflichten.
     Die ASSURA schliesst auf Abweisung der Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

     D.- Der Instruktionsrichter holte in Ergänzung der
Akten den Bericht der Frau Dr. med. X.________ vom 25. Ap-
ril 2002 ein, der den Parteien mit Schreiben vom 24. Juli
2002 zugestellt wurde. Die ASSURA verzichtet auf eine
Stellungnahme. N.________ lässt in ihrer Vernehmlassung vom
26. August 2002 an ihren Rechtsbegehren festhalten.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das Eidgenössische Versicherungsgericht beurteilt
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Ver-
fügungen im Sinne der Art. 97, 98 Buchstaben b-h und 98 a
auf dem Gebiete der Sozialversicherung (Art. 128 OG).
Gemäss Art. 5 Abs. 1 VwVG gelten als Verfügung Anordnungen
der Behörden im Einzelfall, die sich auf öffentliches Recht
des Bundes stützen. Soweit die Beschwerdeführerin geltend
macht, die Krankenversicherung habe im Schreiben vom
10. September 1999 gestützt auf eine nach VVG abgeschlos-
sene Zusatzversicherung nach Treu und Glauben die Übernahme
der Kosten zugesichert, kann auf die Verwaltungsgerichts-
beschwerde nicht eingetreten werden.

     2.- a) Gemäss Art. 2 Abs. 1 KVG ist Krankheit jede
Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesund-
heit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine
medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder
eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Nach Art. 25 Abs. 1
KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung
die Kosten für die Leistungen, der der Diagnose oder Be-
handlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.

     b) Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und
Glauben schützt den Bürger und die Bürgerin in ihrem be-
rechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten und bedeu-
tet u.a., dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden
unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht
abweichende Behandlung der Rechtsuchenden gebieten. Gemäss
Rechtsprechung und Doktrin ist eine falsche Auskunft bin-
dend,
1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug
   auf bestimmte Personen gehandelt hat;
2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft
   zuständig war oder wenn die rechtsuchende Person die
   Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrach-
   ten durfte;

3. wenn die Person die Unrichtigkeit der Auskunft nicht
   ohne weiteres erkennen konnte;
4. wenn sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft
   Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil
   rückgängig gemacht werden können;
5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunfterteilung
   keine Änderung erfahren hat (BGE 127 I 36 Erw. 3a,
   126 II 387 Erw. 3a; RKUV 2000 Nr. KV 126 S. 223,
   Nr. KV 133 S. 291 Erw. 2a, Nr. KV 171 S. 281 Erw. 3b; zu
   Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Recht-
   sprechung: BGE 121 V 66 Erw. 2a mit Hinweisen).

     3.- a) Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend,
die Ptose am linken Augenlid stellte eine Beeinträchtigung
ihrer körperlichen Gesundheit dar, die den chirurgischen
Eingriff erforderte. Indessen ist entgegen dieser Auf-
fassung nicht streitig, ob eine gesundheitliche Beein-
trächtigung vorlag, sondern vielmehr, ob die Ptose behand-
lungsbedürftig war.

     b) Die Vorinstanz hat in zutreffender Würdigung der
Akten erwogen, dass die Behandlung der Ptose ästhetisch
motiviert war und nicht in erster Linie der Beseitigung von
durch das Geburtsgebrechen hervorgerufenen körperlichen
Beeinträchtigungen diente und damit keine Pflichtleistungen
auszulösen vermochte. Auf diese nicht zu beanstandenden
Erwägungen wird verwiesen.
     Beizufügen ist, dass nach dem vom Instruktionsrichter
eingeholten Bericht der Frau Dr. med. X.________ vom
25. April 2002 keine Gesichtsfeldmessungen durchgeführt
worden sind. Es lässt sich mithin auch in diesem Punkt
nicht mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweis-
grad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachweisen (BGE
126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen), dass die Ptose eine funk-
tionelle oder andere Beeinträchtigung des linken Auges zur
Folge hatte. Der von der Beschwerdeführerin in der Ver-
nehmlassung vom 26. August 2002 vorgebrachte Einwand, die
ASSURA habe keine Gesichtsfeldmessung verlangt, sondern

lediglich eine Stellungnahme eines Augenarztes, führt zu
keiner anderen Betrachtungsweise. Auch in dem vom Unter-
suchungsgrundsatz beherrschten Sozialversicherungsprozess
trägt eine Partei insofern eine Beweislast, als im Falle
der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei
ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt
Rechte ableiten wollte (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hin-
weisen).

     4.- a) Weiter bringt die Beschwerdeführerin vor, sie
habe gestützt auf das Schreiben der Krankenversicherung vom
10. September 1999 davon ausgehen dürfen, dass zumindest
die Kosten für den Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung
eines Spitals übernommen würden.
     Die Versicherte beruft sich auf folgende Passage des
Schreibens vom 10. September 1999:

     "Wir machen Sie jedoch darauf aufmerksam, dass wir,
wenn die Behandlung überwiegend auf ein Leiden ausgerichtet
sein sollte, das in den Bereich des Art. 4.1 unserer
Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Zusatzversi-
cherung fällt, nur den Pauschalbetrag für den Aufenthalt
auf der allgemeinen Abteilung eines auf der Spitalliste
Ihres Wohnsitzkantons aufgeführten öffentlichen, Ihrem
Leiden entsprechenden Spitals übernehmen werden, alles
inbegriffen (Pensionskosten, Aerztehonorare usw.)."

     b) Weder nach dem Wortlaut noch nach dem Inhalt kann
aus dieser Formulierung abgeleitet werden, die Krankenver-
sicherung habe eine Kostenübernahme zugesichert. Nichts
anderes ergibt sich aus dem Kontext. Die ASSURA hielt
explizit fest, dass das Dossier zusätzlicher Abklärungen
bedürfe. Aus dieser Äusserung kann einzig geschlossen
werden, dass die Krankenversicherung noch keine Entschei-
dung bezüglich der Kostenübernahme getroffen hatte. Ferner
zeigt das Verhalten der Beschwerdeführerin und ihres Chi-
rurgen, dass sie nicht auf eine Kostenübernahme vertrauten.
Dr. med. Y.________ lieferte seinen Bericht am 20. Septem-

ber 1999 an die ASSURA ab und setzte den Behandlungsbeginn
auf den 10. November 1999 fest. Die Beschwerdeführerin
liess sich, ohne den Entscheid der ASSURA abzuwarten und
entgegen den Auskünften des Dr. med. Y.________ bereits am
13./14. Oktober 1999 operieren und stellte den Bericht der
Frau Dr. med. X.________ vom 12. Oktober 1999 erst danach
der Krankenversicherung zu. Damit aber übernahm die Be-
schwerdeführerin bewusst das Kostenrisiko.
     Zusammengefasst ist festzuhalten, dass die Voraus-
setzungen des Vertrauensschutzes (siehe Erw. 2b) nicht vor-
liegen und die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch in diesem
Punkt abzuweisen ist.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen,
     soweit darauf einzutreten ist.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
     rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
     Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 29. August 2002

                    Im Namen des
                     Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                        Die Vorsitzende der II. Kammer:

               Der Gerichtsschreiber: