Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Anklagekammer 8G.47/2001
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8G.47/2001/gnd

                A N K L A G E K A M M E R
                *************************

                     14. August 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Nay, Vizepräsident der
Anklagekammer, Bundesrichter Wiprächtiger, Bundes-
richterin Escher und Gerichtsschreiber Monn.

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                        In Sachen

X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Martin Neese, Baarerstrasse 12, Zug,

                          gegen

Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale
Rechtshilfe, Sektion Auslieferung,

                       betreffend
                Auslieferungshaftbefehl,

          zieht die Anklagekammer in Erwägung:

     1.- a) X.________ wird verdächtigt, im Laufe des
Jahres 1998 im Firmenkomplex der A.________, B.________
und C.________ gutgläubige Kapitalanleger in vorgefasster
Absicht betrogen bzw. deren anvertraute Gelder in Millio-
nenhöhe treuwidrig verwendet zu haben.

        Aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts
Würzburg vom 9. Juli 2001 sowie eines am 24. Juli 2001
von Interpol Wiesbaden übermittelten Begehrens beauf-
tragte das Bundesamt für Justiz am 24. Juli 2001 die
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug mit der Festnahme von
X.________. Die Festnahme erfolgte am 25. Juli 2001 in
Zug.

        Nachdem X.________ mit einer vereinfachten
Auslieferung im Sinne von Art. 54 IRSG nicht einver-
standen war, erliess das Bundesamt für Justiz am 26. Juli
2001 gegen ihn einen Auslieferungshaftbefehl.

        b) X.________ erhebt Beschwerde nach Art. 48
Abs. 2 IRSG gegen den Auslieferungshaftbefehl. Er bean-
tragt, der Auslieferungshaftbefehl vom 26. Juli 2001 und
damit die Auslieferungshaft seien aufzuheben. Eventuell
seien der Auslieferungshaftbefehl und die Auslieferungs-
haft gegen Auflage einer angemessenen Kaution und einer
Schriftensperre aufzuheben.

        Das Bundesamt für Justiz beantragt in seiner
Vernehmlassung, die Beschwerde sei unter Kostenfolge
abzuweisen.

        In seiner Stellungnahme zur Vernehmlassung des
Bundesamtes für Justiz hält der Beschwerdeführer an
seinen Anträgen fest.

     2.- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
bildet die Verhaftung des Beschuldigten während des
ganzen Auslieferungsverfahrens die Regel (BGE 117 IV 359
E. 2a). Eine Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls
rechtfertigt sich nur ausnahmsweise, wenn der Verfolgte
voraussichtlich sich der Auslieferung nicht entzieht und
die Strafuntersuchung nicht gefährdet (Art. 47 Abs. 1
lit. a IRSG), wenn er ohne Verzug nachweisen kann, dass
er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war (sogenannter
Alibibeweis, Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG), wenn gemäss
Art. 47 Abs. 2 IRSG wegen fehlender Hafterstehungsfähig-
keit oder aus anderen Gründen die Anordnung anderer
sichernder Massnahmen als genügend erscheint, wenn das
Ersuchen und dessen Unterlagen nicht rechtzeitig ein-
treffen (Art. 50 Abs. 1 IRSG) oder sich die Auslieferung
als offensichtlich unzulässig erweist (Art. 51 Abs. 1
IRSG); ferner ist die Auslieferungshaft aufzuheben, wenn
die Auslieferung abgelehnt wird oder der ersuchende Staat
den Auszuliefernden nicht fristgerecht übernimmt (Art. 61
IRSG); die Aufzählung ist nicht abschliessend (vgl. BGE
117 IV 359 E. 2a). Diese Regelung soll der Schweiz er-
lauben, ihren staatsvertraglichen Auslieferungspflichten
nachzukommen; es sind daher an die Voraussetzungen für
die Anordnung der provisorischen Auslieferungshaft
weniger strenge Anforderungen zu stellen als sie für die
Verhängung der Untersuchungshaft gelten; auch das Absehen
von der Auslieferungshaft bzw. die ausnahmsweise zu ge-
währende provisorische Haftentlassung ist deshalb an

strengere Voraussetzungen gebunden als der Verzicht auf
die gewöhnliche Untersuchungshaft im Strafverfahren bzw.
die Entlassung aus einer solchen (vgl. BGE 111 IV 108
E. 2).

        Vorbringen gegen die Auslieferung als solche
bzw. die Begründetheit des Auslieferungsbegehrens sind
nicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren, sondern im
eigentlichen Auslieferungsverfahren zu prüfen (vgl. BGE
119 Ib 193 E. 1c). Die einzige Ausnahme von diesem Grund-
satz bildet die offensichtliche Unzulässigkeit der Aus-
lieferung (Art. 51 Abs. 1 IRSG; BGE 111 IV 108 E. 3a;
vgl. auch BGE 117 IV 359 E. 2).

        b) Der Beschwerdeführer macht in seiner Be-
schwerde geltend, die Ausführungen im Haftbefehl des
Amtsgerichts Würzburg vom 9. Juli 2001 seien weitgehend
offenkundig aktenwidrig. Selbst wenn sie zutreffend
wären, schlössen sie eine Beteiligung des Beschwerde-
führers an irgendwelchen Straftaten offenkundig aus. Es
fehle mithin schon an einem hinreichenden Tatverdacht,
der eine Auslieferungshaft rechtfertigen könnte. Im
einzelnen sei - unter anderem - festzuhalten,

        - dass der Beschwerdeführer gemäss Handels-
registerauszug vom 19. Februar 2001 weder Gründer noch
je Organ oder Arbeitnehmer der A.________  gewesen sei,

        - dass nach den Ausführungen des Amtsgerichts
Würzburg die Geschäftsanteile der B.________ von der
A.________  gehalten würden, weshalb der Beschwerdeführer
auch auf die Tätigkeit der B.________ keinen Einfluss und
in der Gesellschaft keine Funktion gehabt habe,

        - dass der Beschwerdeführer die C._________
gekauft habe und vom 22. Februar bis 13. November 2000
Präsident von deren Verwaltungsrat gewesen sei, weshalb
er im Jahre 1998 in keiner Funktion für die Gesellschaft
tätig gewesen sei,

        - und dass sich aus einem Handelsregisterauszug
vom 1. Dezember 2000 ergebe, dass er zum angeblichen
Tatzeitpunkt überhaupt keine Funktion bekleidet habe.

        Diese Vorbringen sind nicht geeignet darzulegen,
dass der Auslieferungshaftbefehl aufgehoben werden
müsste. Sie richten sich gegen die Auslieferung als
solche, und es ist Sache des eigentlichen Auslieferungs-
verfahrens, die Begründetheit des Auslieferungsbegehrens
zu prüfen.

        Da es um einen "extrem verschachtelten Firmen-
komplex" geht (Haftbefehl des Amtsgerichts Würzburg vom
9. Juli 2001 S. 1), kann von "schlichtweg aktenwidrigen"
Ausführungen (Stellungnahme des Beschwerdeführers S. 2
oben) nicht die Rede sein, weshalb die Auslieferung auch
nicht offensichtlich unzulässig im Sinne von Art. 51
Abs. 1 IRSG ist.

        c) Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, es
bestehe keine Verdunkelungs- und Fluchtgefahr. Er sei
seit 1. Januar 1982 in Z.________ gemeldet und habe seit
dem 1. Februar 2001 mit seiner an psychischem Rheuma
leidenden, aber nun nicht mehr bettlägerigen Ehefrau den
Wohnsitz von Deutschland dorthin verlegt (Stellungnahme
S. 2).

        Es ist davon auszugehen, dass dem Beschwerde-
führer, der sich einer vereinfachten Auslieferung wider-
setzt, in Deutschland eine erhebliche Freiheitsstrafe
droht. Seine Verbindung zu Z.________, wo er erst seit
Februar 2001 ständig wohnt, schliesst nicht aus, dass er
sich mit seiner Ehefrau, die ihn in der Haft besucht hat
und deshalb offenbar mobil ist, ins Ausland absetzt,
zumal er dorthin gute Verbindungen besitzt und über Konti
im Ausland verfügen könnte (Haftbefehl des Amtsgerichts
Würzburg vom 9. Juli 2001 S. 7). Unter den gegebenen Um-
ständen ist Fluchtgefahr zu bejahen.

        Da Fluchtgefahr besteht, muss nicht weiter ge-
prüft werden, wie es sich mit der Verdunkelungsgefahr
verhält.

        d) Schliesslich macht der Beschwerdeführer
geltend, seine Anwesenheit im Strafverfahren könne auch
durch mildere Massnahmen - etwa die Auflage einer ange-
messenen Kaution und eine Schriftensperre - sicherge-
stellt werden. Seine Ehefrau sei in der Lage, eine
Lebensversicherung zu beleihen und so etwa 100'000
Franken als Sicherheit aufzubringen (Beschwerde S. 4
unten).

        Die finanzielle Lage des Beschwerdeführers ist
unbekannt. Deshalb kann nicht geprüft werden, inwieweit
eine Kaution in Höhe von 100'000 Franken den Beschwerde-
führer mit grösster Wahrscheinlichkeit von einer allfäl-
ligen Flucht abhalten könnte.

        Unter den gegebenen Umständen vermag auch eine
Schriftensperre keine ausreichende Gewähr dafür zu

bieten, dass der Beschwerdeführer bis zum Abschluss des
Auslieferungsverfahrens in der Schweiz verbleibt.

        e) Die Auslieferungshaft erweist sich unter den
gegebenen Umständen auch als verhältnismässig.

     3.- Es kann nicht gesagt werden, der Beschwerde-
führer habe das vorliegende Beschwerdeverfahren leicht-
fertig veranlasst (Art. 48 Abs. 2 IRSG in Verbindung mit
Art. 219 Abs. 3 BStP), weshalb auf die Erhebung einer
Gerichtsgebühr zu verzichten ist.

           Demnach erkennt die Anklagekammer:

     1.- Die Beschwerde wird abgewiesen.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem
Bundesamt für Justiz schriftlich mitgeteilt.

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Lausanne, 14. August 2001

               Im Namen der Anklagekammer
           des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
    Der Vizepräsident:         Der Gerichtsschreiber: