Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Anklagekammer 8G.44/2001
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8G.44/2001/gnd

                A N K L A G E K A M M E R
                *************************

                     13. August 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Nay, Vizepräsident der
Anklagekammer, Bundesrichter Wiprächtiger, Bundes-
richterin Escher und Gerichtsschreiber Monn.

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                        In Sachen

A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch
Rechtsanwalt Pierre-Marie Waldvogel, Am Schanzengraben
27, Postfach, Zürich,

                          gegen

Bundesamt für   J u s t i z, Abteilung Internationale
Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, Beschwerdegegner,

                       betreffend
                Auslieferungshaftbefehl,

          zieht die Anklagekammer in Erwägung:

     1.- a) B.________ wird verdächtigt, am 12. Januar
1998 in Amsterdam zusammen mit einem Mittäter eine Person
vorsätzlich getötet zu haben. Ferner wird er verdächtigt,
am 11. Juli 1997 ebenfalls zusammen mit einem Mittäter
versucht zu haben, eine andere Person zu töten.

        Gestützt auf einen Haftbefehl der Staatsanwalt-
schaft Amsterdam vom 4. November 1998 ersuchte Interpol
Den Haag die Schweiz am 29. Juni 2001 um Festnahme von
B.________, alias C.________, zum Zweck der Aus-
lieferung. Das Bundesamt für Justiz, Sektion Ausliefe-
rung, ordnete am 2. Juli 2001 die provisorische Aus-
lieferungshaft an gegen B.________, alias A.________,
alias C.________. Am 6. Juli 2001 wurde eine Person vor
dem Asylantenzentrum in Solothurn angehalten und
festgenommen.

        Die festgenommene Person erklärte anlässlich
ihrer Abhörung am 9. Juli 2001, sie sei mit der im Er-
suchen von Interpol Den Haag vom 29. Juni 2001 erwähnten
Person nicht identisch und zudem mit einer vereinfachten
Auslieferung im Sinne von Art. 54 IRSG nicht einver-
standen.

        In der Folge erliess das Bundesamt für Justiz am
10. Juli 2001 gegen B.________ (bzw. die festgenommene
Person) einen Auslieferungshaftbefehl.

        b) Unter dem Namen A.________ erhebt die fest-
genommene Person Beschwerde nach Art. 48 Abs. 2 IRSG
gegen den Auslieferungshaftbefehl. A.________ macht
geltend, er sei mit der im Auslieferungshaftbefehl ge-
nannten Person nicht identisch. In den Akten befänden
sich keine Unterlagen, die die Identität bestätigen
würden. Mangels aktenmässig nachvollziehbar geklärter
Identität mit der im Ersuchen bezeichneten Person be-
antrage er, den "gegen A.________ erlassenen" Auslie-
ferungshaftbefehl aufzuheben und ihn unter angemessener
Entschädigung und Genugtuung auf freien Fuss zu setzen.
Auch für den Fall, dass das Bundesamt für Justiz nach-
träglich doch noch eine rechtsgenügende Verknüpfung
zwischen dem Beschwerdeführer und der gesuchten Person
aktenmässig belegen könnte, sei ihm eine angemessene
Entschädigung für das bisherige Auslieferungshaftver-
fahren zu entrichten, da gemäss Art. 46 Abs. 2 BStP ein
Anspruch auf genaue Bezeichnung der Person des Beschul-
digten bzw. Verfolgten bestehe.

        Das Bundesamt für Justiz beantragt in seiner
Vernehmlassung, die Beschwerde sei unter Kostenfolge
abzuweisen.

        In seiner Stellungnahme zur Vernehmlassung des
Bundesamtes für Justiz hält der Beschwerdeführer an
seinen Anträgen fest.

     2.- a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
bildet die Verhaftung des Beschuldigten während des
ganzen Auslieferungsverfahrens die Regel (BGE 117 IV 359
E. 2a). Eine Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls
rechtfertigt sich nur ausnahmsweise. Dies ist z.B. der
Fall, wenn der Verfolgte ohne Verzug nachweisen kann,
dass er zur Zeit der Tat nicht am Tatort war (sogenannter
Alibibeweis, Art. 47 Abs. 1 lit. b IRSG), oder wenn sich

die Auslieferung als offensichtlich unzulässig erweist
(Art. 51 Abs. 1 IRSG).

        Vorbringen gegen die Auslieferung als solche
bzw. die Begründetheit des Auslieferungsbegehrens sind
nicht im vorliegenden Beschwerdeverfahren, sondern im
eigentlichen Auslieferungsverfahren zu prüfen (vgl. BGE
119 Ib 193 E. 1c). Die einzige Ausnahme von diesem Grund-
satz bildet die offensichtliche Unzulässigkeit der Aus-
lieferung (Art. 51 Abs. 1 IRSG; BGE 111 IV 108 E. 3a).

        b) Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde
geltend, er sei mit der im Ersuchen und im Auslieferungs-
haftbefehl genannten Person nicht identisch.

        Das Bundesamt für Justiz führt dazu in seiner
Vernehmlassung aus, nach der Abhörung des Beschwerde-
führers vom 9. Juli 2001 sei Interpol Den Haag gebeten
worden, die Fingerabdrücke der von den dortigen Behörden
gesuchten Person zu übermitteln. Diese Fingerabdrücke
seien von Interpol Den Haag am 10. Juli 2001 dem Bundes-
amt zugestellt worden. Somit habe die Überprüfung mit dem
schweizerischen Fingerabdruckbogen umgehend vorgenommen
werden können. Am 11. Juli 2001 habe der Erkennungsdienst
des Bundesamtes für Polizei festgestellt, dass der Be-
schwerdeführer mit der von den niederländischen Behörden
gesuchten Person identisch ist, und am 2. August 2001
habe der Erkennungsdienst des Bundesamtes für Polizei den
Beschwerdeführer auf Grund einer daktyloskopischen Ver-
gleichsanalyse erneut als die gesuchte Person identi-
fiziert.

        Der Beschwerdeführer macht dagegen in seiner
Stellungnahme zur Vernehmlassung des Bundesamtes für

Justiz geltend, es gehe um die grundsätzliche Frage, in
welcher Form die Identität eines Angeschuldigten akten-
mässig erstellt sein müsse, damit eine Haftanordnung
überhaupt zulässig sei. Es müsse aktenmässig erstellt
sein, dass die Identität der auszuliefernden Person
formell mit derjenigen des Beschwerdeführers überein-
stimme. Diese Übereinstimmung sei zumindest zum Zeitpunkt
der Haftbeschwerde aber nicht aktenmässig erstellt
gewesen. Das durch die Haftbeschwerde ausgelöste Ver-
halten des Bundesamtes für Justiz belege, dass zum Zeit-
punkt der Anhängigmachung der Beschwerde keine den kon-
kreten Umständen genügende Überprüfung der Identität
vorgelegen habe.

        Was der Beschwerdeführer aus diesen Argumenten
gegen den Auslieferungshaftbefehl ableiten will, ist
nicht recht ersichtlich. Er kommt abschliessend selber
zum Schluss, wenn sich nun durch ein nachträglich zu den
Akten gebrachtes Dokument ergeben sollte, dass die
Identität genügend geklärt sei, könne dies im Resultat
dazu führen, dass sich die "Ausschaffungshaft" als for-
mell gerechtfertigt erweise (Stellungnahme S. 4 oben).
Nachdem er selber nicht bestreitet, dass die daktylos-
kopische Vergleichsanalyse die Identität zwischen ihm und
der in den Niederlanden gesuchten Person eindeutig be-
stätigt hat, ist das Festhalten an der Beschwerde gerade-
zu trölerisch.

     3.- Der Beschwerdeführer verlangt gestützt auf
Art. 46 Abs. 2 BStP eine Entschädigung für das bisherige
Auslieferungshaftverfahren. Diese Bestimmung, die den
Haftbefehl in einem Bundesstrafverfahren betrifft, sieht
vor, dass der Beschuldigte im Haftbefehl genau zu be-

zeichnen ist. Analog bestimmt Art. 28 Abs. 1 lit. d IRSG,
dass in einem Auslieferungsersuchen möglichst genaue und
vollständige Angaben über die Person aufzuführen sind,
gegen die sich das Verfahren richtet.

        Auch in diesem Punkt ist die Beschwerde mut-
willig. Der Beschwerdeführer benutzt mehrere Namen, und
bei B.________ und A.________ handelt es sich um ein und
dieselbe Person, nämlich um ihn. Es ist nicht zu be-
anstanden, dass das Bundesamt für Justiz für den Auslie-
ferungshaftbefehl denjenigen Namen des Beschwerdeführers
verwendete, unter dem er in den Niederlanden gesucht
worden war. Das Bundesamt für Justiz hält zu Recht fest,
dass nicht entscheidend ist, welcher Name schlussendlich
der richtige ist, sondern dass die Identität der auszu-
liefernden Person mit derjenigen des Beschwerdeführers
übereinstimmt. Von einem Anspruch des Beschwerdeführers
auf Entschädigung für das bisherige Auslieferungshaft-
verfahren kann nicht die Rede sein.

     4.- Die Kosten können dem Beschwerdeführer auferlegt
werden, wenn er das vorliegende Verfahren leichtfertig
veranlasst hat (Art. 48 Abs. 2 IRSG in Verbindung mit
Art. 219 Abs. 3 BStP).

        Selbst wenn man annimmt, die Beschwerde sei zu
jenem Zeitpunkt, als die Übereinstimmung der gesuchten
Person mit dem Beschwerdeführer noch nicht feststand,
vertretbar gewesen, so ist es doch unverständlich, dass
der Beschwerdeführer auch dann noch an seiner Beschwerde
festhielt, nachdem die Übereinstimmung unzweifelhaft
festgestellt worden war. Mindestens teilweise hat er
deshalb die Kosten des vorliegenden Verfahrens leicht-
fertig verursacht, weshalb ihm eine reduzierte Gerichts-
gebühr aufzulegen ist.

           Demnach erkennt die Anklagekammer:

     1.- Die Beschwerde wird abgewiesen.

     2.- Dem Beschwerdeführer wird eine Gerichtsgebühr
von Fr. 800.-- auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem
Bundesamt für Justiz schriftlich mitgeteilt.

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Lausanne, 13. August 2001

               Im Namen der Anklagekammer
           des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                   Der Vizepräsident:

                 Der Gerichtsschreiber: