Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6P.183/2001
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6P.183/2001/pai

                K A S S A T I O N S H O F
                *************************

                      16. März 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des
Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, Karlen und
Gerichtsschreiber Näf.

                        _________

                        In Sachen

X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch die
Rechtsanwälte Dr. Peter Dietsche und Peter Volkart,
Eisenbahnstrasse 41, Rorschach,

                          gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons   T h u r g a u,
Obergericht des Kantons   T h u r g a u,

                        betreffend
                   Art. 9, 29 Abs. 1 BV
    (Strafverfahren; Willkür, rechtliches Gehör etc.),

                wird in Erwägung gezogen:

     1.- Das Obergericht des Kantons Thurgau verurteilte
den Beschwerdeführer am 17. April 2001 wegen mehrfacher
Widerhandlung gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren
Wettbewerb im Sinne von Art. 23 i.V.m. Art. 3 lit. b
und/oder Art. 3 lit. h UWG sowie wegen mehrfacher Wider-
handlung gegen das Lotteriegesetz im Sinne von Art. 38 LG
zu einer Gefängnisstrafe von zehn Wochen, bedingt voll-
ziehbar bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie zu
einer Busse von 50'000 Franken.

        Der Beschwerdeführer ficht das Urteil mit eidge-
nössischer Nichtigkeitsbeschwerde und mit staatsrechtli-
cher Beschwerde an. Mit der Letzteren beantragt er die
Aufhebung des Entscheids.

     2.- Der Beschwerdeführer beanstandet einleitend in
allgemeiner Form das Vorgehen der Untersuchungsbehörden
und der kantonalen Gerichte (staatsrechtliche Beschwerde
S. 4 - 6). Damit legt er nicht substantiiert dar, inwie-
fern die angerufenen Verfassungsgrundsätze, die sich aus
Art. 9 und Art. 29 Abs. 1 BV ergeben, verletzt worden
seien.

        Auf die Beschwerde ist daher insoweit nicht ein-
zutreten.

     3.- Der Beschwerdeführer macht geltend, die der An-
nahme seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäss
Art. 6 VStrR zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststel-
lungen des Obergerichts seien willkürlich und in Verlet-
zung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör getroffen
worden. Was er dazu vorbringt (staatsrechtliche Beschwerde
S. 6 f.), ist zum einen unzulässige appellatorische Kritik
und geht zum andern an der Sache vorbei. Das Obergericht
hat in seinen Erwägungen zur strafrechtlichen Verantwort-
lichkeit (angefochtenes Urteil S. 24 ff., E. 4) entgegen
einer Behauptung in der Beschwerdeschrift (S. 7) nicht
angenommen, der Beschwerdeführer "leite effektiv die Ge-
schäfte der A.________ AG, namentlich die Aussendungen in
Text und Aufmachung", und solches ist zur Bejahung einer
strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers
gemäss Art. 6 VStrR auch nicht erforderlich. Im Übrigen
kann auf das Urteil zur eidgenössischen Nichtigkeits-
beschwerde (E. 2) verwiesen werden.

     4.- Der Beschwerdeführer macht geltend, die Feststel-
lungen des Obergerichts über seine Kenntnis betreffend den
wesentlichen Inhalt der inkriminierten Postsendungen seien
willkürlich bzw. aktenwidrig. Was er dazu vorbringt
(staatsrechtliche Beschwerde S. 8), ist zum einen unzuläs-
sige appellatorische Kritik und geht zum andern an der
Sache vorbei. Dass der Beschwerdeführer sich gemäss seinen
in der staatsrechtlichen Beschwerde zitierten Aussagen im
kantonalen Verfahren dafür eingesetzt habe, dass die Post-
sendungen "die Grenze des (straf-)rechtlich Zulässigen in
keinem Fall tangieren", berührt nicht die Frage, ob er den
wesentlichen Inhalt der Postsendungen und damit das Wesen
der Geschäftsstrategie des Unternehmens gekannt habe. Wie

die allfällige Meinung des Beschwerdeführers, dass die
Postsendungen höchstens allenfalls im Sinne der General-
klausel (Art. 2 UWG) und damit nicht strafrechtlich rele-
vant unlauter sein könnten, in Bezug auf den Vorsatz zu
werten sei, ist eine Frage des eidgenössischen Rechts,
über die im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
nicht zu befinden ist.

     5.- Der Beschwerdeführer macht geltend, das Oberge-
richt habe sich bei der Beantwortung der Frage nach dem
Vorliegen eines gültigen Strafantrags vielfach auf einzel-
ne Aktenstücke abgestützt, welche zufällig aus der Masse
des Prozessstoffes ausgewählt worden seien. Es habe mehr-
mals nur die erste, an eine thurgauische oder andere Un-
tersuchungsbehörde gerichtete Eingabe eines angeblichen
Geschädigten herangezogen, ohne die weitere Korrespondenz
mit dem Verhörrichteramt in Betracht zu nehmen. Etliche
Male habe es die Eingaben von angeblichen Geschädigten in
Ansehung einer einzigen Wendung interpretiert, ohne diese
in den Zusammenhang mit andern Passagen zu stellen und
nach dem Gesamtsinn der Eingabe zu fragen. Der Beschwerde-
führer listet 13 Anklagepunkte auf, in welchen das Oberge-
richt willkürlich angenommen habe, es liege ein gültiger
Strafantrag vor. Er macht im Wesentlichen geltend, in
allen diesen Fällen sei der Wille der angeblichen Geschä-
digten nicht auf eine Bestrafung der Verantwortlichen der
A.________ AG, sondern vielmehr auf eine Auszahlung der
angeblich bzw. vermeintlich versprochenen Gewinne
gerichtet gewesen, wie sich aus den Korrespondenzen erge-
be, welche das Obergericht willkürlich ausser Acht gelas-
sen habe. Die Schreiben der angeblichen Geschädigten lies-
sen sich entgegen der willkürlichen Auffassung des Oberge-
richts nicht als Strafanträge wegen Widerhandlungen gegen

das UWG, sondern in einzelnen Fällen allenfalls höchstens
als Strafanzeigen wegen Offizialdelikten, etwa wegen Be-
trugs oder Widerhandlungen gegen das Lotteriegesetz, qua-
lifizieren (staatsrechtliche Beschwerde S. 9 - 15).

        Wie eine bestimmte Äusserung zu interpretieren
und ob sie als Strafantrag wegen Widerhandlung gegen das
UWG bzw. allenfalls als Rückzug eines solchen Strafantrags
zu qualifizieren sei, ist eine Frage des eidgenössischen
Rechts, die im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde
nicht zur Entscheidung gestellt werden kann. Wohl mag sich
aus den Korrespondenzen, welche das Obergericht nach der
Meinung des Beschwerdeführers willkürlich ausser Acht
gelassen hat, ergeben, dass es den Betroffenen in erster
Linie um die Auszahlung der ihnen versprochenen Gewinne
gegangen sei. Dies bedeutet indessen entgegen der Auffas-
sung des Beschwerdeführers nicht, dass die Betroffenen
nicht auch eine Bestrafung der Verantwortlichen der
A.________ AG gewünscht hätten. Die erfolgreiche Durch-
setzung eines Zivilanspruchs im Strafverfahren setzt in
der Regel unter anderem eine strafrechtliche Verurteilung
des Beklagten wegen des den angeblichen Zivilanspruch
begründenden Verhaltens voraus, und auch im Falle der
Geltendmachung des Zivilanspruchs ausserhalb des Strafver-
fahrens ist eine strafrechtliche Verurteilung des Beschul-
digten hilfreich; die Verurteilung wegen eines Antragsde-
likts setzt aber unter anderem einen gültigen Strafantrag
voraus. Unerheblich ist auch, dass wohl mancher Betroffene
im Falle der Auszahlung des geforderten Gewinns seinen
Strafantrag wieder zurückgezogen hätte. Im Übrigen kann
auf das Urteil zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde
(E. 6) verwiesen werden.

        Die staatsrechtliche Beschwerde ist daher auch in
diesem Punkt abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

     6.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Be-
schwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen.

            Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der
Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Thurgau
sowie der Bundesanwaltschaft und dem Eidgenössischen Jus-
tiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

                        _________

Lausanne, 16. März 2002

               Im Namen des Kassationshofes
            des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
      Der Präsident:         Der Gerichtsschreiber: