Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6P.11/2001
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6P.11/2001/bmt
6S.25/2001
                 K A S S A T I O N S H O F
                 *************************

                     18. September 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des Kas-
sationshofes, Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger und
Gerichtsschreiber Weissenberger.

                         ---------

                         In Sachen

A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Kaspar Noser, Dorfstrasse 7, Postfach 160, Kaltbrunn,

                           gegen

Staatsanwaltschaft I des Kantons  U r i,
Obergericht des Kantons  U r i, Strafrechtliche Abteilung,

                         betreffend
             versuchte schwere Körperverletzung
         Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK
       (Strafverfahren; willkürliche Beweiswürdigung,
     rechtliches Gehör, Grundsatz "in dubio pro reo"),

hat sich ergeben:

     A.- Am 12. Januar 1997 kam es um 02.45 Uhr vor dem
Dancing "Babilonia" in Altdorf zwischen A.________,
B.________ und C.________ einerseits sowie D.________
anderseits zu einer Schlägerei, in deren Verlauf Letzterer
drei Messerstiche in die Bauch- und Brustgegend erlitt.

     B.- Mit Urteil vom 1. Dezember 1998 sprach das Landge-
richt Uri A.________ der versuchten schweren Körperverlet-
zung sowie des Raufhandels schuldig. Es verurteilte ihn zu
einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und zehn Tagen und zu
einer unbedingten Landesverweisung von fünf Jahren.

        Das Obergericht des Kantons Uri wies am 20. Juli
1999 eine Berufung des Verurteilten ab.

        In Gutheissung einer staatsrechtlichen Beschwerde
von A.________ hob das Bundesgericht am 7. März 2000 das
angefochtene Urteil auf und wies die Sache zur neuen Beur-
teilung an das Obergericht des Kantons Uri zurück; eine
parallel dazu eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde wurde
zufolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben.

     C.- Mit Urteil vom 8. Juni 2000 wies das Obergericht
des Kantons Uri die Berufung von A.________ erneut ab.

        A.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit
dem Antrag, das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri vom
8. Juni 2000 aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, ihn
freizusprechen. Er erhebt zugleich eidgenössische Nichtig-

keitsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben und an die Vorinstanz zur neuen Ent-
scheidung zurückzuweisen.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

I. Staatsrechtliche Beschwerde

     1.- Das Bundesgericht hat am 7. März 2000 den ersten
Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri vom 20. Juli 1999
aufgehoben mit der Begründung, bei objektiver Würdigung des
ganzen Beweisergebnisses blieben offensichtlich erhebliche
und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an der
Schuld des Beschwerdeführers bestehen, weshalb sich die Be-
weiswürdigung des Obergerichtes in den angefochtenen Punkten
als willkürlich erweise (Urteil Bundesgericht, E. 6).

        Bei der Neubeurteilung hat das Obergericht aus-
schliesslich auf der Grundlage der bestehenden Aktenlage
entschieden. Nach deren erneuten Würdigung gelangt es zur
Überzeugung, dass der Berufungskläger am 12. Januar 1997,
um 02.45 Uhr, D.________ durch drei Messerstiche verletzt
hat (angefochtenes Urteil S. 27 f. Ziff. 6).

     2.- Der Beschwerdeführer rügt in mehrfacher Hinsicht
eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

        a) Der Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör
wird zunächst durch die kantonalen Verfahrensvorschriften
umschrieben; erst wo sich dieser Rechtsschutz als ungenü-
gend erweist, greifen die unmittelbar aus Art. 29 Abs. 2 BV

fliessenden bundesrechtlichen Minimalgarantien Platz. In der
vorliegenden Beschwerde wird nicht behauptet, das Vorgehen
der Vorinstanz verletze irgendwelche kantonalen Verfahrens-
vorschriften.

        Der in Art. 29 Abs. 2 BV normierte Anspruch auf
rechtliches Gehör umfasst die Rechte der Parteien auf Teil-
nahme am Verfahren und auf Einflussnahme auf den Prozess der
Entscheidfindung. In diesem Sinne dient das rechtliche Gehör
einerseits der Sachaufklärung, andererseits stellt es ein
persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines
Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen
eingreift. Dazu gehört auch das Recht, an der Erhebung we-
sentlicher Beweise mitzuwirken oder sich zumindest zum Be-
weisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Ent-
scheid zu beeinflussen (BGE 127 I 54 E. 2a; 124 I 241 E. 2
S. 242; 121 V 150 E. 4a S. 152; 120 V 357 E. 1a S. 360; 119
Ia 260 E. 6a S. 261).

        b) aa) An der mündlichen Berufungsverhandlung vom
31. Mai 2000 wurde dem Beschwerdeführer das Recht des letz-
ten Wortes gewährt. Er bezeichnete sich nach wie vor als un-
schuldig und erklärte, etwa zwei Monate vor der Gerichtsver-
handlung hätten ihm die beiden damaligen Kollegen B.________
und C.________ gesagt, sie hätten untereinander abgemacht,
so auszusagen, dass der Vorfall zu seinen Lasten gehe. Er
bat das Gericht, mit den beiden zu reden und sie zu fragen,
warum sie damals so ausgesagt hätten (angefochtenes Urteil,
S. 7 Ziff. H).

        Der Beschwerdeführer macht geltend, eine Absprache
zwischen B.________ und C.________ würde den unberechtigten
Tatvorwurf, den sie in der Untersuchung mehrmals ihm gegen-
über erhoben hätten, erklären und ihre - ohnehin wider-
sprüchlichen - Aussagen völlig unbrauchbar machen. Zum Zeit-
punkt der Konfrontationseinvernahme am 13. Januar 1997

(act. 74) habe er keine Kenntnis von der Absprache gehabt;
er habe davon erst im April 2000 erfahren. Die Vorinstanz
habe es unterlassen, die antizipierte Beweiswürdigung zu
begründen und ihre Überlegungen offenzulegen. Sie sei damit
in Willkür verfallen und habe seinen Anspruch auf rechtli-
ches Gehör verletzt (Beschwerde, S. 14 f. Ziff. 3.5.).

        bb) Ob dem Angeklagten im Strafverfahren das Recht
des letzten Wortes zusteht, bestimmt das anwendbare Prozess-
recht. Aus Art. 29 Abs. 2 BV lässt sich die Pflicht des Ge-
richtes, den Angeklagten förmlich zum Schlusswort aufzufor-
dern, nicht herleiten, sofern dieser im bisherigen Verfahren
hinreichend Gelegenheit hatte, zu allen Punkten der Anklage
Stellung zu nehmen und seine Einwände vorzubringen (Robert
Hauser/Erhard Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht,
4. Aufl. Zürich 1999, § 82 N 11 m.N.).

        Nach der Strafprozessordnung des Kantons Uri
gewährt das Gericht dem Angeklagten das letzte Wort nach
Abschluss des Beweisverfahrens und im Anschluss an die Par-
teivorträge (Art. 185 f., Art. 219 ff. StPO Uri). Diese un-
ter den kantonalen Prozessordnungen verbreitete Regelung
(vgl. auch Hauser/Schweri, a.a.O., § 82 N 10 f.) ermöglicht
dem Angeklagten, nach formellem Abschluss des Beweisverfah-
rens Stellung zur Anklage zu nehmen. Das Gericht soll unter
dem Eindruck des Schlusswortes des Angeklagten in die Bera-
tung gehen. Neue Beweisanträge soll der Angeklagte in diesem
Verfahrensabschnitt jedoch grundsätzlich nicht mehr stellen
können.

        cc) Der Beschwerdeführer bringt pauschal vor, in
seinem Schlusswort einen Beweisantrag rechtzeitig und form-
gerecht gestellt zu haben (Beschwerde, S. 14 f.). Er legt
jedoch nicht dar, dass und inwiefern er nach dem kantonalen
Prozessrecht in diesem Verfahrenszeitpunkt überhaupt noch
einen Beweisantrag stellen konnte. Auch macht er nicht gel-

tend, er habe während des Verfahrens nicht hinreichend Gele-
genheit erhalten, zu allen Punkten der Anklage Stellung zu
nehmen und seine Einwände vorzubringen, weshalb der Ab-
schluss des Beweisverfahrens vor dem Erteilen des Schluss-
wortes Verfassungsrecht verletze. Schliesslich äussert er
sich auch nicht dazu, inwiefern sein Schlusswort mehr als
nur eine zusammenfassende Stellungnahme zu seinen während
des Beweisverfahrens vorgebrachten Einwänden gegen die
Glaubwürdigkeit von B.________ und C.________ (Plädoyer,
S. 8), denen er die Tat zuwies (vgl. schon staatsrechtliche
Beschwerde vom 6. Dezember 1999, S. 8), darstellte, und das
Obergericht seine Äusserungen als formellen Beweisantrag
unter Wiedereröffnung des Beweisverfahrens hätte entgegen-
nehmen müssen. Die unbestimmte Formulierung des Schlusswor-
tes legt die Interpretation des Beschwerdeführers jedenfalls
nicht nahe, zumal dessen Anwalt vor Obergericht zu keiner
Zeit einen derartigen Beweisantrag stellte bzw. die Wieder-
eröffnung des Beweisverfahrens beantragte. Unter diesen Um-
ständen vermag die Beschwerde insoweit den Begründungsan-
forderungen des Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht zu genügen.

        Im Übrigen hat sich das Obergericht punktuell
mit der Glaubwürdigkeit der Aussagen von B.________ und
C.________ auseinander gesetzt (vgl. nur angefochtenes
Urteil, S. 21 ff.). Indem es deren Glaubwürdigkeit bejahte,
hat es implizit die Notwendigkeit ihrer erneuten, ergän-
zenden Befragung verneint.

        c) Der Anwalt des Beschwerdeführers macht geltend,
er habe vor Obergericht das Plädoyer seines Vorgängers an
der Berufungsverhandlung vom 13. Juli 1999 zum integrieren-
den Bestandteil seines Plädoyers erklärt. Das Obergericht
hätte sich deshalb zum damaligen Einwand von Rechtsanwalt
E.________ äussern müssen, wonach die Zeugin F.________
den Beschwerdeführer schon vor dem Tatzeitpunkt ge-

kannt habe, weshalb die spätere Gegenüberstellung mit drei
Gruppen von je 5 Männern absurd sei und die Glaubwürdigkeit
der Zeugin in Frage stelle (Beschwerde, S. 21 f.).

        Diese Rüge ist offensichtlich unbegründet. Mit Gut-
heissung der staatsrechtlichen Beschwerde am 20. Juli 1999
wurde das erste Urteil des Obergerichts des Kantons Uri auf-
gehoben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz
zurückgewiesen. Das vom Obergericht wieder an die Hand ge-
nommene Verfahren war somit keine Fortsetzung der ersten
Verhandlung. An der neuen Berufungsverhandlung stellte der
Beschwerdeführer seine Anträge und begründete seine Beru-
fung. Soweit er dabei pauschal auf ein früheres Plädoyer im
kassierten Verfahrensschritt verwies, gab er dem Obergericht
keine Anhaltspunkte, auf welche früheren Einwände oder An-
träge er Bezug nehmen wollte. Es lag indessen nicht am Ober-
gericht, das Plädoyer im ersten Berufungsverfahren nach An-
trägen und Einwänden abzusuchen, die der Beschwerdeführer
im zweiten Berufungsverfahren nicht ausdrücklich erneuerte.
Mit Blick auf eine wirksame Verteidigung hatte vielmehr der
Beschwerdeführer alle wesentlichen Einwände und Anträge im
neuen Berufungsverfahren selbst vorzubringen.

        Im Übrigen stellt auch das Obergericht fest, dass
die beiden Zeuginnen den Beschwerdeführer kannten. Es legt
dar, aus welchen Gründen sie bei ihren ersten Aussagen den
Namen des Beschwerdeführers nicht nannten (angefochtenes
Urteil, S. 16). Von einer Verletzung des Anspruchs auf
rechtliches Gehör kann somit keine Rede sein.

     3.- a) aa) Im ersten kantonalen Verfahren hielten meh-
rere tatsächliche Feststellungen des Obergerichtes einer
Willkürprüfung nicht Stand. Das Obergericht musste sich da-
her mit der Beweislage nochmals befassen. Das betraf vor
allem die Lichtverhältnisse am Tatort, die genaue Position

der an der Schlägerei beteiligten Männer sowie der Zeuginnen
(Urteil Bundesgericht, E. 2 und 3), die Widersprüche in den
Aussagen der Hauptzeugin F.________ (Urteil Bundesgericht,
E. 4) sowie die Aussagen und die mögliche Täterschaft der
beiden Belastungszeugen B.________ und C.________ (Urteil
Bundesgericht, E. 5). Das Obergericht hat sich mit diesen
Punkten zwar auseinandergesetzt, doch beruht sein Entscheid
auf einer gegenüber dem ersten Verfahren identischen Akten-
lage. Weitergehende Abklärungen wurden nicht getroffen.

        bb) Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch
darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behan-
delt zu werden. Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon
deshalb, weil eine andere Lösung ebenfalls vertretbar er-
scheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst, wenn er
offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation
in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unum-
strittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossen-
der Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür
liegt nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Ent-
scheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 125
I 166 E. 2a; 123 I 1 E. 4a, je mit Hinweisen).

        b) Das Obergericht stellt gestützt auf die Aus-
sagen von Zeugen und Auskunftspersonen fest, die Rauferei
habe sich unmittelbar im Eingangsbereich der Diskothek
abgespielt. Ausgehend von der Fotodokumentation des kri-
minaltechnischen Dienstes und unter Berufung auf "Notorie-
tät" kommt es zum Schluss, im Eingangsbereich der Diskothek
hätten verhältnismässig gute Lichtverhältnisse geherrscht.
Jedenfalls hätten die Sichtverhältnisse der Zeugin ermög-
licht, Personen, Kleiderfarben, Waffen und Blut zu erkennen
(angefochtenes Urteil, S. 6-15).

        Das Obergericht hat insbesondere keine Tatrekon-
struktion vorgenommen und es unterlassen, sich persönlich
ein Bild über den Verlauf der mit einer Körperverletzung
ausgegangenen Rauferei zu machen. Damit hat das Obergericht
aus den nachfolgenden Gründen Art. 9 BV verletzt, wie der
Beschwerdeführer zutreffend rügt.

        c) Das Obergericht stellt unter Hinweis auf zwei
bei den Akten liegenden Fotos vom Aussenbereich der Disko-
thek lediglich fest, dass sich die Tat "unmittelbar vor der
Eingangstür zum Dancing Babilonia" abgespielt habe (ange-
fochtenes Urteil, S. 10). Genauere Angaben zum Ort der
Handlung fehlen jedoch. Laut den bei den Akten liegenden
Fotos vom Tatort fand die Polizei das Opfer mehrere Meter
vom Eingang des Babilonia entfernt auf einem Parkplatz am
Boden liegend vor. Den Fotos lässt sich die genaue Distanz
zur Eingangstüre jedoch nicht entnehmen. Laut dem Polizei-
bericht zum Vorfall fand die Polizei den Verletzten "auf dem
Parkfeld, etwas unterhalb des Haupteinganges" des Babilonia
(kt. act. 5 S. 19). Insofern ist die Feststellung im ange-
fochtenen Urteil zumindest ungenau. Unter diesen Umständen
lässt sich die von der Zeugin F.________ am 21. August 1997
gemachte Aussage, wonach sie ungefähr zehn Meter vom Ort
des Ereignisses entfernt gestanden sei, nicht einfach mit
der durch Zeitablauf verfälschten Erinnerung bzw. mit der
angeblichen Angst vor einer (den Beschwerdeführer belasten-
den) Aussage abtun (angefochtenes Urteil, S. 13 f.). Für
Letzteres liegen keine ernsthaften Anhaltspunkte vor, zumal
F.________ die den Beschwerdeführer belastende Aussage nicht
grundsätzlich zurücknahm. Ihre Distanzangaben hätten das
Obergericht auch aus den folgenden Gründen zu einer ver-
tieften Abklärung anhalten müssen: Die Zeugin soll mit
ihrer Schwester "unmittelbar vor der Eingangstüre" der
Diskothek gestanden haben (angefochtenes Urteil, S. 10).
Abgesehen davon, dass G.________ weniger bestimmt aus-
sagte, sie seien "beim Ausgang der Diskothek" gestanden

(angefochtenes Urteil, S. 10), ist ihr genauer Standort
(links oder rechts vom Eingang, auf dem Treppenabsatz oder
auf der Strasse?) unbekannt. Zudem gingen die beiden Strei-
tenden nach den Aussagen von F.________ "vor das Auto", aus
dem das Opfer ausgestiegen war, bevor die Schlägerei anfing
(angefochtenes Urteil, S. 12). Ob sie sich von den Zeuginnen
entfernten und deren Sicht durch das stehende Fahrzeug oder
andere Zuschauer (angefochtenes Urteil, S. 12) behindert
wurde, hat das Obergericht nicht geprüft, obschon G.________
aussagte, sie und ihre Schwester hätten sich vom Geschehen
abgewendet, als der Streit anfing (kt. act. 8 S. 3 f.).

        Eine genaue Tatrekonstruktion einschliesslich der
Standorte der beteiligten Personen und der Distanzen zwi-
schen ihnen ist nicht zuletzt auch zur Ermittlung der Licht-
bzw. Sichtverhältnisse von Bedeutung. Das Obergericht beruft
sich bei seiner Feststellung, wonach es im Bereich der Ein-
gangstüre zum Dancing Babilonia auch bei Nacht "relativ
hell" sei, sodass "man" Personen "bestens" habe erkennen
können, "auch ein Messer in der Hand einer Person" (ange-
fochtenes Urteil, S. 11, 14 f.), auf "Notorietät". Offen-
kundige oder notorische Tatsachen sind solche, welche so
bekannt sind, dass kein vernünftiger Grund besteht, ihre
Existenz in Zweifel zu ziehen (Hauser/Schweri, a.a.O., § 59
N 21 ff.). Im hier zu beurteilenden Fall bestehen jedoch
allein schon auf Grund der Aussagen von Zeugen derart er-
hebliche Zweifel an der Qualität der Lichtverhältnisse zur
Tatzeit, dass diese nicht als allgemeinkundige Tatsache,
über die kein Beweis zu führen gewesen wäre (vgl. Hauser/
Schweri, a.a.O., ebd.), gelten können. Der Zeuge H.________
spricht von "sehr schlechten" bzw. "schlechten" Lichtver-
hältnissen (act. 5 S. 10, act. 7 S. 2). Auch G.________
betonte nach dem Vorfall die herrschende Dunkelheit, um
ihre Schwierigkeiten bei der Beschreibung der Tatbeteilig-
ten zu erklären (kt. act. 8 S. 2 f.). Diese weitgehend

übereinstimmenden Aussagen begründeten für das Obergericht
die Pflicht, die konkreten Lichtverhältnisse in der Tat-
nacht, die damaligen klimatischen Verhältnisse, den Schat-
tenwurf von rund 15 Personen usw. auf justizmässige Weise
abzuklären und in das Verfahren einzuführen.

     4.- Unüberwindliche Zweifel an der Schuld des Beschwer-
deführers ergeben sich im Zusammenhang mit der Feststellung
des Obergerichts, wonach der Beschwerdeführer das blutver-
schmierte Messer in seine linke Brusttasche gesteckt habe.

        a) Das Bundesgericht hat im ersten Urteil erwogen,
es sei auf Grund der wissenschaftlichen Untersuchung der
Lederjacke des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass der
Mann, der nach der Schlägerei ein blutverschmiertes Messer
in seine Tasche gesteckt haben solle, entweder - entgegen
den Aussagen der Zeugin - nicht eine schwarze Lederjacke
getragen (jedenfalls nicht jene, die untersucht wurde; eine
andere steht aber nicht zur Diskussion) oder aber kein blut-
verschmiertes Messer in diese Jacke gesteckt habe (Urteil
Bundesgericht, E. 4b).

        Das Obergericht bezeichnet diese Schlussfolgerung
als nicht zwingend. Es stützt sich auf die Aussagen der
Hauptzeugin F.________ und hält fest, es sei nicht davon
auszugehen, dass der Beschwerdeführer ein offenes Messer in
seine Jacke gesteckt habe, sondern ein zugeklapptes. In zu-
geklapptem Zustand müsse das Messer nicht notwendig Blut-
spuren hinterlassen, zumal die Zeugin nur an dessen Klingen-
spitze Blut gesehen haben wolle. Es sei also möglich, dass
keine Blutspuren hinterlassen worden seien. Gemäss den Aus-
sagen von F.________ habe der Beschwerdeführer das Messer
in eine Innentasche gesteckt. Es sei davon auszugehen, dass
der Berufungskläger das Messer in seiner rechten Hand ge-
habt habe. Es dürfe weiter davon ausgegangen werden,

dass das Messer in die Innentasche gesteckt worden sei und
nachdem es der Beschwerdeführer in der rechten Hand gehalten
habe, habe er es in die linke Innentasche gesteckt. Die
Tatsache, dass in der rechten Aussentasche zwar Blutspuren
gefunden worden seien, die aber nicht D.________ zugeordnet
werden konnten, müsse demnach die Aussagen der Zeugin nicht
in Frage stellen (angefochtenes Urteil, S. 17 ff. Ziff. c,
insbesondere S. 19). Auch B.________ habe zwar nicht gese-
hen, wie der Beschwerdeführer das Messer gezogen hätte, er
habe aber gesehen, wie er es wieder zugeklappt und einge-
steckt habe. Das Messer sei blutverschmiert gewesen (an-
gefochtenes Urteil; S. 19 f. Ziff. bb).

        b) Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche
Beweiswürdigung. Die Tatwaffe sei von der Polizei nicht
gefunden worden. An dem vom Institut für Rechtsmedizin
untersuchten Schmetterlings-Messer seien keine Spuren von
D.________ oder des Beschwerdeführers vorhanden gewesen.
Im Übrigen sei es eine blosse Annahme des Gerichts und durch
nichts bewiesen, dass der Täter tatsächlich mit einem der-
artigen Messer zugestochen habe. Wenn dem so wäre, hätten
Spuren hinterlassen werden müssen. Denn Schmetterlings-
Messer wiesen Löcher auf, so dass selbst im zugeklappten
Zustand von der Klinge Blut in eine Jackentasche gelangen
könne. In einem Indizienprozess dürften solche wesentlichen
Gesichtspunkte nicht einfach mit Annahmen und Spekulationen
übergangen werden (Beschwerde, S. 13 f. Ziff. 3.4.3.3. unter
Hinweis auf Foto Nr. 06 in act. 65; vgl. ferner Beschwerde,
S. 35 Ziff. 3.6.9.).

        c) Der angefochtene Entscheid hält auch insoweit
einer Willkürüberprüfung nicht Stand. Allgemein ist fest-
zuhalten, dass das Einstecken eines blutverschmierten Mes-
sers grundsätzlich immer Spuren hinterlässt, welche mit den
heutigen wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen werden
können. Vorliegend führt das Obergericht mehrfach aus,

B.________ und F.________ hätten ein blutverschmiertes
Messer gesehen (Urteil OG, S. 17, 19, 20, 22, 24). Die
Aussagen der Zeugin F.________ sind aber unbestimmt. Sie
spricht einmal von blutverschmiertem Messer; ein anderes Mal
glaubt sie, an der Spitze des offenen Messers Blut gesehen
zu haben, und schliesslich präzisierte sie, der Beschwerde-
führer habe "etwas eingesteckt, das aussah wie ein blutiges
Messer" (Urteil OG, S. 19 und 24). Ebenso unbestimmt ist der
aus diesen Aussagen gezogene Schluss des Obergerichtes, das
Messer müsse im zugeklappten Zustand nicht notwendig Blut-
spuren hinterlassen, und es sei also möglich, dass keine
Blutspuren hinterlassen worden seien (angefochtenes Urteil,
S. 19).

        Fest steht, dass das Institut für Rechtsmedizin der
Universität Zürich-Irchel an der schwarzen Lederjacke, so-
weit diese untersucht wurde, keine nachweisbaren Blutspuren
gefunden hat, welche vom Opfer D.________ stammten (kt. act.
89). Tatsache ist ferner, dass das Kantonsspital Uri beim
Opfer insgesamt drei Stichverletzungen festgestellt hat.
Zwei Stichverletzungen befanden sich an der seitlichen
Bauchwand links und eine Stichverletzung am Rücken. Die Ver-
letzungen waren scharfrandig und alle ca. 2 cm breit. Die
Verletzung am Rücken war nur oberflächlich. Die Stichver-
letzungen in der Bauchwand waren durch die gesamte Bauchwand
penetrierend. Milz, Niere und Dickdarm wurden nur um wenige
Millimeter verfehlt. Auf Grund der Blutungsspuren wurde die
Eindringtiefe der zwei Messerstiche in die Bauchhöhle vom
Chefarzt Chirurgie auf 15 - 20 cm geschätzt (kt. act. 68 und
69). Dieser objektive ärztliche Befund führt zwingend zum
Schluss, dass das zur Tat verwendete Messer nicht nur an der
Spitze Blut aufweisen konnte, sondern blutverschmiert war.
Ein Messer mit einer Klingenbreite von 2 cm und einer Länge,
welche Stiche von bis zu 20 cm erlaubt und entsprechende
Verletzungen in der stark durchbluteten Bauchhöhle verur-
sacht, kann auch in zugeklapptem Zustand - sofern es nicht

vorher gründlich gereinigt wurde - nicht in eine Lederjacke
gesteckt werden, ohne dass das betreffende Kleidungsstück
nachweisbare Blutspuren hinterlässt. Das gilt - wie der Be-
schwerdeführer zutreffend geltend macht - umso mehr, wenn
die Tatwaffe - wie vom Obergericht angenommen (angefochtenes
Urteil, S. 25, 27) - ein Schmetterlings-Messer war, weil
beim Zuklappen das an der Klinge vorhandene Blut durch die
Löcher auf den Handgriff läuft. Den Beschwerdeführer belas-
tende Blutspuren wurden aber an der gemäss angefochtenem
Urteil von ihm getragenen Lederjacke nicht gefunden.

        Dieser Umstand sowie die Tatsache, dass keine der
am Tatort anwesenden Personen - es waren etwa 10 - 15;
vgl. Urteil OG, S. 12 unter Hinweis auf act. 7 S. 2; ferner
act. 12 S. 3 - und insbesondere unbestrittenermassen nicht
die drei Belastungszeugen gesehen haben, dass der Beschwer-
deführer auf das Opfer eingestochen hat, begründen nach wie
vor nicht zu unterdrückende Zweifel an der Täterschaft des
Beschwerdeführers.

     5.- Das vorstehend Gesagte gilt nicht zuletzt auch
für die Zeugenaussagen. Sämtliche Zeugen haben sich mehr-
fach in Widersprüche verwickelt und teilweise sehr vage
Aussagen gemacht, die sich auch nicht alle auf eigene Be-
obachtungen bezogen. Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit bzw.
am Beweiswert ihrer Aussagen bestehen unvermindert und konn-
ten durch das Obergericht (angefochtenes Urteil, S. 18 ff.)
nicht beseitigt werden. Auch in diesem Zusammenhang zeigt
der Beschwerdeführer zutreffend eine einseitig zu seinen
Lasten vorgenommene Würdigung der einzelnen Zeugenaussagen
auf (Beschwerde, S. 16 ff. Ziff. 3.6). Zu nennen ist hier
namentlich die Feststellung im angefochtenen Urteil, wonach
niemand ausser dem Beschwerdeführer davon gesprochen habe,
dass er bei der Tat eine helle Stoffjacke trug (angefoch-
tenes Urteil, S. 20). Wenige Seiten weiter setzt sich das

Obergericht mit den Aussagen von F.________ auseinander und
gibt ihre Aussage als Tatsache wieder, wonach sie "mit
Sicherheit sagen könne, dass der Mann, der zu Beginn mit
D.________ eine Auseinandersetzung hatte, das Messer in
seine Stoffjacke versteckte" (angefochtenes Urteil,
S. 22 f.). Mit diesen und anderen Widersprüchen setzt sich
das Obergericht nicht auseinander.

        Ähnlich verhält es sich mit den belastenden Aus-
sagen von F.________. Diese hat nie ausgesagt, gesehen zu
haben, wie der Beschwerdeführer auf das Opfer einstach.
Nachdem sie in der ersten Befragung erklärte, gesehen zu
haben, wie der Beschwerdeführer ein blutverschmiertes Messer
in seine Jacke steckte, relativierte sie dies später dahin-
gehend, gesehen zu haben, wie er etwas eingesteckt habe, das
wie ein blutiges Messer aussah (kt. act. 114). Das erklärte
sie mit ihrer grossen Müdigkeit bei der ersten Aussage. Un-
ter diesen Umständen, in denen ihre korrekte Wahrnehmung des
Vorfalls in Frage steht, lässt sich nicht willkürfrei fest-
stellen, aus ihren Aussagen gehe hervor, dass es der Be-
schwerdeführer war, der auf das Opfer einstach (vgl. ange-
fochtenes Urteil, S. 22). Dies umso weniger, als sich allein
aus der Angst der Zeugin, den Beschwerdeführer zu belasten,
nicht erklären lässt, weshalb sie nicht schon bei den ersten
Befragungen angab, ihn zu kennen, hielt sie doch ihre belas-
tenden Aussagen bis zuletzt grundsätzlich aufrecht (vgl.
aber angefochtenes Urteil, S. 23 f.). Anhaltspunkte dafür,
dass ihre Relativierungen mit der Angst vor gewalttätigen
Albanern zusammenhängen könnten, liegen keine vor (vgl. auch
ihre Aussage in kt. act. 114 Ziff. 5 und 6, wonach niemand
sie zu beeinflussen versucht habe). Das und die Widersprüche
in ihren Aussagen zu der vom Beschwerdeführer getragenen
Jacke hätte das Obergericht zu vertiefteren Abklärungen
anhalten müssen. Das Obergericht hätte sich auch mit der
Aussage von G.________ auseinandersetzen müssen, wonach

ihre Schwester und sie sich kurz nach Beginn der fraglichen
Auseinandersetzung vom Geschehen abgewendet hätten, weil sie
nicht zusehen wollten (kt. act. 8 S. 4).

        Schliesslich ist nicht erkennbar, inwiefern aus
dem Umstand, dass nach der Tat ein Schmetterlings-Messer
in der Wohnung von B.________ gefunden wurde, diesen
vom Tatverdacht entlasten soll (angefochtenes Urteil,
S. 21). Das Obergericht hat sich trotz der unmissverständ-
lichen Ausführungen im Urteil des Bundesgerichts (Urteil BG,
E. 5b) erneut nicht ernsthaft mit der möglichen Täterschaft
von B.________ und C.________ befasst. Zutreffend legt der
Beschwerdeführer dar, dass und weshalb sowohl B.________
als auch C.________ als Täter in Frage kommen können (Be-
schwerde, S. 24 ff. Ziff. 3.6.5., insbesondere Ziff. 3.6.5.7.
und 3.6.5.9.; ferner Beschwerde, S. 33 Abs. 3 und S. 35
Ziff. 3.6.9.). Auf die überzeugenden, erhebliche Zweifel an
der Glaubwürdigkeit von B.________ und C.________ begründen-
den Vorbringen des Beschwerdeführers, auf welche das Oberge-
richt kaum eingeht, kann hier grundsätzlich verwiesen
werden.

     6.- a) Zusammenfassend ergibt sich, dass die erneute
Feststellung der tatsächlichen Vorgänge und Würdigung der im
früheren Verfahren abgenommenen Beweise ohne zusätzliche Un-
tersuchungshandlungen, mithin ohne Erweiterung der Beweis-
grundlagen, nicht geeignet ist, die bestehenden erheblichen
Zweifel an der Tatschuld des Beschwerdeführers auszuräumen.

        b) Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätz-
lich kassatorischer Natur. Das heisst, es kann mit ihr nur
die Aufhebung des angefochtenen Entscheides, nicht aber der
Erlass positiver Anordnungen verlangt werden. Eine Ausnahme

ist nur gerechtfertigt, wenn der verfassungsmässige Zustand
nicht bereits mit der Aufhebung des angefochtenen Entschei-
des herzustellen ist (BGE 118 Ia 184 E. 1d m.H.).

        Mit der teilweisen Gutheissung der staatsrechtli-
chen Beschwerde und der Aufhebung des angefochtenen Urteils
wird das Obergericht des Kantons Uri einen neuen Entscheid
unter Berücksichtigung der Erwägungen des Bundesgerichts zu
fassen haben. Der Umstand, dass das Bundesgericht in der
gleichen Sache zum zweiten Mal eine staatsrechtliche Be-
schwerde gutheisst, begründet für sich allein genommen nicht
die Notwendigkeit positiver Anordnungen. Auf die Beschwerde
ist daher nicht einzutreten, soweit damit mehr als die Auf-
hebung des angefochtenen Entscheids beantragt wird.

        c) Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen, so-
weit darauf einzutreten ist; im Übrigen ist sie abzuweisen.

        Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG) und hat der Kanton Uri den
Beschwerdeführer angemessen zu entschädigen (Art. 159 Abs. 1
und 2 OG). Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechts-
pflege gegenstandslos.

II. Nichtigkeitsbeschwerde

     7.- Mit Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde
ist die parallel eingereichte eidgenössische Nichtigkeits-
beschwerde gegenstandslos. Bei diesem Verfahrensausgang
werden praxisgemäss weder Kosten erhoben noch eine Ent-
schädigung ausgerichtet.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird teilweise
gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Uri vom 8. Juni 2000 wird aufgeho-
ben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zu-
rückgewiesen. Im Übrigen wird die staatsrechtliche Beschwer-
de abgewiesen.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Der Kanton Uri hat den Beschwerdeführer für das
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde mit Fr. 4'000.--
zu entschädigen.

     4.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zufolge Gegen-
standslosigkeit ohne Kosten- und Entschädigungsfolge
abgeschrieben.

     5.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer der Staats-
anwaltschaft I und dem Obergericht (Strafrechtliche Abtei-
lung) des Kantons Uri schriftlich mitgeteilt.
                       _____________

Lausanne, 18. September 2001

                Im Namen des Kassationshofes
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
     Der Präsident:             Der Gerichtsschreiber: