Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilabteilung 4P.298/2001
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4P.298/2001/mks

              I.  Z I V I L A B T E I L U N G
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                       20. März 2002

Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
Corboz, Klett, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und
Gerichtsschreiberin Giovannone.

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                         In Sachen

A.________,
B.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Christian Meister, Bahnhofstrasse 13, 8001 Zürich,

                           gegen

C.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Marco
Cereghetti, Dufourstrasse 56, Postfach, 8034 Zürich,
Obergericht des Kantons  Z ü r i c h, III. Zivilkammer,

                         betreffend
       Art. 36 ff. KSG; Art. 9 BV (Schiedsverfahren),

hat sich ergeben:

     A.- Die Parteien sind ehemalige Gesellschafter der-
selben Kommanditgesellschaft und hatten als solche für alle
Streitigkeiten über die Gültigkeit und die Anwendung des
Gesellschaftsvertrags eine Schiedsklausel unterzeichnet.

     B.- Mit Klage an das zu diesem Zweck gebildete Schieds-
gericht mit Sitz in Zürich beantragten A.________ und
B.________, C.________ sei aus seiner Haftung als Gesell-
schafter zur Zahlung von Fr. 648'334.-- zu verurteilen. Im
Beschluss vom 9. November 1995 erklärte das Schiedsgericht
subsidiär zum Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit
(KSG; SR 279) die zürcherische Zivilprozessordnung für an-
wendbar. Mit Urteil vom 25. Januar 2001 hiess das Schieds-
gericht die Klage im Betrag von Fr. 37'141.-- gut und wies
sie im Übrigen ab.

        Gegen den Schiedsspruch erhob C.________ Nichtig-
keitsbeschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich.
Dieses hob den Schiedsspruch auf, wies die Klage vollum-
fänglich ab und verlegte die Kosten des Schiedsverfahrens
in der vom Schiedsgericht festgelegten Höhe neu.

     C.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde beantragen
A.________ und B.________ dem Bundesgericht, den ober-
gerichtlichen Entscheid aufzuheben, eventuell ihn direkt an
das Schiedsgericht zurückzuweisen.

        Das Obergericht hat auf Vernehmlassung verzichtet,
die Vernehmlassung des Beschwerdegegners enthält keine
Anträge.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Beschwerdeführer machen zur Hauptsache geltend,
indem das Obergericht den Schiedsspruch nicht nur aufgeho-
ben, sondern in der Sache selbst entschieden und überdies
die Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens neu verteilt
habe, habe es das Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit
verletzt.

        Das Obergericht hat zu dieser Frage ausgeführt, da
die Sache spruchreif sei, habe es in Anwendung von § 292
ZPO/ZH in der Sache selbst zu entscheiden.

        a) Auf Beschwerde gegen einen letztinstanzlichen
kantonalen Entscheid wegen Verletzung des Konkordats über
die Schiedsgerichtsbarkeit gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. b OG
überprüft das Bundesgericht die Anwendung dessen Bestim-
mungen - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen -
frei (BGE 109 Ia 335 E. 5 S. 339; 112 Ia 166 E. 3b S. 169;
116 Ia 56 E. 3a S. 58, je mit Hinweisen).

        b) Das Obergericht hatte eine Nichtigkeitsbeschwer-
de gemäss Art. 36 ff. KSG zu beurteilen. Dieses Rechtsmittel
ist, wie die Beschwerdeführer zu Recht vorbringen, grund-
sätzlich kassatorischer Natur. Es steht der Beschwerdein-
stanz lediglich dann zu, den Schiedsspruch zu reformieren,
wenn sie die vom Schiedsgericht festgesetzten Entschädigun-
gen der Schiedsrichter als offensichtlich übersetzt erachtet
(Art. 40 Abs. 3 KSG) oder wenn sie zum Schluss kommt, dass
das Schiedsgericht nicht zuständig ist.

        Mit der Schiedsabrede derogieren die Parteien über-
einstimmend bewusst und willentlich die staatliche Gerichts-
barkeit. Entsprechend diesem Willen hat der Sachentscheid

durch das Schiedsgericht und nicht durch das staatliche
Gericht zu ergehen. Würde die Beschwerdeinstanz reforma-
torisch entscheiden, so träte ihr Sachurteil an die Stelle
des Schiedsspruchs. Unter diesen Umständen hätten es die
Parteien je einzeln in der Hand, die sachliche Zuständigkeit
entgegen der Schiedsabrede mittels Anfechtung des Schieds-
spruchs auf ein staatliches Gericht zu übertragen. Eine
reformatorische Kompetenz der Beschwerdeinstanz steht somit
im Widerspruch zur Derogation des staatlichen Gerichts. Wird
die Kompetenz der Beschwerdeinstanz hingegen auf die Aufhe-
bung bzw. Rückweisung beschränkt, bleibt die sachliche Zu-
ständigkeit des Schiedsgerichts auch dann gewahrt, wenn der
Schiedsspruch durch eine staatliche Instanz überprüft wird
(Lalive/Poudret/Reymond, Le droit de l'arbitrage, 1989,
Ziff. 4 zu Art. 40 KSG).

        Positivrechtlich ergibt sich die kassatorische
Natur der Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Konkordat, insbe-
sondere aus dem klaren Wortlaut des Art. 40 Abs. 1 KSG (BGE
102 Ia 574 E. 4 S. 576; Jolidon, Commentaire du Concordat
suisse sur l'arbitrage, 1984, Ziff. 21 zu Art. 39 und
Ziff. 3 zu Art. 40 KSG; Lalive/Poudret/Reymond, a.a.O.,
Ziff. 1 zu Art. 40 KSG; Rüede/Hadenfeldt, Schweizerisches
Schiedsgerichtsrecht, 2. A. 1993, § 46 VII Ziff. 5). Für
die Anwendung kantonalen Prozessrechts besteht unter diesen
Umständen kein Raum (Rüede/Hadenfeldt, a.a.O., § 3 II
Ziff. 3).

        c) Indem das Obergericht gestützt auf kantonales
Recht in der Sache entschieden hat, hat es die im Konkordat
verankerte kassatorische Natur der Nichtigkeitsbeschwerde
verkannt und damit Konkordatsrecht verletzt.

        d) Der Beschwerdegegner macht sinngemäss geltend,
die Verletzung der Konkordatsbestimmungen ändere nichts am

materiellen Ergebnis: da die Beschwerdeführer vor Oberge-
richt materiell nichts vorgebracht hätten, was die teilweise
Gutheissung der Klage nach Aufhebung des Schiedsspruchs zu
stützen vermag, müsse das Schiedsgericht im Fall einer Rück-
weisung ohnehin im Sinne der Erwägungen des Obergerichts
entscheiden.

        Der Grundsatz, dass ein Gericht im Falle der Auf-
hebung seines Entscheids an die Motive der aufhebenden Be-
hörde gebunden ist, gilt allgemein (BGE 94 I 384 E. 2; 112
Ia 166 E. 3e). Diese Bindung kann als solche ein Abweichen
von der kassatorischen Natur nicht rechtfertigen. Der Um-
stand, dass sich die Beschwerdeführer vor Obergericht nicht
materiell zum Schiedsspruch geäussert haben, kann ihnen
nicht zum Nachteil gereichen, mussten sie doch nicht damit
rechnen, dass sich das Obergericht die Kompetenz zur Ent-
scheidung in der Sache anmassen würde.

        Bei Aufhebung des Schiedsspruchs hat das Schieds-
gericht das Verfahren in dem vom Aufhebungsentscheid ge-
steckten Rahmen wieder aufzunehmen und vor der Fällung des
neuen Schiedsspruchs den Parteien selbstverständlich von
neuem das rechtliche Gehör zu gewähren (Rüede/Hadenfeldt,
a.a.O., § 46 VIII Ziff. 1d; Lalive/Poudret/Reymond, a.a.O.,
Ziff. 4 zu Art. 40 KSG). Aufgrund von § 55 der in diesem
Punkt anwendbaren zürcherischen Zivilprozessordnung trifft
das Schiedsgericht überdies eine Fragepflicht, wenn das
Vorbringen einer Partei unklar, unvollständig oder unbe-
stimmt ist.

        Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdegegners ist
das Ergebnis des schiedsgerichtlichen Entscheids unter
diesen Umständen durchaus offen. Dies umso mehr, als das
Obergericht im vorliegenden Fall die Abweisung der Klage
gerade damit begründet hat, dass der Sachverhalt ungenügend

substantiiert und eine weitergehende Substantiierung im
Beschwerdeverfahren vor Obergericht nicht möglich sei.

        e) Auch bezüglich der Verfahrens- und Parteikosten
hat sich das Obergericht nicht auf die Aufhebung des
Schiedsspruchs beschränkt, sondern die Kosten des Schieds-
verfahrens selbst neu verteilt. Auch dies stellt einen Ver-
stoss gegen die kassatorische Natur der Nichtigkeitsbe-
schwerde und damit gegen Konkordatsrecht dar.

        f) Das Kostendispositiv des obergerichtlichen
Urteils fällt mit dessen Aufhebung dahin, so dass sich die
Behandlung der eventualiter erhobenen Willkürrüge erübrigt.

        2.- Nach dem Gesagten ist die staatsrechtliche Be-
schwerde gutzuheissen und das Urteil des Obergerichts vom
18. Oktober 2001 aufzuheben. Die staatsrechtliche Beschwerde
an das Bundesgericht ist ebenfalls kassatorischer Natur. Von
diesem Grundsatz ist lediglich abzuweichen, wenn die Aufhe-
bung des kantonalen Urteils nicht genügt, um den verfas-
sungsmässigen Zustand wieder herzustellen (BGE 124 I 327
E. 4b). Dass diese Voraussetzung hier gegeben ist, machen
die Beschwerdeführer nicht geltend. Ihrem Begehren, die
Streitsache direkt an das Schiedsgericht zurückzuweisen,
ist daher nicht stattzugeben.

        Da die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde im
Wesentlichen durchdringen, rechtfertigt es sich, dem Be-
schwerdegegner die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG) und ihn zur Zahlung einer
Parteientschädigung an die Beschwerdeführer zu verpflichten
(Art. 159 Abs. 2 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird teilweise
gutgeheissen, und das Urteil des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 18. Oktober 2001 wird aufgehoben.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem
Beschwerdegegner auferlegt.

     3.- Der Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführern eine
Parteientschädigung von insgesamt Fr. 5'000.-- zu bezahlen.

     4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht
des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, schriftlich mitge-
teilt.

                       _____________

Lausanne, 20. März 2002

               Im Namen der I. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                  Die Gerichtsschreiberin: