Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.96/2001
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2A.96/2001/sch

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       29. Juni 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Müller, Ersatzrichterin
Geigy-Werthemann und Gerichtsschreiberin Müller.

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                         In Sachen

X.________, geb. 1974, Beschwerdeführer, vertreten durch
Fürsprech Jürg Walker, Solothurnerstrasse 101, Olten,

                           gegen

Departement des Innern des Kantons  S o l o t h u r n,
Verwaltungsgericht des Kantons  S o l o t h u r n,

                         betreffend
                      Familiennachzug,

hat sich ergeben:

     A.- Der aus Bosnien-Herzegowina stammende X.________,
geboren 1974, reiste am 31. Mai 1986 im Rahmen des Familien-
nachzugs in die Schweiz ein und ist im Besitze der Nieder-
lassungsbewilligung. Am 13. Oktober 1999 heiratete er in
Bosnien-Herzegowina die 1978 geborene Y.________. Am
25. Oktober 1999 stellte X.________ für seine Ehefrau ein
Familiennachzugsgesuch. Am 22. November 1999 reiste diese
in die Schweiz ein und gelangte am 2. Februar 2000 in der
Einwohnergemeinde Z.________ zur Anmeldung.

        Mit Verfügung vom 6. Juli 2000 wies das Departement
des Innern des Kantons Solothurn das Gesuch um Familiennach-
zug ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn wies
die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 23. Januar
2001 ab.

     B.- Dagegen hat X.________ am 28. Februar 2001 beim
Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben. Er be-
antragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben
und seiner Ehefrau eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen;
eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das Verwal-
tungsgericht zurückzuweisen.

        Das Amt für öffentliche Sicherheit (für das Depar-
tement des Innern) des Kantons Solothurn schliesst auf Ab-
weisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit da-
rauf einzutreten sei. Das Bundesamt für Ausländerfragen
beantragt die Abweisung der Beschwerde.

     C.- Mit Verfügung vom 29. März 2001 hat der Abteilungs-
präsident der Beschwerde antragsgemäss die aufschiebende
Wirkung zuerkannt.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Auf dem Gebiete der Fremdenpolizei ist die Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde unzulässig gegen die Erteilung
oder Verweigerung von Bewilligungen, auf die das Bundesrecht
keinen Anspruch einräumt (Art. 100 Abs. 1 lit. b OG). Gemäss
Art. 4 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt
und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) entschei-
det die zuständige Behörde, im Rahmen der gesetzlichen Vor-
schriften und der Verträge mit dem Ausland, nach freiem Er-
messen über die Bewilligung von Aufenthalt und Niederlas-
sung. Der Ausländer hat damit grundsätzlich keinen Anspruch
auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltsbewilli-
gung, es sei denn, er oder seine in der Schweiz lebenden
Angehörigen könnten sich auf eine Sondernorm des Bundes-
rechts oder eines Staatsvertrags berufen, die ihm einen
Anspruch auf eine solche Bewilligung einräumt (BGE 127 II
60 E. 1a S. 62; 126 II 425 E. 1 S. 427, je mit Hinweisen).

        b) Gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG hat der ausländische
Ehegatte eines niedergelassenen Ausländers Anspruch auf Er-
teilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, solange
die Ehegatten zusammen wohnen. Da Y.________ mit ihrem in
der Schweiz niedergelassenen Ehemann seit ihrer Einreise am
22. November 1999 zusammenwohnt, hat sie grundsätzlich einen
Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher einzutreten. Ob ihr
im konkreten Fall eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen
ist, ist eine Frage der materiellen Beurteilung (vgl. BGE
118 Ib 153 E. 2a S. 158).

     2.- a) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die
Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder
unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachver-
haltes gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Ausge-
schlossen ist die Rüge, der angefochtene Entscheid sei un-
angemessen (Art. 104 lit. c OG). Im Fremdenpolizeirecht
stellt das Bundesgericht auf die aktuellen tatsächlichen
und rechtlichen Umstände ab, ausser wenn eine richterliche
Behörde als Vorinstanz entschieden hat. Diesfalls gilt die
Regelung von Art. 105 Abs. 2 OG, wonach das Bundesgericht
an die Feststellung des Sachverhalts gebunden ist, wenn die
richterliche Vorinstanz diesen nicht offensichtlich unrich-
tig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Ver-
fahrensbestimmungen erhoben hat (BGE 124 II 361 E. 2a S. 365;
122 II 385 E. 2 S. 390).

        b) Das Bundesgericht wendet das Bundesrecht bei der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde von Amtes wegen an, ohne an
die Begründung der Parteibegehren gebunden zu sein (Art. 114
Abs. 1 in fine OG). Es kann die Beschwerde daher auch aus
andern als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder den
Entscheid mit einer Begründung bestätigen, die von jener der
Vorinstanz abweicht (BGE 121 II 473 E. 1b S. 477, 117 Ib 114
E. 4a S. 117, mit Hinweis).

     3.- Der Anspruch gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG erlischt,
wenn der Anspruchsberechtigte gegen die öffentliche Ord-
nung verstossen hat (Art. 17 Abs. 2 letzter Satz ANAG). Die
Voraussetzung für ein Erlöschen des Anspruches ist damit
weniger streng als im Fall des ausländischen Ehegatten eines
Schweizers oder einer Schweizerin, bei dem nach Art. 7 Abs. 1
letzter Satz ANAG ein Ausweisungsgrund vorliegen muss. Immer-
hin muss die Verweigerung der Bewilligungsverlängerung nach
den allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts verhältnismäs-

sig sein; da aber im Vergleich zur Regelung von Art. 7 ANAG
bereits geringere öffentliche Interessen für ein Erlöschen
des Anspruchs genügen, sind auch die entgegenstehenden pri-
vaten Interessen weniger stark zu gewichten als bei einer
Ausweisung (BGE 122 II 385 E. 3a S. 390).

        Anspruchsberechtigt im Sinne von Art. 17 Abs. 2
letzter Satz ANAG ist sowohl der hier anwesenheitsberech-
tigte Ausländer als auch seine Ehegattin, deren Nachzug
verlangt wird.

     4.- Am 8. Oktober 1999 verurteilte das Bezirksgericht
Lenzburg den Beschwerdeführer wegen Gehilfenschaft zu Dieb-
stahl und zu Sachbeschädigung sowie wegen Hehlerei zu einer
bedingten Gefängnisstrafe von zwei Monaten und zu einer
Busse von Fr. 400.--. Der Beschwerdeführer hatte sich einer
Diebesbande als Chauffeur zur Verfügung gestellt, die aus
einem Schaufenster elektronische Geräte stahl; er hatte zu-
dem einem der Täter anschliessend ein gestohlenes Natel ab-
gekauft. Am 20. März 2000 fuhr der Beschwerdeführer an zwei
verschiedenen Stellen der Autobahn mit übersetzter Geschwin-
digkeit, wobei er einmal auf dem Überholstreifen über eine
Distanz von 800 - 1000 m einem anderen Wagen mit einem Ab-
stand von fünf Metern bei einer Geschwindigkeit von 128 -
139 km/h folgte. Wegen dieser Vorfälle bestrafte ihn das
Bezirksamt Aarau am 26. Juli 2000 mit einer Busse von
Fr. 800.--.

        Die beschriebenen Straftaten stellen klare Ver-
stösse gegen die öffentliche Ordnung dar.

     5.- a) Nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts im
angefochtenen Urteil wurde der Beschwerdeführer in der Zeit
vom 1. Januar 1996 bis zum 20. November 2000 für Schulden

in der Höhe von insgesamt rund Fr. 111'800.-- betrieben, was
rechnerisch einen monatlichen Betrag von Fr. 1'895.-- ergebe,
der habe in Betreibung gesetzt werden müssen. Ferner seien
Verlustscheine in der Höhe von über Fr. 62'000.-- ausgestellt
worden; die laufenden Betreibungen würden einen Betrag von
rund Fr. 10'350.-- betreffen.

        b) Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsge-
richt vor, es habe in Bezug auf diese Zahlen den rechts-
erheblichen Sachverhalt offensichtlich unrichtig bzw. un-
vollständig festgestellt, indem es die Gesamtsumme von
Fr. 111'800.-- erstens falsch errechnet habe - zähle man
alle Betreibungen im erwähnten Zeitraum zusammen, so ergebe
sich ein Gesamtbetrag von Fr. 117'603.30 -, sowie weil es
nicht berücksichtigt habe, dass teilweise mehrere Betrei-
bungen sich auf die gleiche Schuld bezogen hätten, was das
Bild verfälsche. Er führt aus, man könne ihm daher bloss
noch Schulden im Betrage von Fr. 73'848.05 vorhalten.

        Ob die Berechnungen des Beschwerdeführers zutref-
fen, kann im vorliegenden Fall offen bleiben; jedenfalls
bestehen auch mit der von ihm zugestandenen Summe von
Fr. 73'848.-- Schulden in erheblicher Höhe.

        c) Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung stellt
unverschuldete Fürsorgeabhängigkeit allein keinen Verstoss
gegen die öffentliche Ordnung dar, wohl aber das Nichtbe-
zahlen von Schulden, jedenfalls dann, wenn diese einen be-
deutenden Umfang erreichen (BGE 122 II 385 E. 3b S. 391).

        Aus den Akten ergeben sich keine Anhaltspunkte
dafür und auch das Verwaltungsgericht macht nicht geltend,
dass der Beschwerdeführer je Fürsorgeleistungen bezogen
hätte. Hingegen hat er Schulden in nicht unbedeutendem Um-
fang, von denen er noch nicht viel zurückbezahlt hat. Offen-
sichtlich war er über längere Zeit nicht in der Lage, mit

den ihm aufgrund seines Verdienstes zur Verfügung stehenden
Mitteln vernünftig umzugehen. Ob dieser Umgang mit Geld ge-
radezu einen selbständigen Verstoss gegen die öffentliche
Ordnung darstellt, kann offen bleiben, da der Beschwerde-
führer schon mit seinen Straftaten gegen diese verstossen
hat.

        d) Hingegen stellt sich die Frage, ob der Nachzug
von Ehefrau und Kind im vorliegenden Fall die Gefahr von
Fürsorgeabhängigkeit für die Beteiligten mit sich bringt
(vgl. BGE 119 Ib 81 E. 1d S. 87). Es ist denkbar, dass es
der Beschwerdeführer ohne Unterstützung der Fürsorgebehörden
schafft, seinen Schuldenberg allmählich abzubauen, sei es im
Rahmen von freiwilligen Abzahlungsvereinbarungen oder auf-
grund einer allfälligen Lohnpfändung. Muss er indessen mit
seinem Lohn zusätzlich eine Ehefrau und ein heute erst zehn
Monate altes Kind ernähren, wird dies schwieriger, zumal
seiner Ehefrau vorderhand eine berufliche Tätigkeit neben
der Betreuung des Kindes kaum zumutbar ist. Die Gefahr, dass
er und seine Familie eines Tages doch fürsorgeabhängig
werden, steigt damit.

        e) Angesichts der vom Beschwerdeführer begangenen
Delikte sowie des Risikos der Fürsorgeabhängigkeit sind im
vorliegenden Fall die Voraussetzungen für einen Familien-
nachzug nicht erfüllt. Dessen Verweigerung ist somit nicht
bundesrechtswidrig.

     6.- a) Es kann Art. 8 Ziff. 1 EMRK verletzen, wenn
einem Ausländer, dessen Familienangehörige in der Schweiz
weilen, die Anwesenheit in der Schweiz untersagt wird.
Vorausgesetzt wird nach ständiger bundesgerichtlicher Recht-
sprechung, dass der hier weilende Familienangehörige - wie
hier - selber ein gefestigtes Anwesenheitsrecht hat. Soweit

im Übrigen die familiäre Beziehung tatsächlich gelebt wird
und intakt ist, wird das der zuständigen Behörde in Art. 4
ANAG grundsätzlich eingeräumte freie Ermessen eingeschränkt
(BGE 126 II 377 E. 2b S. 382, mit Hinweisen).

        Nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK ist ein Eingriff in das
nach Ziff. 1 geschützte Rechtsgut statthaft, soweit er ge-
setzlich vorgesehen ist und eine Massnahme darstellt, die in
einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicher-
heit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche
Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Ver-
hinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesund-
heit und Moral sowie der Rechte und Freiheiten anderer not-
wendig erscheint (BGE 126 II 425 E. 5a S. 435).

        b) Angesichts der vom Beschwerdeführer begangenen
Straftaten sowie der durch einen Familiennachzug erhöhten
Gefahr der Fürsorgeabhängigkeit erweist sich die Verweige-
rung der Aufenthaltsbewilligung an seine Ehefrau im Lichte
dieser Rechtsprechung als gerechtfertigt.

        c) Der in Art. 13 Abs. 1 BV garantierte Anspruch
auf Achtung des Familienlebens entspricht materiell der
Garantie von Art. 8 EMRK und gewährt im Bereich des Auslän-
derrechts keine weiter gehenden Ansprüche (BGE 126 II 377
E. 7 S. 394).

     7.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem
Gesagten abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die
Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Beschwerde-
führer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 153 und Art. 153a OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem
Beschwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem
Departement des Innern und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen
schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 29. Juni 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                  Die Gerichtsschreiberin: