Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.78/2001
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2A.78/2001/mks

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       18. Juli 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Müller und
Gerichtsschreiberin Müller.

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                         In Sachen

A.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bernard
Olivier Rambert, Langstrasse 62, Postfach 2126, Zürich,

                           gegen

B._______, c/o SUVA, Fluhmattstrasse 1, Luzern,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwältin Vroni
Schwitter, St. Leodegarstrasse 2 (Genferhaus), Luzern,
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement,

                         betreffend
    Ermächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens,

hat sich ergeben:

     A.- Am 24. Januar 1998 verunfallte A.________. Dr. med.
C.________ behandelte ihn und betreute ihn während vier
Wochen weiter. Für seine Bemühungen stellte C.________ am
24. Februar 1998 der Schweizerischen Unfallversicherungs-
anstalt (SUVA) Rechnung in der Höhe von Fr. 2'861.25. Über
die Höhe dieser Honorarforderung kam es zwischen der SUVA
und C.________ zu Differenzen. C.________ beauftragte daher
Rechtsanwalt Bernard Olivier Rambert mit der Wahrung seiner
Interessen. Mit Schreiben vom 20. September 1999 an die SUVA
führte Rechtsanwalt Rambert aus, sein Mandant müsse anneh-
men, es sei bei der SUVA ein Dossier im Sinne einer Fiche
über ihn erstellt worden und schloss: "meinem Mandanten
steht selbstverständlich das Recht zu, in dieses Dossier
Einsicht zu nehmen, weshalb ich darum ersuche, mir dieses im
Original zukommen zu lassen".

        Der Bereichsleiter in der Abteilung Medizinalta-
rife der SUVA, Rechtsanwalt B.________, schickte hierauf am
23. September 1999 ein Aktenheft mit 103 Seiten an den Ver-
treter von C.________, Rechtsanwalt Rambert. Dieses beinhal-
tet die Korrespondenzen mit Dr. C.________ und seinem
Rechtsvertreter, Arbeitskopien von Rechnungen, Instruktionen
und Schreiben, die bei konktreten Anfragen erstellt wurden,
unter anderem betreffend den Patienten A.________.

        Am 17. Juli 2000 erhob A.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Bernard Rambert, Strafanzeige gegen B.________.
Er beschuldigte ihn der Amtsgeheimnisverletzung gemäss
Art. 320 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB;
SR 311.0) sowie der Verletzung des Berufsgeheimnisses gemäss
Art. 321 StGB. Mit Entscheid vom 10. Januar 2001 verweigerte

das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Er-
mächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen
B.________.

     B.- Dagegen hat A.________ beim Bundesgericht Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde erhoben. Er beantragt, den Entscheid
des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartments aufzuhe-
ben und die zuständige Behörde zur Durchführung eines Straf-
verfahrens gegen B.________ zu ermächtigen.

        B.________ sowie das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement beantragen, die Beschwerde abzuweisen.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Gemäss Art. 15 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom
14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie
seiner Behördemitglieder und Beamten (Verantwortlichkeits-
gesetz, VG; SR 170.32) bedarf die Strafverfolgung von Beam-
ten wegen strafbarer Handlungen, die sich auf ihre amtliche
Tätigkeit oder Stellung beziehen, ausgenommen wegen Wider-
handlungen im Strassenverkehr, einer Ermächtigung des Eid-
genössischen Justiz- und Polizeidepartements. Auf die straf-
rechtliche Verantwortlichkeit eines Organs oder eines Ange-
stellten einer mit öffentlichrechtlichen Aufgaben des Bundes
betrauten und ausserhalb der Bundesverwaltung stehenden
Organisation finden die Artikel 13 ff. VG entsprechend An-
wendung (Art. 19 Abs. 1 und 2 VG). Der Beschwerdegegner kann
als Bereichsleiter in der Abteilung Medizinaltarife der SUVA
demnach nicht ohne Ermächtigung des Departements wegen Ver-
letzung von Art. 320 oder allenfalls Art. 321 StGB verfolgt

werden. Gegen die Verweigerung der Ermächtigung ist die Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig
(Art. 15 Abs. 5 VG in Verbindung mit Art. 100 Abs. 1 lit. f
OG).

        b) Die Legitimation zur Erhebung der Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde richtet sich nach Art. 103 OG (BGE 112 Ib
350 E. 2c S. 352). Es ist daher gegen die Verweigerung der
Ermächtigung zur Strafverfolgung von Bundesbeamten zur Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde legitimiert, wer durch die ange-
fochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Inte-
resse an deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 103 lit. a
OG); zur Beschwerdeführung genügt dabei auch ein bloss fak-
tisches Interesse (BGE 112 Ib 350 E. 2c S. 352).

        Der Beschwerdegegner hat dem Rechtsanwalt des Arz-
tes des Beschwerdeführers Akten zugestellt, die unter ande-
rem Informationen über seinen Unfall vom 24. Januar 1998 und
die entsprechende Behandlung durch seinen Arzt enthalten.
Damit hat der Beschwerdeführer ein schutzwürdiges Interesse
an der Aufhebung bzw. Änderung der angefochtenen Verfügung.
Auf die frist- und formgerechte Verwaltungsgerichtsbeschwer-
de ist einzutreten.

     2.- Gemäss Art. 15 Abs. 3 VG darf die Ermächtigung zur
Strafverfolgung eines Beamten nur in leichten Fällen und
sofern die Tat nach allen Umständen durch eine disziplina-
rische Massnahme des Fehlbaren als genügend geahndet er-
scheint, verweigert werden. Die Befugnis, in leichten Fällen
die Ermächtigung zu verweigern, schliesst in sich, die
Strafverfolgung eines Beamten auch dann nicht zuzulassen,
wenn überhaupt keine strafbare Handlung vorliegt (BGE 93 I
83 E. 2 S. 85 ff.). Das Erfordernis der Ermächtigung zur
Strafverfolgung soll in erster Linie den Beamten vor unbe-

gründeten, insbesondere mutwilligen Strafanzeigen schützen
und dadurch den reibungslosen Gang der Verwaltung gegen
trölerische Störungen und Behinderung sicherstellen (BGE 112
Ib 350 E. 2c S. 352; 106 Ib 173 E. 1a S. 175 f., mit Hin-
weisen).

        Die Ermächtigung ist demnach zu verweigern, wenn
sich bei der Vorprüfung herausstellt, dass ein Straftat-
bestand offensichtlich nicht vorliegt und sich der Vorwurf
als haltlos erweist oder klar widerlegen lässt (BGE 93 I 83
E. 2 S. 85, mit Hinweisen). Anderseits muss die Ermächti-
gung, leichte Fälle im Sinne von Art. 15 Abs. 3 VG vorbe-
halten, erteilt werden, wenn sich Anhaltspunkte ergeben,
dass die in Frage stehenden Handlungen einen Straftatbestand
erfüllen und die gesetzlichen Voraussetzungen der Strafver-
folgung gegeben sein könnten. Nicht Voraussetzung ist, dass
der objektive und der subjektive Tatbestand mit Sicherheit
nachgewiesen wird (BGE 104 Ib 59 E. 3d S. 62, mit Hinweis).

     3.- a) Das Departement hat in der angefochtenen Verfü-
gung dargelegt, dass sich die B.________ vorgeworfenen
Beschuldigungen auf seine amtliche Tätigkeit bei der SUVA
beziehen; hingegen wird ihm nicht vorgeworfen, er habe als
praktizierender Rechtsanwalt ein Geheimnis verraten. Damit
fällt der Vorwurf der Verletzung des Berufsgeheimmisses
(Art. 321 StGB) von vornherein ausser Betracht. Der Be-
schwerdeführer macht denn auch in seiner Eingabe an das
Bundesgericht nicht mehr geltend, es liege eine Verletzung
von Art. 321 StGB vor.

        b) Gemäss Art. 320 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich
der Verletzung des Amtsgeheimnisses schuldig, wer ein Ge-
heimnis offenbart, das ihm als Mitglied einer Behörde oder
als Beamter anvertraut worden ist, oder das er in seiner
amtlichen oder dienstlichen Stellung wahrgenommen hat.

        aa) Bei B.________ handelt es sich um einen Beamten
im Sinne von Art. 110 Ziff. 4 StGB. Informationen über das
Unfallgeschehen, die Diagnose, die Therapie, den Heilverlauf
und den Heilerfolg, wie sie das vom Beschwerdegegner an den
Rechtsvertreter des Arztes des Beschwerdeführers überreichte
Aktendossier enthielt, sind Geheimnisse im Sinne dieser
Gesetzesbestimmung.

        bb) Das Geheimnis wird dadurch offenbart, dass es
unbefugten Dritten zur Kenntnis gebracht oder ihnen die
Kenntnisnahme ermöglicht wird (Stefan Trechsel, Schwei-
zerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997,
Art. 320 N 8).

        Das Departement ist der Auffassung, dass ein
Rechtsanwalt, der die Interessen seines Mandanten vertritt
und in dessen Namen handelt, kein unbefugter Dritter im
Sinne des Straftatbestandes von Art. 320 StGB ist.

        Die Mitteilung eines Geheimnisses an eine Dritt-
person ist zwar grundsätzlich auch dann eine Offenbarung im
Sinne von Art. 320 StGB, wenn die Drittperson ihrerseits
einer Geheimhaltungspflicht untersteht und die fragliche
Tatsache auch nach der Mitteilung noch ein Geheimnis dar-
stellt (BGE 114 IV 44 E. 3b S. 48, mit Hinweisen). Die
Tatsache allein, dass der Rechtsvertreter des Arztes, der
Einsicht in eine allfällig über ihn existierende Fiche
nehmen will, aufgrund seines Berufes selber einer Geheim-
haltungspflicht untersteht, schliesst daher noch nicht aus,
dass er als "unbefugter Dritter" gelten könnte, wohl aber
seine Funktion: Als Rechtsanwalt einer Person, die ihr
Akteneinsichtsrecht wahrnimmt, und deren Interessen er
vertritt, kann er deshalb nicht als unbefugt im Sinne von
Art. 320 StGB gelten, weil sonst der um Akteneinsicht
ersuchenden Person eine wirksame Vertretung übermässig

erschwert würde. Als Vertreter seines Mandanten ist ihm
daher zuzubilligen, von der Verwaltung über all das Auskunft
zu erhalten, über das auch sein Mandant ein Auskunftsrecht
hat, soweit dies vom entsprechenden Mandatsverhältnis ge-
deckt ist.

        c) Da der Rechtsanwalt des Arztes des Beschwerde-
führers nach dem Gesagten nicht als "unbefugter Dritter"
gilt, ist der Straftatbestand von Art. 320 StGB offensicht-
lich nicht erfüllt, und das Departement hat die Ermächtigung
zur Strafverfolgung gegen den Beschwerdegegner zu Recht ver-
weigert.

     4.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist nach dem Ge-
sagten abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die
Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Beschwerde-
führer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 153 und Art. 153a OG). Dieser hat den Beschwerdegegner
zudem für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen
(Art. 159 Abs. 2 OG). Das Eidgenössische Justiz- und Poli-
zeidepartement hat keinen Anspruch auf eine Parteientschä-
digung (Art. 159 Abs. 2 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für
das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu ent-
schädigen.

     4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Eidgenös-
sischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitge-
teilt.

                       ______________

Lausanne, 18. Juli 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                  Die Gerichtsschreiberin: