Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.66/2001
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2A.66/2001/leb

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       9. April 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hungerbühler, Müller
und Gerichtsschreiberin Müller.

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                         In Sachen

A.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechts-
anwalt Paul Hegner, Froriep Renggli Rechtsanwälte,
Baarerstrasse 37, Zug,

                           gegen

Amt für Migration des Kantons  L u z e r n,
Verwaltungsgericht des Kantons  L u z e r n,
verwaltungsrechtliche Abteilung,

                         betreffend
                  Aufenthaltsbewilligung,

hat sich ergeben:

     A.- Der amerikanische Staatsangehörige B.________,
geboren am *** 1941 in Italien, wurde am 28. August 1988
bei seiner Einreise in die Schweiz auf dem Flughafen Genf-
Cointrin verhaftet, weil er im Besitz von 5 kg Kokain war.
Am 15. Dezember 1989 sprach ihn das Geschworenengericht des
Kantons Genf der banden- und gewerbsmässigen Widerhandlung
gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig und verurteilte
ihn zu 15 Jahren Zuchthaus und 15 Jahren Landesverweisung.
Mit Verfügung vom 24. Januar 1990 auferlegte ihm das Bun-
desamt für Ausländerfragen eine zeitlich unbeschränkte
Einreisesperre.

        Während des Strafvollzugs in der Strafanstalt
X.________ lernte B.________ die Schweizerin A.________,
geboren am *** 1953, kennen, die er nach einer Bekannt-
schaftszeit von drei Jahren am 7. April 1994 heiratete. Am
26. August 1998 wurde er unter Auferlegung einer Probezeit
von fünf Jahren bedingt aus dem Strafvollzug entlassen; der
Vollzug der Landesverweisung wurde aufgeschoben.

     B.- Am 24. August 1998 stellte A.________ für ihren
Ehemann ein Gesuch um Familiennachzug und Bewilligung zum
Stellenantritt. Mit Verfügung vom 17. Dezember 1998 wies die
Fremdenpolizei (heute: Amt für Migration) des Kantons Luzern
das Gesuch ab und ordnete an, dass B.________ die Schweiz
bis spätestens am 28. Februar 1999 zu verlassen habe. Eine
dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des
Kantons Luzern mit Urteil vom 21. Dezember 2000 ab.

     C.- Gegen dieses Urteil hat A.________ Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie stellt
folgende Anträge:

     "1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons
     Luzern vom 21. Dezember 2000 sei aufzuheben.

      2. Für den Fall der Aufhebung des angefochtenen
     Urteils sei B.________ die Aufenthaltsbewilligung
     und die Arbeitsbewilligung in der Schweiz zu er-
     teilen gemäss dem Gesuch um Familiennachzug und um
     Erteilung einer Arbeitsbewilligung vom 24.08.1998
     an die Fremdenpolizei des Kantons Luzern. Eventu-
     aliter sei die Streitsache an die Vorinstanz zur
     neuen Beurteilung zurückzuweisen.

      3. Eventualiter sei B.________ die Aufenthalts-
     bewilligung sowie die Arbeitsbewilligung befristet
     zu erteilen, nämlich bis zur definitiven Zusiche-
     rung, dass B.________ von den amerikanischen Be-
     hörden nicht an Italien auf Ersuchen der italie-
     nischen Behörden hin ausgeliefert wird oder bis zur
     verbindlichen Zusage von Italien, dass B.________
     nicht für Straftaten, für welche er bereits in der
     Schweiz verurteilt worden ist, sich nochmals vor
     einem Gericht in Italien zu verantworten habe.
     Eventualiter sei die Sache bezüglich dieses Punktes
     an die Vorinstanz zur neuen Beurteilung zurückzu-
     weisen.

      4. Es sei die aufschiebende Wirkung für die Dauer
     des Verfahrens vor Bundesgericht zu gewähren.

      5. Allenfalls sei die Sache zur Ergänzung des
     Sachverhalts bzw. des Verfahrens an die Vorinstanz
     zurückzuweisen.

      6. Jedenfalls sei die Fremdenpolizei des Kantons
     Luzern im Falle der Nichterteilung der Aufenthalts-
     bewilligung und der Arbeitsbewilligung anzuweisen,
     B.________ eine den Umständen angemessene Ausreise-
     frist, d.h. eine Frist von mindestens vier Monaten,
     anzusetzen."

         Das Amt für Migration beantragt sinngemäss die Ab-
weisung der Beschwerde. Den gleichen Antrag stellen das Ver-
waltungsgericht und das Bundesamt für Ausländerfragen.

        Mit Verfügung vom 2. März 2001 erkannte der Abtei-
lungspräsident der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) B.________ ist mit einer Schweizerin verheira-
tet. Er hat damit nach Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom
26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Auslän-
der (ANAG; SR 142.20) grundsätzlich Anspruch auf Erteilung
der Aufenthaltsbewilligung. Die Verwaltungsgerichtsbeschwer-
de ist daher zulässig, soweit sie sich gegen die Verweige-
rung der Aufenthaltsbewilligung richtet (vgl. Art. 100
Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG). Die Ehefrau des Ausländers ist
zur Erhebung der Beschwerde legitimiert (BGE 109 Ib 183
E. 2b S. 187).

        b) Die Wegweisung als solche kann dagegen mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht angefochten werden
(Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 4 OG). Das muss auch für die
Modalitäten der Wegweisung gelten. Auf die Beschwerde kann
daher nicht eingetreten werden, soweit beantragt wird, die
Ausreisefrist sei auf mindestens vier Monate anzusetzen.

     2.- a) Der Anspruch auf Erteilung der Aufenthaltsbewil-
ligung gemäss Art. 7 Abs. 1 ANAG entfällt, wenn ein Auswei-
sungsgrund vorliegt. Nach Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG kann
ein Ausländer aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn er
wegen eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft
worden ist. Die Ausweisung soll aber nur verfügt werden,
wenn sie nach den gesamten Umständen verhältnismässig er-

scheint (Art. 11 Abs. 3 ANAG). Dabei ist namentlich auf die
Schwere des Verschuldens des Beschwerdeführers, auf die
Dauer seiner Anwesenheit in der Schweiz sowie auf die ihm
und seiner Familie drohenden Nachteile abzustellen (Art. 16
Abs. 3 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum Bun-
desgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer
[ANAV; SR 142.201]). Die Nichterteilung einer Aufenthaltsbe-
willigung an den wegen eines Verbrechens oder Vergehens ver-
urteilten ausländischen Ehegatten eines Schweizer Bürgers
setzt in gleicher Weise eine Interessenabwägung voraus. Der
Anspruch auf Erteilung der Bewilligung gemäss Art. 7 Abs. 1
ANAG erlischt damit nicht bereits dann, wenn ein Ausländer
wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt wurde,
sondern erst, wenn auch die Interessenabwägung ergibt, dass
die Bewilligung zu verweigern ist (BGE 120 Ib 6 E. 4a
S. 12 f., mit Hinweis).

        b) B.________ erfüllt den Ausweisungsgrund von
Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG: Er ist wegen Betäubungsmittelde-
likten zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichts ist Ausgangspunkt und
Massstab für die Schwere des Verschuldens und für die frem-
denpolizeiliche Interessenabwägung die vom Strafrichter ver-
hängte Freiheitsstrafe. Bei einem mit einer Schweizerin ver-
heirateten Ausländer, der erstmals um eine Bewilligung er-
sucht oder nach bloss kurzer Aufenthaltsdauer die Bewilli-
gung erneuern lassen will, geht die Rechtsprechung davon
aus, dass die Grenze, von der an in der Regel auch dann kei-
ne Bewilligung mehr erteilt wird, wenn der Ehefrau die Aus-
reise aus der Schweiz unzumutbar oder nur schwer zumutbar
ist, bei zwei Jahren Freiheitsstrafe liegt (BGE 120 Ib 6
E. 4b S. 14). Diese Grenze ist im vorliegenden Fall um ein
Mehrfaches überschritten. Dazu kommt, dass B.________ ein-
schlägig vorbestraft ist, war er doch nach den unbestritte-

nen Feststellungen der Vorinstanz bereits in den Jahren 1979
und 1980 in den Vereinigten Staaten wegen Drogendelikten zu
einem bzw. vier Jahren Gefängnis verurteilt worden. Es be-
steht daher ein massives öffentliches Interesse, ihn von der
Schweiz fernzuhalten. Dieses Interesse übersteigt dasjenige
der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes an der Erteilung
der Aufenthaltsbewilligung bei weitem, zumal B.________ in
der Schweiz nie über eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung
verfügte und die Beschwerdeführerin ihn erst während des
Vollzugs der Zuchthausstrafe kennengelernt und geheiratet
hat, weshalb sie nicht damit rechnen konnte, dass sie die
Ehe in der Schweiz werde leben können (vgl. BGE 120 Ib 6
E. 4, insb. E. 4c, S. 14 ff., der ähnlich gelagert ist). Un-
ter diesen Umständen wäre die Verweigerung der Aufenthalts-
bewilligung selbst dann nicht zu beanstanden, wenn der Be-
schwerdeführerin nicht zuzumuten wäre, ihrem Ehemann in des-
sen Heimatstaat oder in ein anderes Land zu folgen. Dem Au-
genleiden der Beschwerdeführerin, auf das sie sich in diesem
Zusammenhang beruft, kommt daher keine entscheidende Bedeu-
tung zu. Im Übrigen wird in der Beschwerde nicht näher dar-
gelegt, weshalb dieses Leiden nicht auch im Ausland sollte
behandelt werden können.

     3.- Die Beschwerdeführerin hält die Verweigerung der
Aufenthaltsbewilligung an ihren Ehemann vor allem deswegen
für unzulässig, weil diesem im Falle seiner Rückkehr in die
Vereinigten Staaten aufgrund staatsvertraglicher Verpflich-
tung die Auslieferung nach Italien und damit eine erneute
Verurteilung für die gleichen Straftaten drohe, für die er
bereits in der Schweiz verurteilt worden sei. Mit diplomati-
scher Note vom 1. November 1989 habe das Bundesamt für Poli-
zeiwesen aber die (direkte) Auslieferung von B.________ nach

Italien in Anwendung von Art. 9 des Europäischen Ausliefe-
rungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (SR 0.353.1) abge-
lehnt, da dieser in der Schweiz für dieselben Taten verur-
teilt worden sei, für welche die italienischen Behörden die
Auslieferung verlangt hätten. Faktisch laufe die Verweige-
rung der Aufenthaltsbewilligung unter diesen Umständen auf
eine Auslieferung an die Vereinigten Staaten bzw. Italien
hinaus, wodurch Art. 9 des Europäischen Auslieferungsüber-
einkommens in gleicher Weise verletzt würde. Damit werde
gegen den Grundsatz "ne bis in idem" verstossen, der in
Art. 4 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 22. November 1984
(SR 0.101.07) sowie in Art. 14 Abs. 7 des Internationalen
Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 16. De-
zember 1966 (UNO-Pakt II; SR 0.103.2) garantiert ist.

        Wie sich schon aus dem Wortlaut der erwähnten Kon-
ventionsbestimmungen ergibt, gewährleisten diese nur, dass
eine Person nicht zweimal durch ein Gericht desselben
Staates für denselben Tatbestand bestraft wird. Eine er-
neute Beurteilung in einem anderen Staat ist damit nicht
ausgeschlossen (vgl. den Entscheid der Europäischen Kommis-
sion für Menschenrechte vom 21. Oktober 1993 i.S. Baragiola,
publiziert in VPB 1994 Nr. 106). Sodann kann die Verweige-
rung der Aufenthaltsbewilligung nicht einer Auslieferung
nach Italien gleichgestellt werden, steht es dem Ehemann der
Beschwerdeführerin doch frei, in welches Land er ausreisen
will; die Ablehnung der Auslieferung durch die schweize-
rischen Behörden wird durch den angefochtenen Entscheid
nicht illusorisch gemacht (vgl. demgegenüber BGE 103 Ib 20).
Die Schweiz verletzt daher mit der Nichterteilung der Auf-
enthaltsbewilligung ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen
nicht, auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der

Ehemann der Beschwerdeführerin als Folge der Wegweisung von
einem Drittstaat an Italien ausgeliefert und dort ein zwei-
tes Mal für die gleichen Straftaten verurteilt wird. Bei
dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob dieses Risiko
tatsächlich besteht und wie hoch es ist. So oder anders
könnte es nicht dazu führen, dass dem Ehemann der Beschwer-
deführerin in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung er-
teilt werden müsste bzw. deren Verweigerung unverhältnis-
mässig wäre. Es besteht daher auch kein Anlass, die Aufent-
haltsbewilligung einstweilen nur befristet zu erteilen, bis
Klarheit darüber besteht, dass sich B.________ nicht für die
Straftaten, für die er bereits in der Schweiz verurteilt
worden ist, nochmals vor einem italienischen Gericht zu ver-
antworten haben wird. - Geradezu abwegig ist die Rüge, dass
die bestehende Gefahr einer erneuten Verurteilung in Italien
für sich allein eine unmenschliche und erniedrigende Behand-
lung des Ehemannes der Beschwerdeführerin im Sinne von
Art. 3 EMRK darstelle, zu deren Abwendung ihm der Aufenthalt
in der Schweiz bewilligt werden müsse.

     4.- Die Beschwerde erweist somit als unbegründet und
ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem Ausgang
des Verfahrens entsprechend sind die Kosten der Beschwerde-
führerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 153 und Art. 153a OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Be-
schwerdeführerin auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Amt
für Migration und dem Verwaltungsgericht (verwaltungsrecht-
liche Abteilung) des Kantons Luzern sowie dem Bundesamt für
Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 9. April 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                  Die Gerichtsschreiberin: