Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.566/2001
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2A.566/2001/sch

Urteil vom 15. April 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________, Beschwerdegegnerin,
Bundesamt für Landwirtschaft, Mattenhofstrasse 5, 3003 Bern,
Rekurskommission des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements, 3202
Frauenkappelen.

Pferdeimport

(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Beschwerdeentscheid der
Rekurskommission des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 23.
November 2001)
Sachverhalt:

A.
Am 1. Januar 1999 trat das Bundesgesetz vom 29. April 1998 über die
Landwirtschaft (Landwirtschaftsgesetz, LwG; SR 910.1) in Kraft, zusammen mit
(u.a.) der Verordnung vom 7. Dezember 1998 über die Einfuhr von Tieren der
Pferdegattung (Pferdeeinfuhrverordnung, PfEV; SR 916.322.1) und der
Allgemeinen Verordnung vom 7. Dezember 1998 über die Einfuhr von
landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Agrareinfuhrverordnung, AEV; SR 916.01).
Diese neuen Rechtsgrundlagen erweiterten den Kreis von
Zollkontingentanteilsberechtigten über Pferdehändler bzw. Pferdehandelsfirmen
hinaus (anders noch Art. 7 Abs. 1 lit. a [unter Vorbehalt von lit. b] der
Verordnung vom 17. Mai 1995 über die Ein- und Ausfuhr von Tieren der
Pferdegattung [Pferde-Ein-und Ausfuhrverordnung, PEAV; AS 1995 2037]). Auch
nicht kommerziell tätige Anbieter sind nach den erwähnten neuen Regelungen
befugt, an den Versteigerungen von Zollkontingentsanteilen teilzunehmen,
deren Durchführung dem Bundesamt für Landwirtschaft obliegt (vgl. Art. 4 PfEV
in Verbindung mit Art. 16 ff. AEV).

B.
Die Ausgestaltung der "Ausschreibungsbekanntmachungen" des Bundesamtes für
Landwirtschaft sowie die von ihm entworfenen "Gebotsformulare" für die
besagten Versteigerungen führten in der Folge zu verwaltungsrechtlichen
Beschwerdeverfahren. Einzelne nicht kommerziell tätige Anbieter machten bei
der Rekurskommission des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (im
Folgenden: Rekurskommission) Willensmängel geltend, da die Verlautbarungen
des Bundesamtes irreführend gewesen seien und die Anbieter auf Grund der
kumulativ berücksichtigten Angebote entgegen ihrer Absicht in der
Versteigerung zu viele Anteile zugeteilt erhalten hätten. Die
Rekurskommission gestand nicht kommerziell tätigen Anbietern daraufhin in
(mindestens) zwei Fällen zu, einem entschuldbaren Irrtum erlegen zu sein, und
korrigierte die angefochtenen Zuteilungen. Dies wiederum wurde von den
zuständigen Verwaltungsbehörden nicht akzeptiert. Das Eidgenössische
Volkswirtschaftsdepartement focht die Entscheide der Rekurskommission mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht an.

C.
Im Urteil 2A.532/2000 vom 12. März 2001 erwog das Bundesgericht, aus den in
der Ausschreibung Nr. 1/2000 enthaltenen Erläuterungen des Bundesamtes für
Landwirtschaft gehe nicht mit der gebotenen Klarheit hervor, dass für die
Zuteilung eine Mehrzahl von Steigerungsangeboten einer bietenden Person
kumulativ berücksichtigt werde. Es liege kein Verstoss gegen Bundesrecht vor,
wenn die Rekurskommission die angefochtene Zuteilung auf Grund eines einer
falschen Auslegung zugänglichen Satzes korrigiert habe (E. 2e); im
beurteilten Einzelfall hätten ausreichende Gründe für die Bejahung und
Berücksichtigung eines Willensmangels bestanden (E. 2f). Das Bundesgericht
wies die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Eidgenössischen
Volkswirtschaftsdepartements deshalb ab. In der Folge zog das Departement
seine zweite in dieser Angelegenheit hängige Beschwerde zurück.

D.
X.________, von Beruf Schneiderin, reichte am 27. April 2001 im Rahmen der
Ausschreibungsbekanntmachung Nr. 2/2001 über die Versteigerung von 1561
Tieren der Pferdegattung (vgl. SHAB vom 2. April 2001, Nr. 64-2453) beim
Bundesamt für Landwirtschaft folgende Steigerungsgebote ein:

Menge in Stück Gebot in Franken und
ganzen Rappen je Stück

Fr. Rp.
1. Gebot "2x Poloponys   à 350.- --"
2. Gebot "2x Poloponys   à     345.- --"
3. Gebot "2x Poloponys   à     340.- --"
4. Gebot "2x Poloponys   à    335.- --"
5. Gebot "2x Poloponys   à  330.- --"

Mit Verfügung des Bundesamtes für Landwirtschaft vom 21. Mai 2001 erhielt
X.________ einen Zollkontigentsanteil für zehn Poloponys zum Preis von
insgesamt Fr. 3'400.-- zugeschlagen (2x Fr. 350.-- + 2x Fr. 345.-- + 2x Fr.
340.-- + 2x Fr. 335.-- + 2x Fr. 330.--). Der Gesamtbetrag (Zuschlagspreis)
für alle Kontingentsanteile war binnen 60 Tagen seit Rechtskraft der
Verfügung einzuzahlen; die zugeschlagenen Kontingentsanteile konnten zwischen
dem 21. Mai und dem 31. Dezember 2001 ausgenützt werden.

E.
Gegen diese Verfügung erhob X.________ Beschwerde bei der Rekurskommission.
Sie machte geltend, das Ergebnis der Zuteilung sei anhand der "Wegleitung"
des Bundesamtes nicht klar nachvollziehbar; Interesse bestehe nur "an zwei
Zollkontingenten".

Nachdem die Rekurskommission eine mündliche öffentliche Verhandlung
durchgeführt hatte, hiess sie die Beschwerde am 23. November 2001 gut. Sie
hob die Verfügung des Bundesamtes für Landwirtschaft vom 21. Mai 2001 auf und
teilte X.________ einen Zollkontingentsanteil für zwei Tiere der
Pferdegattung zu einem Zuschlagspreis von insgesamt Fr. 700.-- (2x Fr.
350.--) zu.

F.
Mit Eingabe vom 18. Dezember 2001 führt das Eidgenössische
Volkswirtschaftsdepartement Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht
mit dem Antrag, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und die
Verfügung des Bundesamtes für Landwirtschaft vom 21. Mai 2001 zu bestätigen.

X. ________ hat sich zur Beschwerde des Departements nicht vernehmen lassen;
die Rekurskommission stellt keinen ausdrücklichen Antrag.

G.
Auf Antrag des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements ermächtigte der
Abteilungspräsident die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 14. Februar 2002
(im Sinne einer vorsorglichen Massnahme), den ihr gemäss Entscheid der
Rekurskommission zustehenden Zollkontingentsanteil (zwei Poloponys) bis zum
30. Juni 2002 auszunützen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtet sich gegen eine auf
öffentliches Recht des Bundes gestützte Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG,
die von einer eidgenössischen Rekurskommission als Vorinstanz nach Art. 98
lit. e OG erlassen wurde. Ein Ausschlussgrund gemäss Art. 99 - 102 OG liegt
nicht vor. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist damit zulässig. Das
Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement ist hierzu legitimiert (Art. 103
lit. b OG, vgl. zum Beschwerderecht der Bundesbehörden BGE 125 II 633 E. 1a
S. 635, mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.

1.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, sowie die
unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat jedoch - wie hier
- eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt
nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an
die Sachverhaltsfeststellung gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG).

1.3 Das Bundesgericht wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbe-schwerde
das Bundesrecht von Amtes wegen an; es ist gemäss Art. 114 Abs. 1 OG an die
von den Parteien vorgebrachten Begründungen nicht gebunden und kann die
Beschwerde auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen gutheissen oder
abweisen (BGE 117 Ib 114 E. 4a S. 117, mit Hinweisen).

2.
Das Bundesgericht hat in seinem Urteil 2A.532/2000 vom 12. März 2001 u.a.
(vgl. auch oben "C.") erkannt, die Versteigerung von Zollkontingenten gemäss
Art. 16 ff. AEV folge - analog dem Steigerungskauf (Art. 229 ff. OR) - einem
bestimmten vereinfachenden und beschleunigenden Mechanismus, der durch sich
überbietende Angebote (Offerten) und den Zuschlag charakterisiert werde. Für
die Irrtumsanfechtung eines Zuschlags bleibe daher wenig Raum. Die Bindung
des Bieters an die Versteigerungsbedingungen setze aber immerhin voraus, dass
alle Essentialia des Geschäfts objektiv feststehen müssten und nur die
Bestimmung des Preises offen sei. Sodann dürfe es nicht an der nach den
Umständen gebotenen Aufklärung des Publikums fehlen; eine Unterlassung könne
zur Aufhebung des Zuschlages wegen Willensmangels führen (erwähntes Urteil,
E. 2d).

3.
3.1 Die Ausschreibungsbekanntmachung Nr. 2/2001 des Bundesamtes für
Landwirtschaft unterscheidet sich in zwei wesentlichen Punkten von der vom
Bundesgericht beanstandeten Nr. 1/2000. Erstens enthält sie in Ziff. 5 den
folgenden ausdrücklichen Hinweis:

"Bei Einreichung von mehreren Steigerungsgeboten werden diese
zusammengezählt, falls sie für die Zuteilung ganz oder teilweise
berücksichtigt werden können".
Zweitens ist in Ziff. 6 ein "Beispiel für ein Steigerungsgebot mit
anschliessender Zuteilung" aufgeführt, woraus unmissverständlich hervorgeht,
dass mehrere Angebote einer bietenden Person bis zum tiefsten noch
berücksichtigbaren Preisniveau zusammengezählt werden.

Wie auch die Rekurskommission anerkennt (S. 6 des angefochtenen Entscheides),
geht aus den Erläuterungen zur Versteigerung nunmehr hinreichend klar hervor,
dass die Angebote, soweit dafür Raum besteht, kumulativ berücksichtigt
werden. Die "Aufklärung des Publikums" (vgl. E. 2) ist damit ausreichend.
Soweit der Beschwerdegegnerin als Nichthändlerin das Verfahren nicht klar
war, hätte sie sich bei den angegebenen Auskunftspersonen ohne besonderen
Aufwand telefonisch erkundigen können. Der seitens der Beschwerdegegnerin
geltend gemachte (und an sich glaubhafte) Irrtum war insofern nicht
entschuldbar. Sie war alsdann nach Massgabe der Versteigerungsbedingungen an
ihr Angebot gebunden (Art. 17 Abs. 3 AEV).

3.2 Die Rekurskommission erwog demgegenüber, zwar könne dem Bundesamt nicht
mehr vorgeworfen werden, seine Ausschreibungsbekanntmachungen seien
missverständlich oder gar irreführend. Indessen habe das Bundesamt nicht
einfach blind darauf vertrauen dürfen, dass sich nach den beiden
einschlägigen Fällen des vergangenen Jahres keine weiteren Missverständnisse
mehr ereignen würden. Vorliegend hätte bereits die Formulierung des
Steigerungsgebotes den Verdacht des Bundesamtes erwecken müssen, dass die
Anbieterin das Steigerungsverfahren nicht richtig verstanden habe. Angesichts
aller Umstände sei für das Bundesamt ohne weiteres erkennbar gewesen, dass
der Anbieterin ein wesentlicher Irrtum unterlaufen sei. Weil diese trotzdem
auf ihrem Steigerungsgebot behaftet worden sei, habe das Bundesamt gegen das
Gebot von Treu und Glauben verstossen (S. 8 des angefochtenen Entscheides).

Mithin geht die Rekurskommission davon aus, dass auch ein auf einem nicht
entschuldbaren Irrtum beruhendes Angebot nicht als bindend betrachtet werden
dürfe, wenn das Vorliegen eines wesentlichen Irrtums für die Behörde ohne
weiteres erkennbar ist.

3.3 Wieweit die Behörde bei der Versteigerung von Zollkontingentsanteilen
verpflichtet ist, die Plausibilität von Angeboten zu überprüfen, und wieweit
es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen kann, einen Anbieter
auf seinem Angebot zu behaften, wenn dieses auf einem offensichtlichen, wenn
auch selbstverschuldeten Irrtum beruht, bedarf hier keiner abschliessenden
Erörterung. Wie das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement in seiner
Beschwerde näher dartut (und woran zu zweifeln kein Anlass besteht),
unterschied sich das Angebot der Beschwerdegegnerin nicht dermassen von den
übrigen eingegangenen Angeboten, dass objektiv Anlass bestanden hätte, das
Vorliegen eines offensichtlichen Irrtums anzunehmen, der allenfalls eine
Rückfrage beim Anbieter aufgedrängt hätte. Es haben insgesamt 66 Personen
jeweils mehrere Gebote für die gleiche Menge mit verschiedenen Preisen
eingereicht. Unter diesen Umständen kann, entgegen der Annahme der
Rekurskommission, nicht von einer Verletzung des Grundsatzes von Treu und
Glauben gesprochen werden, wenn das Bundesamt für Landwirtschaft die
Beschwerdegegnerin auf ihrem irrtümlichen Angebot behaftete. Der vorliegende
Fall zeigt immerhin, dass auf die grundsätzlich kumulative Geltung der
Angebote künftig wohl noch deutlicher hingewiesen werden sollte.

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Eidgenössischen
Volkswirtschaftsde-partements erweist sich nach dem Gesagten als begründet.
Der Entscheid der Rekurskommission EVD vom 23. November 2001 ist aufzuheben
und die Verfügung des Bundesamtes für Landwirtschaft vom 21. Mai 2001 zu
bestätigen. Damit die Beschwerdegegnerin den ihr zugeteilten (und noch nicht
voll ausgenützten) Zollkontingentsanteil ausnützen kann, ist die hierfür
geltende Frist - gemäss dem Antrag des Departements - angemessen zu
verlängern. Unter Berücksichtigung der bisherigen Verfahrensdauer
rechtfertigt sich eine Fristverlängerung bis zum 31. Dezember 2002.

Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin
aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG). Eine
Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG). Über die
Verteilung der Kosten des vorinstanzlichen Verfahrens hat die
Rekurskommission EVD neu zu befinden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid der
Rekurskommission EVD vom 23. November 2001 aufgehoben und die Verfügung des
Bundesamtes für Landwirtschaft vom 21. Mai 2001 bestätigt.

2.
Die Beschwerdegegnerin wird ermächtigt, den ihr gemäss Verfügung des
Bundesamtes für Landwirtschaft vom 21. Mai 2001 zustehenden
Zollkontingentsanteil (zehn Poloponys) - nach Bezahlung des gesamten
Zuschlagspreises - bis zum 31. Dezember 2002 auszunützen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdegegnerin auferlegt.

4.
Über die Kostenfolgen des vorinstanzlichen Verfahrens hat die
Rekurskommission EVD neu zu entscheiden.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Bundesamt für Landwirtschaft und
der Rekurskommission des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. April 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: