Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.512/2001
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2A.512/2001 /bmt

Urteil vom 12. September 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Merkli,
Gerichtsschreiber Fux.

Erbengemeinschaft von Herrn A.________ und Frau  B.________, bestehend aus:

1. C.________,

2. D.________,

3. E.________,

4. F.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Fürsprecher Roger Lerf, Bahnhofstrasse
15, Postfach 55, 3125 Toffen,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Bern, Münstergasse 3,
3011 Bern,
Steuerrekurskommission des Kantons Bern, Chutzenstrasse 68, 3007 Bern.

Direkte Bundessteuer 1993/94 und 1995/96,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission
des Kantons Bern vom 16. Oktober 2001.

Sachverhalt:

A.
A. ________ erwarb im Jahr 1958 das unbebaute Grundstück Grundbuchblatt-Nr.
5915 in der Gemeinde Wengen; der Kaufpreis betrug rund Fr. 20'000.--. Am 19.
Juli 1990 stellte er ein Baubewilligungsgesuch für den Neubau eines
Mehrfamilienhauses auf dieser Parzelle. In der Folge wurde das Grundstück in
Stockwerkeigentum ausgestaltet und überbaut. Von den sieben
Stockwerkeinheiten (Gbbl. Nrn. 5915-1 bis 5915-7) wurden fünf Einheiten im
Jahr 1992 veräussert und zwei im Jahr 1994 auf Rechnung künftiger Erbschaft
an Nachkommen abgetreten.

In der Steuererklärung 1993/94 (Bemessungsjahre 1991/92) deklarierte das
Ehepaar A.________-B.________ bei der direkten Bundessteuer ein steuerbares
Einkommen von Fr. 24'076.--, in der Steuererklärung von 1995/96
(Bemessungsjahre 1993/94) ein solches von Fr. 45'606.--. Demgegenüber setzte
die Steuerverwaltung des Kantons Bern mit Einspracheverfügungen vom 22.
Januar 2001 das steuerpflichtige Einkommen 1993/94 auf Fr. 230'000.--, jenes
für die Steuerperiode 1995/96 auf Fr. 106'400.-- fest. Die Differenzen zur
Selbstdeklaration beruhen im Wesentlichen darauf, dass die
Veranlagungsbehörde jeweils den Veräusserungserlös der erwähnten
Stockwerkeinheiten als steuerbares Einkommen aus Liegenschaftenhandel
erfasste.

B.
Die Steuerrekurskommission des Kantons Bern wies am 16. Oktober 2001 die
Beschwerden der Erbengemeinschaft A.________-B.________ gegen die
Einspracheentscheide ab. Sie erwog, die Steuerverwaltung habe für den
massgebenden Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt des Beginns der
Handelstätigkeit im Jahr 1990 (Einreichung des Baugesuchs) zu Recht einen
Quadratmeterpreis von Fr. 400.-- herangezogen und nicht auf den
unrealistischen Preis von Fr. 1'372.88 oder Fr. 1'681.42 gemäss
Parteigutachten abgestellt.

C.
Die Erben des A.________ haben am 26. November 2001
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen,
den Entscheid der Steuerrekurskommission vom 16. Oktober 2001 aufzuheben; bei
der Festsetzung der direkten Bundessteuer der Jahre 1993/94 und 1995/96 sei
das von ihnen eingereichte Verkehrswertgutachten angemessen zu
berücksichtigen. Mit Eingabe vom 27. November 2001 wurden die Begehren
dahingehend präzisiert, dass auch der Entscheid der Steuerverwaltung als
erste Instanz aufzuheben und die Steuer neu zu veranlagen sei.

Die Steuerrekurskommission und die Steuerverwaltung des Kantons Bern
beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Den gleichen Antrag stellt die
Eidgenössische Steuerverwaltung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Miterbin B.________ ist nach Einreichung der Beschwerde verstorben. Die
im Ingress genannten Mitglieder der Erbengemeinschaft des A.________ und der
B.________ führen gemäss Mitteilung ihres Rechtsvertreters vom 27. Mai 2002
das Verfahren weiter.

2.
Nach ständiger Praxis bilden Gewinne aus der Veräusserung von Liegenschaften
Erwerbseinkommen und ist die damit verbundene Tätigkeit sowohl nach Art. 21
Abs. 1 lit. a des Bundesratsbeschlusses vom 9. Dezember 1940 über die
Erhebung einer direkten Bundessteuer (BdBSt; hier noch anwendbar auf die
Steuern der Jahre 1993/94) als auch nach Art. 18 des Bundesgesetzes vom 14.
Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) als
Liegenschaftenhandel zu qualifizieren, wenn sie über die schlichte Verwaltung
des Privatvermögens hinausgeht und der Gewinn nicht nur in Ausnützung einer
zufällig sich bietenden Gelegenheit, ohne eigentliche auf Verdienst
gerichtete Tätigkeit, erlangt wird, sondern die Tätigkeit in ihrer Gesamtheit
auf Erwerb (Verdienst) gerichtet ist (im Einzelnen: BGE 125 II 113 ff. mit
Hinweisen).

Die Beschwerdeführer anerkennen, dass die Gewinne aus dem Verkauf der
Stockwerkeinheiten der direkten Bundessteuer unterliegen. Ebenso ist
unbestritten, dass für die Berechnung der Anlagekosten der Verkehrswert des
Grundstücks im Jahr 1990 massgebend ist, als die auf Erwerb gerichtete
Tätigkeit aufgenommen wurde. Umstritten ist einzig (noch) die Höhe des
Landwertes der unüberbauten Parzelle.

3.
3.1 Die Veranlagungsbehörde ging für die Berechnung des steuerbaren
Veräusserungserlöses von einem Verkehrswert der Landparzelle von Fr. 300.--
pro m2 aus. Auf Einsprache hin gab sie den Steuerpflichtigen aber zunächst
Gelegenheit, durch die Gültschatzungskommission ein Verkehrswertgutachten
über den Landmarktwert der Parzelle 5915 per 1. Januar 1990 erstellen zu
lassen. Das Gutachten vom 27. Dezember 2000 ergab - nach der Methode der
Rückwärtsrechnung aus Verkaufspreisen und Bauaufwendungen - einen
Quadratmeterpreis von Fr. 1'372.88 beziehungsweise - nach der
Lageklassenmethode - einen solchen von Fr. 1'681.42. Die Veranlagungsbehörde
beurteilte diese Werte indessen als unrealistisch und legte schliesslich den
Marktwert der Landparzelle in Anlehnung an ein im selben Zeitraum (1. Juni
1990) gehandeltes Grundstück (Nr. 7849) in gleicher Lage auf Fr. 400.-- pro
Quadratmeter fest. Im vorinstanzlichen Verfahren führte sie zudem aus,
Abklärungen beim Bauamt Lauterbrunnen und beim Grundbuchamt Interlaken hätten
ergeben, dass in Wengen zu den "allerbesten Zeiten" Höchstpreise bis zu Fr.
500/m2 bezahlt worden seien. Die Vorinstanz schloss sich der Beurteilung der
Veranlagungsbehörde an und schützte deren Gewinnberechnung.

3.2 Beim umstrittenen Verkehrswert handelt es sich um einen hypothetischen
Wert, der durch Schätzung ermittelt werden muss. Der Schätzer hat die
tatsächlichen Verhältnisse des konkreten Falls zu berücksichtigen und ist, um
den gesuchten Wert annäherungsweise bestimmen zu können, auf Vergleichswerte
und Erfahrungszahlen angewiesen. In diesem Sinn werden die durch Schätzungen
vorgenommenen Sachverhaltsfeststellungen daher gelegentlich als eine Art
Ermessensbetätigung aufgefasst. Die Verwaltungsgerichte prüfen sie in der
Regel, gleich wie Ermessensentscheide, nur mit Zurückhaltung, auch wenn das
Gesetz dies nicht verlangt. Das Bundesgericht prüft jeweils - im Rahmen von
Art. 105 OG -, ob die möglichen und zumutbaren Abklärungen getroffen worden
sind und ob die Schätzung den Beurteilungsfaktoren in vernünftiger Weise
Rechnung trägt (ASA 50 S. 305 E. 3a mit Hinweisen; vgl. auch Fritz Gygi,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 279 f.).
3.3 Das Vorgehen der Steuerbehörden im vorliegenden Fall hält einer solchen
bundesgerichtlichen Prüfung stand. Die Veranlagungsbehörde hat für ihre
Schätzung (Fr. 400/m2) auf tatsächlich erzielte Vergleichspreise abgestellt.
Wie sie in der Vernehmlassung an das Bundesgericht unwidersprochen ausführt,
ergab eine Auswertung der Handänderungen im Zeitraum 1989-1994, dass die
höchsten bezahlten Grundstückspreise alle weniger als Fr. 500/m2 betrugen.
Die Vergleichsmethode (statistische Methode) wird bei der
Liegenschaftsschätzung vorrangig angewendet; sie ergibt in der Regel bessere
Resultate als die Hilfsmethoden (z.B. Lageklassenmethode, Methode der
Rückwärtsrechnung), die normalerweise nur beim Fehlen von genügenden
Vergleichspreisen herangezogen werden (so ausdrücklich die bundesgerichtliche
Praxis in Enteignungssachen: BGE 122 I 168 E. 3a S. 173 f. mit Hinweisen. Zur
Lageklassenmethode insbesondere vgl. BGE 128 II 74 E. 5c/aa S. 80 ff. mit
Hinweisen. Zum Begriff und zur Ermittlung des Verkehrswerts siehe auch Art. 6
der vom Bundesrat gestützt auf Art. 31 Abs. 5 BdBSt erlassenen Verordnung vom
31. Juli 1986 über die Bewertung der Grundstücke bei der direkten
Bundessteuer; SR 642.112). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die
Steuerbehörden für ihre Schätzung vorliegend die bekannten Vergleichspreise
und nicht die einzig nach den Hilfsmethoden ermittelten Werte des
ausseramtlichen Verkehrswertgutachtens herangezogen haben. Dass die Schätzung
in sich unrichtig wäre, ist nicht ersichtlich und wird von den
Beschwerdeführern auch nicht behauptet.

Was in der Beschwerde im Übrigen gegen den angefochtenen Entscheid
vorgebracht wird, ist nicht stichhaltig. Die Steuerverwaltung hat im
vorinstanzlichen Verfahren begründet und anhand konkreter Beispiele
dargelegt, weshalb die vom Gutachter ermittelten Werte unrealistisch (hoch)
seien. Von einer willkürlichen Nichtberücksichtigung oder
rechtsmissbräuchlichen Beweiswürdigung kann keine Rede sein. Dass die
Beschwerdeführer von der Steuerverwaltung dazu verhalten wurden, ein
Verkehrswertgutachten erstellen zu lassen, bedeutet nicht, dass die Behörden
an dieses Gutachten gebunden gewesen wären, ohne eine kritische Prüfung
vornehmen zu dürfen. Nachdem das Gutachten in der Tat massiv von den
tatsächlichen Gegebenheiten des Liegenschaftenhandels in der Gemeinde Wengen
abwich, brauchten es die kantonalen Behörden - ohne jede Verletzung von
Bundesrecht - nicht zu berücksichtigen.

4.
Die Beschwerde erweist sich nach dem Gesagten als offensichtlich unbegründet
und ist deshalb abzuweisen.

Bei diesem Verfahrensausgang haben die unterliegenden Beschwerdeführer die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 153, 153a und 156 Abs. 1 OG). Es
wird keine Parteientschädigung zugesprochen (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Steuerverwaltung und der
Steuerrekurskommission des Kantons Bern sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. September 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: