Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.456/2001
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2A.456/2001/bie

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                      24. Januar 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Betschart, Ersatz-
richter Zünd und Gerichtsschreiberin Diarra.

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                         In Sachen

Vorsorgestiftung X.________, Beschwerdeführerin, vertreten
durch Fürsprecher Konrad M. Beck, Bundesgasse 16, Bern,

                           gegen

Amt für Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht des
Kantons  B e r n,

Eidgenössische Beschwerdekommission der beruflichen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge,

                         betreffend
                        Liquidation,

hat sich ergeben:

     A.- Die Vorsorgestiftung X.________ ist eine patronale
Stiftung, welche nach der Stiftungsurkunde insbesondere
Leistungen im Falle von Alter, Krankheit, Unfall oder Inva-
lidität an die Kadermitarbeiter (Ziff. 2.2 der Stiftungs-
urkunde), aber auch an das weitere Personal erbringt
(Ziff. 2.3 der Stiftungsurkunde). Im Rahmen der Prüfung
der Jahresrechnungen 1988 bis 1992 erhielt das Amt für
Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht des Kantons Bern
davon Kenntnis, dass die Stifterfirma die Produktion still-
gelegt hatte und seit 1989 nur noch als Ingenieurbüro mit
den beiden Beschäftigten A.________ und B.________ weiter-
geführt wurde. Das Amt forderte daher am 14. Februar 1995
die Vorsorgestiftung auf, eine Teilliquidation durchzu-
führen. Nach mehreren weiteren Aufforderungen, teilweise
verbunden mit Strafandrohung, machte die Stiftung mit
Schreiben vom 5. Januar 1998 geltend, eine Teilliquidation
sei nicht durchzuführen, da es sich um eine Kaderstiftung
mit zwei Kadermitarbeitern, nämlich den Gesellschaftern
A.________ und B.________, handle; zudem sei nicht die Pro-
duktion, sondern die Endmontage eingestellt worden, und die
Mitarbeiter hätten die Firma freiwillig verlassen. An einer
Besprechung vom 29. Januar 1998 machte die Stiftung geltend,
die Unternehmensleitung habe nie entschieden, die Endmontage
stillzulegen. Mit Schreiben vom 26. März 1999 führte sodann
die Gesellschaft aus, die Gesellschaftsleitung habe nie
beschlossen, die Abteilung Endmontage zu schliessen, eine
solche Abteilung habe es gar nie gegeben. Schliesslich
führte die Stiftung am 29. März 1999 aus, eine von den Kun-
den verlangte Neuausrichtung der Tätigkeit auf zusätzlichen
Servicedienst im ganzen Gebiet der Schweiz, des Tirols und

des Fürstentums Liechtenstein sei von den Mitarbeitern teil-
weise abgelehnt worden, weshalb ein Teil der Mitarbeiter die
Firma aus eigenem Entschluss und zu verschiedenen Zeitpunk-
ten verlassen hätten.

        Auf nochmalige Aufforderung der Aufsichtsbehörde
vom 10. Juni 1999 beschloss der Stiftungsrat am 27. Dezem-
ber 1999, dass die Stiftung per 31. Dezember 1999 aufge-
löst werde. Dabei sollten die ungebundenen Mittel von rund
Fr. 520'000.- auf die beiden einzigen Kadermitarbeiter,
nämlich die Herren A.________ und B.________, verteilt
werden.

     B.- Die Aufsichtsbehörde verfügte am 10. Januar 2000,
die Verteilung der freien Mittel werde nicht genehmigt. Zur
Begründung hielt sie im Wesentlichen fest, dass aufgrund der
vorliegenden Unterlagen erwiesen sei, dass der Stellenabbau
in den Jahren 1987 bis 1989 aus wirtschaftlichen Gründen
erfolgt sei. Es sei deshalb ein neuer Verteilplan auszu-
arbeiten, der die damals Ausgetretenen einbeziehe.

        Auf Einsprache hin bestätigte die Aufsichtsbehörde
am 10. April 2000 die Verfügung.

         Die Eidgenössische Beschwerdekommission der beruf-
lichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge wies
die dagegen von der Vorsorgestiftung eingereichte Beschwerde
mit Urteil vom 5. September 2001 ab und wies die Aufsichts-
behörde an, der Vorsorgestiftung eine neue Frist zur Erstel-
lung und Einreichung einer Liquidationsbilanz und eines
neuen Verteilungsplanes anzusetzen.

     C.- Mit Eingabe vom 10. Oktober 2001 hat die Vorsorge-
stiftung X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, das Urteil der Eid-
genössischen Beschwerdekommission der beruflichen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge aufzuheben und den
vom Stiftungsrat eingereichten Verteilungsplan zu genehmi-
gen, eventuell die Sache zur Genehmigung an das Amt für
Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht des Kantons Bern
zurückzuweisen.

        Das Amt für Sozialversicherung und Stiftungsauf-
sicht des Kantons Bern beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
Die Beschwerdekommission und das Bundesamt für Sozialver-
sicherung haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.

        Der Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abtei-
lung hat der Beschwerde mit Verfügung vom 31. Oktober 2001
die aufschiebende Wirkung beigelegt.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Nach Art. 61 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom
25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen-
und Invalidenvorsorge (BVG; SR 831.40) besteht in jedem
Kanton eine Behörde, welche die Vorsorgeeinrichtungen be-
aufsichtigt und bei Stiftungen die Aufgaben nach Art. 84
Abs. 2, Art. 85 und Art. 86 ZGB übernimmt (Art. 62 Abs. 2
ZGB). Deren Entscheid kann bei der Beschwerdekommission BVG
angefochten und danach an das Bundesgericht weitergezogen
werden (Art. 74 Abs. 2 lit. a und Abs. 4 BVG), was auch
gilt, wenn es um eine nicht registrierte (d.h. nicht der
Durchführung des BVG dienende) Personalfürsorgestiftung

handelt (Art. 89bis Abs. 6 ZGB). Die Genehmigung von Ver-
teilungsplänen im Rahmen von Liquidation oder Teilliquida-
tion einer Vorsorgeeinrichtung, liegt in der Zuständigkeit
der Aufsichtsbehörde, weshalb der Verwaltungsrechtsweg nach
Art. 74 BVG und letztinstanzlich die Verwaltungsgerichts-
beschwerde an das Bundesgericht offen steht (BGE 119 Ib 46
E. 1c S. 50).

        b) Das Bundesgericht prüft das angefochtene Urteil
auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Ueber-
schreitung oder Missbrauch des Ermessens (Art. 104 lit. a
OG). Da eine Rekurskommission entschieden hat, ist es aber
an die Feststellung des Sachverhalts gebunden, soweit dieser
von der Vorinstanz nicht offensichtlich unrichtig, unvoll-
ständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestim-
mungen ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 OG).

     2.- a) Wesentliche Umstrukturierungen bei der Stifter-
firma haben regelmässig zur Folge, dass der Zweck der Per-
sonalvorsorgestiftung angepasst werden muss. Nach dem Grund-
satz, dass das Personalvorsorgevermögen dem Personal folgt
(BGE 119 Ib 46 E. 3d S. 52; Hans Michael Riemer, Die Auswir-
kungen grösserer Personalfluktuationen beim Arbeitgeber auf
dessen Personalvorsorgestiftung, in: SZS 26/1982 S. 3 ff.),
muss die Personalfürsorgestiftung den veränderten Umständen
Rechnung tragen, was durch eine Teilliquidation geschehen
kann.

        Scheidet ein Arbeitnehmer unter normalen Umständen
aus den Diensten des Arbeitgebers und aus der Personal-
fürsorgestiftung aus, stehen ihm die gesetzlich und statu-
tarisch vorgesehenen Leistungen zu. Er hat in der Regel
keinen Anspruch auf einen Teil des reglementarisch nicht
gebundenen freien Stiftungsvermögens. Das gilt namentlich

auch für patronale Fonds oder Wohlfahrtsfonds, die aus-
schliesslich Leistungen "nach Ermessen" erbringen. Insofern
bestehen nur "Anwartschaften minderer Verbindlichkeit", die
auf Erwartungen der Destinatäre auf künftige Ermessensleis-
tungen beruhen, soweit sie dannzumal noch zum Destinatärs-
kreis gehören. Beim Ausscheiden aus der Stifterfirma gehen
diese Erwartungen regelmässig unter. Vom Weggang eines ein-
zelnen Arbeitnehmers profitieren die verbliebenen nur unwe-
sentlich, und der Ausscheidende seinerseits wird bei einer
Fürsorgestiftung eines neuen Arbeitgebers Anschluss finden,
weil er die Anwartschaften der dortigen Destinatäre kaum be-
einträchtigt (BGE 119 Ib 46 E. 4b S. 53 f.; Riemer, a.a.O.,
S. 6 f.). Haben Veränderungen auf Seiten des Arbeitgebers
jedoch grössere Personalabgänge zur Folge, würden berech-
tigte Erwartungen auf künftige Ermessensleistungen ent-
täuscht, wenn das freie Stiftungsvermögen der nicht aus-
scheidenden Destinatärsgruppe allein vorbehalten bliebe.
Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet in diesem Fall,
dass das Personalvorsorgevermögen den Bediensteten folgt,
und das Gebot der Rechtsgleichheit verbietet, einzelne
Destinatärsgruppen daran zu Lasten anderer profitieren zu
lassen. Dem ist mit einer den Verhältnissen angepassten
Aufteilung des Stiftungsvermögens Rechnung zu tragen (BGE
119 Ib 46 E. 4c S. 54; 110 II 436 E. 4 und 5 S. 442 ff.).
Dabei wird in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, dass nicht
nur die zu diesem Zeitpunkt bei der Stifterfirma beschäftig-
ten Arbeitnehmer in den Verteilungsplan einzubeziehen sind,
sondern auch jene, die - bei umfassender Betrachtungsweise -
aufgrund der gleichen Veränderungen schon früher ihren
Arbeitsplatz verloren haben (BGE 119 Ib 46 E. 4d S. 55, mit
Hinweisen).

        b) Die Beschwerdekommission BVG hat für das Bundes-
gericht verbindlich festgestellt, dass sich der Personal-
bestand der Stifterfirma in der Zeit vom September 1987 bis
August 1989 um neun Personen auf zwei Mitarbeiter, nämlich

die Gesellschafter A.________ und B.________, reduziert
hat. Aktenkundig ist ferner, dass einem der Mitarbeiter aus
wirtschaftlichen Gründen gekündigt worden ist. Die Kontroll-
stelle der Beschwerdeführerin hat die Ausrichtung einer
Stiftungsleistung an diesen Mitarbeiter ausdrücklich mit
der Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen und der Aufgabe
der Produktionstätigkeit begründet. In der Folge haben
Beschwerdeführerin und Stifterfirma ihre Darstellung laufend
verändert: Zunächst liessen sie verlauten, nicht die Produk-
tion, sondern die Endmontage sei eingestellt worden. Sodann
behaupteten sie, eine Endmontage habe es nie gegeben, viel-
mehr habe eine von den Kunden verlangte teilweise Neuaus-
richtung der Tätigkeit mit zuätzlichem Servicedienst dazu
geführt, dass ein Teil der Mitarbeiter die Stifterfirma ver-
lassen hätten.

        Völlig zu Recht hat die Beschwerdekommission davon
abgesehen, sich im Detail mit dieser widersprüchlichen Dar-
stellung der Vorgänge bei der Stifterfirma zu befassen. Eine
unvollständige Sachverhaltsfeststellung (Art. 105 Abs. 2 OG)
liegt jedenfalls nicht vor. Entscheidend ist, dass so oder
anders eine Neuausrichtung der Stifterfirma erfolgte, welche
den Abgang fast der ganzen Belegschaft mit sich brachte,
während die Unternehmung nur noch als Ingenieurbüro, beste-
hend aus den beiden Gesellschaftern, weitergeführt wurde.
Derartige Veränderungen dürfen nicht dazu führen, dass ein-
seitig die beiden verbliebenen Gesellschafter Jahre später
vom Stiftungsvermögen profitieren, während alle anderen Mit-
arbeiter leer ausgehen, so wie die Beschwerdeführerin dies
mit dem von ihr vorgelegten Verteilungsplan anstrebt.

        c) Die Beschwerdeführerin wendet ein, die Stifter-
firma habe keine Kündigungen ausgesprochen. Die Beweislast
dafür, dass die in den Jahren 1987 bis 1989 ausgetretenen
Mitarbeiter die Stifterfirma nicht freiwillig verlassen

hätten, liege bei der Aufsichtsbehörde. Auch hätte das frei-
willige Ausscheiden mehrer Mitarbeiter zu betrieblichen
(nicht wirtschaftlichen) Schwierigkeiten geführt.

        Mit ihrer Argumentation scheint die Beschwerdefüh-
rerin eine Parallele zum Sachverhalt ziehen zu wollen, wie
er BGE 119 Ib 46 zugrunde lag. Dort führte die konzertierte
Kündigung eines Teils der Belegschaft zu wirtschaftlichen
Schwierigkeiten, welche die Umstrukturierung der Stifter-
firma und weitere Entlassungen zur Folge hatte. Das Bundes-
gericht entschied, dass es nicht gegen das Rechtsgleich-
heitsgebot verstiess, wenn bei der notwendig gewordenen
Teilliquidation der Personalvorsorgestiftung die freiwillig
ausgeschiedenen Mitarbeiter, die durch ihr Verhalten die
wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die Umstrukturierung
verursacht hatten, nicht in den Verteilungsplan einbezogen
wurden. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier indessen auch
nicht ansatzweise vor. Wiewohl die Beschwerdeführerin ihre
Sachdarstellung immer wieder zur Verbesserung ihrer Prozess-
aussichten angepasst hat, blieb es immer dabei, dass es
Veränderungen bei der Stifterfirma waren, welche zur Folge
hatten, dass der Personalbestand von elf Mitarbeitern auf
deren zwei abgebaut und die Unternehmung nur noch als
Ingenieurbüro mit den beiden Gesellschaftern weitergeführt
wurde. Für den Einbezug in der Verteilungsplan kommt es
nicht darauf an, wer die Kündigung ausgesprochen hat. Ent-
scheidend ist nur, dass der Abbau des Personals auf Verän-
derungen bei der Stifterfirma zurückzuführen ist. Um welche
Veränderung es sich dabei handelte, ob die Einstellung der
Produktion, die Einstellung der Endmontage oder aber eine
Neuausrichtung im Servicebereich, wie zuletzt geltend ge-
macht, bleibt ohne Belang. In jedem Fall hat die Beschwerde-
führerin eine Teilliquidation durchzuführen und in den Ver-
teilplan die ausgeschiedenen Mitarbeiter einzubeziehen.

     3.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich
damit als unbegründet und ist abzuweisen.

        Entsprechend diesem Verfahrensausgang hat die
Beschwerdeführerin die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen
(Art. 156 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.- wird der
Beschwerdeführerin auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Amt
für Sozialversicherung und Stiftungsaufsicht des Kantons
Bern, der Eidgenössischen Beschwerdekommission der beruf-
lichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge sowie
dem Bundesamt für Sozialversicherung schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 24. Januar 2002

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                  Die Gerichtsschreiberin: