Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.436/2001
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2A.436/2001/klp/mks

Urteil vom 7. März 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Merkli,
Gerichtsschreiber Klopfenstein.

J.  und M. X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
iur. Markus Neff, Poststrasse 18, Postfach 841, 9001 St. Gallen,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Thurgau,  Schlossmühlestrasse 15, 8500
Frauenfeld,
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570
Weinfelden.

Steuerdomizil

(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts
des Kantons Thurgau vom 23. Mai 2001)
Sachverhalt:

A.
Am 7. Oktober 1996 meldeten sich J.  und M. X.________ (geboren 1928 bzw.
1932), die im Jahre1995 im Kanton Thurgau  noch ein Einkommen von Fr.
............ und ein Vermögen von Fr. ............. versteuert hatten, beim
Einwohneramt B.________ ab und reisten nach A.________ (Australien), wo sie
seit dem 9. Juli 1995 eine Eigentumswohnung besitzen.

Nachdem die Veranlagungsbehörde B.________ J. und M. X.________ das
rechtliche Gehör gewährt hatte, unterstellte sie die beiden Eheleute mit
Steuerdomizilentscheid vom 26. Juli 1999 sowohl betreffend die Staats- und
Gemeindesteuern als auch betreffend die direkte Bundessteuer bis zum 9.
September 1998 der unbeschränkten Steuerpflicht in B.________. Eine gegen
diesen Steuerdomizilentscheid gerichtete Einsprache wies die Steuerverwaltung
des Kantons Thurgau am 20. Dezember 1999 ab.

Gegen den Einspracheentscheid erhoben J. und M. X.________ Rekurs und
Beschwerde bei der Steuerrekurskommission des Kantons Thurgau. Hier machten
sie geltend, ab dem 1. Oktober 1996 seien sie in der Schweiz nicht mehr
unbeschränkt steuerpflichtig, und untermauerten ihren Standpunkt mit
zahlreichen neuen Beweismitteln. Mit Entscheiden vom 3. Juni 2000 (Nr.
69/2000 betreffend die Staats- und Gemeindesteuern sowie Nr. 70/2000
betreffend die direkte Bundessteuer) wies die Steuerrekurskommission den
Rekurs und die Beschwerde ab.

B.
Gegen die abschlägigen Entscheide der Steuerrekurskommission wehrten sich die
Eheleute X.________ erfolglos: Am 6. Februar 2001 bestätigte das
Bundesgericht auf eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin den
angefochtenen Steuerdomizilentscheid, soweit er die direkte Bundessteuer
betraf. Am 23. Mai 2001 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau eine
Beschwerde gegen den Entscheid der Steuerrekurskommission betreffend das
Steuerdomizil  für die Staats- und Gemeindesteuern ebenfalls ab.

C.
J. und M. X.________ führen mit Eingabe vom 1. Oktober 2001
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, den
Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 23. Mai 2001 sowie die ihm zu Grunde
liegenden Rekurs- bzw. Einspracheentscheide aufzuheben und festzustellen,
dass die Beschwerdeführer mangels persönlicher Zugehörigkeit im Sinne von
Art. 7 des kantonalen Gesetzes vom 14. September 1992 über die Staats- und
Gemeindesteuern seit dem 1. Oktober 1996 im Kanton Thurgau nicht mehr
unbeschränkt steuerpflichtig seien. Eventuell sei festzustellen, dass sie auf
Grund des Vorranges des Besteuerungsrechts von Australien nach Art. 4 Abs. 2
des Abkommens vom 28. Februar 1980 zwischen der Schweiz und Australien zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen
(DBA-AUS; SR 0.672.915.81) seit dem 1. Oktober 1996 im Kanton Thurgau nicht
mehr unbeschränkt steuerpflichtig seien.

Die Steuerverwaltung des Kantons Thurgau beantragt, auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten, sie eventuell abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau  beantragt, die "staatsrechtliche
Beschwerde" abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne. Die
Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde.

Mit Verfügung vom 8. November 2001 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde
die beantragte aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Die Beschwerdeführer rügen die Handhabung der Vorschriften des kantonalen
Steuergesetzes mit dem Rechtsmittel der eidgenössischen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und berufen sich in diesem Zusammenhang auf
Art. 3 und Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR
642.14). Der Zeitraum, auf den sich der streitige Steuerdomizilentscheid
bezieht, liegt indessen noch innerhalb der achtjährigen Übergangsfrist, die
der Bundesgesetzgeber den Kantonen in Art. 72 Abs. 1 StHG zur Anpassung ihrer
eigenen Gesetzgebung gewährt hat. Soweit die Beschwerdeführer  eine
willkürliche Anwendung von § 7 des kantonalen Steuergesetzes  bzw. eine
willkürliche Feststellung des Sachverhaltes rügen wollen, steht daher,
entgegen ihrer Auffassung, nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern
allein die staatsrechtliche Beschwerde offen (BGE 123 II 588 E. 2d S. 592;
vgl. auch Ulrich Cavelti, in: Kommentar zum schweizerischen Steuerrecht, Band
I/1, Basel 1997, N. 14/15 zu Art. 73 StHG). Die als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde bezeichnete Eingabe der Beschwerdeführer ist in
diesem Punkt als staatsrechtliche Beschwerde zu behandeln, soweit sie den
Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügt (BGE 120 Ib 379
E. 1a S. 381).

1.2 Die Beschwerdeführer berufen sich sodann auf das
Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Australien. Ob die
Verletzung eines internationalen Doppelbesteuerungsabkommens im Zusammenhang
mit kantonalen Steuern mit staatsrechtlicher Beschwerde (Art. 84 Abs. 1 lit.
c OG) oder aber mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend zu machen ist (vgl.
zu dieser Frage BGE 102 Ib 264 E. 1a S. 265 f.; 116 Ia 264  E. 2c S. 267 f.,
sowie Urteile 2P.43/1993 vom 17. Mai 1995, E. 3, und 2P.185/1999 vom 16. Mai
2000, E. 1b [publ. in StE, 2000 A 31.1 6]), braucht auch vorliegend nicht
entschieden zu werden, da die Kognition des Bundesgerichts unter den
gegebenen Umständen bei beiden Rechtsmitteln im Wesentlichen übereinstimmt
und die Beschwerdeführer, wie sich zeigen wird, mit ihren Vorbringen so oder
anders nicht durchzudringen vermögen. Sowohl bei der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wie bei der staatsrechtlichen Beschwerde ist
das Bundesgericht an die sachverhaltsmässigen Feststellungen des kantonalen
Richters gebunden, soweit diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig
oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften (Art. 105 Abs. 2
OG) bzw. unter Verletzung des Willkürverbotes und der Garantien des
rechtlichen Gehörs (Art. 9 und 29 BV) zustande gekommen sind, während
umgekehrt die Auslegung und Anwendung der hier streitigen Bestimmungen des
Doppelbesteuerungsabkommens auch im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde
frei geprüft wird  (Walter Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 193). Neue tatsächliche Vorbringen sind
bei beiden Rechtsmitteln grundsätzlich ausgeschlossen (BGE 114 Ib 27 E. 8b S.
33; 113 Ia 407 E. 1 S. 408; vgl. auch Fritz Gygi,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Auflage 1983, S. 286/287, Walter Kälin,
a.a.O., S. 370).

2.
Die Beschwerdeführer bringen nichts vor, was die tatsächlichen Feststellungen
der kantonalen Steuerrekurskommission, die das Verwaltungsgericht mit dem
angefochtenen Urteil im Wesentlichen übernahm - und auf welche sich auch das
bundesgerichtliche Urteil 2A. 337/2000 vom 6. Februar 2001 weitgehend stützen
konnte - , als offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich erscheinen lassen
könnte. Auch die rechtlichen Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts,
sowohl was die Frage der Wohnsitzverlegung als auch die Handhabung des
Doppelbesteuerungsabkommens betrifft, lassen sich nicht beanstanden; sie
decken sich mit der im erwähnten bundesgerichtlichen Urteil bezüglich des
gleichen Zeitraumes für die direkte Bundessteuer vorgenommenen Würdigung.
Namentlich kann dem Verwaltungsgericht nicht vorgeworfen werden, es habe sich
"akribisch" und "einseitig zuungunsten der Beschwerdeführer" bemüht, "die
Bindungen zu B.________ in den Vordergrund zu stellen" (S. 13 der
Beschwerdeschrift), während es gleichzeitig "sämtliche Bezüge zu Australien
herabgewertet und auch in unzulässiger Weise in Frage gestellt" habe (S. 22
der Beschwerdeschrift). Das Verwaltungsgericht hat sich auch mit den
Indizien, die für eine Wohnsitznahme der Beschwerdeführer in
A.________/Australien vor dem 9. September 1998 sprechen, auseinander
gesetzt; es durfte aber aus den im erwähnten bundesgerichtlichen Urteil vom
6. Februar 2001 dargelegten Gründen ohne Willkür feststellen, dass gesamthaft
- jedenfalls während der vom angefochtenen Entscheid betroffenen Zeitperiode
(1. Oktober 1996 bis 9. September 1998) - noch die Beziehungen der
Beschwerdeführer zur Schweiz dominierten.

3.
Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe nicht gewürdigt, dass die kantonalen
Steuerbehörden den umstrittenen Steuerdomizilentscheid wider besseres Wissen
gefällt bzw. bestätigt hätten (nachdem bereits 1997 eine Unterstellung der
Beschwerdeführer unter die australische Steuerpflicht verfügt worden sei),
ist unbegründet. Die von den Beschwerdeführern bereits bei der
Steuerrekurskommission eingereichten Beweismittel ("Tax file number advice"
Nr. 401 488 634 und Nr. 391 493 922 vom 27. März 1997), auf die sie sich auch
im vorliegenden Verfahren berufen, vermögen die Rechtmässigkeit des
angefochtenen Steuerdomizilentscheides nicht in Frage zu stellen, bleibt doch
offen, wieweit die australischen Steuerbehörden über alle für die
Domizilbestimmung wesentlichen Umstände im Bilde waren bzw. von den
Beschwerdeführern hierüber vollständig informiert worden sind (vgl. auch
Urteil vom 6. Februar 2001, E. 3).

Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen nicht übersehen, dass die australischen
Steuerbehörden inzwischen die Steuerpflicht der Beschwerdeführer in
Australien bejaht und entsprechende Steuerbescheide erlassen haben (vgl. S.
6/7 des angefochtenen Entscheides). Es hat zu Recht darauf hingewiesen, dass
den Beschwerdeführern deshalb - soweit die von Australien beanspruchte
Steuerhoheit eine internationale Doppelbesteuerung bewirkt - das in Art. 23
DBA-AUS vorgesehene Verständigungsverfahren zur Verfügung steht. Wie die
Beschwerdeführer selber dartun, ist dieses Verfahren hängig (vgl. auch die
Beilagen zur Vernehmlassung der Eidgenössischen Steuerverwaltung, wonach die
australischen Steuerbehörden bereits aufgefordert worden sind, die Frage der
Besteuerung des Ehepaares X.________ in Australien noch einmal zu prüfen).

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist.

Entsprechend dem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten den
Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 153 und 153a
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 8'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt,
unter solidarischer Haftung.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Steuerverwaltung und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie der Eidgenössische
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. März 2002

Im Namen der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:                                     Der Gerichtsschreiber