Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.418/2001
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001


2A.418/2001/bie

Urteil vom 5. März 2002
II. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesrichter Wurzburger, Präsident,
Bundesrichter Müller, Ersatzrichter Cavelti,
Gerichtsschreiber Fux.

A.________, Beschwerdeführer,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Bern, Münstergasse 3,
3011 Bern,
Steuerrekurskommission des Kantons Bern,
Chutzenstrasse 68, 3007 Bern.

Direkte Bundessteuer 1997 und 1998

(Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid
der Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom

14. August 2001)
Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 29. Februar 1996 wurde die Ehe von A.________ und B.________
geschieden und A.________ verpflichtet, seiner Frau nebst Alimenten einen
Betrag von Fr. 325'000.-- aus Güterrecht zu bezahlen.

Aufgrund der Ehescheidung nahm die Steuerverwaltung des Kantons Bern mit
Verfügung vom 21. Mai 1997 eine Zwischenveranlagung per 1. März 1996 vor.
Beim Vermögen wurden im Wertschriftenverzeichnis Fr. 168'000.-- sowie unter
der Rubrik "unverteilte Erbschaften und Miteigentum" Fr. 157'000.--, gemäss
Konvention aus Güterrecht, ausgeschieden. Beim Einkommen wurden 3 Prozent als
Ertrag der Wertschriften sowie der durchschnittliche Nettoertrag aus der
Rubrik "unverteilte Erbschaften und Miteigentum" ausgeschieden. Das
steuerbare Einkommen für die direkte Bundessteuer wurde entsprechend von Fr.
111'100.-- auf Fr. 93'600.-- reduziert. Diese Verfügung erwuchs unangefochten
in Rechtskraft.

Am 2. März 1998 eröffnete die Steuerverwaltung des Kantons Bern A.________
die Steuerveranlagung betreffend die direkte Bundessteuer 1997/98 mit einem
steuerbaren Einkommen von Fr. 112'781.--. Eine dagegen erhobene Einsprache
wies die Steuerverwaltung am 21. August 2000 unter Hinweis auf eine
Stellungnahme vom 20. Juli 2000 ab. Sie begründete ihren Entscheid damit,
dass einmalige Abfindungen nach Art. 151 und 152 ZGB, die in Kapitalform
erbracht werden, im Einkommen weder aufzurechnen noch zum Abzug zuzulassen
seien; sie würden nur auf den Zeitpunkt der Zwischenveranlagung infolge
Ehescheidung vermögensseitig berücksichtigt. Es handle sich hierbei um eine
Ersatzforderung aus Güterrecht. Somit würden die Leistungen steuerlich als
erfolgsneutrale Vermögensumschichtung gelten, weshalb weder ein
voraussichtlicher Ertragsverlust auf Wertschriften noch ein voraussichtlicher
Schuldzinsenabzug auf einer Hypothekarschulderhöhung steuerlich geltend
gemacht werden könnten.

B.
A.________ erhob am 14. September 2000 Rekurs (recte: Beschwerde) gegen den
Einspracheentscheid vom 21. August 2000. Er beantragte, es seien die in der
Zwischenveranlagungsverfügung vom 21. Mai 1997 ausgeschiedenen
Vermögenserträge in den Veranlagungen 1997/98 ebenfalls einkommenswirksam zu
berücksichtigen.

Die Steuerrekurskommission des Kantons Bern wies die Beschwerde am 14. August
2001 ab. Sie hielt fest, dass sich eine Zwischenveranlagung gemäss ständiger
Praxis der Steuerjustizbehörden auf die Veränderung der Taxation zu
beschränken habe, die mittelbar oder unmittelbar mit dem die
Zwischenveranlagung auslösenden Sachverhalt zusammenhänge. Wie die
Steuerverwaltung zu Recht geltend mache, handle es sich bei der
Kapitalzahlung aufgrund der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Rahmen des
Scheidungsverfahrens um eine einkommensneutrale Vermögensumschichtung, die
nicht mit der Zwischenveranlagung bzw. der Gegenwartsbemessung erfasst werden
dürfe. Konsequenterweise dürften auch Passivzinsen zur Finanzierung der
güterrechtlichen Abfindung nicht mit der Gegenwartsbemessung erfasst werden.

C.
A.________ hat Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben. Er
beantragt, der Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom 14.
August 2001 sei aufzuheben und die Einspracheverfügung der Steuerverwaltung
des Kantons Bern vom 21. August 2000 sei für die direkte Bundessteuer
insofern zu korrigieren, als der in der Zwischenveranlagungsverfügung vom 21.
Mai 1997 ausgeschiedene Vermögensertrag in den Veranlagungen 1997/98
ebenfalls einkommenswirksam zu berücksichtigen sei. Er rügt materiell eine
Verletzung von Bundesrecht und in verfahrensrechtlicher Hinsicht eine
Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV)

D.
Die Steuerrekurskommission und die Steuerverwaltung des Kantons Bern
beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung
schliesst (implizit) auf Gutheissung der Beschwerde; sie stellt den Antrag,
die Sache sei zur genauen Abklärung des Sachverhalts und zur Neuveranlagung
an die Rekurskommission, eventuell an die Veranlagungsbehörde zurückzuweisen.
Es sei unklar, ob die aufgrund der Scheidungskonvention geleistete
Kapitalabfindung von Fr. 325'000.-- aus eigenen Mitteln oder über ein
Darlehen erbracht worden sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gegen Entscheide einer kantonalen Steuerrekurskommission im Sinne von
Art. 140 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte
Bundessteuer (DBG; SR 642.11) ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig
(Art. 146 DBG). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid
beschwert und nach Art. 103 lit. a OG zur Beschwerdeführung legitimiert. Auf
die frist- und formgerechte Beschwerde ist einzutreten.

1.2 Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sowie die
unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen
Sachverhalts gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Hat jedoch - wie hier
- eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt
nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften festgestellt, ist das Bundesgericht an
die Sachverhaltsfeststellungen gebunden (Art. 105 Abs. 2 OG). Offensichtlich
unrichtig ist eine Sachverhaltsermittlung nicht schon dann, wenn sich Zweifel
anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist
(Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 286, mit
Hinweisen). Das Bundesgericht kontrolliert die Anwendung des Bundesrechts von
Amtes wegen.

2.
2.1Der Beschwerdeführer rügt, die Steuerverwaltung des Kantons Bern habe sich
mit dem Hinweis begnügt, der von ihm zitierte BGE 115 Ib 8 E. 2 beziehe sich
auf einen Berufswechsel und nicht auf eine Scheidung. Die Vorinstanz sei
ihrerseits mit keinem Wort auf die Beschwerdebegründung eingegangen und habe
damit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die Vorinstanz wendet
dagegen ein, die rechnerischen Auswirkungen der Ehescheidung beim Einkommen
und Vermögen pro 1997/98 seien mit der Zwischenveranlagung per 1. März 1996
dem Beschwerdeführer bereits von der Steuerverwaltung mit Schreiben vom 29.
August 2000 eingehend erläutert worden. Im Anschluss an die Eröffnung ihres
eigenen Entscheids (am 22. August 2001) habe der erste Sekretär zwei längere
Telefongespräche mit dem Beschwerdeführer geführt, um ihm die rechtlichen
Überlegungen und die Funktionsweise der Zwischenveranlagung darzulegen. Der
Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs sei deshalb unbegründet.

2.2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass eine Behörde die
Vorbringen der vom Entscheid Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und
ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die
grundsätzliche Pflicht, einen Entscheid zu begründen. Die Begründung muss so
abgefasst sein, dass der Betroffene den Entscheid sachgerecht anfechten kann.
Ein Anspruch auf eine ausführliche, schriftliche Urteilsbegründung besteht
aber nicht (BGE 124 II 146 E. 2a, S. 149, mit Hinweis). Die Anfechtung eines
Entscheids ist nur dann möglich, wenn sowohl der Beschwerdeführer wie auch
die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheids ein Bild
machen können. In diesem Sinn müssen im Entscheid wenigstens kurz die
Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde leiten liess und auf
die sich ihr Entscheid stützt (BGE 112 Ia 107 E. 2b, S. 110, mit Hinweisen).

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Entscheid offensichtlich nicht.
Die Vorinstanz begnügt sich mit dem Hinweis auf die Ausführung der
Steuerverwaltung, wonach die Kapitalzahlung eine einkommensneutrale
Vermögensumschichtung darstelle, die nicht mit der Zwischenveranlagung
erfasst werden dürfe. Auf die Darlegung des Beschwerdeführers, dass die
Steuerverwaltung in der Zwischenveranlagung vom 1. März 1996 aufgrund der
ausgefallenen Erträge bzw. der neu eingegangenen Schulden Einkommen und
Vermögen angepasst habe, geht sie mit keinem Wort ein. Ebenso wenig setzt sie
sich mit dem vom Beschwerdeführer erwähnten Präjudiz auseinander. Der
Einwand, der erste Sekretär habe in zwei längeren Telefongesprächen dem
Beschwerdeführer die Rechtslage dargelegt, ist unbehelflich. Lediglich
mündliche Ergänzungen vermögen die Begründungspflicht in der Regel nicht zu
ersetzen. Bei einem Sachentscheid wie dem vorliegenden müssen vielmehr die
wesentlichen Überlegungen, die zu einer Gutheissung oder Abweisung eines
Begehrens führen, aus dem Urteil hervorgehen. Die Rüge der Verletzung des
rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) erweist sich demzufolge als
gerechtfertigt.

3.
Nach Art. 45 lit. a DBG wird unter anderem bei Scheidung eine
Zwischenveranlagung durchgeführt. Dieser wird die bisherige ordentliche
Veranlagung, vermehrt oder vermindert um die veränderten Einkommensteile, zu
Grunde gelegt (Art. 46 Abs. 2 DBG). Bei der nachfolgenden ordentlichen
Veranlagung werden die in der Zwischenveranlagung weggefallenen Teile des
Einkommens nicht mehr berücksichtigt; die neu hinzugekommenen Teile werden
nach den Regeln bemessen, die bei Beginn der Steuerpflicht gelten (Art. 46
Abs. 4 DBG).

Die Steuerverwaltung hat mit Zwischenveranlagungsverfügung vom 21. Mai 1997
diesen Grundsätzen nachgelebt und entsprechende Korrekturen beim steuerbaren
Einkommen rückwirkend auf den 1. März 1996 vorgenommen. Bei der Veranlagung
der direkten Bundessteuer 1997/98 hat sie es dagegen abgelehnt, die aufgrund
der einmaligen Abfindung eingetretenen Veränderungen zu berücksichtigen. Sie
verweist auf ihr Merkblatt Nr. 10, wonach einmalige Leistungen nach Art. 151
und 152 ZGB, die in Kapitalform erbracht werden, einkommensmässig weder
aufzurechnen noch zum Abzug zuzulassen seien; sie würden nur bei der
Bemessung des Vermögens auf den Zeitpunkt der Scheidung hin berücksichtigt.
Ein voraussichtlicher Vermögensertrag bei der empfangenden Person bzw. ein
entsprechender Ertragsverlust bei der leistenden Person werde bei der
Zwischenveranlagung bzw. Neuveranlagung nicht berücksichtigt.

Bei den Leistungen gemäss den (inzwischen aufgehobenen) Artikeln 151 und 152
ZGB handelt es sich um Entschädigungs-, Genugtuungs- sowie
Unterhaltszahlungen an den bedürftigen Ehegatten. Im vorliegenden Fall geht
es jedoch um die Berücksichtigung des vom Steuerpflichtigen aus ehelichem
Güterrecht bezahlten Betrages von Fr. 325'000.-- und die daraus folgenden
Veränderungen im Vermögensertrag. Wird bei der Scheidung eheliches Vermögen
güterrechtlich aufgeteilt, so sind die einzelnen Anteile dem betreffenden
Ehegatten im Vermögen zuzurechnen. Der Ertrag daraus wird in die Zwischen-
und in die Neuveranlagung anteilsmässig einbezogen (so ausdrücklich auch das
von der Steuerverwaltung zitierte Merkblatt zur Staatssteuer, Ziff. 2.3 Abs.
2). Vorliegend kann das Bundesgericht aufgrund der Akten nicht entscheiden,
wie der Beschwerdeführer die Kapitalabfindung von Fr. 325'000.-- aufgebracht
hat und welche Erträge damit wegfallen. Die Streitsache ist zur genauen
Abklärung des Sachverhalts und zur Neuveranlagung an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Dabei sind die Veränderungen im Vermögensertrag aufgrund der
Vermögensabtretung an die geschiedene Ehefrau auch in den Steuerveranlagungen
für die direkte Bundessteuer 1997/98 einkommenswirksam zu berücksichtigen
(vgl. Ernst Känzig, Direkte Bundessteuer, I. Teil, Basel 1982, N 41 zu Art.
42 BdBSt; Duss/Schär, in: Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/2a,
Basel 2000, N 7 ff. zu Art. 46 DBG; Peter Locher, Kommentar zum DBG, I. Teil,
Therwil/Basel 2001, N 22 zu Art. 46).

4.
Die Beschwerde erweist sich somit als begründet und ist gutzuheissen.

Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Kanton
Bern aufzuerlegen, da es um dessen Vermögensinteressen geht (Art. 156 Abs. 1
und 2 OG). Der Beschwerdeführer ist Fürsprecher und prozessiert in eigener
Sache. Seine Auslagen und sein persönlicher Arbeitsaufwand dürften nicht
derart erheblich gewesen sein, dass sich eine Umtriebsentschädigung
rechtfertigen würde (Art. 159 Abs. 1 OG; vgl. BGE 115 Ia 12 E. 5 S. 21, mit
Hinweis); im Übrigen hat er auch keine Parteientschädigung geltend gemacht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Das Bundesgericht erkennt im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid der
Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom 14. August 2001 aufgehoben und
die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Kanton Bern auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Steuerverwaltung und der
Steuerrekurskommission des Kantons Bern sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. März 2002

Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: