Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.406/2001
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2A.406/2001/bmt

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
            ***********************************

                      23. Januar 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hungerbühler, Müller,
Bundesrichterin Yersin, Bundesrichter Merkli und Gerichts-
schreiber Matter.

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                         In Sachen

Kantonales Steueramt  Z ü r i c h, Abteilung Rechtsdienst,
Beschwerdeführer,

                           gegen

X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Schaub,
Weber Schaub & Partner, Postfach 22, Zürich,
Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons  Z ü r i c h,

                         betreffend
                direkte Bundessteuer 1997/98
       (Versicherungsprämienabzüge und Sozialabzüge),

hat sich ergeben:

     A.- X.________ ist Mutter der 1971, 1973 und 1978 gebo-
renen Kinder A.________, B.________ und C.________. Sie ist
geschieden. Die Kinder standen Ende 1996 noch in der Ausbil-
dung. Sie erhielten von ihren Vätern Unterhaltsbeiträge von
monatlich Fr. 1'200.-- (A.________ und B.________) bzw. Fr.
1'350.-- (C.________). Bei der Veranlagung von X.________ für
die direkte Bundessteuer 1997/98 gewährte die Veranlagungs-
behörde den geltend gemachten Versicherungsabzug von
Fr. 1'400.-- gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. g des Bundesgesetzes
vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG;
SR 642.11, in der Fassung vom 4. März 1996). Ein Sozialab-
zug nach Art. 35 DBG (ebenfalls in der Fassung vom 4. März
1996) wurde, da nicht begehrt, nicht gewährt. Das steuerbare
Einkommen wurde auf Fr. 113'700.-- festgesetzt und dem Tarif
nach Art. 36 Abs. 1 DBG für Alleinstehende unterstellt.

     B.- Im Einspracheverfahren beanspruchte die Pflich-
tige für ihre Kinder den Sozialabzug nach Art. 35 Abs. 1
lit. a DBG zu je Fr. 5'600.-- bzw. eventuell je Fr. 5'100.--,
den erhöhten Versicherungsprämienabzug gemäss Art. 33 Abs. 1
lit. g DBG (Erhöhung um je Fr. 700.--, eventuell Fr. 600.--
pro Kind) sowie den Verheiratetentarif nach Art. 36 Abs. 2
DBG. Sie brachte vor, sie bestreite in erheblichem Umfang
den Unterhalt ihrer Kinder, die sich alle noch in der Aus-
bildung befänden und für welche sie keine Unterhaltsbeiträge
erhalte; im Übrigen käme sie ohnehin überwiegend für deren
Unterhalt auf. Der Steuerkommissär wies die Einsprache am
14. Juni 2000 ab.

        X.________ erhob hiegegen Beschwerde bei der
Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich. Sie
verlangte, das Einkommen sei um Fr. 17'100.--

auf Fr. 96'600.-- herabzusetzen. Mit Entscheid vom 9. Au-
gust 2001 hiess die Bundessteuer-Rekurskommission die Be-
schwerde gut.

     C.- Am 14. September 2001 hat das Kantonale Steueramt
Zürich gegen diesen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde
beim Bundesgericht erhoben. Es stellt den Antrag, es seien
der Beschwerdegegnerin für die drei mündigen Kinder
A.________, B.________ und C.________ die Kinderabzüge von
je Fr. 5'100.-- und die zusätzlichen Versicherungsprämien-
abzüge von je Fr. 600.-- zu verweigern, sowie es sei die Be-
schwerdegegnerin für die direkte Bundessteuer 1997/98 mit
einem steuerbaren Einkommen von Fr. 113'700.-- (zum Tarif
gemäss Art. 36 Abs. 2 DBG) zu veranlagen, eventualiter sei
die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzu-
weisen.

     D.- Die Beschwerdegegnerin, die Vorinstanz und die
Eidgenössische Steuerverwaltung beantragen, die Beschwerde
abzuweisen.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Die Kantonale Verwaltung für die direkte Bundes-
steuer (Kantonales Steueramt Zürich) ist nach Art. 146 DBG
zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legitimiert.

        b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nach
Art. 104 lit. a und b OG die Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermes-
sens, und die unrichtige oder unvollständige Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts gerügt werden. Das Bun-

desgericht wendet das Bundesrecht bei der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde von Amtes wegen an, ohne an die Begrün-
dung der Parteibegehren gebunden zu sein (vgl. Art. 114
Abs. 1 OG). Es kann daher den Entscheid mit Erwägungen
aufrecht erhalten, die von denen im angefochtenen Entscheid
abweichen, oder eine Beschwerde aus anderen als den darin
geltend gemachten Gründen gutheissen (BGE 117 Ib 114 E. 4a
S. 117; 120 Ib 379 E. 1b S. 382; 121 III 274 E. 2c S. 275/
276; 123 II 385 E. 3 S. 388 f.). An die Sachverhaltsfest-
stellung ist das Bundesgericht gebunden, wenn - wie hier -
eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den
Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig
oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 2 OG).

     2.- a) Die Vorinstanz hat die Beschwerdegegnerin wie
folgt besteuert: Sie musste die für ihre schon volljährigen
Kinder erhaltenen scheidungsrechtlichen Unterhaltsbeiträge
nicht als ihr Einkommen versteuern (Art. 23 lit. f DBG a
contrario und Art. 24 lit. e DBG); gemäss Art. 33 Abs. 1
lit. g DBG hatte sie Anspruch auf den um je Fr. 600.-- pro
Kind erhöhten Abzug für Versicherungsbeiträge und Zinsen von
Sparkapitalien; zudem wurde ihr nach Art. 35 Abs. 1 lit. a
DBG der Sozialabzug von je Fr. 5'100.-- für die drei in der
Berufsausbildung stehenden Kinder gewährt; schliesslich kam
der Verheiratetentarif (Art. 36 Abs. 2 DBG) zur Anwendung.
Gleichzeitig konnten die Alimente zahlenden Väter ihre Un-
terhaltsbeiträge für ihre volljährigen Kinder nicht von
ihrem steuerbaren Einkommen abziehen (Art. 33 Abs. 1 lit. c
DBG a contrario), dafür aber den Unterstützungsabzug von je
Fr. 5'100.-- (Art. 35 Abs. 1 lit. b DBG) geltend machen.

        b) Das beschwerdeführende Kantonale Steueramt macht
zur Hauptsache geltend, die kumulative Gewährung des Kinder-
abzugs nach Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG an den unmittelbar für

den Unterhalt sorgenden Elternteil und des Unterstützungsab-
zugs nach Art. 35 Abs. 1 lit. b DBG an den Alimente zahlen-
den Elternteil widerspreche dem Wortlaut von Art. 35 Abs. 1
lit. b zweiter Halbsatz DBG, wonach der Unterstützungsabzug
nach lit. b nicht beansprucht werden kann für den Ehegatten
und für Kinder, für die ein Abzug nach lit. a gewährt wird.

        Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG sieht einen Abzug vor für jedes
minderjährige oder in der Ausbildung stehende Kind, für
dessen Unterhalt der Steuerpflichtige sorgt. Lit. b die-
ser Bestimmung gewährt einen Abzug für jede erwerbsunfä-
hige oder beschränkt erwerbsfähige Person, an deren Un-
terhalt der Steuerpflichtige mindestens in der Höhe des
Abzuges beiträgt. Der Wortlaut des 2. Halbsatzes von lit. b
von Art. 35 Abs. 1 DBG schliesst nicht aus, dass das Kumu-
lationsverbot nur auf eine steuerpflichtige Person allein
bezogen wird. Eine solche Auslegung drängt sich auf, soll
doch die Besteuerung grundsätzlich nicht von der steuer-
lichen Behandlung einer Drittperson abhängen. Nach der ge-
setzlichen Regelung in lit. b ist der Unterstützungsabzug
gegenüber dem Kinderabzug subsidiär (und nicht umgekehrt).
Die fragliche Bestimmung schliesst somit bei richtigem Ver-
ständnis lediglich aus, dass einem Elternteil, der bereits
den Kinderabzug nach Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG geltend
macht, zusätzlich noch der Unterstützungsabzug nach lit. b
gewährt wird. Dagegen kann daraus - entgegen der Auffassung
des beschwerdeführenden Kantonalen Steueramts - nicht abge-
leitet werden, einem steuerpflichtigen Elternteil sei der
Kinderabzug nach Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG zu verweigern,
wenn dem anderen, Alimente zahlenden Elternteil der Un-
terstützungsabzug nach Art. 35 Abs. 1 lit. b DBG gewährt
wird. Vorliegend sorgt die Beschwerdegegnerin für den Un-
terhalt ihrer drei in der Ausbildung stehenden Kinder durch
deren unmittelbare Betreuung im gemeinsamen Haushalt (vgl.
Art. 163 und Art. 276 Abs. 2 ZGB); deshalb ist ihr der Kin-

derabzug nach Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG zuzugestehen (vgl.
Agner/Digeronimo/Neuhaus/Steinmann, Kommentar zum Bundes-
gesetz über die direkte Bundessteuer, Ergänzungsband 2000,
N 9a zu Art. 33 DBG).

        Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdegegnerin
auch der erhöhte Abzug für Versicherungsprämien und Spar-
zinsen nach Art. 33 Abs. 1 lit. g Abs. 2 DBG zu bewilligen
ist, da dieser Abzug u.a. an die Gewährung des Kinderabzugs
nach Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG anknüpft.

        Ebenfalls zu Recht hat die Vorinstanz auf die
Beschwerdegegnerin den tieferen Verheiratetentarif nach
Art. 36 Abs. 2 DBG zur Anwendung gebracht, kann doch da-
von ausgegangen werden, dass die Beschwerdegegnerin als
der die Kinder beherbergende und unmittelbar betreuende
Elternteil im Sinne der gesetzlichen Umschreibung "zur
Hauptsache" für deren Unterhalt aufkommt.

        c) Entgegen der Auffassung des beschwerdeführenden
Kantonalen Steueramts lässt sich hiegegen nicht vorbringen,
die kumulative Gewährung des Kinder- und Unterstützungsabzu-
ges widerspreche Sinn und Zweck des Gesetzes, dem Gleichbe-
handlungsgrundsatz sowie dem verfassungsmässigen Grundsatz
der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähig-
keit. Zunächst kann hiezu aus den Kreisschreiben und Weisun-
gen der Eidgenössischen Steuerverwaltung zur Periode 1989/90
nichts abgeleitet werden (vgl. dazu Beschwerde S. 3), ebenso
wenig aus der Praxis zu den kantonal-zürcherischen Steuern
(vgl. Beschwerde S. 5). Dass die Unterhaltsbeiträge mit Ein-
tritt der Mündigkeit direkt dem mündigen Kind zukommen und
fortan weder von der Mutter (vgl. Art. 23 lit. f DBG) noch
vom Kind selber zu versteuern sind (vgl. Art. 24 lit. e DBG,
vgl. Beschwerde S. 5), ist eine Grundsatzentscheidung des
Gesetzgebers, an die sich die Steuerbehörden zu halten ha-
ben. Der Umstand, dass sich die steuerliche Belastung der

Beschwerdegegnerin dadurch gegenüber der früheren Besteue-
rung erheblich verringert hat, da sie die für die Kinder
erhaltenen Unterhaltsbeiträge nun nach Art. 23 lit. f DBG
nicht mehr versteuern muss, erlaubt es - entgegen den Vor-
bringen in der Beschwerde (S. 6) - nicht, ihr den gesetzlich
vorgesehenen Kinderabzug nach Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG zu
verweigern. Dieser Abzug ist ein Sozialabzug, der nicht an
die Steuerpflicht für die erhaltenen Unterhaltsbeiträge an-
knüpft, sondern an die eigenen, zum Teil in natura erbrach-
ten Unterhaltsleistungen der Beschwerdegegnerin, deren wirt-
schaftliche Leistungsfähigkeit durch die Kinderbetreuung
reduziert wird.

        d) Es ist nicht zu entscheiden, ob bei diesem
Ergebnis die vom Kantonalen Steueramt behauptete, unge-
rechtfertigte Privilegierung von Halbfamilien mit mündigen
Kindern in Ausbildung gegenüber Halbfamilien mit unmündigen
Kindern besteht. Die vom Bundesgesetzgeber gewählte Lösung
ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 191 BV).

        Ob einem Elternteil, der mündigen Kindern Alimente
zahlt, der Kinderabzug nach Art. 35 Abs. 1 lit. a DBG oder
der Unterstützungsabzug nach Art. 35 Abs. 1 lit. b DBG zu
gewähren ist (vgl. Beschwerde S. 7 ff.), ist hier nicht
abschliessend zu prüfen: In der zur Diskussion stehenden
Steuerperiode sind diese Abzüge gleich hoch. Zudem geht es
im vorliegenden Verfahren nicht um die Veranlagung der Ali-
mente zahlenden Väter. Immerhin lässt sich sagen, dass die
- von der Eidgenössischen Steuerverwaltung vorgeschlagene -
Gewährung des Unterstützungsabzugs an den Alimente zahlenden
Elternteil, der die Unterhaltsbeiträge nach Art. 33 Abs. 1
lit. c DBG zufolge Eintritts der Volljährigkeit des Kindes
nicht mehr abziehen kann, mit dem Wortlaut von Art. 35
Abs. 1 lit. b DBG vereinbar ist, kann doch ohne Weiteres

angenommen werden, dass ein Kind in der Ausbildung zufolge
der damit verbundenen zeitlichen Belastung nicht oder bloss
beschränkt erwerbsfähig ist.

     3.- Die Beschwerde des Kantonalen Steueramtes erweist
sich daher als unbegründet. Bei diesem Ausgang wird der Kan-
ton Zürich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 2 OG) und
hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Ver-
fahren zu entschädigen (Art. 159 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem
Kantonalen Steueramt Zürich auferlegt.

     3.- Der Kanton Zürich hat der Beschwerdegegnerin für
das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung
von Fr. 1'500.-- zu bezahlen.

     4.- Dieses Urteil wird den Parteien, der Bundessteuer-
Rekurskommission des Kantons Zürich sowie der Eidgenössi-
schen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 23. Januar 2002

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
      Der Präsident:            Der Gerichtsschreiber: