Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.387/2001
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2A.387/2001/leb

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                      9. Oktober 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Müller, Merkli und
Gerichtsschreiber Hugi Yar.

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                         In Sachen

A.________, Beschwerdeführer,

                           gegen

Einwohnerdienste des Kantons  B a s e l - S t a d t, Abtei-
lung Internationale Kundschaft als kantonale Fremdenpolizei,
Verwaltungsgericht des Kantons  B a s e l - S t a d t, Ein-
zelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht,

                         betreffend
             Ausschaffungshaft (Art. 13b ANAG),

hat sich ergeben:

     A.- Der nach seinen letzten Angaben aus Litauen stam-
mende A.________ (geb. 1977; alias B.________, geb. **.
** 1984, alias C.________) reiste in einem Lastwagen ver-
steckt illegal in die Schweiz ein und wurde hier am 3. Sep-
tember 2001 bei einem Ladendiebstahl angehalten. In der Fol-
ge wiesen ihn die Einwohnerdienste des Kantons Basel-Stadt
formlos weg und nahmen ihn in Ausschaffungshaft. Der Einzel-
richter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Verwal-
tungsgericht des Kantons Basel-Stadt prüfte diese am 5. Sep-
tember 2001 und genehmigte sie bis zum 2. Dezember 2001.

     B.- A.________ gelangte hiergegen mit einer in Russisch
abgefassten Eingabe, welche von Amtes wegen übersetzt wurde,
an das Bundesgericht (Beschwerdeeingang: 12. September
2001); er ersucht darin sinngemäss um Haftentlassung. Er
sei in der Ukraine vergewaltigt worden und habe eine grosse
Summe Geld "geborgt", weshalb er das Land habe verlassen
müssen, was er erst jetzt darlege. Er bitte, seinen Fall neu
zu beurteilen.

        Der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Auslän-
derrecht und die Einwohnerdienste des Kantons Basel-Stadt
beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesamt für
Ausländerfragen liess sich nicht vernehmen. A.________
machte von der Möglichkeit keinen Gebrauch, sich noch einmal
zu äussern.

     C.- Mit Schreiben vom 24. September 2001 wurde vom Bun-
desamt für Flüchtlinge ein Amtsbericht zur Frage eingeholt,

ob ein gültiges Asylgesuch vorliege, was dieses mit Antwort
vom 1. Oktober 2001 verneinte. Der entsprechende Bericht ist
A.________ am 3. Oktober 2001 über die Einwohnerdienste des
Kantons Basel-Stadt zur Kenntnis gebracht worden.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat die Begehren,
deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unter-
schrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu ent-
halten (Art. 108 Abs. 2 OG). Sie muss sich sachbezogen mit
dem angefochtenen Entscheid auseinander setzen (BGE 118 Ib
134 ff.). Bei Laienbeschwerden gegen die Genehmigung der
Ausschaffungshaft stellt das Bundesgericht indessen keine
hohen Anforderungen an die Beschwerdebegründung (vgl. BGE
122 I 275 E. 3b S. 277). Ist daraus - wie hier - ersicht-
lich, dass sich der Betroffene (zumindest auch) gegen seine
Haft wendet, nimmt es entsprechende Eingaben als Verwal-
tungsgerichtsbeschwerden entgegen. Gegenstand des Verfahrens
bildet dabei jedoch ausschliesslich die Rechtmässigkeit der
ausländerrechtlichen Administrativhaft, nicht auch die Asyl-
bzw. Wegweisungsfrage (vgl. Art. 100 Abs. 1 lit. b Ziff. 4
OG). Die Zulässigkeit des Wegweisungsentscheids wird vorfra-
geweise nur berücksichtigt, wenn dieser als offensichtlich
rechtswidrig zu gelten hat (vgl. BGE 121 II 59 E. 2c S. 61).

      2.- Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in
Ausschaffungshaft nehmen, soweit die Voraussetzungen von

Art. 13b des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufent-
halt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) er-
füllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein erstinstanzli-
cher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder
Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 121 II 59 E. 2a
S. 61; 122 II 148 E. 1 S. 150 f.), dessen Vollzug (z.B. we-
gen fehlender Reisepapiere) noch nicht möglich, jedoch ab-
sehbar ist. Zudem muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG
genannten Haftgründe bestehen (BGE 124 II 1 E. 1 S. 3),
die Ausschaffung rechtlich und tatsächlich möglich sein
(Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; vgl. dazu BGE 122 II 148 E. 3
S. 152 ff.) und die Papierbeschaffung mit dem nötigen Nach-
druck verfolgt werden (Art. 13b Abs. 3 ANAG; Beschleuni-
gungsgebot; BGE 124 II 49 ff.).

     3.- a) Der Beschwerdeführer ist am 4. September 2001
formlos weggewiesen worden; dieser Entscheid war nicht of-
fensichtlich rechtswidrig, obwohl der Beschwerdeführer wäh-
rend seines Aufenthalts in der Schweiz wiederholt den Aus-
druck "Asyl" gebraucht hat: Nach Art. 18 und 19 des Asyl-
gesetzes vom 26. Juni 1998 (SR 142.31) gilt als Asylgesuch
jede Äusserung, mit der eine Person bei einer schweizeri-
schen Vertretung, an einem geöffneten Grenzübergang oder an
einer Empfangsstelle zu erkennen gibt, dass sie die Schweiz
um Schutz vor Verfolgung ersucht (vgl. Mario Gattiker, Das
Asyl- und Wegweisungsverfahren, Bern 1999, S. 22). Ist auch
grundsätzlich davon auszugehen, dass an die entsprechende
Erklärung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind,
durften die kantonalen Behörden hier doch annehmen, dass bis
zur formlosen Wegweisung kein solches Gesuch vorlag. Der Be-
schwerdeführer hatte zwar offenbar gegenüber der Verkäuferin
im Coop, wo er angehalten wurde, geäussert, er wolle "Asyl";
diese war für die Entgegennahme des entsprechenden Gesuchs

aber offensichtlich unzuständig. Den Behörden gegenüber er-
klärte er in der Folge, der Schlepper bzw. Chauffeur habe
seinem Begleiter und ihm geraten, sie sollten der Polizei
gegenüber "Asyl, Asyl" sagen; aus den weiteren Einvernahmen
ergab sich aber, dass er überhaupt nicht wusste, was das ei-
gentlich heissen sollte. Darauf angesprochen, warum er ins
Asylzentrum wolle, erklärte er, dass man sich dort frei be-
wegen und auf die Strasse gehen könne; er wolle im Asylzen-
trum "leben, Sprachen lernen und zur Schule gehen". Probleme
mit der Polizei oder dem Militär habe er nicht gehabt. Dem
Beschwerdeführer ging es darum, hier "normal" leben und ar-
beiten zu können. Sein ihm vom Schlepper empfohlener, in-
haltsloser Gebrauch des Ausdrucks "Asyl" sollte dies ermög-
lichen und eine sofortige Wegweisung verhindern, ohne dass
der Beschwerdeführer auch nur ansatzweise um Schutz vor
einer Verfolgung nachsuchen wollte, was letztlich die Tat-
sache belegt, dass er erst um "Asyl" bat, als er angehalten
wurde. Unter diesen Umständen war es nicht offensichtlich
unhaltbar, ihn formlos wegzuweisen und den Vollzug dieses
Entscheids mit einer Ausschaffungshaft zu sichern. Dies wird
durch den im bundesgerichtlichen Verfahren eingeholten Amts-
bericht des Bundesamts für Flüchtlinge bestätigt, wonach ge-
stützt auf die Erklärungen des Beschwerdeführers, denen jeg-
liche Ernsthaftigkeit abgehe, kein Asylverfahren eröffnet
werde. Der Beschwerdeführer hat seinerseits inzwischen er-
klärt, nicht - wie ursprünglich behauptet - B.________ zu
heissen und aus der Ukraine zu stammen; er sei entgegen sei-
nen früheren Angaben auch nicht minderjährig. Er komme aus
Litauen, wohin er nunmehr zurückkehren wolle. Ein allfäl-
liges Asylgesuch wäre damit gegenstandslos.

        b) Die anderen Haftvoraussetzungen sind ohne wei-
teres gegeben, insbesondere besteht beim Beschwerdeführer
Untertauchensgefahr im Sinne von Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG

(vgl. BGE 125 II 369 E. 3b/aa S. 375; 122 II 49 E. 2a S. 50
f.; 119 Ib 193 E. 2b S. 198): Seine Identität steht nicht
fest. Er ist auf seine entsprechenden Angaben wiederholt
zurückgekommen. Die Art und der Zweck seiner Einreise - in
einem Lastwagen versteckt, um hier arbeiten bzw. zur Schule
gehen zu können - legen nahe, dass er sich ohne Haft den Be-
hörden zum Vollzug der Wegweisung nicht zur Verfügung halten
wird. Er ist mittellos und wurde bei einem versuchten Laden-
diebstahl angehalten. War dieser auch eher unbedeutend
("Vergessen" des Bezahlens einer Nagelschere), ergibt sich
daraus doch, dass er sich um die hiesige Rechtsordnung nicht
weiter kümmert, und bereit ist, sich hier mit allen Mitteln
durchzuschlagen. Noch vor dem Haftrichter widersetze er sich
einer Rückkehr in sein Heimatland: er besteige ein entspre-
chendes Flugzeug "nur mit Handschellen". Dass er auf diese
Erklärung inzwischen zurückgekommen ist, lässt den Haftgrund
nicht entfallen, sondern belegt, dass er die Behörden mit
seinen Angaben bewusst und planmässig zu täuschen versuchte,
um ihre Vollzugsbemühungen zu erschweren. Damit lassen hin-
reichend konkrete Indizien befürchten, dass er sich ohne die
angeordnete Administrativmassnahme der Ausschaffung entzie-
hen wird. Die kantonalen Behörden haben die Identitätsabklä-
rung und Papierbeschaffung sofort in die Wege geleitet; die
Ausschaffung des Beschwerdeführers ist zudem zurzeit weder
in die Ukraine noch nach Litauen rechtlich oder tatsächlich
unmöglich. Der angefochtene Entscheid ist deshalb recht-
mässig.

     4.- a) Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit
darauf eingetreten wird.

        b) Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der Be-
schwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). In Fäl-
len der vorliegenden Art rechtfertigt es sich jedoch, von
der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (vgl. Art. 154
OG).

        c) Die Einwohnerdienste des Kantons Basel-Stadt
werden ersucht, dafür besorgt zu sein, dass das vorliegende
Urteil dem Beschwerdeführer korrekt eröffnet und verständ-
lich gemacht wird.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, den Ein-
wohnerdiensten, Abteilung Internationale Kundschaft, und dem
Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Ver-
waltungsgericht des Kantons Basel-Stadt sowie dem Bundesamt
für Ausländerfragen und dem Bundesamt für Flüchtlinge
schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 9. Oktober 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
      Der Präsident:            Der Gerichtsschreiber: