Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.344/2001
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2A.344/2001/zga

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
            ***********************************

                      29. August 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Hunger-
bühler, Bundesrichter Müller R. und Gerichtsschreiber
Feller.

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                         In Sachen

1. X________,
2. Y________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Markus Bachmann, Ruflisbergstrasse 46, Postfach
6261, Luzern,

                           gegen

Amt für Migration des Kantons  L u z e r n,
Verwaltungsgericht des Kantons  L u z e r n, Verwaltungs-
rechtliche Abteilung,

                         betreffend
                   Aufenthaltsbewilligung
 (verspätete Bezahlung des Kostenvorschusses, Nichteintreten),

                   wird festgestellt und
                    in Erwägung gezogen:

     1.- Das Amt für Migration des Kantons Luzern trat
auf ein Begehren des mit der Schweizer Bürgerin Y.________
verheirateten X.________ (aus dem Kosovo stammend) um Er-
teilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht ein mit der Be-
gründung, dass der Bewilligungserteilung eine vollziehbare
Landesverweisung entgegenstehe. X.________ erhob am 12. Ap-
ril 2001 gegen diesen Nichteintretensentscheid Beschwerde
an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, wobei er be-
antragte, seine Ehefrau sei am Verfahren zu beteiligen.

        Mit Schreiben vom 18. April 2001 lud das Ver-
waltungsgericht den Rechtsvertreter von X.________ ein,
innerhalb von 10 Tagen einen Kostenvorschuss von Fr. 1'500.--
an die Kantonale Gerichtskasse in Luzern zu bezahlen. Das
Schreiben enthielt den Hinweis: "Falls Sie den Kostenvor-
schuss nicht oder nicht rechtzeitig leisten, wird auf die
Beschwerde, unter Kostenfolge für Sie, nicht eingetreten."
Am 25. April 2001 stellte X.________ dem Verwaltungsgericht
das Gesuch, es seien ihm im Zusammenhang mit der Bevorschus-
sung der Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahrenskosten Ab-
schlagszahlungen von je Fr. 500.-- zu gewähren - erstmals
fällig per 15.5.2001, zweitmals fällig per 15.6.2001 und
letztmals fällig per 15.7.2001 - und er sei davon zu be-
freien, die Bevorschussung von Fr. 1'500.-- auf einmal zu
begleichen. Am 1. Mai 2001 bewilligte das Verwaltungsgericht
die beantragte Ratenzahlung ohne weitere Hinweise (Stempel-
vermerk auf dem Gesuch vom 25. April 2001).

        X.________ bezahlte am 16. Mai 2001 persönlich
einen Betrag von Fr. 500.-- bei der Kanzlei des Verwaltungs-
gerichts ein. Mit Schreiben vom 17. Mai 2001 zeigte das Ver-
waltungsgericht dem Vertreter von X.________ an, dass be-
reits der erste Zahlungstermin unbenützt verstrichen und die
erste Rate erst am 16. Mai 2001 bei der Gerichtskasse einbe-
zahlt worden sei; es sei daher zu beurteilen, ob aus diesem
Grunde androhungsgemäss auf die Beschwerde nicht einzutreten
sei, und es werde Gelegenheit für eine schriftliche Stellung-
nahme hiezu bis zum 23. Mai 2001 eingeräumt. Innert der er-
streckten Frist nahm der Rechtsvertreter von X.________
Stellung; er beantragte einerseits den Ausstand von Verwal-
tungsrichter Sigrist, andererseits Eintreten auf die Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde und Fortsetzung des Verfahrens.

        In der Folge trat Verwaltungsrichter Sigrist in
den Ausstand, und mit Urteil vom 25. Juni 2001 trat das
Verwaltungsgericht auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nicht ein.

        Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde/staatsrechtli-
cher Beschwerde vom 3. August 2001 beantragen X.________
und Y.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern vom 25. Juni 2001 aufzuheben und die Sache
zur Neubeurteilung im Sinne der in der Rechtsschrift ge-
machten Ausführungen zurückzuweisen.

        Das Amt für Migration das Kantons Luzern bean-
tragt, die Beschwerde abzuweisen; das Verwaltungsgericht
des Kantons Luzern stellt den Antrag, die Beschwerde abzu-
weisen, soweit darauf einzutreten sei. Beide Behörden haben
ihre Akten eingereicht. Eine Vernehmlassung der beschwerde-
berechtigten Bundesbehörde wurde nicht eingeholt.

     2.- Materieller Gegenstand des vor dem Amt für Migra-
tion eingeleiteten Verfahrens ist eine Aufenthaltsbewilli-
gung, auf deren Erteilung der Beschwerdeführer 1 gestützt
auf Art. 7 des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Nieder-
lassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) einen Rechtsanspruch
hat. Damit stünde gegen einen Sachentscheid des Verwaltungs-
gerichts die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen (Art. 100
Abs. 1 lit. b Ziff. 3 OG e contrario), sodass auch zur An-
fechtung des Nichteintretensentscheids, selbst wenn dieser
sich auf kantonales Verfahrensrecht stützt, die Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde zulässig ist (BGE 118 Ia 8 E. 1b S. 10).
Gerügt werden kann mit diesem Rechtsmittel die Verletzung
von Bundesrecht, wozu auch die in der Bundesverfassung ent-
haltenen Rechte (verfassungsmässige Rechte) gehören. Die An-
wendung von kantonalem Verfahrensrecht kann dabei nicht mit
freier Kognition kontrolliert werden; vielmehr hat das Bun-
desgericht nur zu prüfen, ob die kantonale Behörde kantona-
les Recht in einer gegen Bundesverfasssungsrecht verstossen-
den Weise angewendet habe (a.a.O).

     3.- a) Das Verwaltungsgericht begründet sein Nicht-
eintretensurteil mit § 195 des Luzerner Gesetzes vom 3. Ju-
li 1972 über die Verwaltungsrechtspflege (VRG). Nach dessen
Absatz 1 kann die Behörde von der Partei, die ein Verfahren
einleitet und kostenpflichtig werden kann, einen angemesse-
nen Vorschuss zur Sicherstellung der amtlichen Kosten ver-
langen. Wenn die Partei den Vorschuss trotz Androhung der
Folgen innert eingeräumter Frist nicht leistet (und das Ver-
fahren, wie vorliegend, nicht von Amtes wegen durchzuführen
ist), braucht die Behörde auf die Rechtsvorkehr nicht einzu-
treten (Absatz 2).

        b) Die Beschwerdeführer vermögen nicht aufzuzeigen,
dass das Verwaltungsgericht mit seiner Auslegung von § 195
Abs. 2 VRG gegen das Willkürverbot, das Verbot des über-
spitzten Formalismus oder gegen den Grundsatz von Treu und
Glauben verstösst. In der Tat lässt sich unter verfassungs-
rechtlichen Gesichtspunkten nicht beanstanden, gestützt auf
diese Norm bei verspäteter Leistung des Kostenvorschusses
auf ein Rechtsmittel - nach gehöriger Androhung (vgl. § 32
Abs. 1 VRG) - grundsätzlich nicht einzutreten, unabhängig
davon, ob die Frist nur unwesentlich verpasst worden ist,
und - vorbehältlich der Geltendmachung eigentlicher Frist-
wiederherstellungsgründe (vgl. § 36 VRG) - auch unabhängig
von den konkreten Umständen des Einzelfalls. Was im Übrigen
die konkreten Umstände im vorliegenden Fall betrifft, so hat
der Nichteintretensentscheid insofern nicht die behaupteten
drastischen Nachteile für die Beschwerdeführer, als der Be-
schwerdeführer 1 die Möglichkeit hat, unter veränderten Um-
ständen ein Gesuch um Aufenthaltsbewilligung zu stellen, so-
fern er im diesbezüglich noch hängigen Verfahren die Aufhe-
bung des Vollzugs der Landesverweisung sollte erwirken kön-
nen. Unerheblich ist der Hinweis auf die Regelung des Kan-
tons Aargau, nachdem eine Vielzahl anderer Kantone sowie der
Bund dieselben Säumnisfolgen an die Nichteinhaltung der Zah-
lungsfrist knüpfen wie der Kanton Luzern.

        c) Zu prüfen bleiben die Rügen, die sich unmittel-
bar auf die Tatsache beziehen, dass das Verwaltungsgericht
Ratenzahlungen bewilligte.

        aa) Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsge-
richt vor, es verletze die sich aus § 110 Abs. 1 lit. c VRG
ergebende Pflicht, Entscheidungen zu begründen. Dazu erwäh-
nen sie auch Art. 9 BV (Willkürverbot); soweit sie sich auf

die Bundesverfassung berufen und daraus eine Verfahrensga-
rantie ableiten, welche den Anspruch auf rechtliches Gehör
sichere, ist mit Art. 9 BV wohl Art. 29 Abs. 2 BV gemeint.

        Der Anspruch auf eine genügende Begründung von Be-
schwerdeentscheiden ergibt sich aus dem verfassungsrechtlich
garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2
BV vom 18. April 1999 bzw. Art. 4 Abs. 1 der alten Bundes-
verfassung [aBV] vom 29. Mai 1874). Das rechtliche Gehör als
persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht verlangt von den
Behörden, dass die Vorbringen des vom Entscheid in seiner
Rechtsstellung Betroffenen tatsächlich angehört, sorgfältig
und ernsthaft geprüft und in der Entscheidfindung berück-
sichtigt werden, was im Entscheidtext zum Ausdruck kommen
soll. Die Begründungspflicht bedeutet jedoch nicht, dass in
der Verfügung alle Äusserungen und Überlegungen, die irgend-
wie im Zusammenhang mit dem Entscheid angestellt worden sind,
wiedergegeben werden müssen. Die Begründung kann sich auf die
wesentlichen Gesichtspunkte beschränken; dem Betroffenen soll
die Möglichkeit gegeben werden, sich über die Tragweite eines
Entscheides Rechenschaft zu geben und allenfalls in voller
Kenntnis der Gründe ein Rechtsmittel zu ergreifen. In diesem
Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden,
von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche
sich ihr Entscheid stützt (BGE 123 I 31 E. 2c S. 34; 121 I 54
E. 2c. S. 57; 119 Ia 264 E. 4d S. 269; 117 Ib 64 E. 4 S. 86;
Fritz Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 321;
Georg Müller, in Kommentar BV, Stand 1995, Art. 4, Rz. 113 f.;
René A. Rhinow/Beat Krähenmann, Schweizerische Verwaltungs-
rechtsprechung, Ergänzungsband Basel 1990, S. 286 f. mit Hin-
weisen; Jörg Paul Müller, Grundrechte in der Schweiz, im Rah-
men der Bundesverfassung von 1999, der UNO-Pakte und der EMRK,
Bern 1999, S. 537 ff.). Keine weitergehenden Garantien gewähr-
leistet § 110 Abs. 1 lit. c VRG.

        Diesen Anforderungen genügt der angefochtene
Entscheid vollumfänglich. Das Verwaltungsgericht hat klar
dargestellt, welche Gesichtspunkte es für seinen Entscheid
als massgeblich erachtete, und dazu auf eine Weise Stellung
genommen, die es den Beschwerdeführern erlaubt, gezielte
Rügen zu erheben. Insbesondere ging das Verwaltungsgericht
im Einzelnen auf die Argumente ein, welche die Beschwerde-
führer in ihrer zur Frage der Fristwahrung eingereichten
Stellungnahme vom 5. Juni 2001 vorgebracht hatten. So be-
fasste es sich mit dem Umstand, dass die in der ursprüngli-
chen Zahlungsaufforderung enthaltene Androhung der Säumnis-
folge in der Ratenzahlungsbewilligung nicht wiederholt wor-
den war, nahm zum Begriff "Fristerstreckung" im Zusammenhang
mit der Gewährung von Ratenzahlungen Stellung und würdigte
die Behauptung, es liege nur ein geringfügiges Verschulden
vor. Aus Art. 29 Abs. 2 BV lässt sich keine Pflicht des Ver-
waltungsgerichts ableiten, seine Begründung noch durch die
Auseinandersetzung mit der Praxis anderer Kantone zu ergän-
zen; dies jedenfalls nicht gestützt auf die blosse (mit dem
Hinweis "notorisch" versehene) Behauptung der Beschwerdefüh-
rer, "dass alle Gerichte der Schweiz bei solchen Ratenzah-
lungsbewilligungen ... die Androhung der Folgen bei Ausblei-
ben der Rechtshandlungen wiederholen" (S. 3 Ziff. 7 der
Stellungnahme vom 5. Juni 2001).

        bb) Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungs-
gericht schliesslich auch hinsichtlich der Begründung sowie
des Ergebnisses des Urteils eine Verletzung des Willkürver-
bots, des Grundsatzes von Treu und Glauben sowie des Verbots
des überspitzten Formalismus vor.

        Das Verwaltungsgericht durfte es ohne Willkür als
nicht relevant bezeichnen, dass der zuständige Richter bei
der Bewilligung der Ratenzahlung den Begriff "Fristerstre-
ckung" nicht erwähnt hatte. Es liegt auf der Hand, dass die

nachträgliche Gewährung von Ratenzahlungen eine besondere
Form einer Fristerstreckung darstellt; gerade die Ansicht
der Beschwerdeführer, es sei diesbezüglich zu differenzie-
ren, erscheint spitzfindig, lässt sich doch ein Gesuch um
Ratenzahlungen naheliegenderweise allein auf § 35 Abs. 2
VRG (Titel: "Erstreckung, Verschiebung") stützen. Keines-
falls willkürlich ist sodann die Auffassung des Verwaltungs-
gerichts, die ursprüngliche Säumnisandrohung wirke auch im
Falle einer Fristerstreckung oder der Bewilligung von Raten-
zahlungen weiter, selbst wenn sie in der Erstreckungsbewil-
ligung nicht nochmals erwähnt werde. Der rechtskundige Ver-
treter des Beschwerdeführers, welcher Empfänger sowohl der
ursprünglichen Zahlungsaufforderung als auch der Ratenzah-
lungsbewilligung war, musste jedenfalls, wollte er seiner
Sorgfaltspflicht als Anwalt nachkommen, mit einer solchen
Betrachtungsweise rechnen und die Beschwerdeführer zur Ein-
haltung der für die einzelnen Raten festgesetzten Zahlungs-
fristen anhalten. Unter diesen Umständen verstösst der Nicht-
eintretensentscheid in keinerlei Hinsicht gegen das Willkür-
verbot, und er verletzt im Ergebnis weder den Grundsatz von
Treu und Glauben noch ist er überspitzt formalistisch.

        d) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich
damit als in jeder Hinsicht unbegründet, und sie ist abzu-
weisen.

        e) Mit diesem Urteil wird das Gesuch um aufschie-
bende Wirkung bzw. um vorsorgliche Massnahmen gegenstands-
los.

     4.- Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die bundes-
gerichtlichen Kosten den Beschwerdeführern, je zu gleichen
Teilen unter Solidarhaft, aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 und
7 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Be-
schwerdeführern zu gleichen Teilen (je Fr. 1'000.--) unter
Solidarhaft auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Amt
für Migration und dem Verwaltungsgericht, Verwaltungsrecht-
liche Abteilung, des Kantons Luzern sowie dem Bundesamt für
Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

                       _____________

Lausanne, 29. August 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: