Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.313/2001
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2A.313/2001/leb

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       20. Juli 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hungerbühler, Müller
und Gerichtsschreiberin Müller.

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                         In Sachen

A.________, Beschwerdeführer,

                           gegen

Migrationsdienst des Kantons  B e r n,
Haftgericht III  B e r n  -  M i t t e l l a n d,
Haftrichterin 2,

                         betreffend
          Vorbereitungshaft gemäss Art. 13a ANAG,

hat sich ergeben:

     A.- Der angeblich aus Sierra Leone stammende
A.________, geb. *** oder ***, wurde nach eigenen Angaben
am 27. Juni 2001 von einem Schlepper in die Schweiz ge-
bracht. Am 28. Juni 2001 hielt ihn die Kantonspolizei Bern
anlässlich einer Personenkontrolle in der Asylbewerberun-
terkunft in X.________/Y.________ an. Da eine Befragung von
A.________ aufgrund dessen Verhaltens nicht möglich war,
brachte die Kantonspolizei ihn noch gleichentags in das
Regionalgefängnis Bern, worauf der Migrationsdienst des
Kantons Bern über ihn die Ausschaffungshaft anordnete.

        Am 29. Juni 2001 prüfte die Haftrichterin 2 des
Haftgerichts III Bern-Mittelland (im Folgenden: Haftrichte-
rin) die Haft, genehmigte sie aber nicht als Ausschaffungs-,
sondern als Vorbereitungshaft. Anlässlich der Verhandlung
hatte A.________ ein Asylgesuch gestellt.

     B.- Dagegen hat A.________ mit Schreiben vom 4. Juli
2001 (beim Bundesgericht eingegangen am 10. Juli 2001) beim
Bundesgericht Beschwerde erhoben. Er erklärt, er verstehe
nicht, warum ihn die Polizei verhaftet habe, und er sei mit
dem Entscheid der Haftrichterin nicht einverstanden.

        Der Migrationsdienst des Kantons Bern und die Haft-
richterin beantragen, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundes-
amt für Ausländerfragen hat sich nicht vernehmen lassen. Der
Beschwerdeführer hat sich nicht mehr zur Sache geäussert.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat die Begehren,
deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unter-
schrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu ent-
halten (Art. 108 Abs. 2 OG). Sie muss sich sachbezogen mit
dem angefochtenen Entscheid auseinandersetzen (BGE 118 Ib
134 ff.). Bei Laienbeschwerden gegen die Genehmigung der
Ausschaffungshaft stellt das Bundesgericht indessen keine
hohen Anforderungen an die Beschwerdebegründung (vgl. BGE
122 I 275 E. 3b S. 277). Ist daraus ersichtlich, dass sich
der Betroffene - wie hier - (zumindest auch) gegen seine
Haft wendet, nimmt es entsprechende Eingaben als Verwal-
tungsgerichtsbeschwerden entgegen.

     2.- Die Haftrichterin hat die Haft entgegen der Haft-
anordnung des Migrationsdienstes des Kantons Bern nicht als
Ausschaffungshaft, sondern als Vorbereitungshaft genehmigt.
Es stellt sich zunächst die Frage, ob sie nicht, wie bean-
tragt, als Ausschaffungshaft hätte genehmigt werden müssen.

        a) Vorbereitungs- und Ausschaffungshaft unterschei-
den sich sowohl in Sinn und Zweck als auch in ihrer Dauer
sowie den zu ihrer Anordnung erforderlichen Voraussetzungen.
Die eine dient zur Sicherstellung des Wegweisungsverfahrens,
wobei der Entscheid über die Aufenthaltsberechtigung in Vor-
bereitung ist, die andere bezweckt die Sicherstellung des
Vollzugs eines bereits ergangenen (wenigstens erstinstanzli-
chen) Weg- oder Ausweisungsentscheids. Liegt ein solcher
vor, ist die Vorbereitungshaft in der Regel nicht mehr zu-
lässig, und es kann nur noch Ausschaffungshaft angeordnet
werden. Wird erst nachträglich, d.h. nach Anordnung der Aus-
schaffungshaft, ein Asylgesuch gestellt, fällt der bereits

vorliegende Wegweisungsentscheid nicht dahin und die Aus-
schaffungshaft kann fortdauern, solange mit dem Abschluss
des Asylverfahrens und dem Vollzug der Wegweisung in abseh-
barer Zeit zu rechnen ist. Vorbereitungshaft und Ausschaf-
fungshaft schliessen sich grundsätzlich aus. Welche Haftart
- mit Auswirkungen auf die zulässigen Haftgründe und die
gesetzmässige Haftdauer - zu wählen ist, hat die zuständige
Behörde aufgrund der konkreten Umstände im Einzelfall zu
prüfen (BGE 125 II 377 E. 2b S. 380, mit Hinweisen).

        b) Die zuständige Behörde kann einen Ausländer
in Ausschaffungshaft nehmen, wenn die Voraussetzungen von
Art. 13b ANAG erfüllt sind. Danach ist erforderlich, dass
ein erstinstanzlicher, nicht notwendigerweise auch rechts-
kräftiger, Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE
121 II 59 E. 2a S. 61), dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender
Reisepapiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist. Zudem
muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe
bestehen (BGE 124 II 1 E. 1 S. 3), die Ausschaffung recht-
lich und tatsächlich möglich sein (Art. 13c Abs. 5 lit. a
ANAG; vgl. BGE 122 II 148 E. 3 S. 152 ff.) und die Papier-
beschaffung mit dem nötigen Nachdruck verfolgt werden
(Art. 13b Abs. 3 ANAG; Beschleunigungsgebot; BGE 124 II
49 ff.).

        aa) Auf der Haftanordnung des Migrationsdienstes
vom 28. Juni 2001 ist unter der Rubrik "besitzt keine Bewil-
ligung und kann ohne besonderes Verfahren ausgeschafft wer-
den" ein Kreuz angebracht. Dies ist als erstinstanzliche
Wegweisung zu betrachten, die nach Art. 12 Abs. 1 ANAG form-
los angeordnet werden kann. Ob diese dem Beschwerdeführer
eröffnet wurde, geht aus den Akten zwar nicht hervor. Indes-
sen wurde ihm die Tatsache, dass er in ausländerrechtlich
motivierte Haft genommen worden war, die die Wegweisung
sichern soll ("is aimed at ensuring the enforcement of de-

portation or expulsion"), in englischer Sprach mitgeteilt,
sodass auch die Wegweisung als solche als eröffnet gelten
kann.

        bb) Der Migrationsdienst hat die Ausschaffungshaft
auf Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG gestützt. Nach dieser Be-
stimmung kann ein weggewiesener Ausländer in Ausschaffungs-
haft genommen werden, wenn konkrete Anzeichen befürchten
lassen, dass er sich der Ausschaffung entziehen will, ins-
besondere weil sein bisheriges Verhalten darauf schliessen
lässt, dass er sich behördlichen Anordnungen widersetzt. Er-
forderlich sind konkrete Anhaltspunkte, dass der Ausländer
sich der Ausschaffung entziehen und untertauchen will. Der
Vollzug der Wegweisung muss erheblich gefährdet erscheinen.
Dass der Betroffene sich illegal in der Schweiz aufhält, ge-
nügt hierfür allein ebensowenig wie die Tatsache, dass er
keine Papiere besitzt und nur mangelhaft an deren Beschaf-
fung mitwirkt. Die Passivität des Ausländers kann jedoch,
gleich wie das Fehlen eines festen Aufenthaltsortes oder
die Mittellosigkeit, ein weiterer Hinweis dafür sein, dass
er sich der Ausschaffung entziehen will. Nicht bloss passiv
verhält sich der Ausländer, der erkennbar unglaubwürdige
und widersprüchliche Angaben über Herkunft, Einreise, Unter-
kunft, Verbleib von Reisepapieren und dergleichen macht;
wer auf diese Weise die Vollzugsbemühungen der Behörden er-
schwert, scheint eher bereit, sich der Ausschaffung zu ent-
ziehen. Liegen eigentliche Täuschungsmanöver vor, um die
Identität zu verschleiern bzw. die Papierbeschaffung zu er-
schweren (z.B. Verwenden gefälschter Papiere, Auftreten un-
ter mehreren Namen), ist die Gefahr des Untertauchens regel-
mässig zu bejahen (BGE 122 II 49 E. 2a S. 50 f.).

        Der Beschwerdeführer hat sich anlässlich der Anhal-
tung durch die Polizei dermassen widerspenstig verhalten,
dass diese kein Befragungsprotokoll erstellen konnte. Er hat

zudem zugegebenermassen ein falsches Geburtsdatum angegeben.
Damit ist nach dem Gesagten die Untertauchensgefahr zu be-
jahen.

        cc) Es bestehen vorderhand keine Indizien dafür,
dass die Asylbehörden nicht in absehbarer Zeit einen Ent-
scheid fällen werden. Ebenso erscheint der Vollzug eines
allfälligen abschlägigen Asylentscheids bzw. der damit
verbundenen erneuten Wegweisung aus heutiger Sicht nicht
undurchführbar.

        Die Voraussetzungen für die Anordnung von Ausschaf-
fungshaft sind damit erfüllt, und es bestand für die Haft-
richterin kein Grund, die Haft statt dessen als Vorberei-
tungshaft zu genehmigen.

        c) Das Bundesgericht lehnte es in einem Fall aus
dem Jahre 1998 ab, die Haftart zu substituieren, dies mit
der Begründung, dass im Verfahren der Verwaltungsgerichts-
beschwerde bloss Rechtsverhältnisse zu prüfen sind, zu denen
die zuständige Behörde vorgängig verbindlich - in Form einer
Verfügung - Stellung genommen hat (unveröffentlichtes Urteil
vom 9. Juli 1998 i.S. Nasser, E. 3a). In jenem Fall hatten
sowohl die kantonale Fremdenpolizei als auch der Haftrichter
eine Ausschaffungshaft zugunsten einer Vorbereitungshaft
aufgehoben. Der vorliegende Fall liegt anders: Die Haftrich-
terin hat sich geweigert, die vom Migrationsdienst angeord-
nete Ausschaffungshaft zu genehmigen, und hat sie durch eine
Vorbereitungshaft ersetzt.

        Da zudem das Verhalten des Beschwerdeführers, das
von der Haftrichterin zur Begründung der Vorbereitungshaft
herangezogen wurde, auch den Haftgrund der Untertauchensge-
fahr erfüllt, steht nichts entgegen, den Entscheid der Haft-
richterin zu korrigieren und die ursprünglich angeordnete

Ausschaffungshaft zu genehmigen (vgl. auch unveröffentlich-
tes Urteil vom 27. April 2000 i.S. Özdemir, E. 4a).

     3.- a) Der Beschwerdeführer wird, entgegen seinem sinn-
gemäss gestellten Antrag, nicht aus der Haft entlassen. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher abzuweisen, wobei
der angefochtene Entscheid insofern zu korrigieren ist, als
die von der Haftrichterin am 29. Juni 2001 als Vorberei-
tungshaft genehmigte Haft nicht als Vorbereitungshaft, son-
dern als Ausschaffungshaft bewilligt werden kann.

        b) Der Beschwerdeführer unterliegt im Wesentlichen.
Gemessen am Verfahrensausgang würde er weitgehend kosten-
pflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 3 OG). Es rechtfertigt sich
jedoch mit Blick auf seine finanziellen Verhältnisse, von
der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen (Art. 153a
Abs. 1 OG).

        c) Der Migrationsdienst des Kantons Bern wird er-
sucht, sicherzustellen, dass das vorliegende Urteil dem
Beschwerdeführer korrekt eröffnet und verständlich gemacht
wird.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne
der Erwägungen abgewiesen. Die von der Haftrichterin 2 des
Haftgerichts III Bern-Mittelland am 29. Juni 2001 als Vor-
bereitungshaft genehmigte Haft wird als Ausschaffungshaft
bewilligt.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem
Migrationsdienst des Kantons Bern, dem Haftgericht III
Bern-Mittelland, Haftrichterin 2, sowie dem Bundesamt für
Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 20. Juli 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                  Die Gerichtsschreiberin: