Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.306/2001
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2A.306/2001/bmt

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       17. Juli 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hungerbühler, Müller
und Gerichtsschreiber Klopfenstein.

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                         In Sachen

M.________, geb. 1983, alias L.________, geb. 1985,
Beschwerdeführer,

                           gegen

Amt für öffentliche Sicherheit des Kantons  S o l o t h u r n,
Ausländerfragen,
Verwaltungsgericht des Kantons  S o l o t h u r n,

                         betreffend
             Ausschaffungshaft (Art. 13b ANAG),

                   wird festgestellt und
                    in Erwägung gezogen:

     1.- M.________ reiste am 7. Mai 2000 illegal in die
Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Er gab an, am 19.
Februar 1983 geboren worden zu sein und aus Marokko zu
stammen. Dabei wies er sich mit einer entsprechenden
Geburtsurkunde aus. Eine Knochenalter-Bestimmung, durchge-
führt im Bürgerspital Solothurn, ergab am 2. Juni 2000 für
ihn ein Knochenalter von 16 Jahren (mit einer Standard-
Deviation von +/- 12,8 Monaten). Am 16. März 2001 lehnte
das Bundesamt für Flüchtlinge sein Asylgesuch ab und wies
ihn aus der Schweiz weg; auf eine gegen diese Verfügung
gerichtete Beschwerde trat die Schweizerische Asylrekurs-
kommission am 19. April 2001 nicht ein.

        In der Zwischenzeit ergingen gegen M.________
verschiedene Strafverfügungen (u.a. wegen Ladendiebstählen,
Entwendung eines Personenwagens zum Gebrauch,  Besitzes von
Kokain und Haschisch und wegen mehrfacher Widerhandlung ge-
gen das Transportgesetz) der Jugendanwaltschaft des Kantons
Solothurn, die jeweils unbedingte Einschliessungsstrafen
anordnete. Am 1. April 2001 verschwand M.________ aus der
Unterkunft in Oberdorf, später wurde er im Fahndungssystem
RIPOL zwecks Ausschaffung ausgeschrieben. Am 15. Juni 2001
erschien er auf dem Asylbüro des Amtes für öffentliche
Sicherheit, um sich nach einer Möglichkeit zum Verbleib in
der Schweiz zu erkundigen. Gleichentags nahm ihn das Amt
(als Fremdenpolizeibehörde des Kantons Solothurn) in Aus-
schaffungshaft. Am 18. Juni 2001 prüfte und bestätigte das
Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn die Ausschaf-
fungshaft bis zum 14. September 2001.

        Am 21. Juni 2001 meldete sich M.________ aus der
Haft beim Amt für öffentliche Sicherheit und gab an,

seine wahre Identität nennen zu wollen. In einem Schliess-
fach, dessen Schlüssel M.________ in der Unterkunft in
Oberdorf versteckt hatte, fanden die Behörden in der Folge
eine Reisetasche mit persönlichen Effekten und Dokumenten,
darunter eine "Aufenthaltsgestattung" vom 3. April 2001
(gültig bis zum 3. Juli 2001), ausgestellt in Karlsruhe
(Deutschland) auf den Namen "L.________" (von Algerien),
geboren 1985.

         Gegen den Haftprüfungsentscheid vom 18. Juni 2001
hat M.________ mit einer in französischer Sprache verfassten
Eingabe vom 29. Juni 2001 beim Bundesgericht Beschwerde
erhoben. Er macht geltend, sein Name sei in Wirklichkeit
L.________, geboren 1985, und er stamme aus Algerien. Er
habe eine Adresse in Deutschland, wo er sich aufhalten könne
("que mon asyle est encore valable") und wohin er zurück-
kehren wolle.

        Das Amt für öffentliche Sicherheit und das Ver-
waltungsgericht des Kantons Solothurn beantragen, die Be-
schwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das
Bundesamt für Ausländerfragen hat sich innert Frist nicht
geäussert. Der Beschwerdeführer hat von der Möglichkeit,
sich ergänzend vernehmen zu lassen, nicht Gebrauch gemacht.

     2.- a) Die zuständige kantonale Behörde kann einen
Ausländer in Ausschaffungshaft nehmen bzw. in dieser be-
lassen, sofern die Voraussetzungen von Art. 13b des Bun-
desgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer
(ANAG; SR 142.20; in der Fassung des Bundesgesetzes vom
18. März 1994 über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht
[Zwangsmassnahmengesetz; AS 1995 146 ff.]) erfüllt sind.
Danach ist erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht
notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg- oder Auswei-
sungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 121 II 59 E. 2 S. 61;

122 II 148 E. 1 S. 150), dessen Vollzug (z.B. wegen fehlen-
der Reisepapiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar ist
(BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 2a S. 379). Zudem muss
einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe be-
stehen (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 3a S. 381; 124
II 1 E. 1 S. 3), die Ausschaffung rechtlich und tatsächlich
möglich sein (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; dazu BGE 125
II 217 E. 2 S. 220), und es sind die für den Vollzug der
Wegweisung notwendigen Vorkehrungen umgehend zu treffen
(Art. 13b Abs. 3 ANAG, Beschleunigungsgebot; vgl. BGE 124 II
49 ff.). Die Haft darf - vorerst - für höchstens drei Monate
angeordnet werden (Art. 13b Abs. 2 ANAG).

        b) Gegen den Beschwerdeführer liegt eine rechts-
kräftige Wegweisung vor; die gegen ihn angeordnete Ausschaf-
fungshaft dient zur Sicherstellung von deren Vollzug, der
(wegen der Ungewissheit über die Identität des Beschwerde-
führers und wegen Fehlens von Reisepapieren) noch nicht mög-
lich ist, wobei aber keine Anzeichen dafür bestehen, dass er
nicht doch in absehbarer Zeit bewerkstelligt werden könnte.
Die hierfür notwendigen Vorkehrungen sind jedenfalls umge-
hend in die Wege geleitet worden; seit M.________ ganz an-
dere Angaben zu seiner Identität macht, werden auch die
deutschen Behörden um Unterstützung gebeten.

        c) Dass der Beschwerdeführer heute vermutlich erst
17 Jahre alt (vgl. Knochenalter-Bestimmung vom 2. Juni 2000)
und damit noch minderjährig ist, steht der Anordnung von
Ausschaffungshaft nicht entgegen (vgl. Art. 13c Abs. 3
ANAG), und es liegt auch kein Fall vor, in dem das Verwal-
tungsgericht bei der Haftprüfung dem minderjährigen Be-
schwerdeführer auf Grund der konkreten Umstände von Amtes
wegen einen Rechtsbeistand hätte beigeben müssen (unveröf-
fentlichtes Urteil vom 21. Juli 1999 i.S. P.________, E. 2).
Seine Betreuung während der Dauer des Asylverfahrens wurde

im Übrigen durch den Beizug einer Vertrauensperson sicher-
gestellt (vgl. Anhörungsprotokoll vom 5. Juli 2000, S. 11).
Zu prüfen bleibt, ob der von den kantonalen Behörden gel-
tend gemachte Haftgrund von Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG
erfüllt ist.

        d) Gemäss Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG ist die Aus-
schaffungshaft zulässig, wenn konkrete Anzeichen befürchten
lassen, dass der Ausländer sich der Ausschaffung entziehen
will, insbesondere weil sein bisheriges Verhalten darauf
schliessen lässt, dass er sich behördlichen Anordnungen
widersetzt (Untertauchensgefahr). Dabei muss der Vollzug
der Wegweisung erheblich gefährdet erscheinen. Dies trifft
namentlich zu, wenn der Ausländer bereits einmal unterge-
taucht ist, behördlichen Anordnungen keine Folge leistet
oder durch erkennbar unglaubwürdige und widersprüchliche
Angaben die Vollzugsbemühungen der Behörden erschwert (vgl.
BGE 122 II 49 E. 2a; 119 Ib 193 E. 2b S. 198). Dies ist
vorliegend der Fall: Um Reisepapiere hatte sich der Be-
schwerdeführer nicht bemüht, sondern im Gegenteil wieder-
holt zu Protokoll gegeben, nie in sein Heimatland zurück-
kehren zu wollen. In der Schweiz hatte er mehrfach delin-
quiert und wurde deswegen wiederholt zu unbedingten Ein-
schliessungsstrafen verurteilt.

        Sodann ist der Beschwerdeführer bereits einmal
untergetaucht (vgl. E. 1). Als er wieder auf dem Asylbüro
in Solothurn erschien, gab er an, er sei am 1. April 2001
nach Italien ausgereist. Vor dem Verwaltungsgericht sagte
er drei Tage später aus, er habe gelogen, er sei nicht in
Italien gewesen. Vielmehr habe er bei einer Frau gelebt, die
er nun heiraten möchte. Für die Beschaffung der erforder-
lichen Dokumente habe er bereits nach Marokko geschrieben.
Als Heimatland gibt der Beschwerdeführer den schweizerischen
Behörden gegenüber seit dem 21. Juni 2001 aber nicht mehr
Marokko, sondern Algerien an, wobei keineswegs gesichert

ist, dass die gemachten Angaben zu Herkunft und Identität
nun der Wahrheit entsprechen. Unter diesen Umständen aber
bestehen ernsthafte Anzeichen dafür, dass der Beschwerde-
führer, sollte er aus der Haft entlassen werden, sich den
Behörden für nähere Abklärungen und die Ausschaffung nicht
zur Verfügung halten würde. Der Vollzug der Wegweisung er-
scheint erheblich gefährdet, und der Haftgrund von Art. 13b
Abs. 1 lit. c ANAG ist klarerweise erfüllt (vgl. BGE 122 II
49 E. 2a S. 50 f.).

        Die Bereitschaft des Beschwerdeführers, nach
Deutschland ausreisen zu wollen ("envoyez-moi en Allemagne",
vgl. S. 2 der Beschwerdeschrift), ändert am Gesagten nichts.
Diese Behauptung erscheint im Lichte seiner früheren, ebenso
widersprüchlichen Aussagen ("Ich möchte unbedingt in der
Schweiz bleiben"; "Wenn Sie mich frei lassen, gehe ich nach
Italien zurück", vgl. S. 2 des angefochtenen Entscheides)
unglaubwürdig. Im Übrigen muss eine allfällige Rückübernahme
zuerst mit den deutschen Behörden abgesprochen werden. Wie
erwähnt (E. 2b), sind die entsprechenden Abklärungen zur
Zeit im Gange.

        e) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich
damit als offensichtlich unbegründet, und sie ist - im ver-
einfachten Verfahren (Art. 36a OG) - abzuweisen.

     3.- Entsprechend dem Ausgang würde der Beschwerdeführer
für das bundesgerichtliche Verfahren an sich kostenpflichtig
(Art. 156 OG). In Fällen der vorliegenden Art (dem Beschwer-
deführer fehlen offensichtlich jegliche finanziellen Mittel)
rechtfertigt es sich jedoch, von der Erhebung einer Gerichts-
gebühr abzusehen (vgl. Art. 154 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht
               im Verfahren nach Art. 36a OG:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt
für öffentliche Sicherheit (Ausländerfragen) und dem Verwal-
tungsgericht des Kantons Solothurn sowie dem Bundesamt für
Ausländerfragen schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 17. Juli 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: