Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.305/2001
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2A.305/2001/sch

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       18. Juli 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Betschart
und Gerichtsschreiber Merz.

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                         In Sachen

X.________, geb. 1975, zzt. Untersuchungsgefängnis,
Wassergraben 23, Solothurn, Beschwerdeführer, vertreten
durch lic. iur. Othman Bouslimi, Thunstrasse 111, Post-
fach 243, Bern,

                           gegen

Amt für öffentliche Sicherheit des Kantons  S o l o t h u r n,
Ausländerfragen,
Verwaltungsgericht des Kantons  S o l o t h u r n,

                         betreffend
          Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b ANAG,

hat sich ergeben:

     A.- Der aus Tunesien stammende X.________ reiste nach
eigener Darstellung am 28. Juli 1999 illegal in die Schweiz
ein und stellte am darauffolgenden Tag ein Asylgesuch. Das
Bundesamt für Flüchtlinge lehnte dieses am 14. Februar 2000
ab und verfügte gleichzeitig die Wegweisung aus der Schweiz
mit Frist zur Ausreise bis zum 31. März 2000. Auf die da-
gegen erhobene Beschwerde trat die Asylrekurskommission
mangels Bezahlung des geforderten Kostenvorschusses mit
Entscheid vom 12. April 2000 nicht ein. Die Ausreisefrist
wurde auf den 16. Mai 2000 verlängert. In der Folge galt
X.________ als verschwunden. Am 6. Juni 2001 wurde er an-
lässlich einer Fahrzeugkontrolle in Murten durch die Kan-
tonspolizei Freiburg angehalten und dem Amt für öffentliche
Sicherheit des Kantons Solothurn zugeführt. Dieses ordnete
tags darauf die Ausschaffungshaft über X.________ an. Der
Vizepräsident des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn
als Haftrichter prüfte diese am 8. Juni 2001 und bestätigte
sie bis zum 5. September 2001.

      B.- X.________ gelangte hiegegen am 4. Juli 2001
(Postaufgabe) an das Bundesgericht mit dem Begehren, ihn
aus der Haft zu entlassen. Mit einer zusätzlichen Eingabe
seines Bevollmächtigten vom 5. Juli 2001 stellt er den An-
trag, den Entscheid des Haftrichters aufzuheben.

      C.- Das Verwaltungsgericht und das Amt für öffentliche
Sicherheit des Kantons Solothurn beantragen, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesamt für
Ausländerfragen hat sich nicht vernehmen lassen. Von der
Möglichkeit, innert Frist ergänzend Stellung zu nehmen, hat
X.________ nicht Gebrauch gemacht.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Bundesgerichtliche Urteile werden nach Art. 37
Abs. 3 OG in der Regel in der Sprache des angefochtenen
Entscheids - hier demnach auf Deutsch - verfasst. Hievon
abzuweichen, besteht vorliegend kein Grund, da der in Bern
tätige Vertreter des Beschwerdeführers der deutschen Sprache
offenbar mächtig ist.

     2.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hat unter anderem
die Begehren und deren Begründung mit Angabe der Beweismit-
tel zu enthalten (Art. 108 Abs. 2 OG); sie muss sich dabei
mit dem angefochtenen Entscheid sachbezogen auseinanderset-
zen (BGE 118 Ib 134 E. 2 S. 135 f.). Ob die vorliegenden
Eingaben des Beschwerdeführers vom 4. und 5. Juli 2001 die-
sen Anforderungen genügen oder eine Frist zur Nachbesserung
anzusetzen wäre, kann dahingestellt bleiben; die Beschwerde
ist so oder anders unbegründet, soweit darauf überhaupt ein-
getreten werden kann. Gegenstand des Verfahrens bildet näm-
lich ausschliesslich die Rechtmässigkeit der Ausschaffungs-
haft, nicht auch die Asyl- und Wegweisungsfrage (vgl. Art.
100 Abs. 1 lit. b Ziff. 2, 4 und 5 OG; Art. 105 Abs. 1 des
Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG, SR 142.31]; BGE 125
II 217 E. 2 S. 220; 121 II 59 E. 2b S. 61), weshalb auf die
Vorbringen und Anträge zur Letzteren nicht weiter einzugehen
ist. Eine etwaige Flüchtlingseigenschaft wird das Bundesamt
für Flüchtlinge, dem das Bundesgericht im Hinblick auf das
erneute Asylgesuch des Beschwerdeführers eine Kopie der
Rechtsschrift vom 5. Juli 2001 hat zukommen lassen, zu
beurteilen haben.

     3.- a) Die zuständige Behörde kann einen Ausländer in
Ausschaffungshaft nehmen, sofern die Voraussetzungen von
Art. 13b des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufent-
halt und Niederlassung der Ausländer (ANAG, SR 142.20) er-
füllt sind. Danach ist erforderlich, dass ein erstinstanz-
licher, nicht notwendigerweise auch rechtskräftiger Weg-
oder Ausweisungsentscheid vorliegt (vgl. BGE 121 II 59 E. 2
S. 61; 122 II 148 E. 1 S. 150), dessen Vollzug (z.B. wegen
fehlender Reisepapiere) noch nicht möglich, jedoch absehbar
ist (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 2a S. 379). Zudem
muss einer der in Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe
bestehen (BGE 125 II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 3a S. 381;
124 II 1 E. 1 S. 3), die Ausschaffung rechtlich und tat-
sächlich möglich sein (vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG;
dazu BGE 125 II 217 E. 2 S. 220), und es sind die für den
Vollzug der Wegweisung notwendigen Vorkehrungen umgehend
zu treffen (Art. 13b Abs. 3 ANAG, Beschleunigungsgebot;
vgl. BGE 124 II 49 ff.).

         b) Da der Beschwerdeführer nur wenige Tage vor dem
Haftprüfungsentscheid aufgegriffen werden konnte und erst-
mals gegen ihn die Haft angeordnet wurde, ergeben sich hin-
sichtlich des Beschleunigungsgebots keine Probleme. Zudem
sind die für den Ausschaffungsvollzug notwendigen Vorkeh-
rungen umgehend an die Hand genommen worden: Das Amt für
öffentliche Sicherheit hat am 11. Juni 2001 beim Bundesamt
für Flüchtlinge um Vollzugsunterstützung nachgesucht, worauf
das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement bei der
tunesischen Botschaft am 22. Juni 2001 um die Aushändigung
eines Laissez-passer-Scheines für den Beschwerdeführer bat.
Sodann bestehen keine Anzeichen dafür, dass die Ausschaffung
nicht innert absehbarer Zeit vollzogen werden könnte. Dass
der Beschwerdeführer nach der Verhaftung ein zweites Asyl-
gesuch gestellt hat, über welches noch nicht entschieden

wurde, steht der Ausschaffungshaft nicht entgegen, da im
Augenblick damit zu rechnen ist, dass das Asylverfahren in
absehbarer Zeit abgeschlossen werden kann (vgl. BGE 125 II
377 E. 2b S. 380, mit Hinweis). Entgegen der Ansicht des
Beschwerdeführers ist die angeordnete Dauer der Haft von
zunächst drei Monaten (vgl. Art. 13b Abs. 2 ANAG) auch nicht
unverhältnismässig.

         c) Beim Beschwerdeführer besteht ausserdem der
Haftgrund der "Untertauchensgefahr" im Sinne von Art. 13b
Abs. 1 lit. c ANAG (vgl. BGE 125 II 369 E. 3b/aa S. 375;
122 II 49 E. 2a S. 50 f., mit Hinweisen): Der Beschwerde-
führer war nach Abweisung seines ersten Asylgesuchs wieder-
holt vergeblich aufgefordert worden, sich wegen der Be-
schaffung von Reisepapieren mit der tunesischen Botschaft
in Verbindung zu setzen. Kurz bevor die auf den 16. Mai 2000
angesetzte Ausreisefrist ablief, verschwand er ohne Hinter-
lassung einer Anschrift und erschien unentschuldigt nicht
mehr zu einem mit dem Amt für öffentliche Sicherheit ver-
einbarten Termin. Erst anlässlich einer Fahrzeugkontrolle
wurde er von der Polizei über ein Jahr später wieder auf-
gegriffen. Im Verfahren der Ausschaffungshaft hat der Be-
schwerdeführer wiederholt erklärt, er werde auf keinen Fall
in sein Heimatland zurückkehren. Er sei jedoch bereit nach
Frankreich auszureisen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, wie
er dies ohne Reisepapiere auf legale Art und Weise tun könn-
te. Somit bietet der Beschwerdeführer keine Gewähr dafür,
dass er sich ohne Haft zu gegebener Zeit, d.h. bei Vorliegen
der Reisepapiere, für den Ausschaffungsvollzug zur Verfügung
halten wird.

         d) Angesichts der Darstellung des Beschwerdefüh-
rers, er sei im Mai 2000 nach Frankreich ausgereist und im
März 2001 in die Schweiz zurückgekehrt, stellt sich einzig
die Frage, ob die Ausschaffungshaft dem Vollzug einer kon-

kreten Ausweisungsverfügung dient. Sollte er nämlich aus-
gereist sein, wäre die am 14. Februar 2000 asylrechtlich
verfügte Wegweisung vollzogen worden und damit die spätere
Anordnung der Ausschaffungshaft nur aufgrund eines neuen
Weg- oder Ausweisungsentscheides möglich.

         Der Haftrichter hat ausgeführt, der Beschwerde-
führer habe nach Abweisung seines Asylgesuchs keinerlei
Schritte unternommen, um der Aufforderung, aus der Schweiz
auszureisen, nachzukommen. Diese Sachverhaltsfeststellung
ist für das Bundesgericht verbindlich, da sie nicht offen-
sichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist
(Art. 105 Abs. 2 OG). Der Beschwerdeführer hat seit seiner
ersten Einreise in die Schweiz im Juli 1999 wiederholt
widersprüchliche Angaben gemacht. Dies betraf unter anderem
die Fragen nach Angehörigen in Drittstaaten und nach seinen
Asylgründen. Ausserdem trägt zwar die Fremdenpolizei die
Beweislast für diejenigen Umstände, aus welchen sie das
Bestehen der Haftvoraussetzungen ableitet. Umgekehrt muss
aber der Ausländer diejenigen Tatsachen nachweisen, welche
geeignet sind, die an sich erfüllten Haftvoraussetzungen
(wieder) dahinfallen zu lassen (E. 2c des nicht publizierten
Entscheids des Bundesgerichts vom 18. April 2001, 2A.175/
2001). Nachdem der Beschwerdeführer keinen Nachweis dafür
erbracht hat, dass er nach Frankreich ausgereist war, durfte
der Haftrichter dies ohne Rechtsverstoss als nicht den Tat-
sachen entsprechend behandeln und damit die Wegweisungsver-
fügung des Bundesamtes für Flüchtlinge vom 14. Februar 2000
als Grundlage für die angeordnete Ausschaffungshaft betrach-
ten.

         Im Übrigen teilte das Amt für öffentliche Sicher-
heit dem Beschwerdegegner bei seiner Einvernahme am 7. Juni
2001 mit, "wir werden nun Reisedokumente für Sie beschaffen
und Sie alsdann in Ihre Heimat ausschaffen". Damit hat es

den Beschwerdeführer entsprechend Art. 12 Abs. 1 ANAG in
Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung zum
Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer
(ANAV, SR 142.201) formlos weggewiesen. Selbst wenn der Be-
schwerdeführer nach seiner ersten Wegweisung ausgereist
wäre, könnte die Ausschaffungshaft daher auf diese neue Weg-
weisung gestützt werden. Dass der Beschwerdeführer (erst) im
weiteren Verlauf ein (zweites) Asylgesuch gestellt hat, ist
dabei nicht von Belang. Unbeachtlich - und im Hinblick auf
die gesamten Umstände (die Verhaftung erfolgte um 00.15 Uhr)
geradezu unglaubwürdig - ist die in der Eingabe des Be-
schwerdeführers an das Bundesgericht vom 5. Juli 2001 auf-
gestellte Behauptung, er sei ausgerechnet an dem Tage ver-
haftet worden, an dem er das neue Asylbegehren einreichen
wollte.

     4.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich
demnach als unbegründet.

         Dem Verfahrensausgang entsprechend würde der Be-
schwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Es
rechtfertigt sich jedoch mit Blick auf seine Mittellosig-
keit, von der Erhebung einer Gerichtsgebühr abzusehen
(vgl. Art. 153a Abs. 1 OG). Parteientschädigungen sind
nicht geschuldet (vgl. Art. 159 Abs. 2 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt
für öffentliche Sicherheit und dem Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen
schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 18. Juli 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: