Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.29/2001
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2A.29/2001/bie

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       2. April 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hungerbühler, Müller
und Gerichtsschreiber Klopfenstein.

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                         In Sachen

1. I.K.________, geb. 1961,
2. J.K.________, geb. 1967,
3. Z.K.________, geb. 1987,
4. M.K.________, geb. 1998,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch lic. iur.
Ralph Schaffner, Reckenbühlstrasse 4, Luzern,

                            gegen

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement,

                         betreffend
 Ausnahme von der zahlenmässigen Begrenzung der Ausländer,

hat sich ergeben:

     A.- Die Eheleute I. und J.K.________ sowie ihr Kind
Z.K.________ (geb. 1987), aus Bosnien-Herzegowina stammend,
reisten am 25. Juli 1992 in die Schweiz ein. Ihr Asylgesuch
wurde am 17. Februar 1993 vom Bundesamt für Flüchtlinge ab-
gewiesen. Die Familie wurde indessen in die kollektive vor-
läufige Aufnahme gemäss Bundesratsbeschluss vom 18. Dezember
1991 einbezogen. Diese Massnahme wurde mit Bundesratsbe-
schluss vom 25. Februar 1998 wieder aufgehoben.

        Auf ein entsprechendes Gesuch hin zeigte die Frem-
denpolizei des Kantons Luzern dem Bundesamt für Ausländer-
fragen die Bereitschaft an, der Familie K.________ eine Auf-
enthaltsbewilligung zu erteilen, sofern dafür keine Einheit
aus dem kantonalen Kontingent für Jahresarbeitskräfte zur
Verfügung gestellt werden müsse; gegen eine Ausnahme gemäss
Art. 13 lit. f der Verordnung vom 6. Oktober 1986 über die
Begrenzung der Zahl der Ausländer (Begrenzungsverordnung,
BVO; SR 823.21) habe sie nichts einzuwenden.

     B.- Nachdem das Bundesamt für Ausländerfragen der
Familie K.________ das rechtliche Gehör gewährt hatte, er-
liess es ihr gegenüber am 6. November 1998 eine Verfügung
mit folgendem Wortlaut:

     "Die zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus
     humanitären Gründen gemäss Art. 13, Buchstabe f der
     Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer
     vom 6. Oktober 1986 (BVO) erforderliche Ausnahme von
     der zahlenmässigen Begrenzung wird verweigert.

     (Rechtsmittelbelehrung)

     Dieser Entscheid hat keinen Einfluss auf Ihren
     aktuellen Aufenthaltsstatus".

        Gegen diese Verfügung erhob die Familie K.________
Beschwerde beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeideparte-
ment.

        Noch während der Instruktion dieses Beschwerdever-
fahrens wurden I.K.________, J.K.________ und Z.K.________
und das inzwischen geborene zweite Kind M.K.________ in An-
wendung des Bundesratsbeschlusses vom 1. März 2000 betref-
fend die "humanitäre Aktion 2000" vorläufig aufgenommen.
Eine entsprechende Verfügung des Bundesamtes für Flüchtlinge
erging am 19. September 2000. Die vorläufige Aufnahme wurde
vorerst für zwölf Monate angeordnet (Ziff. 3 der erwähnten
Verfügung).

        Am 14. Dezember 2000 wies das Eidgenössische Justiz-
und Polizeidepartement die Beschwerde gegen die Verfügung des
Bundesamtes für Ausländerfragen vom 6. November 1998 ab.

     C.- Mit Eingabe vom 17. Januar 2001 führen I.K.________,
J.K.________, Z.K.________ und M.K.________ Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit den Anträgen, den
Entscheid des Departements vom 14. Dezember 2000 aufzuheben
und die erforderliche Ausnahme gemäss Art. 13 lit. f BVO zu
erteilen. Eventuell sei der Departementsentscheid aufzuheben
und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzu-
weisen.

        Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1. a) Gegen Entscheide über die Ausnahme von den
Höchstzahlen der Begrenzungsverordnung ist die Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde zulässig (BGE 122 II 113 E. 1 S. 116, 403
E. 1 S. 404 f.).

        Zwar unterstehen die Beschwerdeführer als vorläu-
fig Aufgenommene der zahlenmässigen Begrenzung bereits heute
nicht. Auch droht ihnen die Wegweisung in ihre Heimat nicht
unmittelbar. Indessen kann ihnen ein Interesse an einer
Härtefallbewilligung gemäss Art. 13 lit. f BVO nicht abge-
sprochen werden, gewährt diese doch einen etwas gefestigte-
ren Status und wird insbesondere nicht - wie die vorläufige
Aufnahme - aufgehoben, wenn die entsprechenden Voraussetzun-
gen weggefallen sind (Art. 14b Abs. 2 des Bundesgesetzes vom
26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Auslän-
der, ANAG; SR 142.20). Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist deshalb einzutreten.

        b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die
Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder un-
vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhal-
tes gerügt werden, wobei das Bundesgericht den Sachverhalt
von Amtes wegen überprüfen kann (Art. 104 lit. a und lit. b
sowie Art. 105 Abs. 1 OG). Das Verfahren ist jedoch auf die
Prüfung beschränkt, ob die Unterstellungsfrage falsch ent-
schieden worden sei (vgl. BGE 119 Ib 33 E. 1a S. 35).

     2.- a) Nach Art. 13 lit. f BVO sind Ausländer dann von
den Höchstzahlen der Verordnung ausgenommen, wenn ein
schwerwiegender persönlicher Härtefall vorliegt. Ein solcher
setzt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung voraus,

dass sich die betreffenden Ausländer in einer persönlichen
Notlage befinden. Das bedeutet, dass ihre Lebens- und Da-
seinsbedingungen gemessen am durchschnittlichen Schicksal
von Ausländern in gesteigertem Masse in Frage gestellt sein
müssen bzw. die Verweigerung von der Ausnahme der zahlen-
mässigen Begrenzung für die Betroffenen schwere Nachteile
zur Folge hätte. Bei der Beurteilung des Härtefalls sind
alle Gesichtspunkte und Besonderheiten des Einzelfalls zu
berücksichtigen (BGE 124 II 110 E. 2 S. 111 ff.; 123 II 125
E. 2 S. 126 f.; 119 Ib 33 E. 4 S. 42 ff.; 117 Ib 317 E. 4
S. 321 ff.). Die Tatsache, dass die Ausländer längere Zeit
in der Schweiz gelebt und sich gut integriert haben, begrün-
det für sich keinen Härtefall; erforderlich ist zusätzlich,
dass die Beziehung zur Schweiz derart eng geworden ist, dass
man von ihnen nicht verlangen kann, in einem anderen Land,
namentlich ihrem Heimatstaat zu leben (BGE 124 II 110 E. 2
S. 112; 123 II 125 E. 2 S. 127, mit Hinweisen).

        Nach der Rechtsprechung vermag sodann bei Kindern
(von Asylbewerbern) auch ein mehrjähriger Schulbesuch in der
Schweiz im Allgemeinen für einen Härtefall nicht zu genügen
(BGE 123 II 125 E. 4b S. 129/130; Urteil vom 30. Juni 1995
i.S. Sari, auszugsweise wiedergegeben in Asyl 1996 S. 27).
Hingegen kann bei einer besonders gelungenen Integration mit
überdurchschnittlichen Leistungen den Ausschlag geben, dass
die Kinder ihr Jugendalter, das für die persönliche, schu-
lische und berufliche Entwicklung entscheidend ist, in der
Schweiz verbracht haben (BGE 123 II 125 E. 4b S. 130/131;
Urteil vom 21. November 1995 i.S. Tekle, veröffentlicht in
Asyl 1996 S. 28/29). Das Bundesgericht hat ferner entschie-
den, dass bei Asylbewerbern, deren Gesuch nach zehn Jahren
noch immer nicht entschieden ist, in der Regel eine Ausnahme
von den Begrenzungsmassnahmen angezeigt ist, sofern sich der
Ausländer tadellos verhalten hat und finanziell unabhängig
sowie sozial und beruflich gut integriert ist (BGE 124 II
110 E. 3 S. 113). Zu beachten ist jedoch, dass die Härte-

fallregel der Begrenzungsverordnung nicht dazu dient, Auf-
enthalt in der Schweiz zwecks Schutzes vor politischer Ver-
folgung oder kriegerischen Ereignissen zu gewähren. Dafür
stehen die Rechtsinstitute des Asyls oder der vorläufigen
Aufnahme zur Verfügung (BGE 123 II 125 E. 3 S. 127 f.; 119
Ib 33 E. 4b S. 42 f.).

        b) Die Beschwerdeführer tragen im Wesentlichen
vor, die gewährte vorläufige Aufnahme dürfe ihnen heute
nicht zum Nachteil gereichen. Eine ordentliche Bewilligung
eröffne ihnen bessere Integrations-Chancen; insbesondere
für den Sohn Z.K.________ ("Ich schäme mich zu sagen, dass
ich hier ein Flüchtling bin und kann nicht reisen" [vgl. Be-
schwerdebeilage 2]) sei es wichtig, dass er unter möglichst
klar und beständig definierten Bedingungen seine Berufs-
findung angehen könne. Seine Entwicklung werde durch eine
blosse vorläufige Aufnahme stark behindert. Sodann mute es
seltsam an, dass Z.K.________ von Gesetzes wegen (mit Aus-
sicht auf Erfolg) ein Einbürgerungsgesuch stellen könnte,
ihm aber die Umwandlung der F-Bewilligung in eine B-Bewilli-
gung verweigert werde. Auch für I.K.________ sei es wegen
seiner Krankheit (Psoriasis), die unter Stress einen nega-
tiven Verlauf nehmen könne, wichtig, dass er nicht weiter
in der Ungewissheit einer blossen vorläufigen Aufnahme
leben müsse.

        Im Übrigen argumentieren die Beschwerdeführer,
die Voraussetzungen für einen schwerwiegenden persönlichen
Härtefall seien gegeben: Z.K.________ müsse im Falle einer
Rückkehr in sein Heimatland seine eben erst wieder etwas
gefestigten Verhältnisse in der Schweiz aufgeben; und
I.K.________ wäre wegen seiner Krankheit von der Rückkehr
nach Bosnien zweifellos stärker betroffen als der Durch-
schnitt anderer bosnischer Flüchtlinge.

        c) Das Departement erwog im Wesentlichen, die
achteinhalb Jahre dauernde Anwesenheit der Beschwerdeführer
in der Schweiz könne für sich allein nicht härtefallbegrün-
dend sein. Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführer ihr
heutiges soziales Umfeld aufgeben und sich in der Heimat
reintegrieren müssten, stelle noch keine eigentliche Not-
lage dar, die ihren Verbleib in der Schweiz verlangen würde.
Beim Sohn Z.K.________ könne eine fortgeschrittene Integra-
tion zwar nicht in Frage gestellt werden, andererseits habe
der Knabe noch nicht jenes Alterssegment erreicht, in dem
es um eine konkrete Planung der beruflichen Zukunft gehe.
Die Symptome der Krankheit von I.K.________ liessen sodann
nicht auf gesundheitliche Beeinträchtigungen schliessen,
deren wirksame Behandlung nur in der Schweiz gewährleistet
werden könne. Ähnliches gelte für die gesundheitliche Situa-
tion des Sohnes M.K.________. Allfällig notwendig werdende
medizinische Behandlungen könnten - da die Beschwerdeführer
inzwischen (wieder) vorläufig aufgenommen worden seien -
überdies in absehbarer Zukunft noch in der Schweiz durchge-
führt werden.

        d) Diese Beurteilung lässt sich nicht beanstanden.
Soweit geltend gemacht wird, der Ehemann und Vater
I.K.________ müsse unter dem "Stress" der vorläufigen Auf-
nahme mit einem negativen Krankheitsverlauf rechnen  (S. 8
der Beschwerdeschrift) bzw. für die persönliche Entwicklung
des Sohnes Z.K.________ sei entscheidend, dass dieser be-
reits heute eine ordentliche Aufenthaltsbewilligung erhal-
ten könne (S. 5 der Beschwerdeschrift), sind die Einwände
unbegründet: Die mit dem Status der vorläufigen Aufnahme
verbundenen Unsicherheiten und Beschränkungen können nicht
als Elemente eines Härtefalls geltend gemacht werden (un-
veröffentlichte Urteile vom 2. April 1998 i.S. Zeqiraj und
vom 30. Dezember 1998 i.S. Kama). Dies gilt vorliegend umso
mehr, als nach den Darlegungen in der Vernehmlassung des
Departements die vorläufige Aufnahme im Rahmen der so ge-

nannten "humanitären Aktion 2000" auf eine "dauerhafte An-
wesenheitsregelung angelegt" ist, was "- eine gute Integra-
tion und Klaglosigkeit vorausgesetzt - mittelfristig aller
Voraussicht nach zur ordentlichen fremdenpolizeilichen Rege-
lung der Betroffenen führen" werde.

        Wie die Situation der Beschwerdeführer im Falle
eines Widerrufes der am 19. September 2000 verfügten vorläu-
figen Aufnahme zu würdigen wäre, kann vorliegend dahinge-
stellt bleiben.

        e) Im Ergebnis liegt damit kein Härtefall im Sinne
von Art. 13 lit. f BVO vor. Die Vorinstanz verletzte kein
Bundesrecht, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen im
Falle der Beschwerdeführer als nicht erfüllt betrachtete.

     3.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich da-
mit als unbegründet. Sie ist abzuweisen.

        Entsprechend diesem Verfahrensausgang haben die
Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen
(Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 159
Abs. 2 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den
Beschwerdeführern auferlegt, unter solidarischer Haftung.

     3.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern sowie dem
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich
mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 2. April 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: