Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.246/2001
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2A.246/2001/leb

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                        7. Juni 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Betschart, Müller und
Gerichtsschreiber Feller.

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                         In Sachen

A.________, Beschwerdeführer,

                           gegen

Fremdenpolizei der Stadt  B e r n,
Haftgericht III  B e r n - M i t t e l l a n d,
Haftrichterin 6,

                         betreffend
             Ausschaffungshaft (Art. 13b ANAG),

                   wird festgestellt und
                    in Erwägung gezogen:

     1.- A.________, nach eigenen Angaben am 8. Dezember
1976 geboren und aus Jaffa (Israel) stammender Paläs-
tinenser, will an einem Freitag/Samstag anfangs April 2001
(vermutlich 5./6. April 2001) an einem ihm unbekannten
Grenzübergang in die Schweiz eingereist sein und sich nach
Zürich begeben haben. Dort wurde er am 10. April 2001 von
der Kantonspolizei Zürich wegen Fahrens ohne gültige Fahr-
karte angehalten, jedoch wieder freigelassen. Am 15. April
2001 reiste er im Zug von Zürich Richtung Genf. Da er weder
Fahrkarte noch Identitätspapiere bei sich trug, wurde er in
Bern aus dem Zug geholt und festgenommen. Die Fremdenpolizei
der Stadt Bern wies ihn am 17. April 2001 formlos aus der
Schweiz weg und ordnete gegen ihn Ausschaffungshaft an.
Nach vor Ablauf von 96 Stunden seit der Haftanordnung durch-
geführter mündlicher Verhandlung bestätigte die Haftrichte-
rin 6 des Haftgerichts III Bern-Mittelland (nachfolgend:
Haftrichterin) am 19. April 2001 die Rechtmässigkeit und An-
gemessenheit der Ausschaffungshaft (die schriftliche Ausfer-
tigung des Haftbestätigungsentscheids datiert vom 24. April
2001).

        Mit Eingabe in französischer Sprache vom 23. Mai
(Datum der Rechtsschrift 20. Mai) 2001 erhob A.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der
Haftrichterin. Die Haftrichterin sowie die Fremdenpolizei
der Stadt Bern beantragen Abweisung der Beschwerde.

        Der Beschwerdeführer hat von der Möglichkeit, sich
ergänzend vernehmen zu lassen, nicht Gebrauch gemacht. Vom
Bundesamt für Ausländerfragen ist keine Stellungnahme einge-
gangen.

     2.- a) Die zuständige kantonale Behörde kann einen Aus-
länder in Ausschaffungshaft nehmen bzw. in dieser belassen,
sofern die Voraussetzungen von Art. 13b des Bundesgesetzes
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG;
SR 142.20; in der Fassung des Bundesgesetzes vom 18. März
1994 über Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht [Zwangsmass-
nahmengesetz; AS 1995 146 ff.]) erfüllt sind. Danach ist
erforderlich, dass ein erstinstanzlicher, nicht notwendiger-
weise auch rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid
vorliegt (vgl. BGE 121 II 59 E. 2 S. 61; 122 II 148 E. 1
S. 150), dessen Vollzug (z.B. wegen fehlender Reisepapiere)
noch nicht möglich, jedoch absehbar ist (BGE 125 II 369
E. 3a S. 374, 377 E. 2a S. 379). Zudem muss einer der in
Art. 13b Abs. 1 ANAG genannten Haftgründe bestehen (BGE 125
II 369 E. 3a S. 374, 377 E. 3a S. 381; 124 II 1 E. 1 S. 3),
die Ausschaffung rechtlich und tatsächlich möglich sein
(vgl. Art. 13c Abs. 5 lit. a ANAG; dazu BGE 125 II 217 E. 2
S. 220), und es sind die für den Vollzug der Wegweisung
notwendigen Vorkehrungen umgehend zu treffen (Art. 13b
Abs. 3 ANAG, Beschleunigungsgebot; vgl. BGE 124 II 49 ff.).
Die Haft darf - vorerst - für höchstens drei Monate ange-
ordnet werden (Art. 13b Abs. 2 ANAG).

        b) Der Beschwerdeführer ist von der Fremdenpolizei
der Stadt Bern gestützt auf Art. 12 Abs. 1 ANAG formlos weg-
gewiesen worden. Er macht mit der Verwaltungsgerichtsbe-
schwerde geltend, er habe bereits in Zürich ein Asylgesuch
gestellt. Träfe dies zu, litte die der Ausschaffungshaft zu
Grunde liegende Wegweisungsverfügung an einem Mangel, der
ausnahmsweise im Haftprüfungsverfahren zu berücksichtigen
wäre, und es fehlte eine wesentliche Voraussetzung der Haft-
anordnung (vgl. BGE 121 II 59). Die Fremdenpolizei hätte
diesfalls einzig die Anordnung von Vorbereitungshaft in Be-
tracht ziehen können und dazu das Vorliegen der diesbezügli-
chen gesetzlichen Bedingungen prüfen müssen.

        Die Haftrichterin stellt für ihren Entscheid
(stillschweigend) darauf ab, dass der Beschwerdeführer
vor der formlosen Wegweisung nicht um Asyl ersucht hat.
An diese tatsächliche Annahme der Haftrichterin als rich-
terliche Behörde ist das Bundesgericht gebunden, sofern
diese den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, un-
vollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrens-
bestimmungen ermittelt hat (Art. 105 Abs. 2 OG). Vorerst
gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdefüh-
rer in Bern (rechtzeitig) ein Asylgesuch gestellt hätte.
An der mündlichen Verhandlung im Haftprüfungsverfahren be-
hauptete der Beschwerdeführer dies denn auch nicht; vielmehr
war nur die Rede davon, dass er ein paar Tage früher ein
solches Gesuch in Zürich gestellt habe. Nun aber sprach da-
gegen nicht bloss der Umstand, dass bei der Kontaktaufnahme
zwischen den Berner und Zürcher Behörden ein allfälliges
Asylgesuch keine Erwähnung fand; zusätzlich hatte die Haft-
richterin Kenntnis von einer durch die Fremdenpolizei des
Kantons Zürich beim Bundesamt für Ausländerfragen gegen den
Beschwerdeführer bereits am 12. April 2001 erwirkten Einrei-
sesperre. Angesichts des bisherigen Verhaltens des Beschwer-
deführers (nachfolgend E. 2c) erscheint seine Behauptung, er
habe um Asyl ersucht, ohnehin bloss als Schutzbehauptung.
Jedenfalls lässt sich die Annahme der Haftrichterin, der
Beschwerdeführer habe vor Anordnung seiner Wegweisung nicht
konkret um Asyl ersucht, unter dem Gesichtspunkt von
Art. 105 Abs. 2 OG nicht beanstanden.

        c) Die gegen den Beschwerdeführer angeordnete Aus-
schaffungshaft dient somit zur Sicherstellung des Vollzugs
einer für das vorliegende Verfahren verbindlichen Wegwei-
sungsverfügung. Der Vollzug der Wegweisung ist (wegen der
Ungewissheit über die Identität des Beschwerdeführers und
wegen Fehlens von Reisepapieren) noch nicht möglich; es be-
stehen aber keine Anzeichen dafür, dass er nicht doch in ab-

sehbarer Zeit bewerkstelligt werden könnte. Es sind sodann
keine Verzögerungen hinsichtlich der für die Wegweisung not-
wendigen Vorkehrungen ersichtlich. Zu prüfen bleibt somit
einzig, ob der von den kantonalen Behörden geltend gemachte
Haftgrund von Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG erfüllt ist.

        Gemäss Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG ist die Aus-
schaffungshaft zulässig, wenn konkrete Anzeichen befürchten
lassen, dass der Ausländer sich der Ausschaffung entziehen
will, insbesondere weil sein bisheriges Verhalten darauf
schliessen lässt, dass er sich behördlichen Anordnungen
widersetzt. Nach den für das Bundesgericht grundsätzlich
verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen der Haftrichterin
(vgl. Art. 105 Abs. 2 OG, vorne E. 2b) sowie nach den Akten
muss davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer
versucht, seine wahre Identität zu verschleiern. Er verhält
sich dabei nicht bloss passiv. Vielmehr macht er Angaben
über seine Herkunft sowie seine Aufenthalte in den letzten
Jahren, die unglaubwürdig sind. Über seinen angeblichen Her-
kunftsort kann er überhaupt keine konkreten Informationen
geben. Wenig verständlich ist seine der Haftrichterin abge-
gebene Erklärung für den Umstand, dass er seine Registernum-
mer, die ihm als aus Israel stammendem Palästinenser zuge-
teilt wäre, nicht kennt. Zu Recht haben die kantonalen Be-
hörden darauf hingewiesen, dass seine Angaben darüber, wo
und wie er sich seit seinem achten Lebensjahr durchgeschla-
gen haben will, nicht zutreffen können. Wollte man aber auf
diese Schilderungen abstellen (langzeitige illegale Anwesen-
heit und Schwarzarbeit in verschiedenen europäischen Län-
dern), müsste in ganz besonderem Masse angenommen werden,
dass der Beschwerdeführer es versteht, sich behördlichem
Zugriff zu entziehen. Als Grund für seine Einreise in die
Schweiz gibt er übrigens bezeichnenderweise nicht nur an,
er habe um Asyl ersuchen wollen, sondern auch, dass er nach
(notwendigerweise illegaler) Arbeit habe suchen wollen.

        Unter diesen Umständen aber bestehen ernsthafte An-
zeichen dafür, dass der Beschwerdeführer, sollte er aus der
Haft entlassen werden, sich den Behörden für nähere Abklä-
rungen und die Ausschaffung nicht zur Verfügung halten wür-
de. Der Vollzug der Wegweisung erscheint erheblich gefähr-
det, und der Haftgrund von Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG ist
klarerweise erfüllt (vgl. BGE 122 II 49 E. 2a S. 50 f.).

        d) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich
damit als offensichtlich unbegründet, und sie ist - im ver-
einfachten Verfahren (Art. 36a OG) - abzuweisen.

     3.- Es stellt sich die Frage, ob die Eingabe des Be-
schwerdeführers vom 20./23. Mai 2001 (auch) als Asylgesuch
verstanden werden kann. Zu diesem Zweck sind dem Bundesamt
für Flüchtlinge zur allfälligen Aufnahme eines Verfahrens
die Beschwerdeschrift sowie eine Ausfertigung des vorliegen-
den Entscheids zur Kenntnis zu bringen.

     4.- Entsprechend dem Ausgang würde der Beschwerdeführer
für das bundesgerichtliche Verfahren an sich kostenpflichtig
(Art. 156 OG). In Fällen der vorliegenden Art (unter anderem
fehlen dem Beschwerdeführer offensichtliche jegliche finan-
ziellen Mittel) rechtfertigt es sich jedoch, von der Erhe-
bung einer Gerichtsgebühr abzusehen (vgl. Art. 154 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht
               im Verfahren nach Art. 36a OG:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Frem-
denpolizei der Stadt Bern, dem Haftgericht III Bern-Mittel-
land, Haftrichterin 6, dem Bundesamt für Ausländerfragen
sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge (zusammen mit der Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde vom 20./23. Mai 2001) schriftlich
mitgeteilt.
                       ______________

Lausanne, 7. Juni 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: