Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.244/2001
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2A.244/2001/bie

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                     14. November 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hungerbühler, Merkli
und Gerichtsschreiber Klopfenstein.

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                         In Sachen

Kanton  S t.  G a l l e n, vertreten durch das
Baudepartement, Beschwerdeführer,

                           gegen

O.M.________, Beschwerdegegnerin,
Verwaltungsgericht des Kantons  S t.  G a l l e n,

                         betreffend
        Rückerstattung einer kantonalen Finanzhilfe,

hat sich ergeben:

     A.- O.M.________, geboren am .. .... 1920, erwarb im
Jahre 1985 aus dem Nachlass ihres am 30. November 1982
verstorbenen Bruders A.M.________ die Liegenschaft
X.________-Gbbl. Nr. xxx mit dem darauf stehenden Wohn-
haus. A.M.________ hatte am 26. Februar 1979 bei der kan-
tonalen Zentralstelle für Wohnungsbau in St. Gallen ein Ge-
such um einen Beitrag an die Renovation dieses Wohnhauses
gestellt. Das Gesuch war am 16. Juli 1981 bewilligt worden.
Am 24. August 1983 leistete die Zentralstelle gestützt auf
das Bundesgesetz vom 20. März 1970 über die Verbesserung
der Wohnverhältnisse in Berggebieten (VWBG, SR 844) sowie
gestützt auf das entsprechende kantonale Einführungsgesetz
vom 28. November 1982 (EG zum VWBG) eine Finanzhilfe von
Fr. 30'000.--. Im Einzelnen entfielen auf Bundessubven-
tionen Fr. 13'800.--, Fr. 12'150.-- auf Subventionen des
Kantons und Fr. 4'050.-- auf solche der Gemeinde.

     B.- Mit Verfügung vom 6. März 2000 wurde O.M.________
von der Wohnbauförderung des Kantons St. Gallen verpflich-
tet, die Finanzhilfen des Bundes und des Kantons (insge-
samt Fr. 25'950.--) zurückzuerstatten. Die verfügende Be-
hörde stützte sich dabei auf Art. 13 Abs. 2 VWBG, wonach
eine volle oder teilweise Rückerstattung der Beiträge u.a.
auch verlangt werden kann, wenn sich die finanziellen Ver-
hältnisse der durch die Finanzhilfe Begünstigten grund-
legend und voraussichtlich dauernd verbessert haben. Dies
treffe im Falle von O.M.________ zu, führte die Wohnbau-
förderung zur Begründung ihrer Verfügung aus.

        O.M.________ gelangte in der Folge an das Baude-
partement des Kantons St. Gallen. Dieses trat am 31. Mai
2000 auf den erhobenen Rekurs aus formellen Gründen nicht

ein. Eine gegen den Departementsentscheid erhobene Be-
schwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons St. Gal-
len am 24. August 2000 hingegen gut. Es hob den Departe-
mentsentscheid und die Verfügung der kantonalen Wohnbauför-
derung auf, im Wesentlichen mit der Begründung, die Vorin-
stanzen hätten die Frage der Verjährung nicht geprüft und
es sei auch keine Interessenabwägung vorgenommen worden.

     C.- Am 12. Oktober 2000 erliess die kantonale Wohn-
bauförderung eine neue Verfügung. Sie verpflichtete
O.M.________, "die am 24. August 1983 ausbezahlte Finanz-
hilfe des Kantons St. Gallen im Betrage von Fr. 12'150.--
zurückzubezahlen", und auferlegte ihr eine Gebühr von
Fr. 300.--.

        Einen gegen diese Verfügung gerichteten Rekurs
wies das Baudepartement am 12. Januar 2001 ab. O.M.________
beschwerte sich daraufhin wiederum mit Erfolg beim Verwal-
tungsgericht: Mit Entscheid vom 11. April 2001 hob dieses
den Departementsentscheid vom 12. Januar 2001 und die Ver-
fügung der kantonalen Wohnbauförderung vom 12. Oktober 2000
auf. Das Verwaltungsgericht kam zum Schluss, der Rückforde-
rungsanspruch des Staates sei verjährt.

     D.- Mit Eingabe vom 21. Mai 2001 führt der Kanton
St. Gallen, vertreten durch das Baudepartement, "Verwaltungs-
gerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde" beim
Bundesgericht mit dem Antrag, den Entscheid des Verwaltungs-
gerichts vom 11. April 2001 aufzuheben.

        O.M.________ hat sich nicht vernehmen lassen. Das
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen beantragt, es sei
weder auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde noch auf die
staatsrechtliche Beschwerde einzutreten.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei
ihm eingereichten Beschwerden von Amtes wegen und mit freier
Kognition (BGE 124 I 11 E. 1 S. 13, mit Hinweis). Entspre-
chend der Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde
ist als erstes zu beurteilen, ob die Verwaltungsgerichts-
beschwerde offen steht.

        a) Gemäss Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG
ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfü-
gungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen
oder hätten stützen sollen, sofern diese von den in Art. 98
OG genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und keiner
der in Art. 99 - 102 OG oder in der Spezialgesetzgebung vor-
gesehenen Ausschlussgründe gegeben ist (BGE 123 II 231 E. 2
S. 233). Gleiches gilt auch für gemischtrechtliche Verfü-
gungen, die sowohl auf kantonalem als auch auf Bundesrecht
beruhen, falls und soweit eine Verletzung von unmittelbar
anwendbarem Bundesrecht in Frage steht. Weiter sind im Ver-
fahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde Anordnungen zu
überprüfen, die sich entweder auf unselbständiges kantonales
Ausführungsrecht zum Bundesrecht oder auf übriges kantonales
Recht stützen, welches einen hinreichend engen Sachzusammen-
hang mit einer im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zu beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweist.
Soweit dem angefochtenen Entscheid selbständiges kantonales
Recht ohne den genannten Sachzusammenhang zum Bundesrecht
zugrunde liegt, steht einzig die staatsrechtliche Beschwerde
zur Verfügung (BGE 123 II 359 E. 1a/aa S. 361; 122 II 241
E. 2a S. 243; 121 II 72 E. 1b S. 75; 120 Ib 27 E. 2a S. 29,
je mit Hinweisen).

        b) aa) Die im Bundesgesetz vom 20. März 1970 über
die Verbesserung der Wohnverhältnisse in Berggebieten
(VWBG, SR 844) vorgesehenen Finanzhilfen des Bundes setzen
voraus, dass auch der betreffende Kanton eine eigene Leis-
tung gewährt (Art. 7 Abs. 1 VWBG). Deren minimale Höhe wird
in Art. 8 VWBG umschrieben, wobei Leistungen von Gemeinden
oder anderen öffentlichrechtlichen Korporationen in einem
bestimmten Rahmen an die Kantonsleistung angerechnet werden
(Art. 9 VWBG). Die Leistungen des Kantons können nicht nur
in bar, sondern auch in anderer Form erbracht werden
(Art. 10 VWBG); im Übrigen richten sie sich im Rahmen der
Vorgaben des Bundesgesetzes nach kantonalem Recht (Art. 7
Abs. 2 VWBG).

           bb) Die Bestimmungen des Gesetzes über die Rück-
erstattungspflicht (Art. 13 VWBG) sowie über die Verjährung
der Rückerstattungsansprüche (Art. 14 VWBG) gelten für die
Finanzhilfen des Bundes. Vorliegend geht es ausschliesslich
um die Rückerstattung des vom Kanton St. Gallen geleisteten
Beitrags. Diese Frage fällt, mangels einer diesbezüglichen
Vorschrift des Bundesgesetzes, in die Regelungskompetenz
des Kantons. Der Kanton ist bei der Normierung der Rücker-
stattungsvoraussetzungen zwar allenfalls insoweit gebunden,
als er nach Sinn und Zweck des Bundesgesetzes für seine
eigenen (Pflicht-)Leistungen keine weitergehende Rückerstat-
tungspflicht statuieren darf, als sie in Art. 13 VWBG für
die Finanzhilfen des Bundes vorgesehen ist. Das Bundesrecht
verlangt aber nicht, dass die Kantone für ihre Beiträge eine
Rückerstattungspflicht überhaupt vorsehen, und es verbietet
auch nicht, die Rückerstattungspflicht für kantonale Bei-
träge (zugunsten des Empfängers) restriktiver zu formulie-
ren als für die Finanzhilfen des Bundes.

           cc) Nach Art. 3 des st. gallischen Einführungs-
gesetzes vom 28. November 1982 zum VWBG werden die "Vor-
schriften des Bundes" für die Staats- und Gemeindebeiträge

"sachgemäss angewendet". Die in Art. 13 und 14 VWBG
enthaltenen Bestimmungen gelten damit auch für die
Rückerstattung der kantonalen Leistungen. Doch sind diese
Normen in diesem Falle nicht als Bundesverwaltungsrecht,
sondern als kantonales Recht anwendbar. Als Bundesrecht
entfalten die in Art. 13 f. VWBG enthaltenen Bestimmungen
nur insoweit Wirkungen, als der Kanton hier nicht
zuungunsten des Subventionsempfängers strenger legiferieren
darf (vorne E. 1b/bb).
        c) Der beschwerdeführende Kanton wirft seinem Ver-
waltungsgericht vor, es habe das Vorliegen der Vorausset-
zungen für die Rückforderung des Kantonsbeitrages zu Unrecht
verneint. Darin kann nach dem Gesagten zum Vornherein kein
Verstoss gegen Normen des einschlägigen Bundesverwaltungs-
rechtes liegen. Steht aber einzig die richtige Handhabung
von (selbständigem oder unselbständigem) kantonalem Recht
in Frage, ohne dass zugleich eine mögliche Verletzung von
unmittelbar anwendbarem Bundesverwaltungsrecht zu beurtei-
len ist, fällt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als Rechts-
mittel ausser Betracht (vgl. E. 1a).

     2.- Gegen den angefochtenen Entscheid steht somit ein-
zig das Rechtsmittel der staatsrechtlichen Beschwerde zur
Verfügung (Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 OG), welches der
Kanton St. Gallen subsidiär erhoben hat.

        a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist ein Rechts-
mittel zum Schutze der Träger verfassungsmässiger Rechte
gegen Übergriffe der Staatsgewalt. Solche Rechte stehen
grundsätzlich nur Privaten zu, nicht dagegen dem Gemein-
wesen als Inhaber hoheitlicher Gewalt. Öffentlichrechtliche
Körperschaften sind zur staatsrechtlichen Beschwerde legi-
timiert, wenn sie nicht hoheitlich auftreten, sondern durch

einen staatlichen Akt wie eine Privatperson betroffen wer-
den. Gemeinden und andere öffentlichrechtliche Körperschaf-
ten können sich zudem mit staatsrechtlicher Beschwerde gegen
eine Verletzung ihrer durch das kantonale Recht gewährleis-
teten Autonomie oder Bestandesgarantie zur Wehr setzen (BGE
125 I 173 E. 1b S. 175; 121 I 218 E. 2a S. 219 f.; 120 Ia 95
E. 1a S. 96 f., je mit Hinweisen).

        b) Der Kanton St. Gallen wird durch den angefochte-
nen Entscheid nicht wie ein Privater, sondern offensichtlich
in seiner Stellung als Träger öffentlicher Aufgaben betrof-
fen. Zur Ergreifung der staatsrechtlichen Beschwerde fehlt
es ihm daher - zumal auch keine Verletzung seiner Autonomie
oder Bestandesgarantie in Frage steht - an der nach Art. 88
OG erforderlichen Legitimation. Dies gilt auch insoweit, als
eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wird (BGE 120
Ia 95 E. 2 S. 100; 121 I 218 E. 4a S. 223).

     3.- Soweit der Kanton St. Gallen seine Eingabe vom
21. Mai 2001 als Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht
hat, ist darauf mangels Zulässigkeit des Rechtsmittels
nicht einzutreten (E. 1c). Soweit mit der fraglichen Ein-
gabe staatsrechtliche Beschwerde geführt wird, kann darauf
mangels Legitimation des Kantons ebenfalls nicht eingetre-
ten werden (E. 2).

        Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichts-
kosten dem beschwerdeführenden Kanton aufzuerlegen, um des-
sen Vermögensinteressen es vorliegend geht (Art. 156 Abs. 1
und 2, Art. 153 und 153a OG). Die Beschwerdegegnerin, die
nicht anwaltlich vertreten war und die sich im vorliegenden
Verfahren auch nicht hat vernehmen lassen, hat keinen An-
spruch auf Parteikostenersatz (vgl. Art. 159 Abs. 2 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.-  Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem
Kanton St. Gallen auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungs-
gericht des Kantons St. Gallen sowie dem Eidgenössischen
Volkswirtschaftsdepartement schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 14. November 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: