Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.226/2001
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2A.226/2001/leb

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       13. Juli 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Müller und
Gerichtsschreiber Merz.

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                         In Sachen

A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech
Dr. Urs Oswald, Bahnhofstrasse 1, Postfach 31, Zurzach,

                           gegen

Fremdenpolizei des Kantons  A a r g a u,
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons  A a r g a u,

                         betreffend
                         Ausweisung,

hat sich ergeben:

     A.- Der aus der Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo)
stammende A.________ (geb. 1952) arbeitete in den Jahren
1981-1985 als Saisonnier bei einer Bauunternehmung im Kanton
Aargau. Per 11. Dezember 1985 erhielt er die Jahresaufent-
haltsbewilligung. Seine Ehefrau, B.________ und die fünf
Kinder kamen im November 1989 bzw. Dezember 1991 in die
Schweiz. Seit dem 20. Juli 1992 hat die ganze Familie die
Niederlassungsbewilligung.

     B.- Das Bezirksamt Zurzach verurteilte A.________ am
16. August 1988 wegen Gebrauchs eines gefälschten Führeraus-
weises sowie wegen versuchter Erschleichung eines schweize-
rischen Führerausweises zu 4 Tagen Gefängnis unter Gewährung
des bedingten Strafvollzugs bei 2 Jahren Probezeit sowie zu
einer Busse von Fr. 300.-- und am 24. September 1993 wegen
wiederholten Führens eines Motorfahrzeuges trotz Entzugs des
Lernfahrausweises sowie Mitverschuldens einer Kollision in-
folge Nichtanpassens der Geschwindigkeit auf einer Strassen-
verzweigung zu 14 Tagen Haft und Fr. 150.-- Busse.

        Mit Urteil vom 9. Juli 1996 erkannte das Bezirks-
gericht Baden A.________ schuldig der qualifizierten Wider-
handlung (Art. 19 Ziff. 2 lit. a und b) gegen das Bundesge-
setz vom 3. Oktober 1951 über die Betäubungsmittel und
die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz, BetmG;
SR 812.121), begangen im Jahre 1993, und verurteilte ihn
zu 2½ Jahren Zuchthaus sowie zu 7 Jahren unbedingter Landes-
verweisung. Die vom Verurteilten hiegegen erhobene Beschwer-
de wies das Obergericht des Kantons Aargau am 27. August

1998 ab. A.________ trat die Strafe am 25. April 2000 an. Am
19. April 2001 wurde er bedingt aus dem Strafvollzug ent-
lassen und gleichzeitig die Landesverweisung von 7 Jahren
probeweise aufgeschoben unter Ansetzung einer Probezeit von
2 Jahren.

     C.- Die Fremdenpolizei des Kantons Aargau wies
A.________ mit Verfügung vom 9. Juni 1999 für unbestimmte
Zeit aus der Schweiz aus. Die dagegen erhobene Einsprache
wies sie am 10. August 1999 ab. Das Rekursgericht im Aus-
länderrecht des Kantons Aargau (im Folgenden: Rekursgericht)
bestätigte diesen Entscheid mit Urteil vom 6. April 2001.

     D.- Hiegegen hat A.________ am 9. Mai 2001 beim
Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht.
Er stellt die folgenden Begehren:

        "1. Das Urteil des Rekursgerichts im Ausländerrecht
            des Kantons Aargau vom 6. April 2001 sei aufzu-
            heben.

         2. Es sei neu wie folgt zu entscheiden:

            a.) Von einer Ausweisung des Beschwerdeführers
                sei abzusehen.

            b.) Der Beschwerdeführer sei zu verwarnen, und
                es sei ihm die Ausweisung anzudrohen.

         Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen."

     E.- Das Rekursgericht und die Fremdenpolizei des Kan-
tons Aargau sowie das Bundesamt für Ausländerfragen schlies-
sen auf Abweisung der Beschwerde.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Gegen kantonal letztinstanzliche Ausweisungsver-
fügungen steht gemäss Art. 97 Abs. 1 OG die Verwaltungsge-
richtsbeschwerde an das Bundesgericht offen. Ein Ausschluss-
grund im Sinne der Art. 99 - 102 OG liegt nicht vor; insbe-
sondere fällt die Ausweisung nicht unter die in Art. 100
Abs. 1 lit. b OG genannten, von der Verwaltungsgerichts-
beschwerde ausgenommenen Verfügungen, sofern sie - wie im
vorliegenden Fall - gestützt auf Art. 10 des Bundesgesetzes
vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Aus-
länder (ANAG; SR 142.20) angeordnet worden ist (Art. 100
Abs. 1 lit. b Ziff. 4 OG e contrario; BGE 114 Ib 1 E. 1a
S. 2). Der von der Ausweisung direkt betroffene Beschwerde-
führer ist zur Beschwerde legitimiert. Auf die frist- und
formgerecht eingereichte Beschwerde ist demnach einzutreten.

     2.- a) Gemäss Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG kann ein Aus-
länder aus der Schweiz ausgewiesen werden, wenn er wegen
eines Verbrechens oder Vergehens gerichtlich bestraft wurde.
Laut Art. 11 Abs. 3 ANAG soll die Ausweisung jedoch nur ver-
fügt werden, wenn sie nach den gesamten Umständen angemessen
erscheint. Hiebei sind vor allem die Schwere des Verschul-
dens des Ausländers, die Dauer seiner Anwesenheit in der
Schweiz sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile
zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 3 der Vollziehungsverord-
nung vom 1. März 1949 zum Bundesgesetz über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer, ANAV; SR 142.201).

         Ob sich die Ausweisung im Sinne der Art. 11 Abs. 3
ANAG und Art. 16 Abs. 3 ANAV als "angemessen", d.h. verhält-
nismässig, erweist (BGE 125 II 105 E. 2a S. 107, 521 E. 2a

S. 523; 119 Ib 1 E. 2a S. 4; 114 Ib 1 E. 1b S. 2), ist eine
Rechtsfrage, die vom Bundesgericht im Verfahren der Verwal-
tungsgerichtsbeschwerde frei überprüft werden kann (Art. 104
lit. a OG). Dem Bundesgericht ist es jedoch verwehrt, sein
eigenes Ermessen - im Sinne einer Überprüfung der Zweckmäs-
sigkeit (Opportunität; vgl. BGE 116 Ib 353 E. 2b S. 356 f.)
der Ausweisung - an die Stelle desjenigen der zuständigen
kantonalen Behörde zu setzen (BGE 125 II 105 E. 2a S. 107,
521 E. 2a S. 523, mit Hinweisen). Das Bundesgericht ist an
die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz gebunden, wenn
- wie hier - eine richterliche Behörde entschieden und den
Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig
oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt hat (Art. 105 Abs. 2 OG).

     3.- Der Beschwerdeführer wurde wegen eines Verbrechens
gerichtlich bestraft. Der Ausweisungsgrund des Art. 10
Abs. 1 lit. a ANAG ist damit gegeben. Der Beschwerdeführer
macht aber geltend, die Ausweisung sei nicht im Sinne von
Art. 11 Abs. 3 ANAG angemessen.

         a) Der Beschwerdeführer wurde zu Zuchthaus, das
heisst zur schwersten Freiheitsstrafe (Art. 35 Satz 1 StGB),
verurteilt. Im Strafurteil wird sein Verschulden als erheb-
lich eingestuft: Er habe vorsätzlich und ohne jeglichen An-
lass in schwerwiegender Weise gegen das Betäubungsmittelge-
setz verstossen. Straferhöhend berücksichtigte das Oberge-
richt, dass er den qualifizierten Tatbestand nicht nur men-
genmässig erfüllt, sondern zudem - wenn auch in untergeord-
neter Funktion - bandenmässig gehandelt hatte. Auch habe er,
ohne selber Drogenkonsument zu sein, aus rein egoistischen
Motiven gehandelt, um möglichst rasch viel Geld zu verdie-
nen; es handle sich bei ihm um einen skrupellosen Täter,

der auf Kosten der Gesundheit anderer seine finanzielle
Situation habe verbessern wollen (Strafurteil S. 28/29).
Zu Recht hat demnach die Vorinstanz das Verschulden des
Beschwerdeführers als schwer erachtet und das öffentliche
Interesse an der Ausweisung bejaht.

         b) Anderseits ist zu berücksichtigen, dass der Be-
schwerdeführer sich schon lange in der Schweiz aufhält und
hier nun seit mehreren Jahren mit seiner Familie die Nieder-
lassungsbewilligung hat. Sein privates Interesse, in der
Schweiz bleiben zu können, ist damit entsprechend gross.
Noch schwerer dürfte es der Ehefrau und den Kindern - von
denen drei allerdings bereits volljährig sind - fallen, in
die Heimat zurückzukehren. In Verbindung mit seinen sprach-
lichen Fähigkeiten hat das Rekursgericht den Beschwerdefüh-
rer zwar als integriert bezeichnet, dies in der Folge dann
jedoch wieder relativiert: Auf den Vorhalt, er verkehre
grösstenteils mit Landsleuten und sei vom persönlichen Um-
feld her kaum integriert, hat er keine konkreten Angaben,
die vom Gegenteil zu überzeugen vermögen, gemacht.

         c) Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen
fällt u.a. ins Gewicht, dass der Beschwerdeführer Glied ei-
ner weit verzweigten kriminellen Organisation war, weshalb
sich eine Ausweisung auch aus generalpräventiven Gründen
aufdrängt. Zwar haben die Strafbehörden den Beschwerdeführer
aus dem Strafvollzug bedingt entlassen und die Landesverwei-
sung probeweise aufgeschoben, dies steht der fremdenpolizei-
lichen Ausweisung nach Art. 10 Abs. 1 lit. a ANAG indes
nicht entgegen (BGE 114 Ib 1 E. 3a S. 3 f.; 122 II 433 E. 2b
S. 435; 125 II 105 E. 2b S. 107), sind doch die Vorausset-
zungen für die beiden Entfernungsmassnahmen nicht identisch.
So ist für den Entscheid über die Gewährung des bedingten
Vollzugs einer strafrechtlichen Landesverweisung auf die
Prognose hinsichtlich eines künftigen Wohlverhaltens des

Ausländers in der Schweiz (vgl. Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB;
BGE 123 IV 107 E. 4a S. 111 f.) und für denjenigen über den
probeweisen Aufschub nach Art. 55 Abs. 2 StGB auf die Reso-
zialisierungschancen abzustellen, wobei regelmässig die Aus-
sichten auf Wiedereingliederung in der Schweiz denjenigen im
Heimatland gegenüberzustellen sind (vgl. BGE 122 IV 56 E. 3a
S. 59 f., mit Hinweisen). Demgegenüber steht für den Ent-
scheid über die fremdenpolizeiliche Ausweisung das allge-
meine Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im
Vordergrund (BGE 125 II 105 E. 2c S. 110). Der konkreten
Prognose über das Wohlverhalten sowie dem Resozialisierungs-
gedanken des Strafrechts ist zwar im Rahmen der umfassenden
fremdenpolizeilichen Interessenabwägung ebenfalls Rechnung
zu tragen, die beiden Umstände geben aber nicht den Aus-
schlag (BGE 125 II 105 E. 2c S. 110; 122 II 433 E. 2b
S. 435 f. sowie die dort zitierte weitere Rechtsprechung
und Literatur). Auch sind die Prognosen der Strafbehörden
für die Fremdenpolizeibehörden nicht bindend. Nicht zu be-
anstanden, ist die Folgerung des Rekursgerichts, die Reso-
zialisierung des Beschwerdeführers sei auch in seiner Heimat
möglich. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Fest-
stellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG) verfügt
der Beschwerdeführer nicht über besondere berufliche Kennt-
nisse, die er nur in der Schweiz verwerten könnte; abgesehen
von seinen vornehmlich mit Landsleuten gepflegten sozialen
Kontakten, leben in der Heimat noch seine Eltern und die
Mehrzahl seiner Geschwister; er hat sich dort auch bis weit
ins Erwachsenenalter hinein aufgehalten; ihm sind daher die
kulturellen und gesellschaftlichen Gepflogenheiten seiner
Heimat bekannt.

         In Würdigung aller Umstände erweist sich die vom
Rekursgericht bestätigte Ausweisung als verhältnismässig,
auch wenn sie den Beschwerdeführer und insbesondere dessen
Angehörige hart treffen mag. Der Beschwerdeführer hat in

schwerwiegender Weise gegen die öffentliche Ordnung ver-
stossen und zur Gesundheitsschädigung Dritter beigetragen.
Wie das Obergericht im Strafurteil festgehalten hat, be-
stand für den - übrigens bereits durch Vorstrafen gewarn-
ten - Beschwerdeführer, der wie auch seine Ehefrau eine
feste Arbeitsstelle hatte, überhaupt "kein Anlass, in den
Drogenhandel einzusteigen" (S. 29). Er hat es trotzdem und
ohne Rücksicht auf seine Familie getan und muss nun ent-
sprechend die Konsequenzen der gegenüber Drogenhändlern zu
Recht strengen Praxis der Fremdenpolizeibehörden tragen. Das
Interesse an der Fernhaltung von Ausländern, die an der Ver-
breitung von Drogen teilnehmen, ist als überaus gewichtig zu
beurteilen (vgl. auch Urteil des Europäischen Gerichtshofs
für Menschenrechte vom 19. Februar 1998 i.S. Dalia, PCourEDH
1998 S. 76). Selbst allfällige bessere Chancen einer Reso-
zialisierung des Beschwerdeführers in der Schweiz führen
hiebei nicht zu einem anderen Ergebnis.

     4.- Die Ausweisung des Beschwerdeführers verletzt auch
nicht Art. 8 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze
der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Men-
schenrechtskonvention, EMRK; SR 0.101), der den Schutz des
Familien- und Privatlebens garantiert und auf den sich der
Beschwerdeführer berufen kann (vgl. BGE 127 II 60 E. 1d/aa
S. 64, mit Hinweisen). Der Eingriff in das Recht auf Achtung
des Privat- und Familienlebens ist nämlich vorliegend gemäss
Ziff. 2 dieser Bestimmung gerechtfertigt: Er stützt sich auf
Art. 10 ANAG und verfügt damit über eine gesetzliche Grund-
lage im Landesrecht. Er bezweckt die Aufrechterhaltung der
hiesigen Ordnung sowie die Verhinderung weiterer strafbarer
Handlungen und verfolgt damit öffentliche Interessen, die in
Art. 8 Ziff. 2 EMRK ausdrücklich genannt sind; schliesslich
ist der Eingriff nach dem Gesagten (E. 3) auch verhältnis-
mässig (vgl. BGE 125 II 521 E. 5 S. 529 und erwähntes Urteil

des EuGMR vom 19. Februar 1998). Der ebenfalls das Privat-
und Familienleben schützende Art. 13 Abs. 1 BV gewährt in
diesem Zusammenhang keine weiter gehenden Rechte (BGE 126 II
377 E. 7 S. 394).

     5.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich dem-
nach als unbegründet. Dementsprechend hat der Beschwerdefüh-
rer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen
(Art. 156 Abs. 1, 153 und 153a OG). Parteientschädigungen
sind nicht geschuldet (vgl. Art. 159 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Frem-
denpolizei und dem Rekursgericht im Ausländerrecht des Kan-
tons Aargau sowie dem Bundesamt für Ausländerfragen schrift-
lich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 13. Juli 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
      Der Präsident:            Der Gerichtsschreiber: