Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.21/2001
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2A.21/2001/bie

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                        1. Mai 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Hungerbühler, Müller und Gerichtsschreiberin Müller.

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                         In Sachen

Bundesamt für Ausländerfragen, Beschwerdeführer,

                           gegen

A.________, geb. .......... 1958,
vertreten durch Fürsprecher Peter Huber, Belpstrasse 16,
Postfach 6626, Bern, Beschwerdegegner,
Rekursgericht im Ausländerrecht des Kantons  A a r g a u,

                         betreffend
                      Familiennachzug,

hat sich ergeben:

     A.- Der aus Mazedonien stammende, 1958 geborene
A.________ erhielt am 11. November 1988 eine Jahresaufent-
haltsbewilligung. Am 22. November 1989 erteilte ihm die
Fremdenpolizei des Kantons Aargau (im Folgenden: Fremdenpo-
lizei) die Bewilligung zum Nachzug seiner 1957 geborenen
Ehefrau B.________ sowie der beiden Söhne C.________, gebo-
ren am ........ 1982, und D.________, geboren am ........
1985. Am ........ 1991 wurde der Sohn E.________ geboren.
Am 30. Juni 1991 reiste der älteste Sohn C.________ nach
Mazedonien zurück, um dort die Schule zu besuchen. Am 4. Mai
1998 stellte A.________ ein Gesuch um Nachzug des Sohnes
C.________ sowie der am ........ 1980 geborenen Tochter
F.________. Am 22. September 1998 erhielt A.________ die
Niederlassungsbewilligung; auch seine Ehefrau und die beiden
Söhne D.________ und E.________ besitzen heute eine Nieder-
lassungsbewilligung.

        Mit Verfügung vom 6. Januar 1999 wies die Fremden-
polizei das Familiennachzugsgesuch ab; die dagegen erhobene
Einsprache wies sie am 7. April 1999 ab. Dagegen erhob
A.________ Beschwerde beim Rekursgericht im Ausländerrecht
des Kantons Aargau (im Folgenden: Rekursgericht). Mit Urteil
vom 24. November 2000 hiess das Rekursgericht die Beschwerde
gut, hob den Einspracheentscheid der Fremdenpolizei auf und
wies diese an, den Aufenthalt von F.________ und C.________
zu regeln.

     B.- Dagegen hat das Bundesamt für Ausländerfragen am
8. Januar 2001 beim Bundesgericht Verwaltungsgerichts-
beschwerde erhoben. Es beantragt, den Entscheid des Rekurs-
gerichts in Bezug auf die Tochter F.________ aufzuheben.

        Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde ab-
zuweisen, eventualiter die Sache zu neuem Entscheid an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Die Fremdenpolizei des Kantons
Aargau schliesst sinngemäss auf Gutheissung der Beschwerde.
Das Rekursgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Das beschwerdeführende Bundesamt ist ermäch-
tigt, letztinstanzliche kantonale Entscheide selbständig an-
zufechten (Art. 14 Abs. 2 der Organisationsverordnung vom
17. November 1999 für das Eidgenössische Justiz- und Poli-
zeidepartement [OV-EJPD; SR 172.213.1]). Es ist deshalb nach
Art. 103 lit. b OG zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde legi-
timiert.

        b) Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die
Verletzung von Bundesrecht, einschliesslich Überschreitung
oder Missbrauch des Ermessens, sowie die unrichtige oder
unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachver-
haltes gerügt werden (Art. 104 lit. a und b OG). Ausge-
schlossen ist die Rüge, der angefochtene Entscheid sei
unangemessen (Art. 104 lit. c OG). Hat - wie hier - eine
richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden, so ist das
Bundesgericht an deren Sachverhaltsfeststellung gebunden,
sofern diese nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig
oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
ergangen ist (Art. 105 Abs. 2 OG). Damit können nachträg-
liche Veränderungen des Sachverhalts nicht berücksichtigt
werden und sind neue tatsächliche Vorbringen im bundesge-
richtlichen Verfahren ausgeschlossen, soweit sie nicht von
der Vorinstanz von Amtes wegen hätten beachtet werden müssen
und ihre Nichtberücksichtigung auf eine Verletzung wesent-

licher Verfahrensbestimmungen hinausläuft (BGE 122 II 299
E. 5d S. 310, mit Hinweisen; 121 II 97 S. 99 E. 1c, mit Hin-
weisen).

     2.- a) Gemäss Art. 17 ANAG haben ledige Kinder von Aus-
ländern, die in der Schweiz niedergelassen sind, Anspruch
auf Einbezug in die Niederlassungsbewilligung ihrer Eltern,
wenn sie mit diesen zusammen wohnen und noch nicht 18 Jahre
alt sind. Denselben Anspruch haben diese Kinder, wenn das
Bundesamt für Ausländerfragen bezüglich eines Elternteils
den Zeitpunkt bereits festgelegt hat, ab welchem diesem frü-
hestens eine Niederlassungsbewilligung erteilt werden darf
(Kontrollentlassung; vgl. BGE 125 II 633 E. 2c S. 638).

        b) Der Beschwerdegegner hat die Niederlassungsbe-
willigung am 22. September 1998 erhalten. Das Rekursgericht
stellt sich auf den Standpunkt, es sei davon auszugehen,
dass die Kontrollentlassung, die das Bundesamt für Ausländer-
fragen gemäss Art. 17 Abs. 1 ANAG vornehmen müsse, schon vor
dem 18. Geburtstag von F.________ vom .. August 1998 erfolgt
sei. Diese Annahme trifft aber hier nicht zu: Wie das Bundes-
amt in seiner Beschwerde ausführt, hat es im konkreten Fall
keine förmliche Kontrollentlassung vorgenommen.

         Dass einem Ausländer, der keinen aus Bundesrecht
oder Staatsvertrag ableitbaren Rechtsanspruch auf eine Nie-
derlassungsbewilligung hat, praxisgemäss frühestens nach
einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von
zehn Jahren eine solche erteilt wird, und dass beim einzelnen
Ausländer aufgrund des im Zentralen Ausländerregister einge-
tragenen anrechenbaren Einreisedatums (hier der 11. November
1988) der Ablauf dieser Zehnjahresfrist mit Leichtigkeit kal-
kuliert werden kann, ist nicht mit einer förmlichen Kontroll-
entlassung im Einzelfall im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ANAG
gleichzusetzen.

        Damit aber ist ein Anspruch auf Familiennachzug
erst mit der Erteilung der Niederlassungsbewilligung am
22. September 1998 - immerhin fast zwei Monate vor Ablauf
der praxisgemäss erforderlichen zehnjährigen Aufenthalts-
dauer - entstanden.

        c) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
kommt es beim Familiennachzug gemäss Art. 17 Abs. 2 ANAG
für die Altersfrage auf den Zeitpunkt der Gesuchstellung an.
Das Bundesgericht begründet diese Ausnahme vom Grundsatz,
wonach es bei der Zulässigkeitsprüfung im Fremdenpolizei-
recht regelmässig auf die aktuellen und rechtlichen Um-
stände abstellt, damit, dass hier die Erteilung einer Nie-
derlassungsbewilligung in Frage steht, das heisst die An-
wesenheit unbefristet bewilligt wird, wenn im Zeitpunkt der
Gesuchseinreichung die Voraussetzungen erfüllt sind (BGE 120
Ib 257 E. 1f S. 262 f.). Im vorliegenden Fall waren im Zeit-
punkt der Gesuchstellung, d.h. am 4. Mai 1998, die Voraus-
setzungen für den Einbezug von minderjährigen Kindern in
eine Niederlassungsbewilligung aber gerade nicht erfüllt,
weil der Beschwerdegegner zu diesem Zeitpunkt noch gar keine
solche Bewilligung und damit nach dem Gesagten auch keinen
Anspruch auf Familiennachzug hatte. In einem solchen Fall
ist in Bezug auf das Alter eines nachzuziehenden Kindes
nicht das Datum der Gesuchstellung massgebend, sondern der
Zeitpunkt, in dem für den betreffenden Elternteil der An-
spruch auf Familiennachzug entstanden ist, d.h. hier mit der
Erteilung der Niederlassungsbewilligung an den Beschwerde-
gegner am 22. September 1998 (vgl. unveröffentlichtes Urteil
vom 9. April 2001 i.S. Sarac, E. 2b, wo der Anspruch auf
Familiennachzug gleichzeitig mit dem Anspruch auf eine Nie-
derlassungsbewilligung entstanden war, dort nach fünfjähri-
ger Ehe mit einer Schweizerin). An diesem Tag war C.________

knapp 16 Jahre, F.________ hingegen schon 18 Jahre alt. Sie
hatte daher keinen Anspruch mehr auf Einbezug in die Nieder-
lassungsbewilligung ihres Vaters.

     3.- a) Die Bewilligung des Familiennachzuges im Sinne
von Art. 17 Abs. 2 ANAG an F.________ verstösst somit gegen
Bundesrecht. Der Entscheid des Rekursgerichts ist daher,
soweit er F.________ betrifft, aufzuheben.

        b) Das Rekursgericht hat ausdrücklich nicht geprüft,
ob C.________ und/oder F.________ allenfalls gestützt auf
Art. 8 EMRK ein Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung zu-
steht, da es den Familiennachzug schon gestützt auf Art. 17
Abs. 2 ANAG bewilligte. Vor Bundesgericht macht der Be-
schwerdegegner geltend, F.________ sei wegen eines ängstlich-
depressiven Syndroms in medizinischer Behandlung, zudem habe
sie aufgrund der aktuellen Spannungslage in Tetovo zunehmend
Lebensangst; daher habe sie trotz erreichter Volljährigkeit
einen Aufenthaltsanspruch gestützt auf Art. 8 EMRK; allen-
falls könnte ihr Aufenthalt gestützt auf die Verordnung vom
6. Oktober 1986 über die Begrenzung der Zahl der Ausländer
(Begrenzungsverordnung, BVO; SR 823.21) geregelt werden; er
beantragt daher für den Fall der Gutheissung der Beschwerde,
die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzu-
weisen.

        Diese neue Tatsachenbehauptung sowie das ent-
sprechende Arztzeugnis können nach dem Gesagten im bundes-
gerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden (E. 1b).
Ein Rückweisung an das Rekursgericht erübrigt sich, da ein
auf Art. 8 EMRK gestützter Aufenthaltsanspruch angesichts
des Alters von F.________ (vgl. BGE 120 Ib 257 E. 1f S. 263)
nur in Frage käme, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne
der Rechtsprechung vorläge, z.B. eine körperliche oder geis-
tige Behinderung oder eine schwerwiegenden Krankheit (vgl.

BGE 120 Ib 257 E. 1e S. 261 f., mit Hinweisen). Die geschil-
derten, mit der familiären Entwurzelung begründeten Symptome
von F.________ reichen indessen für die Bejahung eines sol-
chen Abhängigkeitsverhältnisses nicht aus. Die Sache ist
daher einzig in Bezug auf die Kostenregelung an das Rekurs-
gericht zurückzuweisen.

     4.- Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der
Beschwerdegegner kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 in Verbin-
dung mit Art. 153 und Art. 153a OG). Dem ebenfalls unter-
liegenden Kanton Aargau sind, da es sich nicht um seine Ver-
mögensinteressen gehandelt hat, keine Gerichtskosten aufzu-
erlegen (Art. 156 Abs. 2 OG). Das Bundesamt für Ausländer-
fragen hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung
(Art. 159 Abs. 2 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutge-
heissen und der Entscheid des Rekursgerichts im Ausländer-
recht des Kantons Aargau vom 24. November 2000, soweit er
F.________ betrifft, aufgehoben.

     2.- Die Sache wird zur Regelung der Kosten des kanto-
nalen Verfahrens an das Rekursgericht zurückgewiesen.

     3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem
Beschwerdegegner auferlegt.

     4.- Dieses Urteil wird den Parteien und der Fremden-
polizei sowie dem Rekursgericht im Ausländerrecht des
Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 1. Mai 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                  Die Gerichtsschreiberin: