Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2A.132/2001
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2A.132/2001/bol

            II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       29. März 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Hungerbühler,
Müller, Bundesrichterin Yersin und Gerichtsschreiber Hugi
Yar.

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                         In Sachen

A.________, geb. 6. April 1976, Beschwerdeführer, vertreten
durch Rechtsanwalt Thomas Wüthrich, Bruchstrasse 69, Luzern,

                           gegen

Amt für Migration des Kantons  L u z e r n,
Verwaltungsgericht des Kantons  L u z e r n, Verwaltungs-
rechtliche Abteilung,

                         betreffend
             Ausschaffungshaft (Art. 13b ANAG),

hat sich ergeben:

     A.- Die Schweizerische Asylrekurskommission wies am
19. April 1999 eine Beschwerde des aus Sri Lanka stammenden
A.________ (geb. 1976) gegen einen negativen Asyl- und Weg-
weisungsentscheid des Bundesamts für Flüchtlinge vom 11. Ja-
nuar 1999 ab. In der Folge galt A.________ als verschwunden,
bis er am 27. Februar 2001 auf dem Flugplatz Bern-Belp ange-
halten wurde, als er versuchte, mit einem gefälschten ita-
lienischen Pass nach London zu fliegen.

        A.________ ersuchte hierauf erneut um Asyl, worauf
ihn das Amt für Migration des Kantons Luzern am 1. März 2001
in Ausschaffungshaft nahm, wobei es sein Gesuch an das Bun-
desamt für Flüchtlinge weiterleitete. Das Verwaltungsgericht
des Kantons Luzern prüfte die Haft tags darauf und bestätig-
te sie bis zum 1. Juni 2001.

     B.- A.________ hat hiergegen am 16. März 2001 beim Bun-
desgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereicht mit dem
Antrag, den angefochtenen Entscheid in dem Sinne teilweise
aufzuheben, als die Ausschaffungshaft nur "bis zum 27. Mai
2001 zu bestätigen und im Ausschaffungsgefängnis Sursee zu
vollziehen" sei. Eventuell sei die Sache insofern zur Neube-
urteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In verfahrens-
rechtlicher Hinsicht ersucht A.________ vor Bundesgericht um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

     C.- Das Amt für Migration und das Verwaltungsgericht
des Kantons Luzern beantragen, die Beschwerde abzuweisen;
allenfalls sei mit dem Urteil bis zum Entscheid der Schwei-
zerischen Asylrekurskommission über die Wiederherstellung

der aufschiebenden Wirkung gegen den Asyl- und Wegweisungs-
entscheid des Bundesamts für Flüchtlinge vom 16. März 2001
zuzuwarten.

        A.________ hat am 26. März 2001 an seinen Ausfüh-
rungen und Anträgen festgehalten. Das Bundesamt für Auslän-
derfragen liess sich nicht vernehmen.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das Amt für Migration des Kantons Luzern beantragt,
den Entscheid der Asylrekurskommission über das Gesuch um
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwarten.
Hierzu besteht kein Anlass: Gegenstand des bundesgerichtli-
chen Verfahrens wie jenes vor dem Haftrichter bildet aus-
schliesslich die Rechtmässigkeit des Haftentscheids, nicht
auch die Asyl- und Wegweisungsfrage (vgl. BGE 125 II 217
E. 2 S. 220). Eine Sistierung des bundesgerichtlichen Ver-
fahrens rechtfertigt sich deshalb nicht (vgl. Art. 6 Abs. 1
BZP in Verbindung mit Art. 40 OG).

     2.- a) Nach Art. 114 Abs. 1 OG darf das Bundesgericht
weder zugunsten noch zuungunsten der Parteien über deren Be-
gehren hinausgehen (vgl. BGE 119 Ib 348 E. 1b S. 352); im Üb-
rigen nimmt es eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde nur inso-
fern entgegen, als sich der Betroffene mit dem angefochtenen
Entscheid in sachbezogener Weise auseinander setzt (Art. 108
Abs. 2 OG; BGE 118 Ib 134 ff.). Der Beschwerdeführer macht
ausschliesslich geltend, der Haftrichter habe die Frist von
drei Monaten gemäss Art. 13b Abs. 2 des Bundesgesetzes vom
26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Auslän-
der (ANAG; SR 142.20) falsch berechnet; er verlangt nur in-

sofern eine Änderung des angefochtenen Entscheids. Damit
sind die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Anordnung
der Zwangsmassnahme, deren Vorliegen der Beschwerdeführer
nicht bestreitet und bei deren Beurteilung das Bundesgericht
in sachverhaltlicher Hinsicht im Übrigen, abgesehen von hier
nicht behaupteten offensichtlichen Fehlern, an die Feststel-
lungen der Vorinstanz gebunden wäre (Art. 105 Abs. 2 OG),
nicht weiter zu prüfen. Es kann deshalb dahingestellt blei-
ben, ob der Beschwerdeführer die Schweiz seit dem negativen
Asylentscheid vom 19. April 1999 tatsächlich verlassen hat,
womit die damalige Wegweisung vollzogen wäre, und diese des-
halb nicht mehr mit einer Ausschaffungshaft hätte sicherge-
stellt werden können, oder er nicht vielmehr, was der Haft-
richter und das Bundesamt für Flüchtlinge als eher wahr-
scheinlich bezeichnen, hier untergetaucht ist.

        b) aa) Nach Art. 13b Abs. 2 ANAG darf die Ausschaf-
fungshaft höchstens drei Monate dauern; stehen dem Vollzug
der Weg- oder Ausweisung besondere Hindernisse entgegen, so
kann sie mit Zustimmung der kantonalen richterlichen Behörde
um höchstens sechs Monate verlängert werden. Dabei beginnt
die Frist, was der Haftrichter vorliegend verkannt hat,
nicht erst von dem Moment an zu laufen, in dem der Ausländer
an die Fremdenpolizei überstellt wird oder diese formell die
Haft anordnet; entscheidend ist vielmehr - wie bei der Be-
rechnung der Frist von 96 Stunden, innert welcher die Haft
richterlich zu überprüfen ist -, ab wann der Betroffene tat-
sächlich aus ausländerrechtlichen Gründen festgehalten wird
(vgl. BGE 121 II 105 E. 2a; Praxis jüngst bestätigt im un-
veröffentlichten Urteil vom 6. März 2001 i.S. Diabi, E. 2;
Alain Wurzburger, La jurisprudence récente du Tribunal fédé-
ral en matière de police des étrangers, in: RDAF 53/1997 I
S. 337; Andreas Zünd, Die Rechtsprechung des Bundesgerichts
zu den Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: ZBJV 132/1996
S. 75 f.). Erfolgt die Anhaltung sowohl im Hinblick auf
fremdenpolizeiliche Massnahmen als auch im Zusammenhang mit

einer Strafverfolgung, ist in der Regel die Entlassung aus
der Untersuchungshaft massgebend (so unveröffentlichtes
Urteil vom 4. Oktober 1996 i.S. M., E. 1b; Zünd, a.a.O.,
S. 76).

        bb) Der Beschwerdeführer ist vorliegend am späteren
Nachmittag des 27. Februars 2001 durch die Kantonspolizei
Bern wegen seines gefälschten Reisepapiers auf dem Flugplatz
Bern-Belp angehalten worden (geplanter Abflug: 17.10 Uhr).
Nach den üblichen Identitätsabklärungen, welche im Rahmen
des Polizeiverhafts erfolgen konnten, stand tags darauf fest,
dass der Betroffene von Bern nach Luzern zwecks "Zuführung
an die Fremdenpolizei" zu transferieren sei (so der Trans-
portbefehl und -auftrag), wo er um 17.00 Uhr eintraf (Ab-
fahrt 13.15 Uhr). Damit war seine Haft aber spätestens seit
dem Mittag des 28. Februars 2001 ausländerrechtlich begrün-
det, weshalb die Frist von 96 Stunden und die Haftdauer von
drei Monaten ab diesem Zeitpunkt zu laufen begannen. Die
Haftprüfung erfolgte am 2. März 2001 und damit trotz der
falschen Fristberechnung innerhalb der gesetzlich vorge-
schriebenen 96 Stunden; hingegen hat das Verwaltungsgericht
die Dauer von drei Monaten - wie der Beschwerdeführer zu
Recht einwendet - bundesrechtswidrig erst ab der Haftanord-
nung am 1. März 2001 laufen lassen.

        cc) Fraglich erscheint noch, wie die Frist von drei
Monaten zu berechnen ist, d.h. ob sie bis zum 27. oder bis
zum 28. Mai 2001 läuft: Das Bundesgesetz über Aufenthalt und
Niederlassung der Ausländer enthält keine Definition darüber,
was im Rahmen der Zwangsmassnahmen unter einem Monat zu ver-
stehen ist. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, hier-
für auf Art. 110 Ziff. 6 StGB zurückzugreifen, wonach der Monat
und das Jahr jeweils "nach der Kalenderzeit" berechnet werden.
Eine einmonatige Haft läuft bei dieser Betrachtungsweise,
wenn die Haft am 28. Februar 2001 (gleichgültig um welche
Zeit) angetreten wird, am 27. März 2001 ab. Die Berechnung

gemäss Kalender hat damit zur Folge, dass die Gesamtdauer
von einem Monat möglicherweise nicht exakt 30 Tage oder al-
lenfalls ein Vielfaches davon beträgt (im Resultat bereits
so die in BGE 126 II 439 ff. unveröffentlichte E. 5a). Vor-
liegend wurde die für drei Monate bewilligte Haft am 28. Feb-
ruar 2001 angetreten; sie endet somit am 27. Mai 2001.

     3.- Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen
und Ziffer 1 des Dispositivs des angefochtenen Entscheids
entsprechend zu korrigieren. Gemäss dem Ausgang des Verfah-
rens sind keine Kosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG); der
Kanton Luzern hat den Beschwerdeführer für das bundesge-
richtliche Verfahren indessen angemessen zu entschädigen
(Art. 159 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wird damit gegenstandslos.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheis-
sen, und es wird Ziffer 1 des Entscheids des Verwaltungsge-
richts des Kantons Luzern vom 2. März 2001 dahin geändert,
dass die Haft bis zum 27. Mai 2001 genehmigt wird.

     2.- a) Es werden keine Kosten erhoben.

        b) Der Kanton Luzern hat den Beschwerdeführer für
das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu ent-
schädigen.

        c) Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wird für gegenstandslos erklärt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt
für Migration und dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern
(Verwaltungsrechtliche Abteilung) sowie dem Bundesamt für
Ausländerfragen bzw. dem Bundesamt für Flüchtlinge (für die
Asylakten) schriftlich mitgeteilt.
                       _____________

Lausanne, 29. März 2001

      Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: