I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.87/2001
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1P.87/2001/boh 1P.88/2001 1P.89/2001 I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 14. Juni 2001 Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes- richter Catenazzi, Bundesrichter Favre und Gerichtsschreiber Pfäffli. --------- In Sachen 1P.87/2001 Gemeinde V i s p, und 1P.88/2001 Stadtgemeinde B r i g - G l i s, und 1P.89/2001 Gemeinde N a t e r s, Beschwerdeführerinnen, gegen Staatsrat des Kantons W a l l i s, betreffend Gemeindeautonomie; Inkraftsetzung des Steuergesetzes, hat sich ergeben: A.- Art. 235 des Steuergesetzes des Kantons Wallis vom 10. März 1976 (StG) hat folgenden Wortlaut: "1. Die Bezahlung des Anfangsgehaltes und der Wohn- ortszulagen des Lehrpersonals der Primarschulen ist bis auf ein Maximum von 5 bis 10% der zum mittleren Steuerfuss aller Walliser Gemeinden berechneten Steuereinnahmen und zu 2% der besonderen Einkünfte zu Lasten der Gemeinden. 2. Der Ansatz wird vom Grossen Rat festgesetzt. 3. Die Beteiligung der Gemeinden am Gehalt des Lehrpersonals der Orientierungsschulen wird durch Grossratsdekret festgesetzt." Gemäss einem Dekret vom 13. November 1974 ist der Ansatz der kommunalen Beteiligung auf 10% festgesetzt wor- den. Dieses Dekret wurde durch Art. 235 StG nicht abgeän- dert. Am 27. Juni 2000 verabschiedete der Grosse Rat des Kantons Wallis eine Revision des Steuergesetzes. Dabei wurde der maximale Ansatz von Art. 235 Abs. 1 StG auf 8% redu- ziert. Gemäss Art. 243 Abs. 1 des revidierten Steuergesetzes setzt der Staatsrat den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes fest; anderslautende Bestimmungen bleiben vorbehal- ten. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2000 setzte der Staatsrat des Kantons Wallis das revidierte Steuergesetz vom 27. Juni 2000 auf den 1. Januar 2001 in Kraft. Davon blieb Art. 235 Abs. 1 StG ausgenommen, dessen Inkrafttreten auf einen späteren (nicht bezeichneten) Zeitpunkt verschoben wurde. B.- Die Gemeinden Visp, Brig-Glis und Naters führen gegen den Beschluss des Staatsrates des Kantons Wallis vom 13. Dezember 2000 mit separaten Eingaben vom 30. bzw. 31. Januar 2001 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 BV. Sie beantragen die Aufhebung des angefochte- nen Beschlusses, soweit Art. 235 Abs. 1 StG vom Inkrafttre- ten auf den 1. Januar 2001 ausgenommen wurde. C.- Der Staatsrat des Kantons Wallis stellt in seiner Vernehmlassung den Antrag, die Beschwerden seien abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Die drei gleichlautenden Beschwerden richten sich gegen denselben Beschluss. Es rechtfertigt sich deshalb, sie in einem Entscheid zu behandeln. 2.- a) Die Gemeindeautonomie ist nach Massgabe des kan- tonalen Rechts gewährleistet (Art. 50 Abs. 1 BV). Gemeinden können sich mit staatsrechtlicher Beschwerde gegen eine Ver- letzung ihrer durch das kantonale Recht gewährleisteten Autonomie oder Bestandesgarantie zur Wehr setzen (BGE 125 I 173 E. 1b S. 175). Ob der Gemeinde im betreffenden Bereich eine Autonomie zusteht, ist gemäss bundesgerichtlicher Pra- xis nicht eine Frage des Eintretens, sondern der materiellen Beurteilung (BGE 124 I 223 E. 1b S. 226 mit Hinweisen). Die Gemeinde kann neben der Verletzung ihrer Autonomie auch einen Verstoss gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) geltend machen, wenn diese Rüge mit jener der Verletzung der Gemein- deautonomie eng zusammenhängt (BGE 121 I 218 E. 2a S. 220; 116 Ia 221 E. 1c). Eine Gemeinde ist in einem Sachbereich autonom, wenn das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder teilweise der Gemeinde zur Re- gelung überlässt und ihr dabei eine relativ erhebliche Ent- scheidungsfreiheit einräumt (BGE 126 I 133 E. 2 mit Hinwei- sen). Ob und inwieweit eine Gemeinde in einem bestimmten Be- reich autonom ist, richtet sich nach dem kantonalen Verfas- sungs- und Gesetzesrecht; teilweise werden auch ungeschrie- bene und historisch gewachsene Autonomiebereiche anerkannt (BGE 122 I 279 E. 8b S. 290; 116 Ia 285 E. 3a). Ist eine Gemeinde in einem Sachbereich autonom, kann sie sich mit staatsrechtlicher Beschwerde insbesondere dagegen wehren, dass eine kantonale Behörde die den betreffenden Sachbereich ordnenden kommunalen, kantonalen oder bundesrechtlichen Vor- schriften falsch anwendet (BGE 126 I 133 E. 2; 122 I 279 E. 8c S. 291). b) Die Beschwerdeführerinnen beanstanden, dass der Staatsrat Art. 235 Abs. 1 StG nicht auf den 1. Januar 2001 in Kraft gesetzt habe. Mit dem willkürlichen Inkraftset- zungsbeschluss werde ihnen die in der Revision des Steuer- gesetzes vorgesehene Reduzierung der maximalen Beteiligung von 10% auf 8% am Gehalt des Lehrpersonals vorenthalten. Sinngemäss machen sie in diesem Zusammenhang eine Verletzung ihrer Autonomie geltend. Gemäss Art. 70 der Verfassung des Kantons Wallis üben die Gemeinden ihre Tätigkeit so aus, dass sie mit dem Gemeinwohl und dem Interesse der übrigen Gemeinwesen verein- bar ist (Abs. 1 ); sie führen ihre eigenen sowie die ihnen durch Gesetz übertragenen Aufgaben aus (Abs. 2); das Gemein- vermögen muss zweckmässig verwendet und sorgfältig verwaltet werden (Abs. 3). Das kantonale Recht unterscheidet zwischen der ursprünglichen Kompetenz der Gemeinden und der ihnen übertragenen Zuständigkeit (vgl. auch Art. 2 des Gesetzes über die Gemeindeordnung des Kantons Wallis vom 13. November 1980; GGO). Art. 6 GGO, welcher die Befugnisse der Gemeinden bestimmt, nennt u.a. die Verwaltung der Gemeindefinanzen (lit. a) und den Unterricht im Kindergarten sowie in den Primar- und Orientierungsschulen (lit. h). Das kantonale Recht verleiht den Gemeinden somit keine Kompetenz zur Fest- setzung ihrer Beteiligung an den Lohnkosten im Unterrichts- wesen. Ganz im Gegenteil, Art. 235 StG weist dem Grossen Rat ausdrücklich die Kompetenz zu, mittels Dekret die Höhe der Beteiligung der Gemeinden festzusetzen. Ohne Zweifel erlei- den die Gemeinden aufgrund des angefochtenen Beschlusses eine finanzielle Einbusse, indem ihnen - zumindest einstwei- len - erhoffte Einsparungen entgehen. Obwohl der Kindergar- ten-, Primarschul- und Orientierungsschulunterricht gemäss Art. 6 lit. h GGO in die Kompetenz der Gemeinden fällt, kön- nen die Beschwerdeführerinnen nicht behaupten, ihnen komme im Bereich der Finanzierung der Lehrerbesoldung irgendwelche Autonomie zu. Im Übrigen sind die Beschwerdeführerinnen nicht imstande, eine kantonale Bestimmung zu nennen, welche ihnen einen gewissen Spielraum einräumen würde, die Kosten- anteilsregelung gemäss Art. 235 StG einseitig abzuändern. Ausserdem könnten die Beschwerdeführerinnen nicht ernsthaft behaupten, die ihnen aus der verschobenen Inkraftsetzung von Art. 235 Abs. 1 StG erwachsenden Mehrausgaben würden ihre Autonomie gefährden. Die Bestimmung, welche sie anfechten, berührt vielmehr den Bereich der Staatsfinanzen, wo den Ge- meinden grundsätzlich keine Autonomie zukommt (vgl. dazu nicht veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts i.S. Ge- meinde Begnins vom 30. März 1998 und Gemeinde Moutier vom 28. Dezember 1998). Die Beschwerdeführerinnen können sich demnach im vorliegenden Fall nicht auf ihre Autonomie berufen, womit sämtliche weitere Rügen entfallen. Die staatsrechtliche Be- schwerde ist somit abzuweisen. 3.- Ausnahmsweise kann von der Erhebung von Verfahrens- kosten abgesehen werden. Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die Verfahren 1P.87/2001, 1P.88/2001 und 1P.89/2001 werden vereinigt. 2.- Die staatsrechtlichen Beschwerden werden abgewie- sen. 3.- Es werden keine Kosten erhoben. 4.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen und dem Staatsrat des Kantons Wallis schriftlich mitgeteilt. ______________ Lausanne, 14. Juni 2001 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: