Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.758/2001
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1P.758/2001/ger

Urteil vom 11. Dezember 2001

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Féraud, Favre,
Gerichtsschreiberin Gerber.

X.________, Gesuchsteller,

gegen

Gemeinderat von Zürich, Bürgerliche Abteilung, Stadthausquai 17, Postfach,
8022 Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich, Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich Amtsstellen
Kt ZH.

Revision des bundesgerichtlichen Urteils vom 15. Oktober 2001 (1P.530/2001)

(Revisionsgesuch gegen den Entscheid des Regierungsrats des Kantons Zürich
vom 27. Juni 2001)

Sachverhalt:

A.
Am 16. August 2001 erhob X.________ staatsrechtliche Beschwerde gegen den
Beschluss des Regierungsrats des Kantons Zürich vom 27. Juni 2001, mit dem
sein Antrag auf Wiederholung der Abstimmung des Gesamtgemeinderates Zürich
über sein Einbürgerungsgesuch abgewiesen worden war.

B.
Das Bundesgericht schickte X.________ am 24. September 2001 die
Vernehmlassungen des Gemeinderats von Zürich, Bürgerliche Abteilung, und der
Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich zur Kenntnisnahme. Am
15. Oktober 2001 wies das Bundesgericht die staatsrechtliche Beschwerde ab,
soweit es darauf eintrat. Das Urteil wurde X.________ am 1. November 2001
zugestellt.

C.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2001 (eingegangen am 29. Oktober) beantragte
X.________  die Bewilligung eines zweiten Schriftenwechsels. Dieser Antrag
konnte nicht mehr berücksichtigt werden, da das Urteil bereits ergangen war.

D.
Daraufhin stellte X.________ am 3. Dezember 2001 ein Revisionsgesuch mit dem
Antrag, das  bundesgerichtliche Urteil vom 15. Oktober 2001 sei aufzuheben
und es sei, in Gutheissung seiner staatsrechtliche Beschwerde vom 16. August
2001, der Beschluss des Regierungsrates vom 27. Juni 2001 aufzuheben, um eine
neue Abstimmung des Gemeinderates über seine Einbürgerung zu ermöglichen.
Überdies beantragt er, ihm sei die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren
und ein Rechtsanwalt beizugeben.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Gesuchsteller verlangt die Revision des bundesgerichtlichen Entscheids
vom 15. Oktober 2001 gestützt auf die in Art. 136 lit. c und d sowie Art. 137
lit. b OG genannten Revisionsgründe. Das Revisionsgesuch wurde binnen 30
Tagen nach Eingang der schriftlichen Ausfertigung des Entscheides und damit
rechtzeitig eingereicht (Art. 141 Abs. 1 lit. a OG). Damit sind die formellen
Anforderungen an die Zulässigkeit eines Revisionsgesuchs erfüllt. Ob
tatsächlich ein Revisionsgrund vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit des
Gesuchs (in BGE 118 Ia 366 nicht veröffentlichte E. 1). Auf das
Revisionsgesuch ist daher grundsätzlich einzutreten (vgl. allerdings unten,
E. 4.2 zur Unzulässigkeit des Revisionsgrunds gemäss Art. 137 lit. b OG).

2.
Der Gesuchsteller macht zunächst geltend, das Bundesgericht hätte am 15.
Oktober 2001 nicht entscheiden dürfen, da zu diesem Zeitpunkt die 30-tägige
Frist zur Stellungnahme zu den Vernehmlassungen der kantonalen Instanzen noch
nicht abgelaufen gewesen sei. Dabei verkennt der Gesuchsteller zum einen,
dass ihm die Stellungnahmen lediglich zur Kenntnisnahme zugestellt und ihm
keine Frist zur Stellungnahme eingeräumt worden war; zum anderen stellt die
Nichtgewährung eines zweiten Schriftenwechsels keinen Revisionsgrund i.S.v.
Art. 136 f. OG dar.
3.Der Gesuchsteller wirft dem Bundesgericht vor, verschiedene Umstände und
Rechtsgrundsätze übersehen zu haben.

3.1
Art. 136 lit. c OG lässt die Revision zu, wenn das Bundesgericht einzelne
Anträge nicht beurteilt hat. In seiner staatsrechtlichen Beschwerde vom 16.
August 2001 hatte der Gesuchsteller beantragt, der Beschluss des
Regierungsrates vom 27. Juni 2001 sei aufzuheben, um eine neue Abstimmung des
Gemeinderates über seine Einbürgerung zu ermöglichen. Das Bundesgericht hielt
diesen Antrag für unbegründet und wies die staatsrechtliche Beschwerde
deshalb ab. Damit hat es über sämtliche Anträge des Gesuchstellers
entschieden. Ein Revisionsgrund i.S.v. Art. 136 lit. c OG liegt somit nicht
vor.

3.2
Art. 136 lit. d OG lässt die Revision zu, wenn das Bundesgericht in den Akten
liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Fehler
bei der Rechtsanwendung stellen somit keinen Revisionsgrund dar. Zudem muss
ein Versehen vorliegen; daran fehlt es, wenn das Bundesgericht von der
Berücksichtigung einer Tatsache bewusst abgesehen hat, weil es diese als
unerheblich erachtete (Elisabeth Escher, in: Thomas Geiser/Peter Münch
(Hrsg.), Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Auflage, Rz 8.16).

Im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht die vom Gesuchsteller genannten
Tatsachen, insbesondere sein Schreiben vom 1. Mai 2000, das
Bestätigungsschreiben der Kanzlei des Gemeinderates vom 2. Mai 2000 und die
Tatsache, dass das Schreiben des Gesuchstellers nicht an die einzelnen
Gemeinderäte weitergeleitet worden ist, durchaus berücksichtigt. Es ist
lediglich zu einer anderen rechtlichen Bewertung gekommen als der
Gesuchsteller und hat eine Verletzung des rechtlichen Gehörs verneint.
Gleiches gilt für die den Gemeinderäten zugestellte Weisung des Stadtrates:
Diese wurde im angefochtenen Entscheid berücksichtigt, und zwar mit ihrem
tatsächlichen Wortlaut.

Der Gesuchsteller rügt ferner, das Bundesgericht habe übersehen, dass sein
Schreiben vom 1. Mai 2000 nicht einmal dem Büro des Gemeinderates vorgelegt
worden sei, entgegen der Ankündigung des Vorstehers der Gemeindekanzlei vom
2. Mai 2000. Diesem Umstand mass jedoch das Bundesgericht in seinem Entscheid
vom 15. Oktober 2001 keine Bedeutung zu. Der Gesuchsteller hatte nämlich in
seiner staatsrechtlichen Beschwerde nicht die unterbliebene Behandlung im
Büro des Gemeinderates gerügt, sondern geltend gemacht, sein Schreiben hätte
allen 123 stimmberechtigten Gemeinderäten persönlich zugestellt werden
müssen. Insofern liegt kein "Versehen" i.S.v. Art. 136 lit. d OG vor.

4.
Der Gesuchsteller beruft sich weiter auf Art. 137 lit. b OG. Diese Bestimmung
erlaubt die Geltendmachung von sogenannten unechten Noven, d.h. von Tatsachen
und Beweismitteln, die im Zeitpunkt der Urteilsfällung zwar vorlagen, dem
Gesuchsteller aber damals nicht bekannt waren (Escher, a.a.O. Rz 8.21;
Jean-François Poudret/Suzette Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale
d'organisation judiciaire, vol. V, Bern 1992, Art. 137 N. 2.2. und 2.3. S. 26
ff.).
4.1
Der Gesuchsteller macht geltend, er habe mit mehreren Gemeinderäten
verschiedener Fraktionen über seinen Fall gesprochen, darunter auch der
ehemaligen Vizepräsidentin der Bürgerrechtskommission. Alle hätten das
Vorgehen der Kanzlei, das Schreiben eines Bürgerrechtsbewerbers in der Woche
vor der Abstimmung stillschweigend seinem Einbürgerungsdossier hinzuzufügen,
als Verstoss gegen die bestehenden Regeln betrachtet, wonach derartige
Schreiben gebührend zu bearbeiten seien, ansonsten die Abstimmung verschoben
werden müsse.

Es erscheint bereits fraglich, ob derartige unbelegte Äusserungen von
einzelnen Gemeinderäten überhaupt Beweismittel zum Nachweis erheblicher
Tatsachen darstellen. Allenfalls könnte man aus den Aussagen der Gemeinderäte
auf eine entsprechende Praxis in Einbürgerungssachen schliessen, die u.U. bei
der Auslegung der Bestimmungen des Gemeindegesetzes und der Geschäftsordnung
des Gemeinderats für den Geschäftsgang im Grossen Gemeinderat zu
berücksichtigen wäre. Die Frage kann jedoch offen bleiben, weil sich das
Revisionsgesuch  ohnehin als unzulässig bzw. als unbegründet erweist.

4.2
Der Revisionsgrund der neuen Tatsachen bzw. Beweismittel ist gegen Entscheide
über ausserordentliche Rechtsmittel, wie z.B. die staatsrechtliche
Beschwerde, nur begrenzt zulässig: Im Verfahren der staatsrechtlichen
Beschwerde sind neue Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich unzulässig;
hinzu kommt, dass das die staatsrechtliche Beschwerde abweisende Urteil des
Bundesgerichts den angefochtenen kantonalen Entscheid nicht ersetzt. Das auf
neue Tatsachen und Beweismittel gestützte Revisionsgesuch ist deshalb
grundsätzlich bei der letzten kantonalen Instanz zu stellen, die in der Sache
selbst entschieden hat (BGE 118 Ia 366 E. 2 S. 367 f.). Gegen den
bundesgerichtlichen Entscheid ist ein solches Revisionsgesuch nur
ausnahmsweise zulässig, z.B. wenn es um für die Eintretensfrage erhebliche
neue Tatsachen geht, die das Bundesgericht frei prüft (BGE 121 IV 317 E. 2 S.
322) oder ein Fall vorliegt, in dem Noven zugelassen werden
(Poudret/Sandoz-Monod,  Art. 137 N. 2.1. S. 25 f.). Eine derartige Ausnahme
liegt hier nicht vor.

4.3
Schliesslich ist auch nicht ersichtlich und wird vom Gesuchsteller  nicht
dargelegt, weshalb er die Beweismittel  nicht schon im früheren Verfahren
beibringen konnte. Der Regierungsrat hatte in seinem Beschwerdeentscheid
ausführlich dargelegt, dass die Vorbereitung des Gemeinderatsbeschlusses über
das Einbürgerungsgesuch des Gesuchstellers den geltenden Grundsätzen über den
Geschäftsgang im Grossen Gemeinderat entsprochen habe. Der Gesuchsteller
hätte somit Anlass gehabt, sich schon in seiner staatsrechtlichen Beschwerde
mit diesen Ausführungen auseinander zu setzen und hierzu Informationen
einzuholen.

5.
Schliesslich verlangt der Gesuchsteller sinngemäss auch eine Revision des
Kostenentscheids des Urteils vom 15. Oktober 2001. Er bringt aber
diesbezüglich keinen Revisionsgrund vor. In seiner staatsrechtlichen
Beschwerde hatte der Gesuchsteller keinen Antrag auf Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege gestellt, sondern hatte den Kostenvorschuss
gezahlt.

6.
Nach dem Gesagten erweist sich das Revisionsgesuch als offensichtlich
unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Da das
Rechtsbegehren des Gesuchstellers aussichtslos war, ist ihm weder die
unentgeltliche Prozessführung noch die unentgeltliche Verbeiständung zu
gewähren (Art. 152 Abs. 1 und 2 OG). Dagegen kann seine schwierige
finanzielle Lage bei der Bemessung der Gerichtsgebühr berücksichtigt werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht :

1.
Das Revisionsgesuch wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung wird
abgewiesen.

3.
Dem Gesuchsteller wird eine Gerichtsgebühr von Fr. 200.-- auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Gesuchsteller, dem Gemeinderat von Zürich, Bürgerliche
Abteilung, und dem Regierungsrat des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Dezember 2001

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: