Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.69/2001
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001


1P.69/2001/mks
1P.205/2001

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                       28. Juni 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung,
Bundesrichter Nay, Aeschlimann, Féraud, Favre und
Gerichtsschreiber Steinmann.

                         ---------

                         In Sachen

- P a r t e i  d e r  A r b e i t  B a s e l, Postfach 275,
  Basel,
- Hansjörg  H o f e r, Lothringerstrasse 23, Basel,
- Benjamin  D e g e n, Hammerstrasse 184, Basel,
- Stefan  H o f e r, Freie Strasse 15, Basel,
- Franziska  G e n i t s c h, Föhrenstrasse 7, Basel,
Beschwerdeführer,

                           gegen

Regierungsrat des Kantons  B a s e l - S t a d t,
Grosser Rat des Kantons  B a s e l - S t a d t,
beide vertreten durch das Justizdepartement, Rechts-
abteilung,

                         betreffend
               Art. 34 BV, Art. 85 lit. a OG;
           Grossratswahlen vom 22. Oktober 2000,

hat sich ergeben:

     A.- Am 20., 21. und 22. Oktober 2000 fand im Kanton
Basel-Stadt die Erneuerungswahl für den Grossen Rat statt.
Die Wahl für die 130 Mitglieder erfolgte nach dem System der
Verhältniswahl. Gewählt wurde in fünf Wahlkreisen; in den
vier Wahlkreisen Grossbasel-Ost, Grossbasel-West, Kleinbasel
und Riehen waren mehrere Grossratsmitglieder, im Wahlkreis
Bettingen nur ein Mitglied zu wählen.

        An der Grossratswahl beteiligte sich unter anderem
mit der Liste 2 die Partei der Arbeit (PdA); sie stellte in
den Wahlkreisen Grossbasel-West, Kleinbasel und Bettingen
Kandidaten zur Wahl.

        Die Staatskanzlei veröffentlichte die Ergebnisse
der Wahl im Kantonsblatt vom 28. Oktober und 4. November
2000 aufgrund der Protokolle des Zentralwahlbüros. Danach
werden neun Listen, die wenigstens in einem der vier Wahl-
kreise Grossbasel-Ost, Grossbasel-West, Kleinbasel und
Riehen das Quorum von 5% der Stimmen erreicht haben, zur
Sitzverteilung zugelassen; fünf Listen, die in keinem der
genannten vier Wahlkreise das Quorum erreicht haben, wurden
von der Sitzverteilung ausgeschlossen. Zu den von der Sitz-
verteilung ausgeschlossenen Listen zählte u.a. die Liste 2
der Partei der Arbeit. Gestützt auf diese Resultate erfolgte
die Verteilung der Sitze auf die einzelnen Listen und die
Bestimmung der für den Grossen Rat gewählten Mitglieder ohne
Berücksichtigung der Liste 2 der Partei der Arbeit.

     B.- Gegen die veröffentlichten Wahlergebnisse erhoben
die Partei der Arbeit sowie Hansjörg Hofer, Benjamin Degen,

Stefan Hofer und Franziska Genitsch beim Regierungsrat des
Kantons Basel-Stadt Beschwerde. Die Beschwerde richtete sich
gegen die Nicht-Zulassung der Liste 2 zur Sitzverteilung;
die Beschwerdeführenden beantragten, es sei die Liste 2 zur
Sitzverteilung zuzulassen und der Partei der Arbeit sei ent-
sprechend den Wahlergebnissen in den Wahlkreisen Grossbasel-
West und Kleinbasel je ein Mandat zuzuteilen. Zur Begründung
wurde angeführt, dass die Liste 2 im Wahlkreis Bettingen mit
11,75% der Listenstimmen das Quorum tatsächlich erreicht
habe und daher nach der Wahlordnung des Wahlgesetzes auch
in anderen Wahlkreisen zur Sitzverteilung zugelassen werden
müsse.

         Der Regierungsrat wies diese gegen den Ausschluss
der Liste 2 gerichtete Beschwerde am 12. Dezember 2000 ab
und erklärte die Wahlergebnisse, wie sie im Kantonsblatt vom
28. Oktober und 4. November 2000 publiziert worden waren,
als verbindlich. Er wies auf die Gründe der Einführung des
Quorums im Kanton sowie auf Sinn und Ausgestaltung dieses
Quorums hin. Danach soll das Erreichen des Quorums in einem
einzigen Wahlkreis für die Zulassung zur Sitzverteilung im
ganzen Kanton genügen. Diese Regelung komme indessen in
Bezug auf den Einerwahlkreis Bettingen nicht zum Zuge. Er
schloss daher die Liste 2 trotz des Umstandes von der Sitz-
verteilung aus, dass diese im Wahlkreis Bettingen mit ihrem
Kandidaten einen über dem Quorum liegenden Stimmenanteil er-
hielt.

     C.- Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates reich-
ten die Partei der Arbeit sowie Hansjörg Hofer, Benjamin
Degen, Stefan Hofer und Franziska Genitsch bei der Wahlprü-
fungskommission des Grossen Rates Beschwerde ein. Diese kam
zum Schluss, dass es an den Voraussetzungen für eine solche
Beschwerde fehle und darauf nicht eingetreten werden könne.

In einer materiellen Eventualbegründung äusserte die Wahl-
prüfungskommission die Meinung, das Erreichen des Quorums
der Liste 2 allein im Einerwahlkreis Bettingen genüge nicht,
um zur Sitzverteilung in andern Wahlkreisen zugelassen zu
werden.

        Mit Beschluss vom 14. Februar 2001 trat der Grosse
Rat des Kantons Basel-Stadt auf die Beschwerde nicht ein
(Ziff. 1 des Dispositivs). Gleichzeitig validierte er die
Ergebnisse der Wahl der 130 Mitglieder des Grossen Rates,
wie sie im Kantonsblatt vom 28. Oktober und 4. November 2000
publiziert worden waren (Ziff. 2 des Dispositivs).

     D.- Die Partei der Arbeit sowie Hansjörg Hofer, Benja-
min Degen, Stefan Hofer und Franziska Genitsch haben vorerst
den Entscheid des Regierungsrates am 30. Januar 2001 mit
staatsrechtlicher Beschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG
beim Bundesgericht angefochten (Verfahren 1P.69/2001). Sie
rügen eine Verletzung von Art. 34 BV und verlangen, den Ent-
scheid des Regierungsrates aufzuheben und das Endergebnis
der Grossratswahlen zu berichtigen. Die Beschwerdeführenden
machen im Wesentlichen geltend, gestützt auf die Ergebnisse
im Wahlkreis Bettingen seien sie auch in andern Wahlkreisen
zur Sitzverteilung zuzulassen.

        Sodann haben dieselben Beschwerdeführenden den
Entscheid des Grossen Rates am 16. März 2001 mit Stimm-
rechtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten (Verfahren
1P.205/2001). Sie beantragen, es seien der Nichteintretens-
beschluss sowie die Validierung der Wahlen aufzuheben und
das Endergebnis der Grossratswahlen zu berichtigen. Sie
rügen einerseits, dass der Grosse Rat auf ihre Beschwerde
nicht eingetreten ist. Andererseits setzen sie sich mit der
materiellen Eventualerwägung, wie sie im Bericht der Wahl-

prüfungskommission enthalten war, auseinander und rügen auch
in dieser Hinsicht eine Verletzung von Art. 34 BV.

        Das Justizdepartement des Kantons Basel-Stadt hat
im Verfahren 1P.69/2001 dem Bundesgericht am 2. März 2001
eine Vernehmlassung eingereicht und die Abweisung der Stimm-
rechtsbeschwerde beantragt. Am 11. Mai 2001 hat das Justiz-
departement zur Beschwerde im Verfahren 1P.205/2001 Stellung
genommen und ebenfalls die Abweisung beantragt.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die beschwerdeführenden Privatpersonen sind, soweit
ersichtlich, Stimmbürger im Kanton Basel-Stadt und daher zur
Stimmrechtsbeschwerde berechtigt. Dasselbe gilt für die Be-
schwerdeführerin 1; als Partei, die mit einer eigenen Liste
an der Grossratswahl teilgenommen hat, ist sie zur Stimm-
rechtsbeschwerde befugt (BGE 118 Ia 184 E. 1b S. 188).

         Die Stimmrechtsbeschwerde nach Art. 85 lit. a OG
ist ebenso wie die staatsrechtliche Beschwerde gemäss
Art. 84 Abs. 1 OG grundsätzlich rein kassatorischer Natur
(BGE 118 Ia 184 E. 1d S. 188). Entgegen der Ansicht der
Beschwerdeführenden bedürfte es im vorliegenden Fall bei
Gutheissung der Beschwerde keiner positiven Anordnung; die
Aufhebung des angefochtenen Entscheides und der Validierung
der Wahlergebnisse würde ausreichen, um den verfassungsmäs-
sigen Zustand herzustellen. Die kantonalen Behörden hätten
einen neuen Entscheid zu treffen und dabei den bundesge-
richtlichen Erwägungen Rechnung zu tragen. Insofern kann auf
die über die Aufhebung der angefochtenen Entscheide hinaus-
gehenden Anträge nicht eingetreten werden.

     2.- a) Der Grosse Rat ist, dem Antrag seiner Wahlprü-
fungskommission folgend, auf die kantonalrechtliche Be-
schwerde der Beschwerdeführenden mangels Zuständigkeit nicht
eingetreten. Die Wahlprüfungskommission hatte in ihrem Be-
richt ausgeführt, die Beschwerde gemäss § 84 des Gesetzes
über Wahlen und Abstimmungen (Wahlgesetz, WG; kantonale Ge-
setzessammlung 132.100) sei nur gegen Entscheide des Regie-
rungsrates gemäss § 83 Abs. 2 WG zulässig, in denen der
Regierungsrat eine Wahl oder Abstimmung wegen Unregelmässig-
keiten tatsächlich aufhebt. Es sei in Anbetracht der Formu-
lierung des Gesetzes indessen unklar, ob eine Beschwerde
an die Wahlprüfungskommission auch zulässig sei, wenn der
Regierungsrat die Aufhebung einer Wahl oder Abstimmung ab-
lehnt. Dies könne jedoch offen bleiben. In der Angelegenheit
der Beschwerdeführenden gehe es nicht um diese Frage. Diese
verlangten lediglich die Behebung eines Fehlers bei der Aus-
wertung der Wahlresultate, die ohne Ansetzung eines neuen
Wahlganges möglich sei. Gleichzeitig hatte die Wahlprüfungs-
kommission aufgrund eingehender Erwägungen die Beschwerde
auch materiell als unbegründet erachtet. Gestützt darauf und
aufgrund einer allgemeinen Prüfung des Wahlgangs beantragte
sie dem Grossen Rat zudem die Validierung der Wahlen. Der
Grosse Rat folgte der Wahlprüfungskommission auch in diesem
Punkte.

        b) Die Beschwerdeführenden fechten in ihrer zweiten
Beschwerde sowohl den Nichteintretensentscheid als auch den
materiellen Entscheid des Grossen Rates an. In ihrer ersten
Beschwerde haben sie bereits unmittelbar gegen den Beschwer-
deentscheid des Regierungsrates beim Bundesgericht Stimm-
rechtsbeschwerde eingelegt. In materieller Hinsicht erweisen
sich ihre beiden Beschwerden als unbegründet, wie im Folgen-
den darzulegen ist. Es kann daher offen bleiben, ob der
Grosse Rat mit seinem Nichteintretensentscheid gegen die
Bundesverfassung verstiess oder ob er auf die bei ihm einge-

reichte kantonale Beschwerde hätte eintreten müssen, mit der
Folge, dass dann die Stimmrechtsbeschwerde gegen den Regie-
rungsratsentscheid nicht zulässig wäre (Art. 86 Abs. 1 OG).

        Die Wahlprüfungskommission liess selber offen, ob
die Beschwerde nach § 84 WG nur gegeben ist, wenn der Regie-
rungsrat eine Wahl oder Abstimmung aufhebt, oder ob die Be-
schwerde auch zulässig ist, wenn dieser dies ablehnt; sie
schliesst dann aber Beschwerden aus Gründen, die keine Wie-
derholung einer Wahl zur Folge haben, aus. Dies überzeugt
nicht ohne weiteres. Die Rechtsauffassung erweckt Bedenken,
weil der Grosse Rat die angefochtene Wahl validierte, obwohl
eine Stimmrechtsbeschwerde gegen den Beschwerdeentscheid des
Regierungsrates beim Bundesgericht eingereicht wurde. Die
Beschwerdeführenden konnten unter diesen Umständen den Vali-
dierungsentscheid des Grossen Rates nicht ohne weiteres un-
angefochten lassen; eine blosse Aufhebung des Entscheides
des Regierungsrates infolge Gutheissung ihrer staatsrecht-
lichen Beschwerde hätte den Validierungsentscheid des Gros-
sen Rates bestehen lassen und ihnen nicht unmittelbar weiter
geholfen; ob im bundesgerichtlichen Verfahren zusätzlich
auch der Validierungsentscheid des Grossen Rates hätte auf-
gehoben werden können, ist sehr fraglich. Die Frage des
kantonalen Instanzenzuges und der Anwendung von § 84 Wahl-
gesetz kann jedoch, wie angeführt, offen gelassen werden.

     3.- Die Beschwerdeführenden erheben Stimmrechtsbe-
schwerde nach Art. 85 lit. a OG und machen eine Verletzung
der politischen Rechte geltend. Die Verletzung erblicken sie
im Umstand, dass die Liste 2 der Partei der Arbeit in Anbe-
tracht der vom Wahlgesetz vorgesehenen Quorumsregelung von
der Sitzverteilung in den Wahlkreisen Grossbasel-West und
Kleinbasel, in der sie 2,1% bzw. 2,9% Listenstimmen erhielt,
ausgeschlossen worden ist.

        a) Art. 34 Abs. 1 BV gewährleistet die politischen
Rechte in genereller und abstrakter Weise und unterstreicht
mit dieser Garantie die demokratische Grundordnung der
Schweiz. Diese neu in die Bundesverfassung aufgenommene
Bestimmung bezieht sich sowohl auf die Ebene des Bundes als
auch auf diejenige der Kantone (und der Gemeinden). Sie
umfasst sämtliche politischen Rechte wie etwa diejenigen
über Abstimmungen und Wahlen sowie Referenden und Initia-
tiven. Art. 34 Abs. 1 BV umschreibt indessen nicht im Ein-
zelnen den Inhalt der politischen Rechte. Dieser ergibt sich
vielmehr aus dem für das entsprechende Gemeinwesen geltenden
Verfassungs- und Gesetzesrecht. Für die Bundesebene sind
dies etwa die Bundesverfassungsbestimmungen über Initiative
und Referendum (Art. 138 ff. BV) und die Wahl von National-
und Ständerat (Art. 143 ff. und Art. 149 f. BV) sowie das
Bundesgesetz über die politischen Rechte (SR 161.1). In den
Kantonen ergibt sich der Inhalt der politischen Rechte nach
Massgabe von Art. 51 Abs. 1 BV aus den Kantonsverfassungen
sowie den entsprechenden Gesetzen. Für den Kanton Basel-
Stadt sind im Hinblick auf das vorliegende Verfahren § 25
ff. KV/BS über die politischen Rechte der Staatsbürger, § 31
ff. KV/BS über die Wahl des Grossen Rates und das Wahlgesetz
massgebend.

        Im Folgenden ist anhand dieser kantonalrechtlichen
Grundlagen zu prüfen, ob der Ausschluss der Liste 2 von der
Sitzverteilung verfassungsrechtlich haltbar ist. Gemäss
ständiger Rechtsprechung wird dabei nicht nur die Auslegung
von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei ge-
prüft, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschrif-
ten, welche den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normieren
oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen. In ausgespro-
chenen Zweifelsfällen schliesst sich das Bundesgericht der
vom obersten Organ vertretenen Auffassung an; als solche
anerkennt es Volk und Parlament (BGE 123 I 175 E. 2d/aa, mit
Hinweisen).

        b) Nach § 31 KV/BS werden die Mitglieder des Gros-
sen Rates nach dem Verhältnis ihrer Bevölkerung gewählt; die
Gesetzgebung bestimmt das Nähere über die Wahlart. Das Wahl-
gesetz schreibt in § 30 und § 42 Abs. 3 für die Wahl des
Grossen Rates das Proporzwahlverfahren vor. Für die Wahl ist
der Kanton in die fünf Wahlkreise Grossbasel-Ost, Gross-
basel-West, Kleinbasel, Riehen und Bettingen eingeteilt
(§ 42 Abs. 1 WG). Jeder Wahlkreis hat Anspruch auf mindes-
tens einen Sitz (§ 42 Abs. 4 WG). Im Einzelnen sind im Hin-
blick auf den vorliegenden Fall die folgenden Bestimmungen
des Wahlgesetzes von Bedeutung:

         V.  WAHLKREISE MIT MEHREREN SITZEN

         § 50 - Zuteilung der Sitze

         Die Verteilung der Sitze auf die einzelnen Listen
         erfolgt im Verhältnis der Stimmenzahlen, die jede
         Liste erhalten hat.

         § 51 - Quorum

         Listen, die das Quorum von 5% der Stimmen in keinem
         Wahlkreis erreicht haben, sind von der Sitzvertei-
         lung ausgeschlossen.

         § 55 - Zuteilung der Sitze an Listenverbindungen

         1Verbundene Listen gelten bei der Verteilung der
         Sitze unter Vorbehalt von Abs. 2 als eine Liste.

         2Einzellisten, die das Quorum von 5% der Stimmen in
         keinem Wahlkreis erreicht haben, scheiden aus der
         Listenverbindung aus und sind von der Sitzvertei-
         lung ausgeschlossen.

         ...

         § 56 - Ermittlung der Gewählten

         1Für die auf jede Liste entfallenen Sitze sind die
         Kandidatinnen und Kandidaten gewählt, welche die
         meisten Stimmen erhalten haben.

         ...

         VI.  EINERWAHLKREIS

         § 58 - Verfahren

         1Ist in einem Wahlkreis nur ein Mitglied in den
         Grossen Rat zu wählen, so kann für jede gültig
         vorgeschlagene Person gestimmt werden.

         2Gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält.

         ...

        c) Der Kanton Basel-Stadt hat erst in jüngster Ver-
gangenheit für die Grossratswahl eine Quorumsregel ins Wahl-
gesetz aufgenommen. Im Jahre 1989 verlangte eine unformu-
lierte Initiative die Einführung einer 5%-Sperrklausel. Der
Regierungsrat leitete dem Grossen Rat dazu einen Bericht zu
(Ratschlag N° 8165 vom 19. Dezember 1989). Die Grossratskom-
mission erstattete darauf einen Zwischenbericht und warf
insbesondere die Frage auf, ob das Nichterreichen der Sperr-
klausel in einem der Wahlkreise den Ausschluss von der Sitz-
verteilung lediglich in diesem Wahlkreis oder den Ausschluss
im ganzen Kantonsgebiet zur Folge haben soll. Sie beantragte
einen ausformulierten Gegenvorschlag mit einer 3%-Sperrklau-
sel (N° 8333 vom 20. Februar 1992). In der Volksabstimmung
vom 25. April 1993 haben sich die Stimmberechtigten für die
unformulierte Initiative mit der 5%-Sperrklausel entschie-
den. Darauf erarbeitete der Regierungsrat einen Zusatzbe-
richt, der über einen Entwurf zu einem 5%-Quorum zusätzlich
eine Totalrevision des Wahlgesetzes enthielt (Zusatzbericht
N° 8480 vom 26. Oktober 1993). Im Grossen Rat setzte sich
schliesslich - entgegen dem Regierungsrat und der Gross-
ratskommission - die Meinung durch, die Sperrklausel sei
nicht in dem Sinne wahlkreisbezogen zu ordnen, dass eine
Liste nur in jenen Wahlkreisen zur Sitzverteilung zuzulassen
sei, in denen sie das Quorum erreicht habe; vielmehr solle
das Erreichen der 5% der Listenstimmen in einem einzigen
Wahlkreis genügen, um auch in den übrigen Wahlkreisen zur

Mandatsverteilung zugelassen zu werden. Aus den Beratungen
ging dementsprechend die heutige Formulierung von § 51 WG
hervor.

        Das neue Wahlgesetz unterscheidet darüber hinaus
ausdrücklich zwischen dem Abschnitt "V. WAHLKREIS MIT
MEHREREN SITZEN" und dem Abschnitt "VI. EINERWAHLKREIS".
Diese Unterscheidung geht auf eine Gesetzesrevision vom
11. November 1982 zurück (vgl. Ratschlag und Entwurf
N° 7695 vom 2. Juni 1982). Damals fügte der Grosse Rat
dem alten Wahlgesetz mit § 66a unter dem Marginale "Ver-
fahren im Einerwahlkreis Bettingen" eine besondere Bestim-
mung über das Verfahren in Bettingen ein. Sie entspricht
weitgehend dem heutigen § 58 WG. Danach ist gewählt, wer
am meisten Stimmen auf sich vereinigt, ohne dass ein abso-
lutes Mehr und allenfalls ein zweiter Wahlgang erforderlich
wären (vgl. zur Nationalratswahl in Einerwahlkreisen Art. 47
des Bundesgesetzes über die politischen Rechte [SR 161.1]
und Yvo Hangartner/Andreas Kley, Die demokratischen Rechte
in Bund und Kantonen der Schweizerischen Eidgenossenschaft,
Zürich 2000, Rz. 1462).

        d) Nach Systematik und Wortlaut des Wahlgesetzes
ist vorerst festzuhalten, dass dieses zwischen den Wahl-
kreisen mit mehreren Sitzen (Abschnitt V) und jenem mit
einem einzigen Sitz (Abschnitt VI) unterscheidet. Der Ab-
schnitt V geht für mehrere zu besetzende Sitze von einer
Listenwahl aus und regelt die sich daraus ergebenden Fragen
der Listenstimmen-Auszählung und Sitzzuteilung. In diesem
Abschnitt ist auch die Regelung von § 51 über das Quorum
enthalten. Sie ist ihrem Wesen nach auf Listenwahlen in
Wahlkreisen mit mehreren Sitzen ausgerichtet und demnach
systematisch in diesem Abschnitt untergebracht. Demgegenüber
ist die Wahl in einem Einerwahlkreis keine eigentliche Pro-
porzwahl: Gemäss § 58 WG kann für jede gültig vorgeschlagene

Person gestimmt werden. Es fehlen demnach auch Bestimmungen
über das Auszählen von Listenstimmen. Gewählt ist vielmehr,
wer am meisten Stimmen erhält.

        Ferner zeigt sich, dass auch die Quorumsregelung
hinsichtlich verbundener Listen im Abschnitt V enthalten
ist. § 55 Abs. 2 WG hält ausdrücklich fest, dass auch im
Falle verbundener Listen das Quorum von jeder Liste einzeln
erreicht werden muss. Es bedarf keiner weiteren Ausführun-
gen, dass diese Bestimmung nur auf Wahlkreise mit mehreren
Sitzen, in denen tatsächlich mit Listen gewählt wird, an-
wendbar ist und für den Einerwahlkreis Bettingen bzw. die
Bestimmung von § 58 WG keine Bedeutung haben kann.

        Diese Systematik spricht deutlich dafür, dass die
Quorumsregelung nach § 51 WG nur für die vier Wahlkreise mit
mehreren Sitzen gilt und demnach jene Listen von der Sitz-
verteilung ausgeschlossen werden, welche in keinem dieser
Wahlkreise die Sperrklausel von 5% erreichen.

        e) Sperrklauseln sollen nach weit verbreiteter Auf-
fassung eine übermässige Parteienzersplitterung verhindern
und einer damit verbundenen Beeinträchtigung der Funktions-
fähigkeit der Parlamente entgegenwirken. Sie stehen zu einem
reinen Proporzwahlverfahren in einem gewissen Gegensatz und
schränken das Prinzip der Verhältniswahl ein (vgl. zur Pra-
xis des Bundesgerichts und zur Kritik an Sperrklauseln BGE
124 I 55 E. 5c/bb S. 65; Hangartner/Kley, a.a.O., Rz. 675
und 1446 ff.). Der basel-städtische Gesetzgeber hat dagegen
eine eingeschränkte Quorumsregelung getroffen: Während in
den meisten welschen Kantonen das Quorum in jedem Wahlkreis
erreicht werden muss, hat der Kanton Basel-Stadt die Beson-
derheit geschaffen, dass das Erlangen des Quorums in einem
Wahlkreis ausreicht, um in andern Wahlkreisen zur Sitzver-
teilung zugelassen zu werden, auch wenn dort die Resultate

unter der Sperrklausel liegen (vgl. Hangartner/Kley, a.a.O.,
Rz. 1448, mit Hinweisen). Das Wahlgesetz erfordert damit
eine gewisse Mindeststärke in mindestens einem Wahlkreis und
lässt dann die Beteiligung an der Listenauszählung in den
andern Wahlkreisen zu.

        Sinn und Zweck der Quorumsregelung und deren beson-
dere Ausgestaltung im Kanton Basel-Stadt weisen deutlich auf
die in den angefochtenen Entscheiden vertretene Auslegung
des Wahlgesetzes. Das Erreichen des Quorums in einem der
vier Wahlkreise mit mehreren Sitzen soll eine Beteiligung an
der Auszählung in den andern zwar ermöglichen. Das Wahlge-
setz erfordert aber immerhin eine gewisse Stärke in einem
Wahlkreis, um den Zweck des Systems mit der Sperrklausel
überhaupt zu erreichen. Von einer derartigen Stärke kann
indessen nicht gesprochen werden, wenn im Einerwahlkreis
Bettingen 5% der Wahlstimmen erreicht werden. Dieser Pro-
zentsatz bedeutete im Wahlkreis Bettingen angesichts der
315 gültigen Stimmzettel ein Ergebnis von mindestens
16 Stimmen. Es kann kaum im Ernst gesagt werden, dass das
Erreichen von 16 Stimmen im Einerwahlkreis Bettingen diese
erforderliche Stärke darstellt. Die Quorumsregelung würde
bei einer derartigen Auslegung ihren Sinn weitgehend ver-
lieren. Daran vermag auch das von der Partei der Arbeit in
der Person von Stefan Hofer im Wahlkreis Bettingen tatsäch-
lich erreichte Resultat nichts zu ändern. Zwar vereinigte
der Kandidat 37 Stimmen auf sich, was etwa einem Anteil von
12% entspricht. Indessen stellen auch diese 37 Stimmen kein
Gewicht der Partei der Arbeit dar, welches nach der basel-
städtischen Sperrklauselregelung für sich allein eine Be-
teiligung in andern Wahlkreisen zu rechtfertigen vermag. Im
Vergleich dazu sind im kleinsten der übrigen Wahlkreise mit
13 Mandaten allein schon 6'993 gültige Stimmzettel mit
89'634 Stimmen eingelegt worden. Das Quorum von 5% davon
stellt gegenüber dem von der Partei der Arbeit in Bettingen
erreichten Resultat ein Mehrfaches dar.

        f) Entgegen den beiden Beschwerden lässt sich die
Auffassung der Beschwerdeführenden auch nicht auf den Wort-
laut des Wahlgesetzes abstützten. § 42 WG umschreibt zwar
die fünf Wahlkreise ohne Differenzierung zwischen Mehrsitz-
und Einerwahlkreis und die Quorumsregelung von § 51 WG
verwendet denselben Begriff des Wahlkreises wiederum ohne
Unterscheidungsmerkmal. Daraus kann indessen nicht zwingend
geschlossen werden, § 51 WG sei auf den Wahlkreis Bettin-
gen ebenfalls anwendbar. Der Wortlaut dieser Bestimmung
schliesst die Auslegung durch die kantonalen Behörden auch
nicht aus. Vom Wortlaut aus gesehen ist vielmehr ebenso zu
beachten, dass in § 50 ff. WG jeweilen von Listen die Rede
ist. Eine Listenwahl aber ist im eigentlichen Sinne nur in
Wahlkreisen mit mehreren Sitzen möglich und für den Einer-
wahlkreis Bettingen ausgeschlossen.

        g) Aufgrund dieser Erwägungen zur systematischen,
teleologischen und grammatikalischen Auslegung ergibt sich
klar, dass die Quorumsregelung von § 51 WG auf den Wahlkreis
Bettingen keine Anwendung findet. Dieses Auslegungsresultat
steht auch mit der Entstehungsgeschichte in Übereinstimmung.

        Es ist bereits dargelegt worden, dass die unter-
schiedlichen Kapitel betreffend Wahlkreis mit mehreren Sit-
zen (Abschnitt V) einerseits und Einerwahlkreis (Abschnitt
VI) andererseits auf eine Revision des alten Wahlgesetzes
vom 11. November 1982 zurückgehen. Diese Revision erfolgte
lange bevor die Diskussion um Sperrklauseln aufgenommen und
das neue Wahlgesetz geschaffen wurde. Insofern steht die ur-
sprüngliche Schaffung von zwei Abschnitten vor dem Hinter-
grund der Entstehungsgeschichte in keinem unmittelbaren
Zusammenhang mit der umstrittenen Frage der Sperrklauseln.
Entscheidend ist indessen, dass die Quorumsregel in diese
Systematik eingefügt worden ist und auf ihr aufbaut und dass

mit der Totalrevision und dem Einfügen der Sperrklausel die
Bedeutung der Systematik durch den Vorschlag der grossrät-
lichen Kommission (Bericht N° 8484) verstärkt worden ist.
Damit kommt ihr entgegen der Ansicht der Beschwerdeführenden
aus historischer Sicht dennoch Bedeutung zu.

        Aus entstehungsgeschichtlicher Sicht ist festzu-
halten, dass der Grosse Rat als Gegenvorschlag zur un-
formulierten Initiative eine Regelung vorschlug, aus der
klar ersichtlich war, dass das Quorum (von 3%) nur für die
vier Mehrsitzwahlkreise gilt und das Erreichen des Quorums
in einem Wahlkreis für die Zulassung zur Sitzverteilung in
den andern Wahlkreisen ausreicht (Zwischenbericht der Gross-
ratskommission vom 20. Februar 1992 N° 8333). Dieser Vor-
schlag ist in der Volksabstimmung gegenüber der unformu-
lierten 5%-Initiative unterlegen. Entgegen der Auffassung
der Beschwerdeführenden kann nicht geschlossen werden, dass
dieser Gegenvorschlag später keine Auswirkungen zeitigte.
Klarerweise hat die Überlegung den Fortgang der Gesetzgebung
überdauert, dass das Erreichen des Quorums in einem der
Wahlkreise ausreicht; aus der Ablehnung des Vorschlages kann
daher nicht zwingend gefolgert werden, der Bezug der Sperr-
klausel lediglich auf die vier Wahlkreise mit mehreren Sit-
zen sei endgültig verworfen worden. Zudem standen sich in
der Volksabstimmung eine unformulierte Initiative und ein
formulierter Gegenentwurf gegenüber und stand die Frage der
Grösse des Quorums - 3% oder 5% - im Vordergrund.

        Der Zusatzbericht des Regierungsrates (N° 8460) und
der Vorschlag der Grossratskommission (N° 8484) bezogen das
Quorum erneut auf den einzelnen Wahlkreis. Der Regierungsrat
schlug als entsprechendes Marginale "Zuteilung der Sitze
in Wahlkreisen mit mehreren Sitzen" und "Quorum" vor; die
Grossratskommission beantragte einen eigentlichen neuen Ab-
schnitt "Wahlkreis mit mehreren Sitzen" mit entsprechenden

Marginalen und merkte im Kommentar an, dass das Quorum
"- was ohnehin selbstverständlich ist - nur in den vier
Wahlkreisen mit mehreren Sitzen zur Anwendung gelangen" soll
(S. 17). An dieser Aussage vermag die später beschlossene
Fassung, die Sperrklausel nicht wahlkreisbezogen zu ordnen,
sondern das Erreichen des Quorums in einem Wahlkreis auch
für die andern Wahlkreise genügen zu lassen, nichts zu
ändern. Zum einen sind keine Hinweise ersichtlich, welche
in die Richtung der Auffassung der Beschwerdeführenden
weisen. Zum andern geht aus dem Bericht der Kommission
hervor, dass sich auch die Quorumsregelung hinsichtlich
verbundener Listen nur auf die Wahlkreise mit mehreren
Sitzen bezieht (S. 20).

        h) Zusammenfassend ergibt sich, dass sich die Quo-
rumsregelung nach § 51 WG aufgrund der Gesetzessystematik,
gemäss ihrem Sinn und Zweck sowie gestützt auf den Wortlaut
nur auf die Wahlkreise mit mehreren Sitzen bezieht. Auch die
Entstehungsgeschichte steht dieser Auffassung nicht entge-
gen. Damit halten die angefochtenen Entscheide des Grossen
Rates und des Regierungsrates, wonach das Wahlresultat der
Liste 2 der Partei der Arbeit im Einerwahlkreis Bettingen
nicht ausreicht, um zur Sitzverteilung in den Wahlkreisen
Grossbasel-West und Kleinbasel zugelassen zu werden, vor dem
Wahlgesetz stand. Der Ausschluss der Liste 2 von der Sitz-
verteilung verletzt daher die politischen Rechte der Be-
schwerdeführenden nicht. Ihre Stimmrechtsbeschwerden er-
weisen sich daher als unbegründet.

     4.- Demnach sind die staatsrechtlichen Beschwerden ab-
zuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

        Entsprechend der Praxis zu den Stimmrechtsbeschwer-
den sind keine Kosten zu erheben.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtlichen Beschwerden werden abgewie-
sen, soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführenden sowie
dem Regierungsrat und dem Grossen Rat des Kantons Basel-
Stadt schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 28. Juni 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: