Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.621/2001
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1P.621/2001 /bmt

Urteil vom 16. Juli 2002

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb, Féraud, Catenazzi,
Fonjallaz, Ersatzrichter Seiler,
Gerichtsschreiber Härri.

Einwohnergemeinde Reinach, 4153 Reinach BL, Beschwerdeführerin, vertreten
durch den Gemeinderat, dieser vertreten durch Advokat Dr. Andreas Brunner,
Hauptstrasse 9, Postfach 811, 4153 Reinach BL,

gegen

Landrat des Kantons Basel-Landschaft, 4410 Liestal,
Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat Dr. Bruno Gutzwiller,
Bernouillistrasse 20, Postfach 112, 4003 Basel.

Gemeindeautonomie (Sozialhilfegesetz)

Staatsrechtliche Beschwerde gegen § 37 des Sozialhilfegesetzes des Kantons
Basel-Landschaft vom 21. Juni 2001

Sachverhalt:

A.
Der Landrat des Kantons Basel-Landschaft verabschiedete am 21. Juni 2001 ein
neues Gesetz über die Sozial-, die Jugend- und die Behindertenhilfe
(Sozialhilfegesetz, SHG). Dieses Gesetz ersetzte eine Anzahl älterer Gesetze,
darunter das Fürsorgegesetz vom 6. Mai 1974. § 37 SHG lautet wie folgt:
§ 37 Sozialhilfebehörde
1) Die Gemeinden bestellen eine besondere Behörde für den Vollzug der
 Gemeindeaufgaben dieses Gesetzes (kurz: Sozialhilfebehörde).
2) Die Gemeindeordnung bestimmt die Zahl der Mitglieder der
 Sozialhilfebehörde. Ein Mitglied muss dem Gemeinderat angehören.
Im kantonalen Amtsblatt vom 6. September 2001 teilte die Landeskanzlei mit,
dass gegen das Sozialhilfegesetz kein Abstimmungsbegehren eingereicht worden
sei. Das Gesetz ist inzwischen am 1. Januar 2002 in Kraft getreten.

B.
Die Einwohnergemeinde Reinach hat am 26. September 2001 staatsrechtliche
Beschwerde erhoben mit dem Rechtsbegehren, § 37 SHG sei aufzuheben. Sie rügt
eine Verletzung der Gemeindeautonomie. Der Landrat beantragt, die Beschwerde
sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Im zweiten Schriftenwechsel
haben die Parteien an ihren Anträgen festgehalten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Da der Kanton Basel-Landschaft gegen Gesetze kein Verfahren der
abstrakten Normenkontrolle auf kantonaler Ebene kennt (§ 86 Abs. 3 lit. a der
Kantonsverfassung vom 17. Mai 1984, KV/BL), ist die staatsrechtliche
Beschwerde gegen den angefochtenen Erlass zulässig (Art. 84 OG). Eine
Gemeinde ist zur Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung
ihrer Autonomie befugt (Art. 189 Abs. 1 lit. b BV; Art. 88 OG), wenn sie
durch den angefochtenen Erlass in ihrer Eigenschaft als Trägerin hoheitlicher
Gewalt berührt wird. Ob ihr im betreffenden Bereich tatsächlich Autonomie
zusteht, ist nicht eine Frage des Eintretens, sondern bildet Gegenstand der
materiellrechtlichen Beurteilung (BGE 128 I 3 E. 1c, mit Hinweisen). Die
Beschwerdeführerin wird durch die angefochtene Gesetzesbestimmung
verpflichtet, eine Behörde aufzustellen, welche hoheitliche Aufgaben
wahrnimmt, und ist damit in ihrer hoheitlichen Tätigkeit berührt.

Der Beschwerdegegner bezweifelt die Legitimation der Beschwerdeführerin, weil
der angefochtene § 37 SHG die Gemeinden in ihrer Autonomie nicht mehr als § 8
des alten Fürsorgegesetzes berühre, so dass keine zusätzliche
Autonomiebeschneidung vorliege. Er bezieht sich damit offenbar auf die
Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach bei der Revision eines Erlasses
Normen, die ohne Änderung aus der bisherigen Regelung übernommen worden sind,
zur verfassungsrechtlichen Prüfung (nur) unterbreitet werden können, sofern
ihnen im Rahmen des geänderten Gesetzes eine gegenüber ihrem ursprünglichen
Gehalt veränderte Bedeutung zukommt bzw. sie durch die Gesetzesrevision in
einem neuen Licht erscheinen und dem Beschwerdeführer dadurch Nachteile
entstehen (BGE 122 I 222 E. 1b, 110 Ia 7 E. 1d, mit Hinweisen). Diese
Rechtsprechung bezieht sich indessen auf Teilrevisionen von Erlassen. Wird
wie vorliegend ein Erlass total revidiert, ist jede einzelne Bestimmung, auch
wenn sie inhaltlich mit der bisherigen Regelung übereinstimmt, eine neu
erlassene Rechtsnorm, die (wieder) Gegenstand der abstrakten Normenkontrolle
bilden kann (vgl. BGE 108 Ia 126 E. 1b), dies umso mehr, wenn - wie
vorliegend - die Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts gerügt wird, das
erst nach dem Erlass des früheren Gesetzes eingeführt worden ist (Urteil des
Bundesgerichts P.1334/1985 vom 10. Juli 1986, publ. in ZBl 88/1987 S. 167, E.
1d; Walter Kälin, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl.,
Bern 1994, S. 350). Zudem umfasst das neue SHG einen breiteren
Aufgabenbereich als das alte Fürsorgegesetz, so dass der neuen
Sozialhilfebehörde - wie auch der Beschwerdegegner nicht bestreitet
(Vernehmlassung vom 27. Mai 2002, S. 4 Ziff. 8) - umfassendere Aufgaben
zustehen als der bisherigen Fürsorgebehörde. Die Beschwerdeführerin kann
daher § 37 SHG mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechten.

1.2 Die dreissigtägige Frist zur Einreichung der Beschwerde beginnt mit der
nach kantonalem Recht massgebenden Eröffnung oder Mitteilung des Erlasses
(Art. 89 Abs. 1 OG). Unterliegt der Erlass der fakultativen Volksabstimmung,
so beginnt die Frist nicht, bevor in der nach kantonalem Recht massgeblichen
Form amtlich mitgeteilt worden ist, dass das Referendum nicht ergriffen
worden ist (BGE 121 I 187 E. 1a). Vorliegend ist diese Mitteilung im
Amtsblatt vom 6. September 2001 erfolgt. Die staatsrechtliche Beschwerde ist
rechtzeitig eingereicht worden. Es ist darauf einzutreten.

2.
2.1 Art. 50 Abs. 1 BV gewährleistet die Gemeindeautonomie nach Massgabe des
kantonalen Rechts. Auch unter dem Geltungsbereich der neuen Bundesverfassung
bleibt es Sache der Kantone zu bestimmen, ob und in welchem Umfang den
Gemeinden Autonomie eingeräumt wird. Anzuknüpfen ist folglich am
Autonomiebegriff gemäss bisheriger ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichts. Danach ist eine Gemeinde in einem Sachbereich autonom, wenn
das kantonale Recht diesen nicht abschliessend ordnet, sondern ihn ganz oder
teilweise der Gemeinde zur Regelung überlässt und ihr dabei eine relativ
erhebliche Entscheidungsfreiheit einräumt (BGE 128 I 3 E. 2a, mit Hinweisen).

2.2 Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Organisationsautonomie.

§ 45 Abs. 1 und 2 KV/BL lauten wie folgt:
1) Die Gemeinden sind im Rahmen von Verfassung und Gesetz befugt, sich
 selbst zu organisieren, ihre Behördenmitglieder sowie
Mitarbeiterinnen und  Mitarbeiter zu wählen oder anzustellen, ihre eigenen
Aufgaben nach freiem  Ermessen zu erfüllen und ihre öffentlichen Sachen
selbständig zu verwal- ten.
2) Alle kantonalen Organe achten und schützen die Selbständigkeit der
 Gemeinden. Der Gesetzgeber gewährt ihnen möglichst grosse
Hand- lungsfreiheit.
Gemäss § 47 Abs. 1 KV/BL legen sodann die Einwohnergemeinden im Rahmen von
Verfassung und Gesetz ihre Organisation in einer Gemeindeordnung fest. Die
basel-landschaftlichen Gemeinden haben damit grundsätzlich eine
Organisationsautonomie (Ivo Lorenzo Corvini, Kommunale Rechtsetzung, unter
besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse im Kanton Basel-Landschaft,
Liestal 1999, S. 86 f.). Indem § 37 SHG die Gemeinden verpflichtet, eine
bestimmte Behörde zu errichten, wird die Organisationsautonomie
eingeschränkt. Die Beschwerdeführerin ist befugt, sich dagegen zu wehren.
Dabei überprüft das Bundesgericht die Handhabung von eidgenössischem oder
kantonalem Verfassungsrecht frei, die Anwendung übrigen Rechts auf Willkür
hin (BGE 126 I 133 E. 2, mit Hinweisen).

2.3 § 45 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 KV/BL legen ausdrücklich fest, dass die
Selbstorganisation der Gemeinden nur im Rahmen des Gesetzes besteht. Die
basel-landschaftlichen Gemeinden sind somit durch die kantonale Gesetzgebung
in ihrer Autonomie beschränkt (Urteile des Bundesgerichts 1P.454/1991 vom 12.
Februar 1993, E. 5c, und 1P.491/1989 vom 12. Dezember 1989, E. 3). Da das
Gesetz grundsätzlich jederzeit geändert werden kann, kann der kantonale
Gesetzgeber durch Gesetzesänderung auch die von ihm einmal gezogenen
Schranken nachträglich enger ziehen, solange nicht irgendwelche unmittelbar
durch die Verfassung gewährleisteten Befugnisse berührt werden oder der
streitige Hoheitsakt sonstwie widerrechtlich ist (BGE 117 Ia 352 E. 4b, 113
Ia 212 E. 3b; vgl. auch BGE 124 I 223 E. 2c).

Vorliegend ist die angefochtene Autonomieeinschränkung durch das Gesetz
angeordnet worden. Sie kann daher nur unzulässig sein, wenn dieses Gesetz
selber einer Verfassungsbestimmung widerspricht. Nicht massgebend ist
demgegenüber, dass nach § 16 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes vom 28. Mai 1970
über die Organisation und die Verwaltung der Gemeinden (Gemeindegesetz) sich
die Gemeindebehörden selber konstituieren. Denn das SHG kann als jüngeres
Gesetz von den Bestimmungen des Gemeindegesetzes abweichen.

2.4 Die Beschwerdeführerin rügt hauptsächlich, § 37 SHG verstosse gegen § 45
Abs. 2 Satz 2 KV/BL: Diese Bestimmung bedeute, dass der kantonale Gesetzgeber
nicht ohne Notwendigkeit in den Autonomiebereich der Gemeinden eingreifen
dürfe. Es bestehe keine Notwendigkeit, den Gemeinden die Schaffung einer
besonderen Sozialhilfebehörde vorzuschreiben. Dies sei sachlich
problematisch, insbesondere angesichts der im neuen SHG wesentlich
erweiterten Aufgaben dieser Behörde. Diese stünde als ebenfalls politisch
gewählte Behörde ohne klare Kompetenzabgrenzung neben dem Gemeinderat, zumal
gemäss neuerer Entwicklung auch die Sozialhilfebehörde nicht mehr die
Einzelfälle beurteile (was Sache der Verwaltung sei), sondern eher
Grundsatzentscheide fälle und Rahmenbedingungen festlege, was weitgehend der
Aufgabe des Gemeinderates entspreche. Die Bildung einer Parallelbehörde neben
dem Gemeinderat mache wenig Sinn, sei aber jedenfalls nicht erforderlich.
Regierungsrat und Landrat hätten die Notwendigkeit einer solchen Behörde
nicht begründet und sich damit nicht an die verfassungsrechtlichen Vorgaben
gehalten.

Der Beschwerdegegner macht demgegenüber geltend, schon das alte
Fürsorgegesetz habe eine besondere Fürsorgebehörde vorgeschrieben. In der
Vernehmlassung zum SHG habe der Verband für Sozialhilfe des Kantons
Basel-Landschaft vehement und mit einleuchtender Begründung für die
Beibehaltung separater Behörden plädiert. Die Frage einer besonderen
Sozialhilfebehörde sei eine rein sachliche oder politische Frage, aber nicht
eine solche nach der rechtlichen Zulässigkeit der Einschränkung der
Organisationsfreiheit. Es sei zwar richtig, dass der Gemeinderat in den vom
SHG geregelten Bereichen keine Entscheidungskompetenz habe. Gemeinderat und
Sozialhilfebehörde seien als politisch gewählte Behörden konzipiert, deren
Zusammensetzung und Wahl weitgehend der jeweiligen Gemeindeorganisation
vorbehalten werden. Dadurch werde nicht eine einfache, übersichtliche
Verwaltungsorganisation verhindert, wohl aber eine alte Tradition
weitergeführt. § 45 Abs. 2 Satz 2 KV/BL habe programmatischen Charakter und
sei nicht justiziabel.

2.5 Umstritten ist, ob § 45 Abs. 2 Satz 2 KV/BL überhaupt eine justiziable
Norm oder bloss eine nicht der Rechtskontrolle unterworfene, programmatische
Bestimmung darstellt.

Das Bundesgericht hat in Bezug auf die ähnlich lautende Bestimmung von Art.
109 Abs. 2 der bernischen Kantonsverfassung vom 6. Juni 1993 entschieden,
diese Bestimmung habe einen programmatischen Gehalt im Sinne einer
Handlungsmaxime für den kantonalen Rechtsetzer, gebe aber der Gemeinde keinen
justiziablen Anspruch auf bestimmte Autonomiebereiche; soweit kantonales
Recht bestehe, umschreibe dieses den Umfang der Autonomie (BVR 2001 S. 481,
E. 3a, 1P.605/2000; BVR 1999 S. 443, E. 3d, 2P. 388/1997). Es hat sich dabei
auf die Materialien zur bernischen Kantonsverfassung gestützt.
Für die basel-landschaftliche Verfassung wird diese Ansicht auch in der Lehre
vertreten (Ivo Lorenzo Corvini, a.a.O., S. 89). Demgegenüber wird im Kanton
Aargau die analoge Bestimmung von § 106 Abs. 2 der Kantonsverfassung vom 25.
Juni 1980 als justiziabel betrachtet (Kurt Eichenberger, Verfassung des
Kantons Aargau, Aarau 1986, S. 361 Rz. 11).
Die Materialien zur basel-landschaftlichen Verfassung geben keinen Aufschluss
über die Frage. Wohl sollte mit der ausdrücklichen Garantie der bisher
stillschweigend gewährleisteten Gemeindeautonomie die Stellung der Gemeinden
gestärkt werden; mit dem Auftrag an den Gesetzgeber, den Gemeinden möglichst
grosse Handlungsfreiheit zu gewähren, wollte der Verfassungsrat die Tendenz
zur Stärkung der Gemeindeautonomie fördern (Begleitbericht des
Verfassungsrates zum Verfassungsentwurf 1982, in: Totalrevision der
basellandschaftlichen Staatsverfassung, Dokumente 1980-1982, Liestal 1987, S.
243 ff., 258; Begleitbericht zur Volksabstimmung zur Verfassung des Kantons
Basel-Landschaft vom 17. Mai 1984, in: Totalrevision der
basellandschaftlichen Staatsverfassung, Dokumente 1983-1987, Liestal 1988, S.
132 ff., 142). Die Frage der Justiziabilität des Auftrags an den Gesetzgeber
ist aber offensichtlich nicht ausdrücklich thematisiert worden.

2.6 Selbst wenn § 45 Abs. 2 Satz 2 KV/BL als justiziabel zu betrachten ist,
ist zu beachten, dass die Umschreibung des Autonomiebereichs und der
Entscheidungskompetenzen der Gemeinden wesentlich politischer Natur ist.
Gerichte können gesetzgeberische Entscheide, mit denen der kommunale
Autonomiebereich umschrieben wird, nur mit der gebotenen Zurückhaltung
überprüfen (Kurt Eichenberger, a.a.O., S. 361 Rz. 11; Thomas Pfisterer, Die
neuere Entwicklung der Gemeindeautonomie, insbesondere im Kanton Aargau, ZBJV
125/1989 S. 1 ff., 29). Der kantonale Gesetzgeber, dem in erster Linie die
Konkretisierung des politisch Gewollten obliegt, hat nicht nur die
Gemeindeautonomie zu beachten, sondern muss und darf auch andere
Gesichtspunkte einbeziehen. Er ist deshalb nicht verpflichtet, in jedem Fall
diejenige Lösung zu wählen, welche der Gemeinde am meisten Handlungsspielraum
belässt, sondern hat abzuwägen zwischen dem Anliegen, aus gesamtkantonaler
Optik die korrekte Erfüllung kantonaler Aufgaben sicherzustellen, und der
Gewährung einer möglichst grossen kommunalen Handlungsfreiheit (Thomas
Pfisterer, a.a.O., S. 29 f.). Solange diese Abwägung im Interesse einer
sachgerechten Erfüllung kantonaler Aufgaben auf haltbaren, vernünftigen
Gründen und Überlegungen beruht, ist eine Gesetzesvorschrift, welche in die
Organisationsautonomie der Gemeinden eingreift, auch dann
verfassungsrechtlich zulässig, wenn sie nicht im strengen Sinne absolut
notwendig ist. Die bundesgerichtliche Überprüfung kantonaler formeller
Gesetze beschränkt sich insoweit praktisch auf eine Willkürprüfung (vgl. BGE
109 Ia 325 E. 4; Markus Dill, Die staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung der Gemeindeautonomie, Bern 1996, S. 89 f., 93 f.). Die
umstrittene Norm ist im Lichte dieser Grundsätze zu prüfen.

3.
3.1 Es ist unbestritten, dass das kantonale Recht den basel-landschaftlichen
Gemeinden seit mehr als hundertvierzig Jahren die Bildung einer besonderen
Armen- bzw. Fürsorgebehörde vorgeschrieben hat, vor dem SHG zuletzt in § 8
des Fürsorgegesetzes vom 6. Mai 1974.

3.2 Am 1. Januar 1987 ist die neue Kantonsverfassung vom 17. Mai 1984 in
Kraft getreten. Diese statuiert in § 45 die Gemeindeautonomie. In § 103 legt
sie sodann fest, dass Kanton und Gemeinden in Zusammenarbeit mit privaten
Organisationen für hilfsbedürftige Menschen sorgen. Die Sozialhilfe ist somit
nicht eine ausschliesslich kommunale Aufgabe, sondern eine gemeinsame Aufgabe
von Kanton und Gemeinden. Nach dem vorne (E. 2.6.) Ausgeführten steht dem
kantonalen Gesetzgeber damit grundsätzlich die Befugnis zu,
Organisationsvorschriften für die Gemeinden zu erlassen, um die zweckmässige
Erfüllung der Sozialhilfe sicherzustellen.

3.3 Der kantonale Gesetzgeber hat am 12. Juni 1995 nach Inkrafttreten der
neuen Kantonsverfassung das Gemeindegesetz revidiert und dabei ausdrücklich
unter Bezugnahme auf § 45 Abs. 2 Satz 2 KV/BL verschiedene Bestimmungen im
Sinne einer Verstärkung der Gemeindeautonomie geändert. Namentlich wurde
dabei die ursprüngliche Regelung von § 8 des Fürsorgegesetzes, wonach die
Fürsorgebehörden 5-7 Mitglieder haben, geändert und die Mitgliederzahl der
Fürsorgebehörden (oberhalb der Minimalzahl von drei Mitgliedern, § 6 Abs. 1
Gemeindegesetz) freigegeben. Damit hat der Gesetzgeber auch nach
Inkrafttreten der neuen Kantonsverfassung implizit an den obligatorischen
Fürsorgebehörden festgehalten.

3.4 Der Vernehmlassungsentwurf des Regierungsrates zum neuen
Sozialhilfegesetz sah vor, im Sinne des Ausbaus der kommunalen
Organisationsautonomie keine Bestimmungen mehr über die Fürsorgebehörden
aufzunehmen; dadurch sollte jeder Gemeinde ermöglicht werden, das ihr
adäquate Modell zu wählen. Der Entwurf sah aber auch eine Variante mit
obligatorischer Sozialhilfebehörde vor, da diese Frage als einzige in der
Expertenkommission umstritten gewesen sei. Die Vernehmlassung ergab
unterschiedliche Ansichten: Während namentlich der Verband der
Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten des Kantons Basel-Landschaft
sowie die Mehrzahl der Gemeinderäte den Verzicht auf eine obligatorische
Sozialhilfebehörde begrüssten, postulierten der Verband für Sozialhilfe des
Kantons Basel-Landschaft und die Mehrzahl der Fürsorgebehörden die
Beibehaltung der obligatorischen besonderen Sozialhilfebehörde. In der Folge
beantragte der Regierungsrat dem Landrat, die bisherige Regelung, d.h. das
Obligatorium der Sozialhilfebehörde, fortzuschreiben, mit dem Hinweis, diese
Frage sei in der Vernehmlassung stark umstritten gewesen. In der zuständigen
Landratskommission wurde die Bestimmung diskutiert, wobei auch das Anliegen
der Gemeindeautonomie thematisiert wurde (Protokoll der 28. Sitzung der
Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission vom 2. Februar 2001, S. 272-273).
Im Bericht an den Landrat führte die Kommission aus, der fachlichen Kompetenz
der Sozialhilfebehörde werde grosser Stellenwert eingeräumt (Bericht 2000/092
der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission an den Landrat betreffend
Sozialhilfegesetz, vom 11. Mai 2001, S. 5). Der Landrat genehmigte
schliesslich diskussionslos diese Bestimmung. Die Darstellung der
Beschwerdeführerin, der Landrat habe damit nicht einen materiellen
gesetzgeberischen Entscheid für oder gegen das Obligatorium getroffen, trifft
nicht zu; vielmehr hat der Landrat einen nicht (mehr) umstrittenen
politischen Entscheid für das Obligatorium gefällt.

3.5 Aus dieser Darstellung geht hervor, dass die Frage einer obligatorischen
Sozialhilfebehörde zwar nicht im Plenum des Landrats, wohl aber im Vorfeld
der Gesetzgebung eingehend und kontrovers diskutiert worden ist. Gewiss kann
eine besondere Sozialhilfebehörde nicht gerade als zwingende Notwendigkeit
betrachtet werden. Bestünde keine solche Behörde, wäre es Sache des
Gemeinderates, das Sozialhilferecht zu vollziehen (§ 47 Abs. 3 KV/BL; § 70
Abs. 1 Gemeindegesetz). Soweit ein kantonal einheitlicher Vollzug erwünscht
ist, könnte dies auch mit Vorschriften und Weisungen erreicht werden, die
sich an die jeweils für die Sozialhilfebelange zuständige Behörde (z.B. auch
an den Gemeinderat) richten. Doch hat der Gesetzgeber offensichtlich das
Anliegen, eine vom Gemeinderat getrennte Spezialbehörde mit besonderer
Fachkompetenz auf Stufe der Gemeinde sicherzustellen, höher gewichtet als die
kommunale Organisationsautonomie. Er hat dieser immerhin insoweit Rechnung
getragen, als die Regelung von § 37 SHG weniger detailliert ist als diejenige
von § 8 des alten Fürsorgegesetzes; der Spielraum der Gemeinden ist damit
vergrössert worden. Der Gesetzgeber hat damit eine Wertung vorgenommen, die
stark von politischen Zweckmässigkeitsüberlegungen geprägt ist, in welche der
Verfassungsrichter nicht einzugreifen hat. Diese Wertung ist sachlich haltbar
und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, auch wenn andere Lösungen
ebenfalls denkbar und zulässig wären.

3.6 Was die Beschwerdeführerin gegen die besonderen Sozialhilfebehörden
vorbringt, sind im Wesentlichen Aspekte der gesetzgeberischen
Zweckmässigkeit. Dass mit dem SHG das früher vorgeschriebene besondere
Fürsorgevermögen weggefallen ist, stellt keinen zwingenden Grund für eine
Aufhebung der besonderen Behörde dar. Es mag sein, dass die Aufgabenteilung
zwischen den Sozialhilfebehörden und dem Gemeinderat zu gewissen
Abgrenzungsproblemen führen kann, da der Gemeinderat einerseits zwar von
Verfassungs wegen die oberste vollziehende Behörde ist und die Verwaltung
leitet (§ 47 Abs. 3 KV/BL), andererseits aber im Zuständigkeitsbereich der
Sozialhilfebehörde keine direkten Entscheidkompetenzen hat (vgl. Benno
Bucher, Die Stellung des Gemeinderates im basellandschaftlichen
Gemeindeorganisationsrecht, Liestal 1983, S. 87 f.). Ähnliches gilt
allerdings auch bezüglich anderer selbständiger Gemeindebehörden, z.B. der
Schulpflege (§ 91 Gemeindegesetz). Zudem steht es den Gemeinden im Rahmen des
Gesetzes frei, die Organisation der Sozialhilfebehörde und deren Verhältnis
zum Gemeinderat möglichst zweckmässig auszugestalten. § 37 SHG schreibt bloss
vor, dass ein Mitglied der Sozialhilfebehörde dem Gemeinderat angehören muss,
wodurch eine minimale Koordination zwischen diesen beiden Behörden
gewährleistet werden kann. Das Gesetz schliesst nicht aus, dass die Gemeinden
autonom eine noch engere Zusammenarbeit vorsehen. Wenn die Beschwerdeführerin
kritisiert, weder das SHG noch die sonstige kantonale Gesetzgebung würde das
Verhältnis zwischen den beiden Organen regeln, so bedeutet dies eben gerade,
dass die Gemeinden insoweit selber eine Regelung treffen können (§ 45 Abs. 1
KV/BL; § 2 Gemeindegesetz).

3.7 Insgesamt ergibt sich, dass § 37 SHG die verfassungsmässige Autonomie der
Beschwerdeführerin nicht verletzt.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist
abzuweisen. Es sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 2 OG)
und keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG, analog).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigungen zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. Juli 2002

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: