Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.587/2001
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1P.587/2001/sch

Urteil vom 11. Januar 2002

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Ersatzrichter Loretan,
Gerichtsschreiberin Tophinke.

A.________,
B.________,
C.________,
D.________,
E.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Initiativkomitee "Für ein Bern ohne Neufeld-Tunnel", Postfach 8550, 3001
Bern, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Christian Wyss,
Keltenstrasse 102, Postfach 793, 3018 Bern,
Gemeinderat der Stadt Bern, 3001 Bern, vertreten durch den Rechtsdienst der
Direktion für Planung, Verkehr und Tiefbau der Stadt Bern, Bundesgasse 38,
Postfach 8332, 3001 Bern,
Regierungsrat des Kantons Bern, vertreten durch die Justiz-, Gemeinde- und
Kirchendirektion des Kantons Bern, Münstergasse 2, 3011 Bern.

Art. 85 lit. a OG (Gemeindeinitiative "Für ein Bern ohne Neufeld-Tunnel")

(Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrats des
Kantons Bern vom 8. August 2001)
Sachverhalt:

A.
Der Gemeinderat (Exekutive) der Stadt Bern erklärte mit Beschluss vom 24. Mai
2000 die Initiative "Für ein Bern ohne Neufeld-Tunnel" gestützt auf Art. 77
des Stadtberner Reglementes über die politischen Rechte vom 17. Mai 1992 für
materiell gültig. Die Initiative lautet wie folgt:
"Art. 8 (Umweltschutz) der Gemeindeordnung der Stadt Bern vom 18. April 1999
wird wie folgt ergänzt:
Die Stadt Bern setzt sich bei Bund und Kanton dafür ein, dass auf den Bau des
Nationalstrassen-Abschnittes Bern-Neufeld - Bern-Tiefenau (Neufeld-Zubringer)
verzichtet wird."
Gegen diesen Beschluss gelangten unter anderem A.________, B.________,
C.________, D._______ und E.________ an den Regierungsstatthalter II von
Bern, der die Beschwerde am 10. November 2000 guthiess und die Initiative
"Für ein Bern ohne Neufeld-Tunnel" für materiell ungültig erklärte.

Das unterlegene Initiativkomitee focht diesen Entscheid beim Regierungsrat
des Kantons Bern an, der die Beschwerde am 8. August 2001 guthiess und die
umstrittene Initiative für materiell gültig erklärte.

B.
Gegen den Entscheid des Regierungsrats haben A.________, B.________,
C.________, D.________ und E.________ am 10. September 2001 staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an den
Regierungsrat zurückzuweisen.

Der Regierungsrat des Kantons Bern - vertreten durch die Justiz-, Gemeinde-
und Kirchendirektion -, die Stadt Bern - vertreten durch den Rechtsdienst der
Direktion für Planung, Verkehr und Tiefbau - sowie das Initiativkomitee "Für
ein Bern ohne Neufeld-Tunnel" beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen.

C.
Der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung lehnte am 8. Oktober
2001 das Gesuch der Beschwerdeführenden ab, der Beschwerde die aufschiebende
Wirkung zu erteilen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach Art. 85 lit. a OG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden betreffend
die politische Stimmberechtigung der Bürger und betreffend kantonale Wahlen
und Abstimmungen. Als kantonal im Sinne dieser Bestimmung gelten neben den
Wahlen und Abstimmungen auf kantonaler Ebene auch jene in den Gemeinden (BGE
123 I 175 ff.; 120 Ia 194 E. Ia S. 196 mit Hinweisen). Der angefochtene
Entscheid betrifft eine kommunale Abstimmung und kann daher mit
Stimmrechtsbeschwerde angefochten werden.

1.2 Nach der Rechtsprechung kann sich ein Stimmbürger mit der
Stimmrechtsbeschwerde gemäss Art. 85 lit. a OG dagegen wehren, dass eine
Volksabstimmung über eine unzulässige Initiative durchgeführt wird, sofern
das kantonale Verfassungs- oder Gesetzesrecht die zuständigen Behörden
verpflichtet, Initiativen auf ihre inhaltliche Rechtmässigkeit hin zu prüfen
(Urteil des Bundesgerichtes vom 18. Dezember 1988, ZBl 90/1989 S. 491 ff., E.
3a; BGE 114 Ia 267 E. 3 S. 271; Tobias Jaag, Die Stimmrechtsbeschwerde und
die Ungültigerklärung von Volksinitiativen, recht 1990, S. 27 ff.). Nach Art.
17 des Gemeindegesetzes vom 16. März 1998 (GG; BSG 170.11) erklärt der
Gemeinderat rechtswidrige oder undurchführbare Initiativen ungültig. Damit
wird die kommunale Exekutive zur materiellen Prüfung eingereichter
Initiativen verpflichtet (Peter Friedli, Kommentar zum Gemeindegesetz des
Kantons Bern, Bern 1999, Art. 17 N. 2). Die Beschwerdeführenden sind in der
Stadt Bern stimmberechtigt und gemäss der erwähnten Rechtsprechung
legitimiert, die Gültigerklärung der Initiative "Für ein Bern ohne
Neufeld-Tunnel" beim Bundesgericht anzufechten.

1.3 Der angefochtene Entscheid unterliegt keinem kantonalen Rechtsmittel und
ist daher letztinstanzlich im Sinne von Art. 86 Abs. 1 OG. Auch insofern ist
grundsätzlich auf die Beschwerde einzutreten. Dies gilt allerdings nicht
hinsichtlich der Rüge, der Initiativtext sei unklar. Diese Rüge wird vor
Bundesgericht zum ersten Mal erhoben. Insofern ist der kantonale Instanzenzug
nicht erschöpft, und es kann daher insoweit auf die Beschwerde nicht
eingetreten werden.

Im Übrigen geben die Eintretensvoraussetzungen zu keinen Bemerkungen Anlass.
Auf die rechtzeitig und formgültig erhobene Beschwerde ist mit dem erwähnten
Vorbehalt einzutreten.

2.
Bei Stimmrechtsbeschwerden prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung
von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige
anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des Stimm- und Wahlrechtes
normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen (BGE 123 I 175 E.
2d/aa S. 178 mit Hinweisen). Als solche Vorschriften gelten all jene Normen,
die das verfassungsrechtlich garantierte Stimmrecht konkretisieren. Hierzu
gehören namentlich die Gültigkeitsvorschriften für Initiativen, aber auch
Vorschriften über die Frage, was überhaupt Gegenstand von Initiativbegehren
sein kann. So prüft das Bundesgericht frei, ob eine Verwaltungsinitiative
zulässig ist und ob eine Initiative die bestehende Kompetenzordnung wahrt und
insofern rechtmässig ist (BGE 123 I 175 E. 2d/cc S. 180 f. mit Hinweisen).
Die von den Beschwerdeführenden erhobenen Rügen zum kantonalen Recht
betreffen just diese Fragen und sind daher frei zu prüfen.

3.
3.1Der Regierungsrat hat im angefochtenen Entscheid zutreffend dargelegt,
dass die Festsetzung des Nationalstrassennetzes und die Projektierung der
Nationalstrassenabschnitte im Wesentlichen Sache der Bundesorgane sei.
Zuständig für die Entscheidung über die allgemeine Linienführung und die Art
der zu errichtenden Nationalstrassen ist gemäss Art. 11 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 8. März 1960 über die Nationalstrassen (NSG; SR 725.11)
die Bundesversammlung. In den anschliessenden Phasen der generellen und der
Ausführungsprojektierung nehmen die Kantone und zum Teil die Gemeinden zwar
einen gewissen Einfluss; die wesentlichen Entscheide werden aber von
Bundesinstanzen getroffen (siehe Art. 11 Abs. 2, Art. 20 und Art. 28 NSG;
vgl. zum Ablauf des Verfahrens - vor Inkrafttreten der Vereinfachungen gemäss
BG vom 18. Juni 1999 über die Koordination und Vereinfachung von
Entscheidverfahren, AS 1999 3071 - BGE 118 Ib 206 E. 8 S. 212 ff.). Der hier
umstrittene Nationalstrassenzubringer ist gemäss Anhang zum Bundesbeschluss
vom 21. Juni 1960 über das Nationalstrassennetz (SR 725.113.11) Teil dieses
Netzes.

Gemäss Art. 56 der Verordnung vom 18. Dezember 1995 über die Nationalstrassen
(NSV; SR 725.111) sind die Kantone befugt, die Projektierung, den Bau und den
Unterhalt von Nationalstrassen im Gebiet von Städten ganz oder teilweise den
Stadtgemeinden zu übertragen. In diesem Fall haben die Stadtgemeinden die
entsprechenden Aufgaben gemäss Nationalstrassengesetz zu erfüllen; sie sind
zu einer dauernden, engen Zusammenarbeit mit dem Kanton und, durch dessen
Vermittlung, mit dem zuständigen Bundesamt und den übrigen interessierten
Bundesstellen verpflichtet. Der Kanton Bern hat von dieser
Delegationsmöglichkeit in Art. 79 Abs. 1 des Gesetzes vom 2. Februar 1964
über Bau und Unterhalt der Strassen (SBG; BSG 732.11) Gebrauch gemacht.
Vorbehalten bleibt unter anderem die Zuständigkeit des Regierungsrates für
Entscheide über Einsprachen gegen Ausführungsprojekte (Art. 79 Abs. 2 lit. a
SBG), zu denen der Gemeinderat einen einlässlich begründeten Antrag zu
stellen hat.

Für den Zubringer Neufeld liegt ein vom Bundesrat genehmigtes generelles
Projekt sowie ein Ausführungsprojekt vor. Für letzteres ist das
Auflageverfahren Ende 1999 durchgeführt worden; am 14. Februar 2000 fand die
Einspracheverhandlung gemäss Art. 27 NSG (in der damals noch massgeblichen
Fassung) statt. Der Gemeinderat von Bern hat gegen das von ihm selbst
ausgearbeitete Ausführungsprojekt - wenig überraschend - keine Einsprache
erhoben. Der Entscheid über die Einsprachen steht noch aus.

Die Beschwerdeführenden leiten aus diesen rechtlichen und tatsächlichen
Gegebenheiten ab, dass die umstrittene Initiative dem Bundesrecht
widerspreche und zudem undurchführbar sei.

3.2 In einem Urteil vom 22. September 1976 (ZBI 78/1977 S. 275) hat das
Bundesgericht erwogen, den Kantonen seien auf dem Gebiet des
Nationalstrassenbaus massgebliche Mitwirkungsrechte eingeräumt, auch wenn
zahlreiche Entscheidungen formell von den Bundesbehörden zu treffen seien. Es
erklärte eine kantonale Initiative, die unter anderem den Verzicht auf den
Bau des Anschlusses der Stadt Grenchen an die Nationalstrasse N5 verlangte,
für gültig. Eine wesentliche Rolle spielte dabei, dass damals weder ein vom
Bundesrat genehmigtes generelles Projekt noch ein definitives kantonales
Projekt vorlagen. Das Bundesgericht erwog, Initiativen aus Gemeinden und
Kantonen gegen eine bestimmte Linienführung einer Nationalstrasse sowie gegen
Anschlüsse oder Verbindungsstrassen zu solchen Anschlüssen seien als
Stellungnahme der entsprechenden Gemeinwesen zu betrachten. In der Würdigung
solcher Initiativen seien die Bundesbehörden frei, weshalb sie nicht
bundesrechtswidrig seien.

Vorliegend verhält es sich insofern anders, als ein vom Bundesrat genehmigtes
generelles Projekt vorhanden ist. Es ist aber zu bedenken, dass der fragliche
Autobahnzubringer kein notwendiges Element des Nationalstrassennetzes in dem
Sinn darstellt, dass durch den Verzicht auf seine Errichtung die Funktion der
Nationalstrasse als überregionaler Verkehrsträger beeinträchtigt würde.
Vielmehr ist er als innerstädtische Ein- und Ausfallachse konzipiert, d.h. er
steht im Kontext städtischer Verkehrsplanung, die den Verkehr von und zur
Nationalstrasse ohnehin auf die eine oder andere Art zu bewältigen hat. Der
Nationalrat hat es am 26. Juni 1998 abgelehnt, einer parlamentarischen
Initiative Folge zu geben, mit der verlangt wurde, den Zubringer Neufeld aus
der Liste der Nationalstrassen zu streichen. Der Rat schloss sich damit der
Mehrheit seiner Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen an, die unter
anderem darauf hinwies, dass der Bund mit dem Projekt Neufeld (finanziell)
zur Verbesserung des städtischen Verkehrsflusses beitragen könne. Das
rechtfertige sich namentlich deshalb, weil der grösste Teil der
Treibstoffzollgelder durch städtische Benützer anfalle. Weiter wies die
Kommissionsmehrheit darauf hin, dass ein Antrag auf Streichung eines
Nationalstrassenabschnittes vom betroffenen Kanton herkommen und von diesem
unterstützt werden müsse (Votum Hämmerle, Amtl.Bull. N 1998 1489). Weitere
Votanten äusserten sich ebenfalls dahin, dass eine allfällige Streichung der
Zubringers Neufeld einen entsprechenden Anstoss durch Stadt und Kanton Bern
erhalten müsste; es sei nicht Sache des Nationalrates, in diesem Stadtberner
"Krieg" Schiedsrichter zu spielen (Voten Christen und Seiler, a.a.O., S.
1492). Die Diskussion lässt den Schluss zu, dass der Nationalrat gewillt
wäre, die Aufnahme des Zubringers Neufeld ins Nationalstrassennetz neu zu
prüfen, sofern ein entsprechender Vorstoss seitens Stadt und Kanton Bern
vorläge. Dies und die primär lokale Bedeutung der Zubringers Neufeld
relativiert die Tragweite dessen, dass der Bundesrat das generelle Projekt
bereits genehmigt hat.

3.3 Eine etwaige Gutheissung der Initiative hätte zur Folge, dass der
Gemeinderat mit Stellungnahmen oder in formloser Weise an die kantonalen und
an die Bundesbehörden gelangen und sie um Berücksichtigung der in die
Gemeindeordnung aufgenommenen Zielsetzung ersuchen würde. Es darf auch ohne
Weiteres vorausgesetzt werden, dass der Beschwerdegegner im Nationalrat
erneut eine parlamentarische Initiative lancieren könnte und würde, um die
Angelegenheit auf die Traktandenliste zu setzen. Das Parlament wäre
allerdings völlig frei, wie es entscheiden würde. Angesichts dieser Sachlage
erweist sich die Rüge, die Initiative sei undurchführbar, als unbegründet.
Auch liegt kein Verstoss gegen die bundesrechtliche Zuständigkeitsordnung
vor. Vielmehr erscheint das geschilderte Vorgehen als rechtmässig. Der
Zubringer Neufeld ist seit rund dreissig Jahren als Teil des
Nationalstrassennetzes bezeichnet. Es kann der Stadt Bern nicht verwehrt
sein, unter den inzwischen in verschiedenster Hinsicht geänderten rechtlichen
und tatsächlichen Umständen die Frage nochmals aufzuwerfen, ob dieser
Zubringer gebaut werden soll oder nicht.

Insbesondere steht Art. 27d NSG, wonach die betroffenen Gemeinden ihre
Interessen mit Einsprache wahren, der Initiative nicht entgegen. Einerseits
ist diese Bestimmung auf den Normalfall zugeschnitten, in welchem die
Gemeinde, anders als vorliegend, an der Ausführungsprojektierung
grundsätzlich nicht beteiligt ist. Andererseits betrifft diese Bestimmung
Einwendungen gegen das Ausführungsprojekt, betreffen also die Details der
Projektierung, während es vorliegend um die Frage geht, ob die Gemeinde sich
unter den gegebenen Umständen noch grundsätzlich gegen das Vorhaben verwenden
darf.

Die zu beurteilende Initiative ist aufgrund ihres Wortlautes und der
Erklärungen auf dem Unterschriftsbogen auch nicht dahin zu verstehen, dass
die städtischen Behörden direkt oder indirekt angehalten würden, ihre
bundesrechtlichen Aufgaben im Zusammenhang mit der Planung und Ausführung des
Zubringers Neufeld zu verschleppen oder auf andere Weise zu vernachlässigen.
Auch in dieser Hinsicht liegt keine Rechtswidrigkeit vor.

Die Beschwerdeführenden machen weiter geltend, die Initiative stehe in
Widerspruch zu Art. 79 SBG. Aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung
ergebe sich, dass das Projekt für eine Expressstrasse nicht der
Volksabstimmung unterstellt werden dürfe. Dem angefochtenen Entscheid ist zu
entnehmen, dass der Grosse Rat es bei der Beratung des Strassenbaugesetzes in
der Tat ablehnte, in Art. 79 SBG den Ausdruck "Gemeinderat" durch "Gemeinde"
zu ersetzen. Damit sollte verhindert werden, dass der Entscheid über das
Ausführungsprojekt für eine innerstädtische Nationalstrasse einer
Volksabstimmung unterstellt und die Verabschiedung des Ausführungsprojektes
allenfalls blockiert werden könnte. Die hier zu beurteilende Initiative
änderte an dieser Kompetenzregelung indessen nichts. Ihre Annahme hätte nicht
zur Folge, dass das Ausführungsprojekt abgelehnt würde, sondern würde allein
bewirken, dass der Gemeinderat bei den zuständigen Behörden von Kanton und
Bund eine grundsätzliche Neubeurteilung des Zubringers Neufeld zu beantragen
hätte. Die Gutheissung der Initiative änderte mit anderen Worten nichts
daran, dass der Gemeinderat das Ausführungsprojekt weiter zu verfolgen und zu
realisieren hat, wenn es das Bundesparlament ablehnt, den Netzbeschluss zu
ändern.

Der Vorwurf ist daher unberechtigt, die Initiative stehe in Widerspruch zur
Nationalstrassengesetzgebung und zum kantonalen Strassenbaugesetz.

4.
Die Beschwerdeführenden rügen, die Initiative stelle eine Einzelfallregelung
dar. Wenn dies zutrifft, stellt sich die Frage, ob eine auf einen
Einzelfallbeschluss zielende Initiative grundsätzlich zulässig ist, und im
Besonderen, ob eine solche Regelung Gegenstand der Gemeindeordnung nach
bernischem Recht bilden kann.

4.1 Nach ihrem Wortlaut betrifft die Initiative einen Einzelfall, nämlich den
Bau des Nationalstrassenzubringers Neufeld. Der angefochtene Entscheid gibt
allerdings zu bedenken, dass die Initianten auf den Unterschriftenbogen
grundsätzliche Aussagen zur Verkehrspolitik machten: Der motorisierte
Individualverkehr solle am Stadtrand abgefangen und die Leute sollten mit
öffentlichen Verkehrsmitteln in das Stadtzentrum transportiert werden. Die
Vorschrift hätte als Ausdruck einer grundsätzlichen Haltung in
verkehrspolitischen Fragen auch so formuliert werden können, dass sich die
Stadt Bern generell gegen den Bau von weiteren Expressstrassen auf ihrem
Gemeindegebiet einsetze. Sie habe daher vorwiegend programmatischen Charakter
und sei mit anderen Zielnormen der Gemeindeordnung der Stadt Bern
vergleichbar. Diese Ausführungen überzeugen nicht. Tatsache ist, dass die
Initiative nach Wortlaut und Begründung einen konkreten Fall im Auge hat,
d.h. ein bestimmtes Nationalstrassenteilstück, welches nach Auffassung der
Initianten nicht gebaut werden soll. Wie der Beschwerdegegner selbst
ausführt, hätte auch eine allgemeine Formulierung des Initiativbegehrens
nichts daran geändert, dass nur über den Anschluss Neufeld abgestimmt würde,
weil es sich um die einzige noch vorgesehene Expressstrassen-Verbindung des
Zentrums mit dem Autobahnring A12/A1/A6 handelt. Die Initiative formuliert
keine Programmnorm zur städtischen Verkehrspolitik, sondern richtet sich
gegen eine konkrete Strassenverbindung. Wenn sie angenommen würde, so hätte
dies eine programmatische Bedeutung allenfalls aus politischen Gründen, aber
nicht wegen ihres Wortlautes, der keine über den konkreten Fall
hinausreichende und in diesem Sinn normative Bedeutung aufweist.
Gleichzeitig ist allerdings auch festzustellen, dass das umstrittene
Initiativbegehren nicht Verfügungscharakter hat. Es bezweckt nicht, ein
konkretes verwaltungsrechtliches Rechtsverhältnis rechtsgestaltend oder
feststellend in verbindlicher und erzwingbarer Weise zu regeln. Vielmehr
enthält es den Auftrag an den Gemeinderat, aber auch an den Stadtrat, sich
für den Verzicht auf den Zubringer Neufeld einzusetzen, was am ehesten als
fallbezogene Anweisung charakterisiert werden kann, jedenfalls soweit der
Gemeinderat betroffen ist (vgl. zur Abgrenzung von Verfügung und
Dienstanweisung BGE 121 II 473 E. 2a und b S. 477 ff. mit Hinweisen).
Allgemeiner gesagt handelt es sich um eine Auftragsnorm.

4.2 Art. 117 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 (KV)
lässt die kommunale Initiative zu für den Erlass, die Änderung oder die
Aufhebung von Reglementen oder Beschlüssen, die in der Zuständigkeit der
Stimmberechtigten oder des Gemeindeparlamentes liegen. Art. 15 Abs. 1 GG
wiederholt diese Regelung, ebenso Art. 39 der Gemeindeordnung der Stadt Bern
vom 3. Dezember 1998 (GO). Damit lässt das bernische Recht die
Parlamentsbeschlussesinitiative ausdrücklich zu. Anders als für die
Kantonsebene, wo dieses Recht auf Grossratsbeschlüsse beschränkt wird, die
dem Referendum unterstehen (Art. 58 Abs. 1 lit. d KV), sieht der
Verfassungsgeber auf der Gemeindeebene keine Ausnahmen vor. Dennoch sind
gewisse Schranken zu beachten. Eine Initiative hat auf jeden Fall mit dem
übergeordneten Recht vereinbar und durchführbar zu sein und die Einheit der
Form und der Materie zu wahren. Ausserdem bestehen Schranken, die sich aus
der Natur der Sache ergeben (vgl. die Hinweise bei Urs Bolz, in: Kälin/Bolz
(Hrsg.), Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, Bern 1995, S. 123 f.;
Friedli, a.a.O., Art. 17 N. 11, 15 und 19). Insbesondere sind Initiativen zu
Fragen, die ausserhalb des Zuständigkeitsbereiches des Parlamentes bzw. der
Stimmbürger liegen, unzulässig (Friedli, a.a .O., Art. 15 N. 8). Immerhin
wird in der Lehre auch die Auffassung vertreten, es müsse zulässig sein,
indirekt auf Verwaltungsakte der Exekutive im Zusammenhang mit noch nicht
verwirklichten Sachverhalten einzuwirken, solange die Regeln über die
Rückwirkung respektiert würden (Alfred Kölz, Die kantonale Volksinitiative in
der Rechtsprechung des Bundesgerichts, ZBl 83/1982 S. 1 ff., 8).

4.2.1 Wie es sich damit verhält, kann hier offen bleiben, da die Initiative
entgegen der Ansicht der Beschwerdeführenden nicht in die ausschliessliche
Zuständigkeit der Exekutive eingreift. Dies ergibt sich aus dem engen
sachlichen Zusammenhang zwischen der städtischen Verkehrsplanung und -politik
und dem umstrittenen Nationalstrassenzubringer. Die Stadt Bern sieht sich aus
verschiedenen Gründen, namentlich solchen der Luftreinhaltung und des
Lärmschutzes, zwingend veranlasst, im Länggassquartier Massnahmen zur
Verkehrsberuhigung zu projektieren. Je nachdem, ob diese Massnahmen mit oder
ohne die umstrittene Tunnelverbindung konzipiert werden, fallen
unterschiedliche Kosten an, die zudem auf unterschiedliche Weise zwischen
Bund, Kanton und Stadt aufzuteilen sind (vgl. den von der Stadt Bern
eingereichten Entwurf des Vortrags des Gemeinderats an den Stadtrat
betreffend die Variantenabstimmung über die Verkehrsentlastung und
-beruhigung sowie den Lärmschutz im Stadtteil Länggasse-Felsenau sowie den
Entwurf der Botschaft des Stadtrats an die Stimmberechtigten in der gleichen
Sache). Die Initiative betrifft daher einen ausgabenwirksamen Entscheid, der
zumindest teilweise in der Zuständigkeit der Stimmbürgerschaft liegt, obwohl
bei Verwirklichung des Neufeld-Zubringers ein erheblicher Teil der von der
Stadt zu tragenden Kosten eine gebundene Ausgabe darstellen würde.

4.2.2 Weiter betrifft das umstrittene Begehren klarerweise nicht eine streng
rechtssatzgebundene Verwaltungstätigkeit, welche ihrer Natur nach dem
Initiativrecht verschlossen sein muss (Bolz, a.a.O., S. 124).

4.3 Der Regierungsrat hat in E. 5c des angefochtenen Entscheides ausführlich
dargelegt, dass die Verfassung des Kantons Bern und das Gemeindegesetz den
Gemeinden nicht gebieten, in die Gemeindeordnung nur Vorschriften
aufzunehmen, die sich als generell-abstrakte Erlasse, mithin als Gesetze im
materiellen Sinn, charakterisieren lassen. Die Beschwerdeführenden setzen
sich mit diesen Ausführungen nicht auseinander. Da das Bundesgericht auch im
Rahmen der Stimmrechtsbeschwerde nur Rügen zu behandeln hat, die ausreichend
klar und begründet erhoben werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG, vgl. dazu BGE
118 Ia 184 E. 2 S. 188 f.), ist davon auszugehen, dass das kantonale
Verfassungsrecht und das Gemeindegesetz der Aufnahme der mit der Initiative
vorgeschlagenen Bestimmung in die Gemeindeordnung nicht entgegenstehen.

5.
5.1Die Beschwerdeführenden kritisieren, als auf den Einzelfall bezogene
Regelung sei das Initiativbegehren zu unbestimmt. Es sei völlig unklar, was
der Gemeinderat konkret zur Erfüllung der Initiative zu tun habe.

Die Prämisse der Beschwerdeführenden, an die Bestimmtheit der Norm seien
gerade deshalb erhöhte Anforderungen zu stellen, weil ein konkreter
Einzelfall geregelt wird, trifft nicht zu. Vielmehr sind die Anforderungen an
das Bestimmtheitsgebot von Normen nach der zu regelnden Materie, den
Normadressaten und dem Interesse an der Berechenbarkeit des staatlichen
Handelns zu differenzieren (vgl. BGE 123 I 1 E. 4b S. 5 f.; Pierre Tschannen,
Stimmrecht und politische Verständigung, Basel und Frankfurt a.M. 1995, S.
463; Georg Müller, Elemente einer Rechtssetzungslehre, Zürich 1999, Rz. 74
ff. und 220 ff.). Wie vorne dargelegt, sind vorliegend die Handlungsoptionen
des primären Normadressaten - des Gemeinderates - durchaus bekannt. Ein
besonderes Interesse daran, dass die Umsetzung des Initiativbegehrens im
Detail geregelt würde, ist nicht ersichtlich und wird von den
Beschwerdeführenden auch nicht geltend gemacht. Der Vorwurf der zu grossen
Unbestimmtheit der Norm ist unberechtigt.

5.2 Die Beschwerdeführenden machen weiter geltend, sofern die Initiative zur
Abstimmung gelangte, würde eine unzulässige Konsultativabstimmung
durchgeführt.

Es trifft zwar zu, dass die Gemeindeordnung der Stadt Bern von der
Möglichkeit gemäss Art. 21 GG, Konsultativabstimmungen durchzuführen, keinen
Gebrauch macht. Indessen liegt in der Abstimmung über die Initiative keine
Konsultativabstimmung. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Ausgang der
Abstimmung für die Stadtberner Behörden keine rechtliche Bindung erzeugen
würde. Das trifft nicht zu, da ihnen bei Annahme der Initiative ein
verbindlicher Auftrag erteilt würde, sich bei Kanton und Bund für den
Verzicht auf den Zubringer Neufeld einzusetzen. Die Tatsache, dass das
Abstimmungsergebnis die Organe des Kantons und des Bundes nicht bindet,
spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

5.3  Schliesslich rügen die Beschwerdeführenden, die Initiative verstosse
gegen Art. 2 Abs. 2 GO. Danach nimmt die Stadt in eigener Zuständigkeit
weitere Aufgaben wahr, die dem öffentlichen Wohl dienen und für die nicht
ausschliesslich der Bund, der Kanton oder eine andere Organisation zuständig
ist. Die Beschwerdeführenden machen geltend, die Zuständigkeit für den Bau
von Nationalstrassenabschnitten liege ausschliesslich beim Bund und beim
Kanton. Die Stadt könne hier keine eigene Zuständigkeit begründen.

Wie vorne erwähnt (E. 4.2), ist der Bau des Zubringers Neufeld indes
untrennbar mit verkehrsplanerischen Entscheiden verbunden, welche
zweifelsfrei in die Zuständigkeit der Stadt fallen. Diese Abhängigkeit
rechtfertigt es, dass sich die Stadt mit der Frage befasst, ob der Zubringer
gebaut werden solle. Der Vorwurf, die Initiative missachte den der Stadt
zustehenden Zuständigkeitsbereich, ist daher unzutreffend. Aus dem gleichen
Grund hinkt auch der Vergleich mit Initiativen zu Fragen, die in die
abschliessende Zuständigkeit des Kantons oder des Bundes fallen.

6.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Praxisgemäss werden bei Stimmrechtsbeschwerden keine Gerichtskosten erhoben.
Hingegen haben die Beschwerdeführenden dem Beschwerdegegner eine angemessene
Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht :

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Die Beschwerdeführenden haben den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen, unter solidarischer Haftung eines
jeden für den ganzen Betrag.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat der Stadt Bern und dem
Regierungsrat des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Januar 2002

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: