Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.561/2001
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1P.561/2001/sta

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                      31. Oktober 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes-
richter Nay, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber
Kölliker.

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                         In Sachen

W.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Marcel Chr. Grass, Effingerstrasse 16, Bern,

                           gegen

Wirtschaftsstrafgericht des Kantons  B e r n,
Staatsanwaltschaft des Kantons  B e r n, Kantonaler
Prokurator 1,
Obergericht des Kantons  B e r n,

                         betreffend
           Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK
                    (Ablehnungsgesuch),

hat sich ergeben:

     A.- Ab April 1998 ermittelten die Untersuchungsbehörden
des Kantons Bern gegen W.________ und weitere Personen wegen
Vermögens- und Urkundendelikten mit einer Schadenssumme von
mehreren Millionen Franken. Am 1./2. Mai 2000 wurde das ein-
zig gegen W.________ geführte entscheidreife Verfahren wegen
qualifizierter Veruntreuung vom Hauptverfahren, der Vorun-
tersuchung wegen Betruges etc. (Nr. 6/98), abgetrennt und
unter der Nr. 6/98-I fortgesetzt.

        Am 13. Juni 2000 liess W.________ im abgetrennten
Verfahren den Beizug weiterer Akten beantragen. In Gutheis-
sung dieses Antrages verfügte der zuständige Untersuchungs-
richter am 15. Juni 2000, es gälten sämtliche Voruntersu-
chungsakten gegen W.________ und die weiteren Angeschuldig-
ten als im Verfahren Nr. 6/98-I beigezogen. In der Folge
wurden einzelne Unterlagen aus dem Hauptverfahren selektiert
und zu den Akten des Verfahrens Nr. 6/98-I erkannt.

        Mit Beschluss des Untersuchungsrichters und der
Staatsanwaltschaft vom 11. August/3./9./12. Oktober 2000
wurde W.________ wegen qualifizierter Veruntreuung als Notar
und als Vormund sowie wegen Urkundenfälschung dem Wirt-
schaftsstrafgericht des Kantons Bern zur Beurteilung über-
wiesen (Verfahren Nr. 5/2000). Der Angeschuldigte ergriff
gegen den Überweisungsbeschluss Rechtsmittel, auf welche die
Anklagekammer des Obergerichts des Kantons Bern und - im
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde - das Bundesge-
richt nicht eintraten.

     B.- Mit zwei Schreiben vom 15. Mai und 1. Juni 2001 be-
antragte W.________ dem Wirtschaftsstrafgericht, es sei das
Verfahren Nr. 5/2000 bis zum Abschluss der Voruntersu-

chung im Hauptverfahren Nr. 6/98 zu sistieren und anschlies-
send seien beide Verfahren zu vereinigen, eventuell seien
die Akten der Voruntersuchung Nr. 6/98 im Verfahren
Nr. 5/2000 nicht beizuziehen bzw. nicht zu verwenden. Mit
Verfügungen vom 21. Mai und 14. Juni 2001 wies die Verfah-
rensleitung des Wirtschaftsstrafgerichts die Anträge ab.

        Am 3. September 2001, dem ersten Tag der Hauptver-
handlung vor dem Wirtschaftsstrafgericht, liess W.________
diese beiden Anträge erneut stellen. Das Wirtschaftsstrafge-
richt wies den Sistierungsantrag wiederum ab und setzte den
Antrag auf Aktenaussonderung bis auf weiteres aus. Unmittel-
bar darauf beantragte W.________ den Ausstand sämtlicher
Mitglieder des Wirtschaftsstrafgerichts. Das Obergericht des
Kantons Bern wies das Ablehnungsgesuch gleichentags ab.

     C.- Mit Eingabe vom 3. September 2001 hat W.________
gegen das Urteil des Obergerichts eine staatsrechtliche Be-
schwerde eingereicht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils
und rügt eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV sowie Art. 6
Ziff. 1 EMRK.

        Ein Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde
hat der Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung am
4. September 2001 abgewiesen.

     D.- Das Obergericht des Kantons Bern stellt in seiner
Vernehmlassung keine Anträge. Das Wirtschaftsstrafgericht
und die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern beantragen, auf
die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventuell sei sie ab-
zuweisen.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit
freier Kognition, ob und in welchem Umfang auf eine staats-
rechtliche Beschwerde einzutreten ist (BGE 127 III 41 E. 2a
S. 42; 126 I 207 E. 1 S. 209, je mit Hinweisen).

        a) Der angefochtene Entscheid schliesst das Straf-
verfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab, sondern lässt
im Gegenteil dessen Fortführung zu; es handelt sich somit um
einen Zwischenentscheid. Nach Art. 87 Abs. 1 OG (in der seit
1. März 2000 in Kraft stehenden Fassung) ist gegen selbst-
ständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über Aus-
standsbegehren die staatsrechtliche Beschwerde zulässig.
Diese Entscheide können später nicht mehr angefochten wer-
den. Der Beschwerdeführer hat daher die Befangenheitsrüge zu
Recht gegen den Zwischenentscheid vom 3. September 2001 er-
hoben.

        b) Der Beschwerdeführer beanstandet mit umfangrei-
chen Ausführungen verschiedene prozessuale Anordnungen der
Untersuchungsbehörden und des Wirtschaftsstrafgerichts, um
damit die Verletzung seines verfassungs- und konventionsmäs-
sigen Anspruchs auf einen unabhängigen und unvoreingenomme-
nen Richter zu begründen. Seine Ausführungen sind jedoch of-
fensichtlich nicht geeignet, grobe Fehlentscheidungen darzu-
tun, die allein einen Ausstandsgrund bilden können (BGE 116
Ia 135 E. 3a S. 138), so dass sich die Beschwerde als unbe-
gründet erweist, soweit auf sie gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b
OG eingetreten werden kann.

        Eine staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung
der Garantie eines unabhängigen und unvoreingenommenen Rich-
ters dient zudem nicht dazu, Zwischenentscheide, gegen die
sie nach Art. 87 OG nicht zulässig ist, auf einem Umweg doch
anzufechten, weshalb, soweit dies der Fall ist, auf die Be-
schwerde von vornherein nicht einzutreten ist.

     2.- Demnach ist die staatsrechtliche Beschwerde abzu-
weisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

        Dem Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche
Rechtspflege kann nicht entsprochen werden, da die in der
Beschwerde vorgetragenen Rügen von vornherein aussichtslos
waren (Art. 152 OG). Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend
hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu
tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht
               im Verfahren nach Art. 36a OG:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf eingetreten werden kann.

     2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird ab-
gewiesen.

     3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem
Wirtschaftsstrafgericht, der Staatsanwaltschaft, Kantonaler
Prokurator 1, und dem Obergericht des Kantons Bern schrift-
lich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 31. Oktober 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: