Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.477/2001
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1P.477/2001 /bmt

Urteil vom 25. Juni 2002

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Nay, Féraud,
Gerichtsschreiber Pfäffli.

Roger Bartholdi, Bachwiesenstrasse 111, 8047 Zürich,
Beschwerdeführer,

gegen

Stadt Zürich, vertreten durch den Stadtrat, Stadthaus, Postfach, 8022 Zürich,
Regierungsrat des Kantons Zürich, 8090 Zürich, vertreten
durch die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich, 8090
Zürich.

Gemeindeabstimmung vom 26. November 2000; Vorlage betreffend
Städtepartnerschaft Zürich-Kunming; Rahmenkredit für die Jahre 2000 und 2001
von Fr. 1'325'000.--; Formulierung des Stimmzettels und der
Abstimmungszeitung

(Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Regierungsrats des
Kantons Zürich vom 13. Juni 2001)
Sachverhalt:

A.
Der Gemeinderat der Stadt Zürich bewilligte am 12. Juli 2000 in teilweiser
Änderung der ihm vom Stadtrat unterbreiteten Weisung Nr. 204 vom 24. Mai 2000
einen Rahmenkredit von Fr. 1'325'000.-- für die Städtepartnerschaft
Zürich-Kunming betreffend die Jahre 2000 und 2001. Gleichzeitig legte er
unter Ziffer I.b die Teilbeträge pro Rechnungsjahr und Projekt in den
Bereichen "Nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung", "Ressourcen Wasser
und Energie" sowie "Kultur" fest. In Ziffer II des Beschlusses wurde
schliesslich bestimmt, dass die Kreditbewilligung die Verpflichtung enthalte,
sich für die Einhaltung der Menschenrechte und des Rechtsstaates einzusetzen
und auf der Grundlage der Solidarität einen Beitrag zur zukunftsfähigen und
umweltschonenden Entwicklung der Stadt Kunming zu leisten. Gegen diesen
Beschluss wurde innert Frist das Referendum ergriffen, worauf der Stadtrat
die Vorlage am 4. Oktober 2000 den Stimmberechtigten zu der auf den 26.
November 2000 anberaumten Abstimmung unterbreitete.

B.
Gegen die Bezeichnung der Abstimmungsvorlage in der entsprechenden Zeitung
und auf dem Stimmzettel sowie gegen die Kürzung des vom Referendumskomitee
verfassten Argumentariums erhob u.a. Roger Bartholdi mit Eingabe vom 8.
Oktober 2000 beim Bezirksrat Zürich Aufsichtsbeschwerde. Des Weiteren erhob
Roger Bartholdi am 9. Oktober 2000 Stimmrechtsbeschwerde.

Mit Beschluss vom 23. November 2000 vereinigte der Bezirksrat Zürich die
beiden Verfahren. Er behandelte beide Eingaben als Stimmrechtsbeschwerden und
wies sie ab.

C.
Am 26. November 2000 stimmten die Stimmberechtigten der Stadt Zürich der
Vorlage betreffend Rahmenkredit für die Städtepartnerschaft Zürich-Kunming
mit 51'902 Ja-Stimmen gegen 28'716 Nein-Stimmen zu.

D.
Gegen den Beschluss des Bezirksrats Zürich erhob Roger Bartholdi am 26.
Dezember 2000 Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Zürich und beantragte
die Aufhebung des Ergebnisses der Gemeindeabstimmung vom 26. November 2000
betreffend die Städtepartnerschaft Zürich-Kunming. Der Regierungsrat wies mit
Beschluss vom 13. Juni 2001 die Beschwerde ab.

E.
Gegen diesen Beschluss des Regierungsrats des Kantons Zürich hat Roger
Bartholdi beim Bundesgericht am 16. Juli 2001 staatsrechtliche Beschwerde im
Sinne von Art. 85 lit. a OG erhoben. Er beantragt, es sei das
Abstimmungsergebnis der Gemeindeabstimmung vom 26. November 2000 betreffend
Städtepartnerschaft Zürich Kunming, Rahmenkredit für die Jahre 2000 und 2001
von Fr. 1'325'000.-- aufzuheben. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung
des Stimmrechts. Er macht im Wesentlichen geltend, die Stimmbürger seien
durch die Formulierung und Gestaltung des Stimmzettels und der
Abstimmungszeitung irregeführt und in ihrer freien Meinungsbildung
beeinträchtigt worden.

Der Stadtrat von Zürich und der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragen
in ihren Vernehmlassungen Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach Art. 85 lit. a OG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden betreffend
die politische Stimmberechtigung der Bürger in kantonalen Wahlen und
Abstimmungen. Als kantonal geltend auch Wahlen und Abstimmungen in den
Gemeinden (BGE 120 Ia 194 E. 1a; 119 Ia 167 E. 1a). Um eine solche Abstimmung
geht es im vorliegenden Fall. Der Beschwerdeführer ist in der Stadt Zürich
stimmberechtigt und legitimiert, den angefochtenen, kantonal
letztinstanzlichen (Art. 86 Abs. 1 OG; Christoph Hiller, Die
Stimmrechtsbeschwerde, Diss. Zürich 1990, S. 63) Beschwerdeentscheid des
Regierungsrats wegen Verletzung seines Stimmrechts anzufechten (BGE 121 I 357
E. 2a; 120 Ia 194 E. 1c).

1.2 Nicht einzutreten ist allerdings auf die Beschwerde insoweit, als der
Beschwerdeführer über die Aufhebung des angefochtenen Entscheids
hinausgehende Anträge stellt, da die Stimmrechtsbeschwerde, von hier nicht
zutreffenden Ausnahmen abgesehen, kassatorischer Natur ist (BGE 119 Ia 167 E.
1f S. 173).

1.3 Das Bundesgericht behandelt auch im Rahmen der Stimmrechtsbeschwerde nur
Rügen, die den Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
entsprechen (BGE 118 Ia 184 E. 2 S. 188 f.). Nach dieser Bestimmung muss eine
staatsrechtliche Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste
Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche
Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt
worden sind. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht
nur klar und detailliert erhobene Rügen (BGE 127 I 38 E. 3c mit Hinweisen).

2.
Das vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleistete, bisher ungeschriebene,
neu in Art. 34 Abs. 2 BV als Grundrecht verankerte Stimmrecht gibt dem Bürger
allgemein den Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird,
das nicht den freien Willen der Stimmbürger zuverlässig und unverfälscht zum
Ausdruck bringt (BGE 121 I 138 E. 3 mit Hinweisen). Der Wille der Stimmbürger
kann namentlich durch eine unrichtige Fragestellung auf dem Stimmzettel
verfälscht werden. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung trifft die
Behörden daher bei der Formulierung der Abstimmungsfrage eine erhöhte
Sorgfaltspflicht, welche die vom Bundesgericht im Zusammenhang mit amtlichen
Erläuterungen aufgestellten Anforderungen übersteigt. Die Frage muss klar und
objektiv abgefasst sein, darf weder irreführend sein noch suggestiv wirken
und muss allfälligen besonderen Vorschriften des kantonalen Rechts genügen
(BGE 121 I 1 E. 5b/aa S.12). Allerdings darf zumindest bei komplexen
Fragestellungen vom Stimmbürger erwartet werden, dass er nicht nur den
Stimmzettel liest, sondern auch die ihm zugestellten amtlichen Unterlagen, da
die Abstimmungsfrage in den meisten Fällen keine genügende, mögliche Irrtümer
ausschliessende Information darstellt (BGE 121 I 1 E. 5b/bb S. 13).

3.
3.1Der Beschwerdeführer beanstandet die Formulierung des Stimmzettels. Der
Gemeinderatsbeschluss vom 12. Juli 2000 sei auf dem Stimmzettel willkürlich
geändert worden. Es gebe keinen plausiblen Grund für die Aufteilung des
Rahmenkredits in zwei Teilbeträge für die Jahre 2000 und 2001. Auch die
Verwendung des Wortes "gekürzter" in der Bezeichnung der Vorlage sei
irreführend.

3.2 Der Regierungsrat behandelte diese Rügen bereits einlässlich in seinem
angefochtenen Beschluss. Im Zusammenhang mit der beanstandeten Aufteilung des
Kreditbetrages legt er u.a. dar, dass es den Stimmberechtigten ohne weiteres
möglich gewesen sei, durch einfache Addition der beiden Teilsummen, die
Gesamthöhe des Rahmenkredites zu ermitteln. Hinsichtlich des Begriffes
"gekürzter Rahmenkredit" führte er beispielsweise aus, dieser Begriff
unterstelle keineswegs zwingend, dass ein bestehender Kredit gekürzt werden
solle. Es lasse sich auch die Interpretation vertreten, die fragliche
Formulierung weise auf den Umstand hin, dass der Gemeinderat dem
stadträtlichen Antrag in finanzieller und zeitlicher Hinsicht nicht im vollem
Umfang entsprochen habe. Die Problematik des Begriffes liege weniger in
dessen suggestiver Wirkung als im Umstand, dass zufolge fehlender Angaben der
Vergleichsgrösse in der Abstimmungsfrage nicht auf den ersten Blick
ersichtlich sei, worauf sich die Kürzung beziehe. Allerdings gehe bereits aus
der ersten Seite der Abstimmungszeitung - deren zumindest summarische
Konsultation von den Stimmberechtigten, angesichts der ungewöhnlichen
Beschlussfassung des Gemeinderates, erwartet werden durfte - klarerweise
hervor, dass im Rahmen der Urnenabstimmung über einen neuen Rahmenkredit
befunden wurde.

Der Beschwerdeführer setzt sich in seiner Beschwerde mit den
regierungsrätlichen Erwägungen - wenn überhaupt - nur mangelhaft auseinander.
Insbesondere geht er mit keinem Wort auf die Ausführungen des Regierungsrates
ein, wonach bereits eine summarische Konsultation der Abstimmungszeitung,
welche dem Stimmbürger zugemutet werden darf, die behauptete Unklarheit
geklärt hätte. Die Beschwerde genügt insoweit den Begründungsanforderungen
von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht.

4.
Weiter beanstandet der Beschwerdeführer, dass der vom Referendumskomitee
eingereichte Text in der Abstimmungszeitung bloss in massiv gekürzter Form
wiedergegeben worden sei. So sei der Passus gestrichen worden, wonach die
chinesischen Machthaber seit ihrer Machtergreifung den Tod von mehr als 50
Mio. Menschen zu verantworten hätten. Ausserdem sei der Begriff "Wirtschaft"
durch "Gewerbe" ersetzt worden.

Der Regierungsrat verneinte eine einseitige Beeinflussung bzw. Manipulation
der Stimmberechtigten. Zusammenfassend führte er aus, der erwähnte Passus sei
zwar in "Die chinesischen Kommunisten haben seit ihrer Machtergreifung
Menschen aus politischen, ethnischen und religiösen Gründen verfolgt,
verhaftet und getötet" umformuliert worden. Lediglich aus dem fehlenden
Hinweis auf die Anzahl zu Tode gekommener Menschen in der Abstimmungszeitung
könne keine einseitige Beeinflussung der Stimmberechtigten abgeleitet werden.
Eine solche Beeinflussung sei auch durch den angeblichen Austausch des
Begriffes "Wirtschaft" durch "Gewerbe" nicht nachvollziehbar.

Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt - soweit überhaupt den
Begründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügend -, überzeugt
nicht. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern entgegen der Auffassung des
Regierungsrats insoweit von einer Irreführung der Stimmbürger gesprochen
werden müsste. Die entsprechenden Erwägungen des Regierungsrats, auf die
gemäss Art. 36a Abs. 3 OG verwiesen werden kann, sind zutreffend. Die
Beschwerde ist deshalb in diesem Punkt abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann.

5.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Praxisgemäss werden bei Stimmrechtsbeschwerden keine
Kosten erhoben.

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Stadt Zürich (Stadtrat) und dem
Regierungsrat des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Juni 2002

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: