Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.467/2001
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1P.467/2001/sch

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                      22. Oktober 2001

Es wirken mit: Bundesrichter Nay, präsidierendes Mitglied
der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Aeschlimann, Bundesrichter Catenazzi und Gerichtsschreiber
Störi.

                         ---------

                         In Sachen

X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Ulrich Würgler, Obergasse 26, Winterthur,

                           gegen

Obergericht des Kantons  Z ü r i c h, II. Strafkammer,
Staatsanwaltschaft des Kantons  Z ü r i c h,
Kassationsgericht des Kantons  Z ü r i c h,

                         betreffend
                      Strafverfahren,

hat sich ergeben:

     A.- Das Bezirksgericht Bülach verurteilte X.________
am 28. Januar 1997 wegen Verstosses gegen Art. 19 Ziff. 1
Abs. 3 und 6 BetmG, mehrfacher Übertretung von Art. 19a
Ziff. 1 BetmG (in der Fassung vom 20. März 1975), Fahrens
in angetrunkenem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1 SVG
sowie grober Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90
Ziff. 2 SVG in Verbindung mit Art. 31 Abs. 2 SVG und Art. 2
Abs. 1 VRV zu drei Monaten Gefängnis unbedingt. Es hielt für
erwiesen, dass er Ende 1994 als Vertreter des "Kollektivs
für sinnvolle Nutzung der Ressourcen und gegen staatlich
geförderte Schindluderei" an der Einfuhr eines Paketes mit
über 500 g Hanfkraut mitwirkte und zwischen dem 1. Januar
1995 und dem 31. Oktober 1996 an unbestimmten Orten in der
Schweiz, u.a. im Raum Winterthur und Ossingen, "in unbe-
stimmten Malen unregelmässig Hanfkraut (Marihuana)-Joints
rauchte und weitere THC-haltige Produkte konsumierte". Aus-
serdem habe er am 23. August 1995, um 01.15 Uhr, in Winter-
thur mit seinem Lieferwagen von einem Parkfeld wegfahren
wollen, obwohl seine Fahrfähigkeit durch den Konsum von
Alkohol und Cannabis eingeschränkt gewesen sei. In der Nacht
vom 14. Mai 1996 sei er zudem mit einem Personenwagen von
Locarno nach Zürich gefahren, wobei er nicht fahrfähig gewe-
sen sei, da er untertags derartige Mengen Hanfkraut geraucht
und weitere THC-haltige Produkte konsumiert habe, dass sein
peripheres Blut einen THC-Wert von mindestens 8 ng/ml und
einen THC-Carbonsäure-Wert von mindestens 90 ng/ml aufgewie-
sen habe.

     B.- Mit Beschluss vom 2. Februar 1998 trat das Oberge-
richt des Kantons Zürich auf die Berufung von X.________
wegen Verspätung nicht ein und wies das Fristwiederherstel-

lungsgesuch ab. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich
hiess die von X.________ dagegen erhobene Nichtigkeits-
beschwerde gut und hob den obergerichtlichen Beschluss auf.

     C.- Mit Urteil vom 22. Dezember 1999 verurteilte das
Obergericht X.________ wegen Zuwiderhandlung gegen Art. 19
Ziff. 1 Abs. 3 und 6 BetmG und Fahrens in angetrunkenem
Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1 SVG. Von den  übrigen
Anklagepunkten sprach es ihn frei und bestrafte ihn mit
drei Monaten Gefängnis unbedingt.

        Das Kassationsgericht wies die von X.________ er-
hobene Nichtigkeitsbeschwerde am 1. Juni 2001 ab, soweit es
darauf eintrat.

     D.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 9. Juli 2001
beantragt X.________, die Urteile des Kassationsgerichts vom
1. Juni 2001 und des Obergerichts vom 22. Dezember 1999 auf-
zuheben. Ausserdem ersucht er, seiner Beschwerde aufschie-
bende Wirkung zuzuerkennen und ihm unentgeltliche Rechts-
pflege und Verbeiständung zu gewähren.

     E.- Mit Verfügung vom 17. August 2001 erkannte der
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundes-
gerichts der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu.

     F.- Staatsanwaltschaft, Obergericht und Kassationsge-
richt verzichten auf Vernehmlassung.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Beim angefochtenen Urteil des Kassationsgerichts
handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen End-
entscheid gegen den die staatsrechtliche Beschwerde zulässig
ist (Art. 86 Abs. 1 OG).

        b) Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, ge-
stützt auf die in BGE 94 I 459 begründete, sogenannte
"Dorénaz-Praxis" auch zur Anfechtung des obergerichtlichen
Urteils befugt zu sein.

        Nach dieser in BGE 111 Ia 353 E. 1b präzisierten
und seither konstanten Rechtsprechung kann der Entscheid
einer unteren Instanz mitangefochten werden, wenn die letzte
kantonale Instanz die vor Bundesgericht erhobenen Rügen
nicht oder nur mit einer engeren Prüfungsbefugnis beurteilen
konnte, als sie dem Bundesgericht zusteht (BGE 118 Ia 165
E. 2b S. 169, 117 Ia 412 E. 1b; vgl. auch BGE 120 Ia 19
E. 2b). Der Beschwerdeführer macht geltend, diese Voraus-
setzungen seien in Bezug auf die von ihm aufgeworfene "Frage
der antizipierten Beweiswürdigung" erfüllt, da diese vom
Bundesgericht frei, vom Kassationsgericht jedoch nur auf
Willkür überprüft werde.

        Das Bundesgericht umschreibt seine Prüfungsbefugnis
für die Rüge, ein Beweisantrag sei zu Unrecht abgelehnt wor-
den, wie folgt:

        Nach den aus Art. 9 BV fliessenden Verfahrensga-
rantien sind alle Beweise abzunehmen, die sich auf Tatsachen
beziehen, die für die Entscheidung erheblich sind (BGE 117
Ia 262 E. 4b; 106 Ia 161 E. 2b; 101 Ia 169 E. 1, zu Art. 4
aBV, je mit Hinweisen). Das hindert aber den Richter nicht,

einen Beweisantrag abzulehnen, wenn er in willkürfreier
Überzeugung der bereits abgenommenen Beweise zur Überzeugung
gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend
abgeklärt, und er überdies in willkürfreier antizipierter
Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise annehmen kann,
seine Überzeugung werde auch durch diese nicht mehr geändert
(BGE 122 V 157 E. 1d; 19 Ib 492 E. 5b/bb, zu Art. 4 aBV).

        Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass das Bundes-
gericht die Beweiswürdigung auch auf diese Rüge hin nur auf
Willkür prüft; seine Prüfungsbefugnis ist damit entgegen der
Behauptung des Beschwerdeführers nicht weiter als diejenige
des Kassationsgerichts. Auf den Antrag, den Entscheid des
Obergerichts aufzuheben, ist danach mangels Letztinstanz-
lichkeit im Sinne von Art. 86 Abs. 1 OG nicht einzutreten.

        c) Der Beschwerdeführer ist durch die strafrechtli-
che Verurteilung in seinen rechtlich geschützten Interessen
berührt (Art. 88 OG) und er macht die Verletzung von verfas-
sungsmässigen Rechten geltend (Art. 84 Abs. 1 lit. b OG). Da
diese und die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt
sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

        d) Die staatsrechtliche Beschwerde ermöglicht in-
dessen keine Fortsetzung des kantonalen Verfahrens. Das Bun-
desgericht prüft in diesem Verfahren nur in der Beschwerde-
schrift erhobene, detailliert begründete und soweit möglich
belegte Rügen. Der Beschwerdeführer muss den wesentlichen
Sachverhalt darlegen, die als verletzt gerügten Verfassungs-
bestimmungen nennen und überdies dartun, inwiefern diese
verletzt sein sollen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 125 I
492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c).

        Die Beschwerdeschrift enthält über weite Strecken
appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil oder Kritik an
der Anwendung des Bundesstrafrechts, indem z.B. die Tatbe-

standsmässigkeit der tatsächlichen Anklagevorwürfe bestrit-
ten wird. Soweit im Folgenden auf Ausführungen in der Be-
schwerde nicht eingegangen wird, erfüllen sie die gesetzli-
chen Begründungsanforderungen nicht oder beanstanden unzu-
lässigerweise die Anwendung des materiellen Strafrechts.

     2.- a) Der Beschwerdeführer macht geltend, das ober-
gerichtliche Urteil sei nichtig, weil es auf einer überhol-
ten Anklageschrift beruhe. Die Bezirksanwaltschaft habe am
30. Oktober 1995 eine Anklageschrift erstellt, diese zurück-
gezogen und durch eine neue Anklage vom 31. Oktober 1996 er-
setzt, aufgrund welcher der Beschwerdeführer dann erstin-
stanzlich verurteilt worden sei. Das obergerichtliche Urteil
beruhe irrtümlicherweise auf der Anklageschrift vom 30. Ok-
tober 1995 und sei nichtig, was vom Kassationsgericht hätte
berücksichtigt werden müssen. Dieses habe sich mit der Spe-
kulation begnügt, der Abdruck der falschen Anklage im ober-
gerichtlichen Urteil beruhe offenbar auf einem Kanzleiver-
sehen und es habe sich nicht die Mühe genommen, zu unter-
suchen, ob das Obergericht nicht vielleicht doch auf die
zurückgezogenen Vorwürfe der Anklageschrift vom 30. Oktober
1995 abgestellt habe.

        b) Nichtig ist ein Entscheid, wenn der ihm anhaf-
tende Mangel besonders schwer ist, wenn er offensichtlich
oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die
Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht
ernsthaft gefährdet wird. Die Nichtigkeit eines Entscheides
ist jederzeit und von sämtlichen staatlichen Instanzen von
Amtes wegen zu beachten (BGE 118 Ia 336 E. 2a S. 340; 116 Ia
215 E. 2c S. 219; 113 IV 123 ff.).

        c) Bei einer strafrechtlichen Verurteilung, die tat-
sächlich auf einer falschen - etwa einer zurückgezogenen -
Anklage beruht, könnte sich in der Tat die Frage stellen,

ob der ihr anhaftende Mangel nicht derart schwer wiegt, dass
man sie als nichtig ansehen müsste. Im vorliegenden Fall ist
indessen das Kassationsgericht davon ausgegangen, dass die
obergerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers auf der
richtigen Anklage - derjenigen vom 31. Oktober 1996 - be-
ruht, dass aber bei der Ausfertigung des Urteils aufgrund
eines Kanzleiversehens dem Urteil die überholte Anklage vom
30. Oktober 1995 beigefügt wurde. Der Beschwerdeführer
bringt nichts vor, das gegen diese Auffassung spräche. Im
Gegenteil führt er selber aus, dass das Obergericht in
Ziff. 2 auf S. 16 eine Verkehrsregelverletzung beurteilte,
die nur in der Anklageschrift vom 31. Oktober 1996, nicht
aber in derjenigen vom 30. Oktober 1995 enthalten war, was
nur bedeuten kann, dass das obergerichtliche Urteil effektiv
auf der richtigen Anklage beruht. Es kann unter diesen Um-
ständen keine Rede davon sein, dass es wegen der der Ur-
teilsausfertigung beigefügten falschen Anklage nichtig wäre.
Die Rüge ist unbegründet.

     3.- a) Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des in
§ 33 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai
1919 (StPO), Art. 29 Abs. 1 BV sowie Art. 5 Ziff. 3 EMRK und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK verankerten Beschleunigunsgebotes. Die
ihm vorgeworfenen Taten - der Verstoss gegen das BetmG und
das SVG-Delikt - hätten im November 1994 und im August 1995
stattgefunden; die Strafverfolgungsbehörden hätten aus eige-
nem Verschulden bis zum 22. Dezember 1999 und damit viel zu
lange gebraucht, um das ordentliche kantonale Verfahren mit
dem Urteil des Obergerichts zum Abschluss zu bringen. Es
liege, zumal als auch heute, 7 Jahre nach Verwirklichung des
Sachverhaltes, noch kein rechtskräftiges Urteil ergangen
sei, eine besonders schwere Verfahrensverzögerung vor, wel-
che als Verfahrenshindernis hätte berücksichtigt werden müs-
sen.

        b) Zu Recht bringt der Beschwerdeführer vor, die
Rüge der unmittelbaren Verletzung der EMRK oder der Bundes-
verfassung sei mit staatsrechtlicher Beschwerde vorzubrin-
gen. Mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde können
lediglich Rügen einer mittelbaren Verletzung der Bundesver-
fassung oder der EMRK, d.h. einer nicht verfassungs- bzw.
nicht konventionskonformen Auslegung und Anwendung von Bun-
desrecht erhoben werden (BGE 124 I 139 E. 2a; 119 IV 107
E. 1a und b).

        c) Davon geht an sich auch das Kassationsgericht
im angefochtenen Entscheid aus, indem es ausführt, auf die
Rüge der Verletzung des Beschleunigungsgebotes könne es in-
sofern nicht eintreten, als damit geltend gemacht werde, sie
hätte eine angemessene Berücksichtigung bei der Strafzumes-
sung finden müssen; dabei gehe es um die konventionskonforme
Anwendung von Bundesrecht (Art. 63 ff. StGB) und damit nur
indirekt um eine Frage der Verletzung der EMRK. Gleiches
gelte, soweit die Sanktion der völligen Straflosigkeit an-
gesprochen werde.

        Auf der anderen Seite könne sich indessen auch die
Frage stellen, ob als Folge der Verletzung des Beschleuni-
gungsgebotes ein prozessuales Verfahrenshindernis vorliege.
Auf diese Frage könne es im kantonalen Verfahren eintreten;
diese Rechtsfolge komme aber nur als ultima ratio bei beson-
ders schweren Verfahrensverzögerungen in Betracht (angefoch-
tener Entscheid E. 2c S. 8). Mit dieser Auffassung, eine
(krasse) Verletzung des Beschleunigungsgebotes könne zu
einem prozessualen Verfahrenshindernis führen, setzt es sich
indessen mit seiner eigenen, von ihm selber zitierten, mit
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Einklang stehenden
Praxis (ZR 90/1991 Nr. 47) in Widerspruch, wonach auch diese
Rechtsfolge einer Verletzung des Beschleunigungsgebots mate-
riellrechtlicher Natur ist. Ob die Verletzung des Beschleu-

nigungsgebotes den Strafanspruch des Staates bloss schmälert
und damit zu einer Reduktion des Strafmasses führt, oder
diesen als ultima ratio ganz untergehen lässt und dann je-
denfalls im Kanton Zürich nach der Praxis des Kassations-
gerichts zu einem Nichteintreten auf die Anklage führt, ist
gleichermassen eine Frage des materiellen Bundesstrafrechts.
Zwischen den beiden Rechtsfolgen der Verletzung des Be-
schleunigungsverbotes besteht lediglich ein gradueller
Unterschied, es kann daher nicht sein, dass sich die eine
nach Prozessrecht, die andere nach materiellem Recht rich-
tet.

        d) Zu Recht rügt der Beschwerdeführer nach dem
Gesagten nicht, das Kassationsgericht hätte sich mit der
Frage auseinandersetzen müssen, ob das Obergericht die
(angebliche) Verletzung des Beschleunigungsgebotes bei der
Strafzumessung hätte berücksichtigten müssen. Er macht in-
dessen geltend, das Obergericht hätte die überlange Verfah-
rensdauer als Verfahrenshindernis berücksichtigen müssen.
Er rügt somit, das Kassationsgericht habe verkannt, dass das
Obergericht aus der Verletzung des Beschleunigungsgebotes zu
Unrecht nicht diese rechtliche Konsequenz gezogen habe. Ob
dies zutrifft oder nicht, ist nach dem Gesagten eine Frage
des materiellen Bundesrechts. Dass das Kassationsgericht
dies, anders als in ZR 90/1991 Nr. 47, verkannte und die
Rüge behandelte, ändert daran nichts; dies hat nur zur
Folge, dass unter diesen Umständen das angefochtene Urteil
in diesem Punkt ausnahmsweise mit Nichtigkeitsbeschwerde
beim Kassationshof hätte angefochten werden können und
müssen.

        Vorliegend kann indessen offen bleiben, ob die vom
Beschwerdeführer erhobene staatsrechtliche Beschwerde inso-
weit als Nichtigkeitsbeschwerde entgegen genommen werden
könnte, da eine solche offensichtlich unbegründet wäre: Die

Dauer des Strafverfahrens vom Beginn der Aufnahme der Er-
mittlungen gegen den Beschwerdeführer Ende 1994/Anfang 1995
bis zum obergerichtlichen Urteil vom 22. Dezember 1999 und
dem rund anderthalb Jahre danach ergangenen Urteil des Kas-
sationsgerichts erscheint unter den gegebenen Umständen
(insbesondere der Gutheissung einer Nichtigkeitsbeschwerde
durch das Kassationsgericht) von vornherein nicht als derart
lang, als dass das Obergericht nicht mehr auf die Anklage
hätte eintreten dürfen, kann diese Rechtsfolge doch nur als
ultima ratio bei besonders schwerwiegenden Verfahrensverzö-
gerungen in Betracht kommen.

        Ob das Obergericht die nach Auffassung des Be-
schwerdeführers überlange Dauer des Verfahrens unter dem
Gesichtspunkt des Beschleunigungsgebotes strafmindernd hätte
berücksichtigen können bzw. müssen, kann hier nicht geprüft
werden. Diese Frage hat auch das Kassationsgericht zu Recht
als Frage des materiellen Bundesstrafrechts eingestuft und
ist darauf nicht eingetreten; diese Rüge hätte der Beschwer-
deführer daher mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde
gegen das Urteil des Obergerichts vom 22. Dezember 1999
erheben müssen, im jetzigen Zeitpunkt wäre sie verspätet.

     4.- Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, die
Beweise in verschiedener Hinsicht zu seinen Lasten willkür-
lich gewürdigt und dem Kassationsgericht, dies verkannt zu
haben.

        a) Willkürlich handelt ein Gericht, wenn es seinem
Entscheid Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die mit den
Akten in klarem Widerspruch stehen. Im Bereich der Beweis-
würdigung besitzt der Richter einen weiten Ermessensspiel-
raum. Das Bundesgericht greift im Rahmen einer staatsrecht-
lichen Beschwerde nur ein, wenn die Beweiswürdigung offen-

sichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Ver-
sehen beruht (BGE 124 I 208 E. 4a; 117 Ia 13 E. 2c; 18 E. 3c
je mit Hinweisen).

        b) Die Anklage vom 31. Oktober 1996 wirft dem Be-
schwerdeführer vor, "als Vertreter und geschäftsführender
Koordinator" der losen Vereinigung des "Kollektivs für sinn-
volle Nutzung der Ressourcen und gegen staatlich geförderte
Schindluderei" ein Postfach eröffnet zu haben. Als solcher
habe er den Schlüssel zu diesem Postfach besessen und es
zugelassen und gebilligt, dass ein unbekannter Interessent
des Kollektivs für 200 US-Dollar in Jamaica eine Postsendung
Marihuana bestellt habe. Dieses Postpaket hätte der Be-
schwerdeführer abholen, bei sich zu Hause aufbewahren und
an den Interessenten oder an einen Dritten übergeben sollen,
wobei er in Kauf genommen hätte, dass die Betäubungsmittel
konsumiert worden wären. Dieses Vorhaben sei an der Be-
schlagnahme des Betäubungsmittel-Paketes durch den engli-
schen Zoll gescheitert.

        c) Das Obergericht stützte sich bei seiner Beweis-
würdigung im Wesentlichen auf folgende Aussagen, die der
Beschwerdeführer in der Untersuchung machte und nicht wider-
rief:

        Zur Frage nach seiner Stellung im genannten Kollek-
tiv habe er angegeben, das Postfach eingerichtet, einen
Schlüssel dazu besessen und gewusst zu haben, dass über 500
Päckchen mit Marihuana darüber "gegangen" seien. Er sei zwar
nicht dabei gewesen, als das fragliche Paket bestellt worden
sei; sie hätten indessen im Kollektiv beschlossen, Hanfsamen
zu bestellen. Es seien viele Samen gekommen, auch in Form
von Blüten. Hanfkraut sei für ihn das Gleiche wie Blüten mit
Samen oder Samen in Blüten. Er habe gewusst, dass es sich

bei den jeweiligen Sendungen um Hanfkraut gehandelt habe und
wisse auch, dass dieses unter das Betäubungsmittelgesetz
falle.

        Auf Grund dieser Aussagen hält das Obergericht für
erwiesen, dass der Beschwerdeführer an der Einfuhr des Be-
täubungsmittel-Paketes mitwirkte und dieses, wenn es nicht
vom Zoll abgefangen worden wäre, abgeholt und für das Kol-
lektiv zur Verfügung gehalten hätte. Zudem ging es davon
aus, dass der Beschwerdeführer wusste, dass nicht nur Hanf-
samen, sondern auch Hanfkraut geliefert wurde und selber
davon ausging, dass davon konsumiert würde.

        d) Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was ge-
eignet wäre, diese Beweiswürdigung unhaltbar erscheinen zu
lassen. Nach seinen eigenen Angaben beschloss das Kollektiv,
Hanfsamen zu bestellen, wobei der Beschwerdeführer Hanfsamen
ausdrücklich mit Hanfkraut gleichsetzte. Ausserdem war er
es, der, im Wissen um den angestrebten Zweck - die Einfuhr
von Hanfsamen und jedenfalls teilweise für den Konsum be-
stimmtem Hanfkraut (Marihuana) - ein Postfach einrichtete
und einen Schlüssel dafür behielt. Von diesem Sachverhalt
konnte das Obergericht offensichtlich willkürfrei ausgehen.
Ob diese tatsächliche Grundlage für eine Verurteilung aus-
reicht, ist eine Frage des materiellen Bundesstrafrechtes,
die hier nicht zu prüfen ist. Die Rüge ist unbegründet.

        Wie bereits das Kassationsgericht dargetan hat,
bezeichnete das Obergericht den Beschwerdeführer anders
als die Anklage nicht als "geschäftsführenden Koordinator",
weshalb es unerheblich ist, ob diese Bezeichnung die Tätig-
keit des Beschwerdeführers für das Kollektiv zutreffend um-
schreibt. Es verstiess auch keineswegs gegen das Anklage-
prinzip, indem es sich damit begnügte, zu prüfen und zu be-
jahen, ob der Beschwerdeführer die in der Anklage aufgeführ-

ten Tätigkeiten für das Kollektiv effektiv ausführte, ohne
sich weiter mit der Frage zu beschäftigen, ob der Beschwer-
deführer angesichts seiner Funktionen im Kollektiv als des-
sen "geschäftsführender Koordinator" oder bloss als dessen
"Schreiber", wie er sich selber bezeichnet, anzusehen ist,
wobei ohnehin nicht klar ist, was unter diesen wenig aus-
sagekräftigen Titeln eigentlich genau zu verstehen wäre. In
der Einvernahme durch den Bezirksanwalt vom 20. Oktober 1995
hat der Beschwerdeführer zudem selber erklärt, man habe ihn
zum "Inhaber und Geschäftsführer" des Kollektivs bestimmt,
weshalb es ohnehin widersprüchlich erscheint, dass er sich
heute gegen die Bezeichnung "geschäftsführender Koordinator"
wehrt.

     5.- a) Das Obergericht verurteilte den Beschwerdeführer
wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand, weil es für erwiesen
hielt, dass er am 23. August 1995, um 01.15 Uhr, in Winter-
thur mit seinem Lieferwagen von einem Parkfeld wegfahren
wollte, obwohl seine Fahrfähigkeit wegen des vorangegangenen
Konsums von Alkohol - sein Blut wies einen Alkoholgehalt von
mind. 0,96 Gewichtspromillen auf - und Cannabis deutlich be-
einträchtigt war.

        Der Beschwerdeführer anerkennt das Ergebnis der
Blutanalyse, macht aber geltend, er habe in seinem Wagen nur
ein Mikroskop gesucht und nicht versucht, vom Parkfeld weg-
zufahren. Er wirft dem Obergericht in dieser Beziehung vor,
es habe die Befragung des Zeugen Z.________ in willkürlicher
Weise abgelehnt, und dem Kassationsgericht, es habe dieses
unhaltbare Vorgehen geschützt.

        b) Das Obergericht stützt seine Verurteilung im
Wesentlichen auf die Zeugenaussagen der beiden Polizeibe-
amten Hinterberger und Weber. Hinterberger sagte gegenüber
dem Untersuchungsrichter aus, sie seien in ihrem Dienstwagen

unterwegs gewesen, als sie auf dem Parkfeld an der gegen-
überliegenden Fahrbahn zwei hintereinander stehende Fahr-
zeuge gesehen hätten. Das vordere sei weggefahren; das
hintere - der Lieferwagen des Beschwerdeführers - sei mit
eingeschlagenen Rädern rund 50 cm in Richtung Fahrbahn ge-
fahren und habe dann gebremst. Als sie den Beschwerdeführer
kontrolliert hätten, sei der Motor im ersten Gang gelaufen.
Sie seien rund eine Viertelstunde zuvor bereits an dieser
Stelle durchgefahren; der Lieferwagen sei ihm aufgefallen,
und er habe gesehen, dass er korrekt im Parkfeld gestanden
habe. Wenn dieser bereits damals, gleich wie nach der Kon-
trolle, mit dem linken, eingeschlagenen Vorderrad auf der
Markierung zwischen Parkfeld und Fahrbahn gestanden hätte,
wäre ihm dies sicher aufgefallen.

        Der Fahrer des Dienstwagens, Weber, bestätigte die
Aussagen seines Kollegen Hinterberger im Wesentlichen. Ins-
besondere erklärte er ausdrücklich, ebenfalls gesehen zu
haben, dass sich der Lieferwagen des Beschwerdeführers
bewegt habe.

        c) Gestützt auf diese übereinstimmenden Aussagen
der beiden Polizeibeamten konnten Obergericht und Kassa-
tionsgericht willkürfrei davon ausgehen, dass der Beschwer-
deführer mit der Wegfahrt begonnen hatte und diese sofort
abbrach, als er das herannahende Polizeifahrzeug erblickte.
Unter diesen Umständen konnte es in antizipierter Beweis-
würdigung die Einvernahme des Lenkers des weggefahrenen
Fahrzeugs, Leimgruber, ablehnen. Da dieser sofort wegfuhr,
als er das Polizeifahrzeug bemerkte, konnte er den umstrit-
tenen Vorfall, wenn überhaupt, höchstens schemenhaft im
Rückspiegel gesehen haben. Seine Aussage wäre daher von
vornherein nicht geeignet, die Aussagen der beiden Polizei-
beamten, die freien Blick auf den Lieferwagen des Beschwer-
deführers hatten, in Frage zu stellen (vgl. vorn E. 1b). Die
Rüge ist unbegründet.

     6.- Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat
grundsätzlich der unterlegene Beschwerdeführer die Kosten
zu tragen (Art. 156 OG). Er hat zwar ein Gesuch um unent-
geltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt. Dieses
ist indessen abzuweisen, da die Beschwerde aussichtslos war
(Art. 152 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf ein-
zutreten ist.

     2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Ver-
beiständung wird abgewiesen.

     3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem
Obergericht, II. Strafkammer, der Staatsanwaltschaft und dem
Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 22. Oktober 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Das präsidierende Mitglied:           Der Gerichtsschreiber: