I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.463/2001
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1P.463/2001/sta I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 24. Juli 2001 Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes- richter Nay, Bundesrichter Bianchi und Gerichtsschreiberin Leuthold. --------- In Sachen R.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Raess, Ilgenstrasse 22/Am Römerhof, Postfach 218, Zürich, gegen Bezirksanwaltschaft II für den Kanton Z ü r i c h, Haftrichter des Bezirksgerichts Z ü r i c h, betreffend Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 5 Ziff. 4 EMRK (Anordnung der Untersuchungshaft), hat sich ergeben: A.- Der aus dem Kosovo stammende R.________ wurde vom Bezirksgericht Baden am 2. Juli 1998 der versuchten vorsätz- lichen Tötung, der Gefährdung des Lebens sowie weiterer De- likte schuldig gesprochen und zu zehn Jahren Zuchthaus sowie zu fünfzehn Jahren Landesverweisung verurteilt. Die dagegen erhobene Berufung des Angeklagten wies das Obergericht des Kantons Aargau am 24. Juni 1999 ab. R.________ verbüsst die- se Strafe in der Strafanstalt Thorberg. B.- Die Bezirksanwaltschaft II für den Kanton Zürich führt gegen R.________ ein Strafverfahren wegen Verdachts der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Mit Ein- gabe vom 12. Juni 2001 stellte sie dem Haftrichter des Be- zirkes Zürich Antrag auf Anordnung der Untersuchungshaft ge- gen R.________. Sie führte in der Begründung aus, der Ange- schuldigte werde dringend verdächtigt, in den Jahren 1996 und 1997 mit grossen Mengen Heroin in den Kantonen Zürich, Aargau und Bern gehandelt zu haben. R.________ stelle jede Beteiligung am Drogenhandel in Abrede. Er sei mit verschie- denen Personen zu konfrontieren. Bis dies vorgekehrt sei, bestehe Kollusionsgefahr. Ausserdem liege Fluchtgefahr vor. Der Angeschuldigte sei Bürger der Republik Jugoslawien und verbüsse zurzeit eine mehrjährige Strafe in der Strafanstalt Thorberg. Im Falle einer Verurteilung wegen der ihm zur Last gelegten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz hätte er mit einer mehrjährigen Zusatzstrafe zu rechnen. Bei einer Freilassung bestünde daher die Gefahr, dass er sich der Strafverfolgung und der Strafverbüssung durch Flucht entziehen würde. Der Angeschuldigte sei in der Zeit zwischen dem 9. April und dem 3. Mai 2001 zwecks Befragungen im hän- gigen Strafverfahren nach Zürich überführt worden, wobei der Strafvollzug nicht unterbrochen worden sei. Nachdem er sich mit einer erneuten Überführung nach Zürich im Rahmen des Strafvollzugs nicht einverstanden erklärt habe, könne die Überführung nach Zürich nicht im Rahmen des Strafvollzugs erfolgen. Damit der Angeschuldigte dem Haftregime von Zürich unterstehe, werde die Anordnung von Untersuchungshaft im Be- zirk Zürich beantragt. Mit Verfügung vom 13. Juni 2001 versetzte der Haft- richter des Bezirksgerichts Zürich den Angeschuldigten in Untersuchungshaft. C.- R.________ liess gegen diesen Entscheid am 9. Juli 2001 durch seinen Anwalt staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht einreichen. Er beantragt, die angefochtene Verfügung des Haftrichters sei aufzuheben. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das bun- desgerichtliche Verfahren. D.- Die Bezirksanwaltschaft II für den Kanton Zürich und der Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich verzichteten auf eine Vernehmlassung. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Der Beschwerdeführer beklagt sich ausschliesslich darüber, dass seinem Verteidiger keine Gelegenheit gegeben worden sei, zum Antrag der Bezirksanwaltschaft auf Anordnung der Untersuchungshaft Stellung zu nehmen. Er macht geltend, dadurch sei der in Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 5 Ziff. 4 EMRK und § 61 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich (StPO) gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör ver- letzt worden. a) Hinsichtlich des Verfahrens bei Anordnung der Untersuchungshaft legt § 61 Abs. 1 Satz 1 StPO fest, der Haftrichter gebe "dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger Gelegenheit, sich zu den Vorbringen der Untersuchungsbehörde zu äussern". Im vorliegenden Fall ersuchte die Bezirksanwalt- schaft mit Antrag vom 12. Juni 2001 den Haftrichter um An- ordnung der Untersuchungshaft im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer. Dieser verzichtete am 12. Juni 2001 auf einem amtlichen Formular, das dem Antrag der Bezirksanwalt- schaft angefügt wurde, "ausdrücklich auf eine Anhörung durch den Haftrichter". Der Antrag der Bezirksanwaltschaft ging am 13. Juni 2001 beim Haftrichter ein. Dieser verfügte noch am selben Tag, der Beschwerdeführer werde in Untersuchungshaft versetzt. In der staatsrechtlichen Beschwerde wird vorge- bracht, der Haftrichter habe die Untersuchungshaft angeord- net, ohne dass er zuvor dem Beschwerdeführer oder dessen Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hätte. Die Verfügung des Haftrichters sei zudem in einem Zeitpunkt er- gangen, als der Verteidiger des Beschwerdeführers noch keine Kenntnis vom Haftantrag der Bezirksanwaltschaft gehabt habe. Dieser Antrag sei dem Verteidiger erst am 14. Juni 2001 zu- gestellt worden. Analog zum vergleichbaren, in BGE 125 I 113 ff. publizierten Fall werde durch ein solches Vorgehen das rechtliche Gehör des Inhaftierten verletzt. Der Verzicht des Beschwerdeführers auf eine persönliche Anhörung bedeute lediglich Verzicht auf die mündliche Anhörung durch den Haft- richter. Dem Verteidiger müsse trotz eines solchen Verzichts die Möglichkeit einer Stellungnahme gewahrt bleiben, ansonst das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt werde. b) Da es sich beim Haftrichter im einstufigen zürcherischen System um die einzige richterliche Haftprü- fungsinstanz handelt, darf - wie das Bundesgericht im Urteil BGE 125 I 113 E. 2d S. 117 festhielt - an die Gewährung des rechtlichen Gehörs kein tiefer Massstab angelegt werden. Im damals zu beurteilenden Fall ging es um die Frage des recht- lichen Gehörs bei der Haftverlängerung. Der Inhaftierte hatte auf einem amtlichen Formular auf eine Anhörung durch den Haftrichter ausdrücklich verzichtet, und der Haftrichter verlängerte die Haft, ohne dass er zuvor den Inhaftierten oder dessen Verteidiger angefragt hatte, ob der auf dem For- mular angebrachte Verzicht als Verzicht auf jegliche Stel- lungnahme zum Haftverlängerungsantrag zu verstehen sei. Das Bundesgericht führte im erwähnten Urteil aus, die fragliche Erklärung des Inhaftierten könne nicht als klarer und un- missverständlicher Verzicht auf jegliche (insbesondere auch schriftliche) Stellungnahme des durch einen Anwalt vertre- tenen Inhaftierten zum Haftverlängerungsantrag des Unter- suchungsbeamten interpretiert werden. Falls der Haftrichter die Erklärung als Verzicht auf jegliche Stellungnahme zu diesem Antrag verstehen wollte, hätte er den Inhaftierten bzw. dessen Verteidiger anfragen müssen, ob tatsächlich ein Verzicht in diesem Sinne vorliege. Dies um so mehr, als § 61 Abs. 1 Satz 1 StPO ausdrücklich bestimme, dass der Haftrich- ter "dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger Gelegenheit" gebe, "sich zu den Vorbringen der Untersuchungsbehörde zu äussern". Statt dessen habe der Haftrichter ohne weitere Ab- klärungen über den Haftverlängerungsantrag entschieden. Ein solches Vorgehen verletze das rechtliche Gehör des Inhaf- tierten (BGE 125 I 113 E. 2d S. 117 f.). Die gleichen Überlegungen müssen im hier zu beur- teilenden Fall gelten, in welchem es um das Verfahren bei der Haftanordnung geht. Dem Antrag der Bezirksanwaltschaft auf Anordnung der Untersuchungshaft konnte entnommen werden, dass der Beschwerdeführer durch Rechtsanwalt Dr. Markus Raess amtlich verteidigt war. Der Haftrichter hätte in Anbe- tracht des oben angeführten Wortlauts von § 61 Abs. 1 Satz 1 StPO den Beschwerdeführer bzw. dessen Verteidiger anfragen müssen, ob die Erklärung des Beschwerdeführers, er verzichte ausdrücklich auf eine Anhörung durch den Haftrichter, tat- sächlich als ein Verzicht auf jegliche Stellungnahme zum Haftanordnungsantrag im Sinne der genannten Bestimmung zu verstehen sei. Der Haftrichter hat dies nicht getan, sondern ohne weitere Abklärungen über den Antrag auf Anordnung der Haft entschieden. Er hat damit die Vorschrift von § 61 Abs. 1 Satz 1 StPO in einer mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV unvereinbaren Weise angewendet. Da die Beschwerde schon aus diesem Grund gutzuheissen ist, kann dahingestellt bleiben, ob der Haftrichter mit seinem Vorgehen auch noch gegen eine Vorschrift der EMRK verstiess. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist formeller Natur. Seine Verletzung führt - ungeachtet der Frage der ma- teriellrechtlichen Begründetheit der Beschwerde - zur Gut- heissung des Rechtsmittels und zur Aufhebung des angefochte- nen Entscheids, nicht aber zur Haftentlassung des Beschwer- deführers. Dieser hat denn auch zu Recht nur die Aufhebung der angefochtenen Verfügung des Haftrichters vom 13. Juni 2001 beantragt. Die kantonale Behörde hat dem Beschwerdefüh- rer bzw. seinem Verteidiger das rechtliche Gehör zu gewähren und nachher erneut über den Antrag der Bezirksanwaltschaft auf Anordnung der Untersuchungshaft zu befinden. 2.- Mit der Gutheissung der Beschwerde wird das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gegenstandslos. Gemäss Art. 156 Abs. 2 OG sind keine Kosten zu er- heben. Der Kanton Zürich hat den durch einen Anwalt vertre- tenen Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 OG). Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Haftrichters des Bezirksgerichts Zürich vom 13. Juni 2001 aufgehoben. 2.- Es werden keine Kosten erhoben. 3.- Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädi- gen. 4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Be- zirksanwaltschaft II für den Kanton Zürich und dem Haft- richter des Bezirksgerichts Zürich schriftlich mitgeteilt. ______________ Lausanne, 24. Juli 2001 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: