Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.457/2001
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1P.457/2001/sta

Urteil vom 22. Januar 2002

I. Öffentlichrechtliche Abteilung

Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Ersatzrichter Rohner,
Gerichtsschreiber Härri.

X.  ________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Carola
Reetz,
Niederdorfstrasse 18, Postfach 891, 8025 Zürich,

gegen

Bezirksgericht Hinwil, Präsident, Postfach, 8340 Hinwil,
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, vertreten durch Staatsanwalt Dr.
Schmid, Postfach, 8023 Zürich,
Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, Postfach, 8023 Zürich.

Art. 9 und 29 Abs. 3 BV (unentgeltliche Rechtsvertretung)

(Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Strafkammer, vom 22. Mai 2001)

Sachverhalt:

A.
Am 6. Dezember 2000 erstattete X.________ Anzeige gegen Y.________ wegen
Drohung, einfacher Körperverletzung und sexueller Nötigung. Am 16. Januar
2001 ersuchte sie beim Präsidenten des Bezirksgerichtes Hinwil um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung in der Person von Rechtsanwältin
Carola Reetz. Mit Verfügung vom 13. Februar 2001 wies der Präsident des
Bezirksgerichtes das Gesuch ab.

Den von X.________ dagegen erhobenen Rekurs wies das Obergericht des Kantons
Zürich mit Beschluss vom 22. Mai 2001 ab.

B.
X. ________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, den Beschluss
des Obergerichtes aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses
zurückzuweisen. Ausserdem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung im Verfahren vor Bundesgericht.

C.
Das Obergericht und der Präsident des Bezirksgerichts haben auf eine
Stellungnahme verzichtet. Von der Staatsanwaltschaft ist keine Vernehmlassung
eingegangen.

D.
Der Instruktionsrichter hat zur Frage des aktuellen praktischen Interesses
einen zweiten Schriftenwechsel durchgeführt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Der angefochtene Entscheid ist letztinstanzlich (§ 409 Abs. 1 der
Strafprozessordnung des Kantons Zürich [im Folgenden: StPO]). Er stellt einen
Zwischenentscheid dar, der einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil bewirken
kann (vgl. BGE 126 I 207 E. 2a mit Hinweisen; Walter Kälin, Das Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 343). Die
staatsrechtliche Beschwerde ist insoweit zulässig (Art. 87 Abs. 2 OG).

1.2  Die Beschwerdeführerin hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der
Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Sie ist damit nach Art. 88 OG zur
Beschwerde befugt.

1.3  Die beschwerdeführende Partei muss ein aktuelles praktisches Interesse
an
der Aufhebung des angefochtenen Entscheides bzw. an der Behandlung der von
ihr erhobenen Rüge haben, damit auf die staatsrechtliche Beschwerde
eingetreten werden kann (BGE 127 III 42 E. 2b mit Hinweisen).
Die Bezirksanwaltschaft Hinwil hat das Strafverfahren, in welchem die
Beschwerdeführerin durch Rechtsanwältin Reetz gewillkürt vertreten war, am
21. Juni 2001 - also nach dem angefochtenen Beschluss - durch Strafbefehl
abgeschlossen. Die Bezirksanwaltschaft hat darin Y.________ der mehrfachen
Drohung, der mehrfachen Körperverletzung, der Nötigung und der mehrfachen
Tätlichkeiten schuldig gesprochen und zu drei Monaten Gefängnis (bedingt) und
Fr. 500.-- Busse verurteilt. Im Strafbefehl wurde vorgemerkt, dass die
Beschwerdeführerin keine Zivilansprüche geltend gemacht habe; eine
Parteientschädigung wurde nicht zugesprochen. Die Beschwerdeführerin,
weiterhin gewillkürt vertreten durch Rechtsanwältin Reetz, erhob gegen diesen
Entscheid Einsprache beim Präsidium des Bezirksgerichts Hinwil mit Bezug auf
den Zivilpunkt (namentlich Genugtuung) und die Regelung der
Entschädigungsfolgen. Vor Einzelrichter schlossen die Beschwerdeführerin und
Y.________ am 20. September 2001 eine Vereinbarung, die zur Hauptsache die
Verpflichtung von Y.________  zur Zahlung einer Genugtuung von Fr. 3'000.--
und einer Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- an die Beschwerdeführerin
enthält; überdies verzichtet diese auf zusätzliche Schritte "betreffend
weitere früher erhobene Vorwürfe" gegenüber Y.________. Gestützt auf diesen
Vergleich wurde das Einspracheverfahren am 20. September 2001 abgeschrieben.
Diese Verfügung ist rechtskräftig.

Aufgrund der Verpflichtung von Y.________ zur Zahlung einer
Parteientschädigung an die Beschwerdeführerin erhob sich die Frage, ob
dadurch das aktuelle praktische Interesse an der staatsrechtlichen Beschwerde
dahingefallen sei (vgl. BGE 100 Ia 180 E. 1 e contrario). Die Stellungnahme
der Beschwerdeführerin vom 19. November 2001 lässt es  jedoch als glaubhaft
erscheinen, dass die Parteientschädigung uneinbringlich ist. Bereits im
Strafbefehl vom 21. Juni 2001 wird darauf hingewiesen, dass Y.________
Schulden in sechsstelliger Höhe hat. Demzufolge ist nach wie vor von einem
aktuellen praktischen Interesse der Beschwerdeführerin am Entscheid über die
vorliegende Beschwerde auszugehen. Die Frage einer Ausnahme vom Erfordernis
des aktuellen praktischen Interesses muss nicht geprüft werden. Auf die
staatsrechtliche Beschwerde ist einzutreten.

2.
Wie dem angefochtenen Entscheid zu entnehmen ist, besteht zwischen der
Beschwerdeführerin und Y.________, der eine Wohnung im selben
Mehrfamilienhaus bewohnt, ein intimes Verhältnis. Nach den Ausführungen der
Beschwerdeführerin habe Y.________ wiederholt Druck auf sie ausgeübt, um mit
ihr geschlechtlich zu verkehren, wobei die Darstellungen von Parteien und
Auskunftspersonen über die verwendeten Mittel auseinandergehen. Anlass zu der
am 6. Dezember 2000 eingereichten Strafanzeige war wiederum, dass Y.________
den Beischlaf forderte und die Beschwerdeführerin dem schliesslich nachkam.
Am 20. Dezember 2000 zog die Beschwerdeführerin den Strafantrag
zurück, widerrief am 22. Dezember 2000 diesen Rückzug aber schriftlich und
telefonisch mit der Begründung, dass Y.________ sie unter Selbstmorddrohung
zum Rückzug genötigt habe.

Zur Begründung des angefochtenen Entscheids führt das Obergericht im
Wesentlichen aus, nach der allgemeinen Regel könne und müsse grundsätzlich
jedermann ohne Inanspruchnahme staatlicher Hilfe seine Rechte wahrnehmen,
dies angesichts des Untersuchungsgrundsatzes namentlich im Strafverfahren.
Das rechtfertige es, das Armenrecht allgemein zurückhaltend und nur dann zu
gewähren, wenn es dem Geschädigten nicht zumutbar oder aus in seiner Person
liegenden objektiven Gründen nicht möglich sei, seine Sache selbst zu führen.
Das Obergericht anerkennt die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin, verneint
aber, dass ihre sonstigen Interessen und persönlichen Verhältnisse eine
unentgeltliche Rechtsverbeiständung erforderten. Da Y.________ mit Bezug auf
die angezeigten Antragsdelikte Körperverletzung, Tätlichkeiten und Drohungen
geständig sei, ergäben sich in rechtlicher Hinsicht keine Schwierigkeiten,
denen nicht auch ein lebenserfahrener juristischer Laie gewachsen sei.
Zivilansprüche könnten auf dem von der Untersuchungsrichterin zuzustellenden
Formular geltend gemacht werden und auch die Teilnahme an einer allfälligen
Gerichtsverhandlung erscheine als zumutbar. Ähnlich verhalte es sich mit der
Nötigung zum Rückzug des Strafantrages, die von Amtes wegen zu verfolgen sei.
Was die ebenfalls zur Anzeige gebrachte sexuelle Nötigung betreffe, welche
die damals noch nicht verbeiständete Beschwerdeführerin am 6. Dezember 2000
bei der Polizei und am 8. Dezember 2000 als Zeugin geschildert habe,
erscheine die Auffassung der Untersuchungsrichterin, dass dieser Vorwurf
nicht aufrechterhalten werden könne, bei vorfrageweiser Prüfung als richtig.
Der von der Beschwerdeführerin eingereichte Bericht der Psychologin B.
Steinbach, in dem von einer "massiven Krise (der Geschädigten), welche
eindeutig auf erlebte Gewalt und Vergewaltigung hinwies", die Rede ist,
ändere daran nichts. Gestützt auf die vorfrageweise Würdigung der
Untersuchungsergebnisse könne im Hinblick auf die Frage einer unentgeltlichen
Rechtsverbeiständung weder von einer sexuellen Nötigung noch von einer
Vergewaltigung im strafrechtlichen Sinne ausgegangen werden, zumal die
Beschwerdeführerin ihre Wohnung freiwillig verlassen und beim angezeigten
Geschlechtsverkehr eine aktive Rolle gespielt habe. Die Schilderungen zeigten
wohl problematische Verhältnisse; zur Auflösung und Aufarbeitung einer
gescheiterten Beziehung bedürfe es jedoch nicht eines Rechtsbeistandes,
sondern allenfalls psychologischer Unterstützung und Beratung, die aber nicht
über das Institut der unentgeltlichen Rechtsvertretung zu finanzieren sei.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt, die Verweigerung der unentgeltlichen
Rechtsverbeiständung für das kantonale Strafverfahren verletze Art. 29 Abs. 3
BV.

3.2  Den Umfang des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege und
Rechtsverbeiständung umschreiben zunächst die kantonalen
Verfahrensvorschriften. Unabhängig davon greifen die unmittelbar aus Art. 29
Abs. 3 BV folgenden Ansprüche Platz. Während sich der angefochtene Entscheid
in erster Linie auf kantonales Recht stützt, beruft sich die
Beschwerdeführerin ausschliesslich auf Art. 29 Abs. 3 BV. Dies schadet ihr
nicht, da der bundesrechtliche Anspruch eine Minimalgarantie darstellt, die
auch im kantonalen Verfahren zu beachten ist. Ob dem bundesrechtlichen
Anspruch Genüge getan worden ist, prüft das Bundesgericht frei.

3.3  Die wirksame Wahrung von Rechten soll nicht davon abhängen, ob eine
Partei vermögend ist oder nicht. Unter gewissen Voraussetzungen gewährleistet
der sich  aus Art. 29 Abs. 3 BV ergebende Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege daher dem Bedürftigen die zur Rechtsverfolgung in einem nicht
zum vornherein aussichtslosen Prozess notwendigen Mittel. In der
unentgeltlichen Rechtspflege sind in der Regel sowohl die unentgeltliche
Prozessführung als auch - soweit notwendig - die unentgeltliche
Rechtsverbeiständung eingeschlossen (BGE 123 I 145 E. 2b/aa mit Hinweisen).
Strittig ist im vorliegenden Fall nur der Anspruch auf unentgeltliche
Rechtsverbeiständung. Nach der Praxis hängt der aus Art. 29 Abs. 3 BV
folgende Anspruch des Geschädigten hierauf von drei kumulativen
Voraussetzungen ab, nämlich der Bedürftigkeit des Gesuchstellers, der
Notwendigkeit der unentgeltlichen anwaltlichen Verbeiständung sowie der
Nicht-Aussichtslosigkeit der verfolgten Rechtsansprüche (BGE 123 I 145 E.
2b/bb; Marc Forster, Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung in
der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung, ZBl 93/1992, S. 457 ff., S.
465 ff.).
3.4  Was die Notwendigkeit der Rechtsverbeiständung angeht, stellt das
Strafuntersuchungsverfahren in der Regel eher bescheidene juristische
Anforderungen an die Wahrung der Mitwirkungsrechte von Geschädigten. Es geht
im Wesentlichen darum, allfällige Schadenersatz- und Genugtuungsansprüche
(relativ formlos) anzumelden sowie an Verhören von Angeschuldigten und
allfälligen Zeugen teilzunehmen und eventuell Ergänzungsfragen zu stellen.
Ein durchschnittlicher Bürger sollte in der Lage sein, seine Interessen als
Geschädigter in einer Strafuntersuchung selbst wahrzunehmen (BGE 123 I 145 E.
2b/bb, 116 Ia 459 S. 461). Entsprechendes gilt grundsätzlich auch in einem
Einspracheverfahren gegen einen erstinstanzlichen Strafbefehl.
In diesem Zusammenhang berücksichtigt das Bundesgericht insbesondere das
Alter, die soziale Situation, die Sprachkenntnisse oder die gesundheitliche
und geistige Verfassung des Geschädigten sowie die Schwere und Komplexität
des Falles (vgl. Forster a.a.0. S. 465 ff.; ZBJV 1995, S. 244 f.). Das
Bundesgericht hat einen unmittelbar sich aus der Bundesverfassung ergebenden
Anspruch eines Geschädigten auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung in der
Strafuntersuchung namentlich bei minderjährigen Opfern von Sexualverbrechen
in Strafprozessen gegen ihre Väter oder bei erwachsenen, aber psychisch stark
beeinträchtigten Vergewaltigungsopfern bejaht, sofern die Geschädigten nicht
amtlich verbeiständet bzw. nicht ausreichend juristisch beraten waren.
Zugestanden wurde die unentgeltliche Rechtspflege auch einer nicht
verbeiständeten und nur schlecht deutsch sprechenden Türkin, welche von ihrem
Ehemann mit einem Messer schwer verletzt worden war. Die Notwendigkeit einer
unentgeltlichen Rechtsverbeiständung wird vom Bundesgericht insbesondere dann
verneint, wenn bereits eine ausreichende (z.B. fürsorgerechtliche)
Verbeiständung des Opfers gewährleistet ist (BGE 123 I 145 ff. E. 2b/cc,
3a/aa und 3b; 116 Ia 459 S. 460 f.). Nicht zum vornherein auszuschliessen ist
auch, dass konkrete Umstände in einem Verfahren - beispielsweise erhebliche
Fehler der Verfahrensleitung - sich auf den Entscheid über die
Erforderlichkeit unentgeltlicher Rechtsverbeiständung auswirken können (vgl.
dazu VPB 40/1976 Nr. 31). Bei der Frage nach der Notwendigkeit der
Verbeiständung eines bedürftigen Geschädigten muss im Übrigen ein
sachgerechter Ausgleich zwischen dessen schutzwürdigen
Rechtsverfolgungsinteressen und den (teilweise gegenläufigen) Interessen der
Allgemeinheit an einem raschen und nicht übermässig teuren Funktionieren der
Strafjustiz gesucht werden (vgl. Forster a.a.O. S. 465). Die Tatsache, dass
im Strafverfahren die Offizialmaxime gilt, schliesst die Notwendigkeit einer
Rechtsverbeiständung nicht zum vornherein aus (BGE 115 Ia 103 S. 105).

4.
4.1 Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass sie zwar aufgrund Intelligenz,
Ausbildung und Lebenserfahrung im Normalfall durchaus ihr tägliches Leben und
das ihrer Kinder zu bewältigen vermöge, zufolge des durch den Bericht
Steinbach vom 20. März 2001 belegten psychischen Abhängigkeitsverhältnisses
zu Y.________ diesem gegenüber aber zu adäquater Interessenwahrung, zu
Gegenwehr und Abgrenzung nicht hinreichend fähig sei. Das Obergericht werde
diesem Abhängigkeitsverhältnis nicht gerecht, wenn es davon ausgehe, dass die
Beschwerdeführerin jenen sexuellen Kontakt, dessen Vorgeschichte und Umstände
zur Strafanzeige Anlass gegeben hatten, letztlich freiwillig gesucht habe.
Der Hergang zeige gerade die Willenlosigkeit der Beschwerdeführerin im
Verhältnis zu Y.________. Allein aus dieser Situation lasse sich auch der
Rückzug des Strafantrages vor Weihnachten 2000 erklären. Die Annahme, dass
jemand in einem aus einer solchen Situation hervorgegangenen Verfahren nicht
eines rechtlichen Beistandes bedürfe, um seine rechtlichen Interessen
gegenüber dem Schädiger zu wahren, sei nicht nachvollziehbar und verletze
Art. 29 Abs. 3 BV.

4.2  Die Akten legen den Schluss nahe, dass die Beschwerdeführerin unter
einem
gewissen Druck von Y.________ und in psychischer Abhängigkeit zu ihm steht.
Dies hält der Bericht Steinbach, auf den auch das Obergericht Bezug nimmt, in
nachvollziehbarer Weise fest. Dennoch war die Beschwerdeführerin in der Lage,
eine Strafanzeige einzureichen und sogar den ihr abgenötigten Rückzug zu
widerrufen. Ihre Angaben in den Einvernahmen sind zudem klar und
differenziert. Unter diesen Umständen genügt die - an sich glaubhafte -
psychische Situation der Beschwerdeführerin für sich allein nicht, um einen
Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand zu begründen. Die Erwägung des
Obergerichts, dass zur Überwindung der psychischen Abhängigkeitssituation
vorab psychologische Beratung und Wegleitung erforderlich erscheine, ist
nicht zu beanstanden.

5.
Die Beschwerdeführerin macht überdies geltend, dass sie den Schwierigkeiten
des Strafverfahrens nicht gewachsen sei und dass konkrete Umstände des
Verfahrensablaufs, insbesondere die Untersuchungsführung, die Notwendigkeit
anwaltlichen Beistandes belegten.

5.1  Als konkret das Verfahren erschwerende Umstände erwähnt die
Beschwerdeführerin wie schon vor Obergericht, dass ihre Rechtsvertreterin
Akteneinsicht erst auf zweite Anfrage hin erhalten habe und dass die
Bezirksanwältin zunächst den Rückzug des Strafantrages als gültig habe
behandeln wollen, ausser wenn die Beschwerdeführerin bei der Polizei
Strafanzeige wegen Nötigung erhebe.

Der ersterwähnte Umstand hat zum vornherein geringes Gewicht; es wird denn
auch nicht ein Verfassungsmangel gerügt. Im letzteren Zusammenhang
verzichtete die Bezirksanwältin auf Intervention der Rechtsvertreterin hin
darauf, eine zusätzliche Anzeige bei der Polizei wegen Nötigung zu verlangen.
Dies macht deutlich, dass die anwaltliche Intervention an sich sinnvoll war,
lässt sie aber gleichwohl nicht als geradezu unverzichtbar erscheinen. Es ist
durchaus möglich, dass die Beschwerdeführerin, wäre sie nicht anwaltlich
verbeiständet gewesen, entweder sich wie schon im Zusammenhang mit dem
Widerruf des Strafantragsrückzuges gewehrt oder andernfalls das - nicht
gerechtfertigte, aber auch nicht unüberwindbare - zusätzliche Hindernis einer
weiteren polizeilichen Anzeige auf sich genommen hätte.

5.2  In der staatsrechtlichen Beschwerde macht die Beschwerdeführerin neu
verschiedene weitere die Verfahrensleitung betreffende Umstände geltend, aus
denen sie die Erforderlichkeit anwaltlicher Verbeiständung ableitet.

5.2.1  Die Beschwerdeführerin erwähnt, dass die Bezirksanwältin Y.________ am
27. März 2001 vor der in indirekter Konfrontation durchgeführten
Zeugeneinvernahme der Beschwerdeführerin separat einvernommen habe, ohne dass
sie (bzw. ihre Rechtsvertreterin) zur Einvernahme beigezogen oder auch nur
vorgängig informiert worden wäre. Sie hat das Obergericht auf diesen zwar
nach der Rekurserhebung, aber vor Ergehen des angefochtenen Entscheides
aufgetretenen Sachverhalt jedoch nicht eigens hingewiesen und erhebt in
diesem Zusammenhang weder den Vorwurf eines Verstosses gegen prozessuale
Vorschriften oder Grundrechte, noch tut sie dar, inwieweit sie dadurch
konkret in ihren Interessen beeinträchtigt wurde.

5.2.2  Die Beschwerdeführerin kritisiert ferner, dass der von ihr bei der
Polizei angezeigte Vorwurf der sexuellen Nötigung nicht durch
Einstellungsverfügung abgeschlossen wurde. Die Bezirksanwältin weist
demgegenüber darauf hin,  dass dieser Tatbestand von der Polizei nicht
rapportiert worden sei und sich schon aufgrund der polizeilichen Einvernahme
als unbegründet erwiesen habe. Immerhin wurde die Beschwerdeführerin von der
Polizei aber dazu einvernommen und auch vor Bezirksanwaltschaft wurden Fragen
zu den sexuellen Beziehungen der Parteien gestellt; ausserdem scheint es als
bedeutsam, dass der in der Abschreibungsverfügung vom 20. September 2001
enthaltene Vergleich ausdrücklich einen Verzicht der Beschwerdeführerin
enthält, diesbezüglich weitere Schritte zu unternehmen.

Aufgrund desselben Vergleiches muss sodann angenommen werden, dass die im
Strafbefehl enthaltene Vormerkung, die Beschwerdeführerin habe keine
Zivilansprüche erhoben, irrtümlich ist; zumindest findet sich in den
Untersuchungsakten kein ausdrücklicher Verzicht auf Zivilansprüche.

Soweit mit staatsrechtlicher Beschwerde ausnahmsweise überhaupt noch neue
Tatsachen und Beweismittel geltend gemacht werden können (zu den
Voraussetzungen vgl. BGE 119 Ia 85 E. 1f; 117 Ia 491 E. 2a, 522 E.3a; 107 Ia
187 E. 2b; 99 Ia 113 E. 4a; Kälin a.a.O. S. 369 ff.), dürfen sich die
zulässigen neuen Vorbringen in jedem Fall nur auf Tatsachen und Beweismittel
beziehen, die bereits im Zeitpunkt des letzten kantonalen Entscheides
existierten, bzw. auf Rechtsnormen, die zu diesem Zeitpunkt bereits in Kraft
waren (BGE 102 Ia 76 E. 2f, 243 E.2). Nach Ergehen des angefochtenen
Entscheides eingetretene Sachverhalte fallen ausser Betracht; sie können aber
Anlass zu einem neuen Gesuch vor der Sachbehörde geben, welche dieses je nach
der prozessualen Situation im Einzelfall zu würdigen hat.

Aufgrund dieser Praxis sind die hier erwähnten Sachverhalte im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen. Sie hätten
der Beschwerdeführerin dagegen Anlass geben können, im Einspracheverfahren
ein neuerliches Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung zu stellen, was
sie anlässlich der Hauptverhandlung vor Einzelrichter, aber noch nicht in der
schriftlichen Einsprache, getan hat. Die Verfügung des Einzelrichters vom 20.
September 2001 nimmt hierauf nicht Bezug und sie ist, wie aus dem darauf
angebrachten Vermerk folgt, in Rechtskraft erwachsen.

5.3  Die Beschwerdeführerin wirft sodann die Frage auf, inwieweit die über
die
unentgeltliche Rechtsverbeiständung entscheidende Behörde den Prozessstoff,
namentlich die Glaubwürdigkeit der protokollierten Partei- und
Zeugenaus-sagen, vorfrageweise selbständig prüfen und zur Grundlage eines
Entscheides über die Notwendigkeit einer Rechtsverbeiständung machen darf.
Sie wirft dem Obergericht vor, es habe in willkürlicher Weise faktisch die
Unschuldsvermutung herangezogen, um die Rechtsverbeiständung zu verweigern.

In der Tat darf in einer psychologisch komplexen Abhängigkeitssituation, in
welcher die Mitwirkung des Opfers äusserlich freiwillig scheinen kann, diese
(möglicherweise scheinbare) Freiwilligkeit nicht ohne weiteres zum Wegfall
eines Verbeiständungsanspruchs führen. Die Ausführungen des Obergerichts sind
jedoch nicht so zu verstehen, dass die blosse Bestreitung bestimmter Vorwürfe
durch Y.________ den Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung der
Geschädigten allein schon dahinfallen lasse. Im vorliegenden Fall kann die
vorfrageweise Würdigung des Obergerichts als noch vertretbar angesehen
werden, zumal die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin im
Ein-spracheverfahren gegen den Strafbefehl vom 21. Juni 2001 auf den Erlass
einer Einstellungsverfügung bezüglich der sexuellen Nötigung und auf eine
allfällige Anfechtung einer solchen verzichtet hat; dieser Verzicht ist
aufgrund der das Einspracheverfahren rechtskräftig abschliessenden Verfügung
des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirksgerichts Hinwil vom 20.
September 2001 endgültig.

5.4  Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde in der Hauptsache
als unbegründet.

6.
Auch bei Abweisung der Beschwerde in der Hauptsache bleibt die Rüge zu
prüfen, der Beschwerdeführerin hätte für das Rekursverfahren vor Obergericht
die unentgeltliche Prozessführung gewährt und der Beschwerdeführerin bzw. der
Anwältin eine Entschädigung zugesprochen werden müssen.

6.1  Das Dispositiv des angefochtenen Entscheides spricht sich nicht über die
im Rekursverfahren vor Obergericht ausdrücklich beantragte unentgeltliche
Rechtsverbeiständung aus. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass der
Antrag materiell unbeurteilt geblieben ist. Es fragt sich, ob nach den Akten
die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung als ohne weiteres
verständlich erscheint. Dies ist dann zu bejahen, wenn vor dem Hintergrund
des Verfahrens, wie es sich dem Obergericht im Zeitpunkt seines Entscheides
präsentierte, ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung im
fraglichen Rekursverfahren offensichtlich nicht gegeben war. Sind hierüber
Zweifel möglich, so hätte sich das Obergericht zum fraglichen Punkt
ausdrücklich äussern müssen (vgl. BGE 114 Ia 332).

6.2  Gemäss § 396a StPO erfolgen die Auflage der Kosten und die Zusprechung
einer Entschädigung in Rechtsmittelverfahren in der Regel im Verhältnis von
Obsiegen und Unterliegen der Verfahrensbeteiligten. Es ist nicht
offensichtlich, dass nicht auch in solchen Rechtsmittelverfahren, in denen
der Geschädigte einem Kostenrisiko ausgesetzt ist, die Gewährung
unentgeltlicher Rechtspflege und Rechtsverbeiständung möglich ist. Art. 29
Abs. 3 BV enthält insoweit keine sachliche Einschränkung. Der Umstand, dass
das Obergericht der Beschwerdeführerin im Rekursverfahren keine Kosten
auferlegt hat, kann als implizite Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
verstanden werden. Somit ist die Nichtbehandlung des Gesuchs um
unentgeltliche Rechtsverbeiständung aufgrund des Ergebnisses des
Rekursverfahrens nicht ohne weiteres verständlich. Der Umstand, dass der
Rekursentscheid die unentgeltliche Rechtsverbeiständung im zugrundeliegenden
Verfahren vor dem Sachrichter verweigert, bedeutet nicht zwingend, dass diese
Verweigerung auch im Rechtsmittelverfahren über diese Teilfrage selber
gerechtfertigt ist. Das Ergreifen eines kantonalen Rechtsmittels gegen die
erstinstanzliche Abweisung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung kann
bezüglich des Schwierigkeitsgrades nicht ohne weiteres mit der grundsätzlich
zumutbaren Interessenwahrung im Strafverfahren selber verglichen werden. Es
müssen gewisse Formalien (Frist, Form) eingehalten und die Erforderlichkeit
der Rechtsverbeiständung im konkreten Fall nach bestimmten Kriterien und im
Lichte des Einzelfalls dargetan werden, was - zumal wenn, wie hier, Elemente
der persönlichen psychischen Verfassung hineinspielen - für die betroffene
Person selber nicht ohne weiteres leicht ist. Die Rüge der Rechtsverweigerung
erweist sich damit insoweit als begründet.

Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen. Das Obergericht wird über
die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung im Rekursverfahren
noch zu entscheiden haben.

7.
Im Umfang der Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde sind zum
vornherein keine Kosten zu erheben und ist der Beschwerdeführerin eine
reduzierte Parteientschädigung zulasten des Kantons Zürich zuzusprechen. Im
übrigen ist das für das bundesgerichtliche Verfahren gestellte Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu schützen, und es ist der
Beschwerdeführerin Rechtsanwältin Reetz als unentgeltliche Rechtsbeiständin
beizugeben. Die Voraussetzungen dafür sind gegeben; insbesondere war die
Beschwerde nicht aussichtslos. Dies führt dazu, dass auch im Umfang der
Abweisung keine Kosten zu erheben sind und Rechtsanwältin Reetz aus der
Bundesgerichtskasse zu entschädigen ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird in Bezug auf die Nichtbeurteilung des
Gesuchs um unentgeltliche Rechtsverbeiständung im Rekursverfahren vor dem
Obergericht des Kantons Zürich gutgeheissen. Im Übrigen wird die
staatsrechtliche Beschwerde, soweit auf sie eingetreten werden kann,
abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung im
staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Der Kanton Zürich hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschädigen.

5.
Rechtsanwältin Carola Reetz wird für das bundesgerichtliche Verfahren als
unentgeltliche Rechtsbeiständin bezeichnet und aus der bundesgerichtlichen
Kasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt.

6.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Bezirksgericht Hinwil,
Präsident, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Zürich,
III. Strafkammer, sowie der Bezirksanwaltschaft Hinwil schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2002

Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: