I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.443/2001
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1P.443/2001/sch I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 22. Oktober 2001 Es wirken mit: Bundesrichter Nay, präsidierendes Mitglied der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Aeschlimann, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiberin Schilling. --------- In Sachen X.________, Gesuchsteller, vertreten durch Rechtsanwalt Albert Staffelbach, Limmatquai 94, Postfach, Zürich, gegen Stadt K l o t e n, vertreten durch den Stadtrat, dieser vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Strebel, Zelt- weg 10, Zürich, Verwaltungsgericht des Kantons Z ü r i c h, 3. Abteilung, 3. Kammer, betreffend Revision gestützt auf Art. 139a OG des bundesgerichtlichen Urteils 1P.113/1996 vom 29. April 1996, hat sich ergeben: A.- X.________ ist im Grundbuch als Eigentümer zweier Grundstücke in der Stadt Kloten eingetragen, die im Rahmen des in den fünfziger Jahren durchgeführten Quartierplan- verfahrens in die Strassenfläche des L.________-wegs ein- bezogen wurden. X.________ forderte die Stadt Kloten mehr- fach auf, die ihm verbliebenen Parzellen gegen eine Ent- schädigung zu übernehmen. Da die Stadt nicht bereit war, den von X.________ verlangten Betrag zu bezahlen, führten die Verhandlungen zu keinem Ergebnis. Am 15. Februar 1995 reichte X.________ beim Verwal- tungsgericht des Kantons Zürich eine Klage ein. Er verlangte damit hauptsächlich, dass die Stadt Kloten verpflichtet werde, die beiden Parzellen einschliesslich seines Miteigen- tumsanteils am L.________-weg zum Preis von Fr. 368'200.-- zu übernehmen. Das Verwaltungsgericht trat am 15. Dezember 1995 auf die Klage mangels Zuständigkeit nicht ein. Es stellte im Wesentlichen fest, dass die vom Grundeigentümer gestellten Übernahme- und Entschädigungsbegehren erstin- stanzlich von der kantonalen Schätzungskommission zu beur- teilen wären. Von einer Überweisung der Akten an die Schät- zungskommission sei jedoch abzusehen, weil der Kläger das Recht auf Geltendmachung einer Entschädigung verwirkt habe und sein Entschädigungsbegehren im Übrigen offenkundig un- begründet sei. Gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts er- hob X.________ staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesge- richt. Er machte geltend, der angefochtene Entscheid ver- letze die Garantie des verfassungsmässigen Richters gemäss Art. 58 Abs. 1 (a)BV, den Anspruch auf einen gerichtlichen Rechtsschutz gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK, ferner die Eigen- tumsgarantie sowie das Rechtsgleichheitsgebot. Das Bundes- gericht wies mit Entscheid vom 29. April 1996 (1P.113/1996) die Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden konnte. Es erklärte insbesondere den Vorwurf, am Verwaltungsge- richtsentscheid hätten befangene Richter mitgewirkt, als unbegründet, wobei die Frage offen gelassen wurde, ob die Rüge der unrichtigen Besetzung des Gerichts nicht zunächst mit dem kantonalen Rechtsmittel der Revision hätte vorge- bracht werden müssen. Mit Entscheid vom 20. August 1996 lehnte das Bun- desgericht die von X.________ verlangte Revision des Urteils vom 29. April 1996 ab, da der geltend gemachte Revisions- grund von Art. 136 lit. c OG nicht gegeben sei (1P.113/1996). B.- Auf Individualbeschwerde von X.________ stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 21. Dezember 2000 (Nr. 33958/96a) eine Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK fest. Der Gerichtshof erwog im Wesentlichen, dass die nebenamtlichen Verwaltungsrichter Frau R.________ und Herr L.________, die beide am Verwaltungsgerichtsent- scheid vom 15. Dezember 1995 mitgewirkt hätten, als Rechts- anwälte in der gleichen Anwaltskanzlei tätig seien. Rechts- anwältin R.________ habe noch während des verwaltungsge- richtlichen Verfahrens in einer anderen Streitsache zwischen X.________ und der Gemeinde Küsnacht die Gemeinde und damit die Gegenpartei des Gesuchstellers vertreten. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei nur knapp zwei Monate nach Ab- schluss jenes Verfahrens ergangen. Angesichts der Gleich- zeitigkeit der beiden Verfahren habe der Gesuchsteller mit Grund befürchten können, dass ihn Rechtsanwältin R.________ auch in ihrer Funktion als Richterin der Gegenseite zurech- ne. Ausserdem habe Rechtsanwalt W.________, der in der glei- chen Anwaltskanzlei wie die zwei genannten Verwaltungs- richter arbeite, kurz vor der Fällung des Verwaltungsge- richtsentscheides in einem vom Gesuchsteller angestrengten Baurekursverfahren in Kloten ebenfalls die Gegenpartei ver- treten. In Anbetracht dieser Umstände erscheine der Vorwurf, es habe der Verwaltungsrichterin R.________ an der nötigen Unvoreingenommenheit gefehlt, aus objektiver Sicht als be- gründet. Mithin sei der Anspruch des Gesuchstellers auf Be- urteilung der Streitsache durch ein unparteiisches Gericht verletzt worden. Im Übrigen wies der Gerichtshof das auf Art. 41 EMRK gestützte Entschädigungsbegehren des Gesuch- stellers insoweit ab, als damit die entschädigungslose Be- nützung des Grundeigentums durch die Stadt Kloten während 42 Jahren abgegolten werden sollte, weil diese Forderung mit der festgestellten Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK in keinem Zusammenhang stehe. Dagegen wurde X.________ für die in den schweizerischen und im Strassburger Verfahren er- wachsenen Gerichts- und Anwaltskosten eine Entschädigung von insgesamt Fr. 9'000.-- zugesprochen. C.- Mit Eingabe vom 29. Juni 2001 hat X.________ gestützt auf Art. 139a OG um Revision des bundesgericht- lichen Urteils vom 29. April 1996 ersucht und folgende Anträge gestellt: "1. Es sei in Gutheissung des Gesuches a) die Revision zuzulassen, b) das Urteil vom 29. April 1996 aufzuheben und c) die Sache zuständigkeitshalber an das Verwal- tungsgericht des Kantons Zürich zur materiellen Neuentscheidung im Sinne der Anträge vom 15. Feb- ruar 1995 zurückzuweisen. 2. Die Rückweisung sei mit der Weisung zu verbinden, den Prozess in dem Stand wieder aufzunehmen, in welchem er sich am 15. Juni 1995 befunden hat (Eingang der Klageantwort der Stadt Kloten beim Verwaltungsgericht). 3. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Stadt Kloten." Der Gesuchsteller weist zunächst darauf hin, dass der Prozess vor dem zürcherischen Verwaltungsgericht nach der Feststellung, dass das durchgeführte Verfahren konventions- widrig gewesen sei, wieder aufgenommen werden müsse und dem- entsprechend zunächst das bundesgerichtliche Urteil aufzu- heben sei. Im Weiteren wird im Revisionsgesuch ausgeführt, eine Neubeurteilung müsse auch in materieller Hinsicht er- folgen, weil der seinerzeitige Nichteintretensentscheid in- haltlich unzutreffend gewesen sei und auf eine Verweigerung der sich aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK ergebenden Rechtsweggarantie hinauslaufe. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerich- tes könnten nämlich Ansprüche aus Grundeigentum nicht ver- wirken, solange die Eigentumsrechte Bestand hätten bzw. so- lange kein Verfahren zur Verfügung stehe, um diese Ansprüche geltend zu machen. Der Gesuchsteller könne aber nach dem zürcherischen Recht das Verfahren vor der Schätzungskommis- sion nicht selbst einleiten, so dass der Rechtsweg über die Klage ans Verwaltungsgericht habe begangen werden müssen, dem Gesuchsteller jedoch durch den mit einem Verfahrensmangel be- hafteten Entscheid verwehrt worden sei. Schliesslich beklagt sich der Gesuchsteller erneut darüber, dass die Stadt Kloten sein Grundeigentum seit Ende der fünfziger Jahre entschädi- gungslos nutze. D.- Die Stadt Kloten und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich haben auf Vernehmlassung verzichtet. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Nach Art. 139a OG ist die Revision eines Entscheides des Bundesgerichts oder einer Vorinstanz zulässig, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Individual- beschwerde wegen Verletzung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und deren Protokolle gutgeheissen hat und eine Wiedergutmachung nur durch eine Revision möglich ist. Mit Urteil vom 21. Dezember 2000 hat der Europäische Gerichtshof die Individualbeschwerde des Gesuchstellers wegen Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK gutgeheissen. Die Konven- tionsverletzung liegt darin, dass am Verfahren vor dem Zür- cher Verwaltungsgericht zwischen dem Gesuchsteller und der Stadt Kloten, das im Jahre 1995 durchgeführt worden ist, eine befangene Richterin mitgewirkt hat. Das Bundesgericht hat mit Entscheid vom 29. April 1996 die Rüge der Voreingenommenheit im staatsrechtlichen Verfahren indessen als unbegründet abge- wiesen. Eine Wiedergutmachung ist daher nur auf dem Wege der Revision bzw. der Verfahrenswiederaufnahme nach innerstaat- lichem Recht möglich, zumal es der Europäische Gerichtshof abgelehnt hat, sich mit dem materiellrechtlichen Entschädi- gungsbegehren des Gesuchstellers zu befassen. Die Voraus- setzungen für eine Revision sind daher gegeben. 2.- Erweist sich ein Revisionsgesuch als begründet, so hebt das Bundesgericht die frühere Entscheidung auf und ent- scheidet aufs Neue (Art. 144 Abs. 1 OG). Dementsprechend ist hier das bundesgerichtliche Urteil vom 29. April 1996 aufzu- heben und über die staatsrechtliche Beschwerde vom 15. Feb- ruar 1996 erneut zu befinden. Wie sich aus dem Gesagten ergibt, ist die staats- rechtliche Beschwerde insofern gutzuheissen, als der Be- schwerdeführer Verletzung seines Anspruchs auf einen unbe- fangenen Richter im Sinne von Art. 58 Abs. 1 aBV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend gemacht hat. Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 15. Dezember 1995 ist demgemäss aufzuheben. Das Verwaltungsgericht wird das Verfahren wieder aufzunehmen und die Sache in einer Be- setzung, die vor Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK standhält, neu zu beurteilen haben. Dabei ist es Sache des kantonalen Gerichts, darüber zu befinden, in welchem Stadium das Verfahren wieder aufzunehmen ist. Es besteht kein Grund, die vom Gesuchsteller verlangte Weisung zum Verfahrensablauf zu erlassen. Ebenso wenig rechtfertigt es sich, die Sache seinem Antrag gemäss zur "materiellen Neuentscheidung im Sinne der Anträge vom 15. Februar 1995" zurückzuweisen. Ob und inwieweit das Verwaltungsgericht die aufgeworfenen Rechtsfragen materiell zu beurteilen hat, ist im heutigen, infolge der Revision erneuerten staatsrechtlichen Verfahren nicht zu entscheiden, da dieses nur der Wiedergutmachung des vom europäischen Gerichtshof festgestellten Mangels in der Besetzung des Verwaltungsgerichtes dient. Im Übrigen hätte sich das Bundesgericht auch im ursprünglichen staatsrecht- lichen Verfahren, hätte es in jenem den prozessualen Mangel erkannt, auf die Gutheissung der Beschwerde in diesem Punkte beschränken dürfen; es wäre nicht gehalten gewesen, auch noch die übrigen erhobenen Rügen zu behandeln. Der Beschwerdefüh- rer ist insofern im heutigen Verfahren nicht schlechter ge- stellt. Seinem Antrag auf Rückweisung zur materiellen Neu- entscheidung ist demnach nicht stattzugeben. 3.- Da der Gesuchsteller im Wesentlichen obsiegt, sind die Kosten des Revisionsverfahrens der Stadt Kloten, die in Wahrung ihrer Vermögensinteressen handelt, zu überbinden (Art. 156 Abs. 1 und 2 OG). Diese ist zudem zu verpflichten, dem Gesuchsteller für das bundesgerichtliche Revisionsver- fahren eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 159 Abs. 1 OG). Angesichts der Kosten- und Entschädigungsregelung des Europäischen Gerichtshofes braucht für das erste staats- rechtliche Verfahren kein neuer Kostenentscheid getroffen zu werden (vgl. Art. 144 Abs. 1 Satz 2 OG). Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Das Revisionsgesuch wird gutgeheissen und der Ent- scheid des Bundesgerichtes vom 29. April 1996 (1P.113/1996) aufgehoben. 2.- Die staatsrechtliche Beschwerde vom 15. Dezember 1995 wird im Sinne der Erwägungen gutgeheissen und der Ent- scheid des Verwaltungsgerichtes (III. Kammer) des Kantons Zürich vom 15. Dezember 1995 (VK.95.00007) aufgehoben. 3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Stadt Kloten auferlegt. 4.- Die Stadt Kloten hat dem Gesuchsteller für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 4'000.-- zu bezahlen. 5.- Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Verwal- tungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt. ______________ Lausanne, 22. Oktober 2001 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin: