Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.378/2001
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001


1P.378/2001/sch

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                       12. Juli 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes-
richter Nay, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber
Störi.

                         ---------

                         In Sachen

X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Manuel
C. Frick, Bubenbergplatz 5, Postfach 6423, Bern,

                           gegen

Verhöramt des Kantons  G l a r u s,
Kantonsgerichtspräsident des Kantons  G l a r u s,

                         betreffend
        Art. 9, Art. 29 Abs. 3 und Art. 30 Abs. 1 BV
                     (Strafverfahren),

hat sich ergeben:

     A.- Das Verhöramt Glarus führt ein Strafverfahren wegen
Urkundenfälschung, Verletzung des Bankgeheimnisses und Geld-
wäscherei gegen die Organe der Bank B.________ mit Sitz in
Zürich, die Organe der Bank B.________ in Glarus sowie
H.________.

        X.________ hat dieses Verfahren als Anzeigeerstat-
ter ausgelöst und nimmt als angeblich Geschädigter daran
teil. Am 24. Oktober 2000 ersuchte er den Verhörrichter,
ihm die unentgeltliche Prozessführung gemäss Art. 77 des
Gerichtsorganisationsgesetzes vom 6. Mai 1990 (GOG) zu
gewähren und seinen Anwalt, Fürsprecher Frick, Bern, als
amtlichen Anwalt einzusetzen.

        Am 7. November 2000 verfügte der Verhörrichter:
        "1. Dem präsumtiven Geschädigten und Gesuchsteller
            wird im Strafverfahren 1997/00285 / 2000/00785
            - einstweilen und unter dem Vorbehalt des Wider-
            rufes im Sinne von Art. 77 Abs. 4 des Gerichts-
            organisationsgesetzes und 140 Abs. 1 StPO des
            Kantons Glarus - anwaltlicher Beistand im Sinne
            von Art. 77 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsge-
            setzes des Kantons Glarus in der Person von
            Herrn Fürsprecher Manuel C. Frick, Dipl. en
            Droit Européen, L.L.M., Kanzlei von Graffenried
            & Partner, Bubenbergplatz 5, 3001 Bern, gewährt.

         2. Als Entschädigungsgrundlage für den im Sinne von
            Art. 77 Abs. 2 des Gerichtsorganisationsgesetzes
            des Kantons Glarus ernannten ausserordentlichen
            Rechtsbeistand des präsumtiven Geschädigten und
            Gesuchstellers im Sinne von Ziffer 1 dieser Ver-
            fügung gelten in Anwendung von Art. 77 Abs. 3
            des Gerichtsorganisationsgesetzes des Kantons
            Glarus die für den öffentlichen Verteidiger des
            Kantons Glarus angewandten, hierorts praxis-
            üblichen Tarife und Ansätze.

         3. Dem Geschädigten und Gesuchsteller würden die
            Kosten der unentgeltlichen anwaltlichen Vertre-
            tung im Strafverfahren rückbelastet, sollte sich
            ex post erweisen, dass ihm in Anwendung von

            Art. 77 Abs. 4 des Gerichtsorganisationsgesetzes
            und Art. 140 Abs. 1 StPO des Kantons Glarus die
            Kosten des Strafverfahrens auferlegt werden
            müssten.

         4. Auf die weitergehenden Anträge des präsumtiven
            Geschädigten und Gesuchstellers auf unentgelt-
            liche Rechtspflege - insbesondere im zivil-
            rechtlichen Bereich - wird einstweilen von
            Seiten des Verhörrichters nicht eingetreten.

         5. und 6. .. (Mitteilungen und Rechtsmittelbeleh-
            rung)".

        Diese Verfügung des Verhörrichters focht X.________
mit Beschwerde beim Kantonsgerichtspräsidenten an mit dem
Rechtsbegehren, diese dahingehend abzuändern, "dass dem
Gesuchsteller unter Streichung des Vorbehalts in Ziffer 1
("... - einstweilen und unter dem Vorbehalt des Widerrufs
im Sinne von Art. 77 Abs. 4 des Gerichtsorganisationsgeset-
zes und 140 Abs. 1 StPO des Kantons Glarus - ...") sowie der
Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung das vorbehaltene Recht
auf unentgeltliche Prozessführung im Sinne von Art. 77 des
Gerichtsorganisationsgesetz zu gewähren ist".

        Mit Verfügung vom 1. Mai 2001 wies der Kantonsge-
richtspräsident die Beschwerde ab, soweit er darauf eintrat.

     B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung
von Art. 9, Art. 29 Abs. 3 und Art. 30 Abs. 1 BV sowie
Art. 16 Abs. 4 der Glarner Kantonsverfassung beantragt
X.________, die Verfügung des Kantonsgerichtspräsidenten
aufzuheben und ihm für das Strafverfahren vorbehaltlos die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung durch Für-
sprecher Frick zu gewähren. Um letzteres ersucht er auch
für das bundesgerichtliche Verfahren.

        Der Verhörrichter und der Kantonsgerichtspräsident
beantragen in ihren Vernehmlassungen, die Beschwerde abzu-
weisen, soweit darauf einzutreten sei.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die angefochtene Verfügung des Kantonsgerichtsprä-
sidenten ist kantonal letztinstanzlich (Art. 86 Abs. 1 OG).
Es handelt sich dabei um einen Rechtsmittelentscheid über
die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbei-
ständung und damit um einen Zwischenentscheid im Sinne von
Art. 87 Abs. 2 OG, da er geeignet ist, nicht wiedergutzu-
machende Nachteile zu bewirken (BGE 126 I 207 E. 2a). Der
Beschwerdeführer ist durch die teilweise Abweisung seines
Gesuchs in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt
(Art. 88 OG), und er macht die Verletzung von verfassungs-
mässigen Rechten geltend (Art. 84 Abs. 1 lit. b OG). Da
diese und die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt
sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

        Die staatsrechtliche Beschwerde ist allerdings, von
hier entgegen der nicht weiter begründeten Auffassung des
Beschwerdeführers nicht zutreffenden Ausnahmen abgesehen,
kassatorischer Natur. Auf die Anträge des Beschwerdeführers
ist daher nicht einzutreten, soweit er mehr verlangt als die
Aufhebung der angefochtenen Präsidialverfügung.

     2.- Der Beschwerdeführer macht geltend, in der vom Kan-
tonsgerichtspräsidenten im angefochtenen Entscheid im Ergeb-
nis bestätigten Verfügung des Verhörrichters sei ihm nur
ein bedingtes Recht auf unentgeltliche Prozessführung ge-
währt worden, was verfassungswidrig sei.

        Dem Beschwerdeführer wurde entgegen seiner Be-
hauptung keine unentgeltliche Rechtspflege im Sinne einer
Befreiung von der Tragung der Verfahrenskosten zuerkannt.
Die Glarner Strafprozessordnung vom 2. Mai 1965 (StPO) sieht
indessen eine Kostenauflage an den Geschädigten gar nicht
vor. Als Anzeiger trägt der Beschwerdeführer ein Kostenri-
siko nach Art. 140 Abs. 1 StPO nur dann, wenn die Anzeige
als "böswillig, leichtsinnig oder übertrieben" erscheint.
In einem solchen Fall von "offensichtlich mutwilliger oder
grundloser Prozessführung" ist die unentgeltliche Rechts-
pflege nach der allgemeinen Vorschrift von Art. 77 Abs. 4
GOG grundsätzlich zu verweigern.

        Dem Beschwerdeführer können somit Verfahrenskosten
nur auferlegt werden, wenn er mutwillig prozessiert. In die-
sem Fall wäre die von Art. 77 Abs. 4 GOG vorgeschriebene
Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege keineswegs
verfassungswidrig, da sich aus Art. 29 Abs. 3 BV kein An-
spruch auf unentgeltliche mutwillige Prozessführung ableiten
lässt.

     3.- Der Beschwerdeführer rügt, ihm sei aufgrund einer
willkürlichen Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts die
unentgeltliche amtliche Verbeiständung nur unter Vorbehalt
zugestanden worden. Da die Voraussetzungen für eine amtliche
Verteidigung gegeben seien, habe er einen unbedingten An-
spruch auf die vorbehaltlose Bestellung eines amtlichen Ver-
teidigers.

        a) Der Anspruch auf amtliche Verbeiständung ergibt
sich zunächst aus den Vorschriften des kantonalen Prozess-
rechts. Nach Art. 77 Abs. 2 GOG ist der bedürftigen Partei,
wenn es die Art des Streitfalles rechtfertigt, auf Gesuch
oder von Amtes wegen ein Anwalt als Vertreter zuzuweisen.

        In Dispositiv-Ziffer 1 seiner Verfügung hat der
Verhörrichter dem Beschwerdeführer "einstweilen und unter
dem Vorbehalt des Widerrufes im Sinne von Art. 77 Abs. 4 des
Gerichtsorganisationsgesetzes und 140 Abs. 1 StPO des Kan-
tons Glarus" Fürsprecher Frick als amtlichen Anwalt zuge-
wiesen. Soweit der Verhörrichter mit diesem Vorbehalt zum
Ausdruck bringen wollte, dass er auf seine Verfügung zurück-
kommen und sie widerrufen werde, wenn die Voraussetzungen
für eine unentgeltliche amtliche Verbeiständung wegfallen
würden, ist dagegen von vornherein nichts einzuwenden. Nach
allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen wäre er auch
ohne ausdrücklichen Vorbehalt im Dispositiv befugt, eine
prozessleitende Verfügung veränderten Verhältnissen anzu-
passen. Der Beschwerdeführer setzt sich denn dagegen auch
nicht oder jedenfalls nicht in einer den Anforderungen von
Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise zur Wehr.

        b) Hingegen bestreitet der Beschwerdeführer das
Recht des Verhörrichters, das er sich in Dispositiv-Ziffer 3
ausdrücklich vorbehalten hat, die unentgeltliche Verbeistän-
dung ex tunc zu widerrufen, falls sich herausstellen sollte,
dass die Anzeige "offensichtlich mutwillig oder grundlos"
erfolgt sein sollte. Dies verletze Art. 29 Abs. 3 BV und
Art. 16 Abs. 4 der Glarner Kantonsverfassung vom 1. Mai
1988 (KV) sowie das allgemein geltende Legalitätsprinzip
von Art. 5 Abs. 1 BV, da das anwendbare Verfahrensrecht
einen solchen rückwirkender Widerruf nicht vorsehe.

        Die Rüge ist unbegründet. Wie bereits oben unter
E. 2 a) ausgeführt, ergibt sich aus der Verfassung kein An-
spruch auf unentgeltliche mutwillige Prozessführung, und
damit ohne weiteres auch kein Anspruch auf unentgeltliche
Verbeiständung für eine Partei, die missbräuchlich prozes-
siert. Die Glarner Behörden haben dem Beschwerdeführer die
unentgeltliche Verbeiständung in einem Zeitpunkt zugestan-
den, in dem sie nicht beurteilen konnten, ob die Anzeige-

erstattung des Beschwerdeführers vertretbar war oder nicht.
Sie hätten das Gesuch in diesem Zeitpunkt auch vorläufig
abweisen dürfen, da sie (noch) nicht in der Lage waren, die
Voraussetzungen der unentgeltlichen Verbeiständung ab-
schliessend zu prüfen. Sie haben auf dieses einfachere,
für den Beschwerdeführer aber ungünstigere Vorgehen ver-
zichtet und diesem einstweilen die unentgeltliche Verbei-
ständung gewährt. Unter diesen Umständen waren sie schon
aufgrund des allgemein geltenden Rechtsmissbrauchsverbots
von Art. 2 Abs. 2 ZGB ohne weiteres befugt, dies unter dem
bestrittenen Vorbehalt zu tun. Es fragt sich sogar, ob
dieser Vorbehalt nicht ohnehin gälte, selbst wenn er nicht
in die Verfügung aufgenommen worden wäre. Unter dem Ge-
sichtspunkt des Legalitätsprinzips von Art. 5 Abs. 1 BV,
auf das sich der Beschwerdeführer hilfsweise beruft, ist
das Vorgehen des Verhörrichters ohnehin unproblematisch,
da nach dem Gesagten die unentgeltliche Verbeiständung in
diesem Zeitpunkt auch hätte verweigert werden können. Es
ist verfassungsrechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden,
eine Partei das Kostenrisiko für mutwillige, missbräuchliche
Prozessführung selber tragen zu lassen. Unerheblich für den
Ausgang des Verfahrens ist, ob dem Beschwerdeführer im
Strafverfahren Geschädigtenstellung zukommt, wovon der Ver-
hörrichter und der Beschwerdeführer ausgehen, oder nicht,
wie der Kantonsgerichtspräsident im angefochtenen Entscheid
ausführt.

     4.- Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der
Beschwerdeführer die Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Zwar hat
er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt.
Dieses ist indessen abzuweisen, da die Beschwerde von vorn-
herein aussichtslos war (Art. 152 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

     2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wird abgewiesen.

     3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem
Beschwerdeführer auferlegt.

     4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem
Verhöramt und dem Kantonsgerichtspräsidenten des Kantons
Glarus schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 12. Juli 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: