Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.36/2001
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1P.36/2001/boh

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                       9. April 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes-
richter Nay, Bundesrichter Aeschlimann und Gerichtsschreiber
Störi.

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                         In Sachen

X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Théo Chr. Portmann, Alexanderstrasse 1, Chur,

                           gegen

Gemeinde  K l o s t e r s - S e r n e u s, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Otmar Bänziger, Gauaweg 1, Trimmis,
Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement des Kantons
G r a u b ü n d e n,
Verwaltungsgericht des Kantons  G r a u b ü n d e n,
Kammer 3,

                         betreffend
         Art. 9 und Art. 26 BV (Enteignungsrecht),

hat sich ergeben:

     A.- X.________ ist Eigentümer der Parzelle Nr. 633 in
der "Heid" in Klosters-Serneus. Das unüberbaute Grundstück
liegt nach dem am 4. Juli 1995 von der Regierung genehmigten
Zonenplan vom 28. November 1993 in der Landwirtschaftszone,
die von einer Wintersportzone überlagert wird. Die Schweize-
rische Skischule Klosters betrieb auf der "Heid" seit den
50er-Jahren einen Ski-Schlepplift. Für die Benutzung des
Skiübungsgeländes - u.a. der Parzelle Nr. 633 - besass sie
Dienstbarkeitsverträge, welche am 31. Mai 1998 ausliefen.
Der Betrieb wurde daher nach der Saison 1997/1998 einge-
stellt.

        Der Gemeindevorstand von Klosters-Serneus beschloss
am 24. März 1999 die Einleitung eines Enteignungsverfahrens
durch eine öffentliche Planauflage, da der Heidlift, dessen
Betriebsbewilligung bis zum 30. Juni 2000 befristet war, er-
neuert werden musste. Das Projekt wurde vom 16. April bis
zum 17. Mai 1999 öffentlich aufgelegt. In der Folge schloss
die Gemeinde mit allen betroffenen Grundeigentümern neue,
auf 30 Jahre befristete Dienstbarkeitsverträge ab; einzig
X.________ weigerte sich, einen Dienstbarkeitsvertrag für
die Benützung der Parzelle Nr. 633 als Skiübungsgelände ab-
zuschliessen.

        Ende September 1999 ersuchte die Gemeinde Klosters-
Serneus das Bau-, Verkehrs- und Forstdepartement des Kantons
Graubünden (BVFD), ihr das Enteignungsrecht für die Perso-
naldienstbarkeiten zu erteilen, die für den Betrieb des
Heidliftes über die Parzelle Nr. 633 notwendig sind.

        Das BVFD verfügte am 17. März 2000:

        "1. Dem Gesuch der Gemeinde Klosters-Serneus um Er-
         teilung des Enteignungsrechtes für die Einräumung
         einer Personaldienstbarkeit im Sinne eines Bau- und
         Überspannungsrechtes für die Skiliftanlage "auf der
         Heid" gegenüber X.________ wird entsprochen.

         (..)"

        Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden wies
den Rekurs von X.________ gegen die Erteilung des Enteig-
nungsrechts am 8. Dezember 2000 ab.

     B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 22. Januar
2001 wegen Verletzung von Art. 9 und Art. 26 BV beantragt
X.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. Dezem-
ber 2000 aufzuheben.

        Das BVFD, die Gemeinde Klosters-Serneus und das
Verwaltungsgericht beantragen in ihren Vernehmlassungen, die
Beschwerde abzuweisen.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Beim angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts
handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen End-
entscheid, gegen den die staatsrechtliche Beschwerde offen
steht (Art. 86 Abs. 1 OG). Als Eigentümer des Landes, für
welches das Enteignungsrecht erteilt wurde, ist der Be-
schwerdeführer in seinen rechtlich geschützten Interessen
berührt (Art. 88 OG), und er beruft sich auf die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Diese
und die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, so-

dass auf die Beschwerde unter folgendem Vorbehalt einzutre-
ten ist, soweit der Beschwerdeführer gehörig begründete
Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 126 I 81 E. 1; 125
I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c) erhebt:

        Die Gemeinde Klosters-Serneus verfügt zu Gunsten
ihrer beiden Talbach-Kanalgrundstücke Nrn. 41 und 100 über
eine Bauverbotsdienstbarkeit für einen 2 m breiten Streifen
entlang dem Talbach-Kanal. Der Beschwerdeführer macht gel-
tend, die Gemeinde sei nicht befugt, der Skiliftgenossen-
schaft das Recht einzuräumen, innerhalb dieses Uferstreifens
Sockel und Masten für den Skilift zu errichten. Zu dieser
Rüge ist er nicht befugt, berührt ihn doch der punktuelle
Verzicht der Gemeinde auf die Ausübung ihrer Bauverbots-
dienstbarkeit offensichtlich nicht in seinen rechtlich ge-
schützten Interessen im Sinne von Art. 88 OG. Abgesehen
davon ist auch kaum nachvollziehbar, inwiefern dieser Ver-
zicht der Gemeinde die verfassungsmässigen Rechte des Be-
schwerdeführers verletzen könnte.

     2.- Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe am verwal-
tungsgerichtlichen Augenschein nicht plädieren dürfen. Es
sei daher unrichtig, wenn das Verwaltungsgericht im ange-
fochtenen Urteil festhalte, er habe beim Augenschein Gele-
genheit gehabt, sich mündlich zu den aufgeworfenen Fragen zu
äussern.

        Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang
indessen keine Verletzung verfassungsmässiger Rechte gel-
tend, weshalb darauf nicht einzutreten ist (Art. 90 Abs. 1
lit. b OG). Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass
die Parteirechte des Beschwerdeführers vom Verwaltungs-
gericht in irgendeiner Hinsicht verkürzt worden wären.

     3.- a) Die Erteilung des Enteignungsrechts für ein Bau-
und Überspannungsrecht belegt die Parzelle Nr. 633 des Be-
schwerdeführers mit einer Eigentumsbeschränkung. Eine solche
hält vor Art. 26 BV stand, wenn sie auf einer gesetzlichen
Grundlage beruht, ein öffentliches Interesse verfolgt und
verhältnismässig ist (BGE 125 II 129 E. 8; 121 I 117 E. 3b;
119 Ia 348 E. 2a mit Hinweisen). Der bestimmungsgemässe Ge-
brauch der Parzelle zu landwirtschaftlichen Zwecken wird
durch die umstrittene Dienstbarkeit nicht in Frage gestellt,
weshalb die Eigentumsbeschränkung nicht schwer wiegt. In
einem solchen Fall gilt das Erfordernis der gesetzlichen
Grundlage als erfüllt, wenn sich der angefochtene Entscheid
ohne Willkür auf eine solche stützen lässt (ZBl 95 1994 66
E. 1c; BGE 116 Ia 185 E. c, mit Hinweisen).

        b) Der Beschwerdeführer bestreitet, dass sich die
umstrittene Eigentumsbeschränkung auf eine gesetzliche
Grundlage stützen kann. Es gebe im anwendbaren kantonalen
Enteignungsgesetz keine Grundlage dafür, dass eine Gemeinde
das Enteignungsrecht für einen Privaten beanspruchen könne.
Das Verwaltungsgericht ist im angefochtenen Entscheid davon
ausgegangen, dass die Gemeinde das Enteignungsrecht in einer
Art Vertretung für die Skischule gestellt hat, da das damals
in Kraft stehende Enteignungsgesetz vom 26. Oktober 1958
(aEntG) die Einräumung des Enteignungsrechts an Private
nicht vorsah.

        Nach Art. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 aEntG konnten der
Kanton, die Gemeinden und andere öffentlich-rechtliche Kör-
perschaften und Anstalten das Enteignungsrecht "für öffent-
liche oder im öffentlichen Interesse liegende Werke" bean-
spruchen. Da eigene Werke dieser als mögliche Träger des
Enteignungsrechtes aufgezählten Körperschaften per defini-
tionem "öffentliche Werke" sind, macht die zitierte Formu-
lierung von Art. 2 aEntG nur Sinn, wenn das Enteignungsrecht

auch für "im öffentlichen Interesse liegende" Werke anderer,
privater Träger erteilt werden kann. Es ist jedenfalls kei-
neswegs willkürlich, diese Bestimmung so auszulegen, dass
die aufgezählten Körperschaften das Enteignungsrecht auch
für Werke anderer Träger beanspruchen können, sofern diese
im öffentlichen Interesse des sie vertretenden Gemeinwesens
- hier der Gemeinde Klosters-Serneus - liegen. Das Bundes-
gericht hat ein solches Vorgehen in BGE 98 Ia 43 E. 4 S. 49
in einem Fall mit vergleichbarer gesetzlicher Grundlage als
verfassungsmässig anerkannt, und der Beschwerdeführer bringt
nichts vor, was geeignet wäre, diesen Entscheid in Frage zu
stellen. Die Rüge, die Erteilung des Enteignungsrechts an
die Gemeinde Klosters-Serneus sei ohne gesetzliche Grundlage
erfolgt, ist unbegründet.

        c) Der Beschwerdeführer bestreitet das öffentliche
Interesse am Betrieb des Heidliftes, da die Anlage unrenta-
bel und ungenügend erschlossen sei. Die Prättigauerstrasse,
von welcher der Übungslift erschlossen werden müsse, sei
eine der meistbefahrenen Routen des Kantons Graubünden. Die
Parkplätze befänden sich auf der anderen Strassenseite, was
die Skifahrer zwinge, die Strasse zu überqueren, und höchst
gefährlich sei. Zudem fehle es an den notwendigen Infra-
strukturanlagen, es seien weder eine ordentliche WC-Anlage
noch eine Sonnenterasse noch Restaurationsbetriebe vorhan-
den. Die Aufrechterhaltung einer defizitären Skiliftanlage
gehöre zudem nicht zu den unverzichtbaren Gemeindeaufgaben.

        Mit der Festlegung einer Wintersportzone im Zonen-
plan 1993/1995 für das Skiübungsgelände Heid wurde im Prin-
zip das öffentliche Interesse an der Weiterführung des
Heidliftes geprüft und bejaht. Wie die Gemeinde zu Recht
vorbringt, ist diese Wintersportzone nur sinnvoll, wenn der
Heidlift weiterbetrieben wird, da ein Skiübungsgelände ohne
Lift heutzutage kaum mehr benützt würde. Es kann nicht

ernsthaft bestritten werden, dass in einem Wintersportort
wie Klosters-Serneus ein dorfnahes, sonniges Skiübungs-
gelände im öffentlichen Interesse liegt, gleichgültig darum,
ob der Übungslift, für sich allein gerechnet, rentabel ist
oder nicht. Was der Beschwerdeführer weiter gegen den Stand-
ort Heid vorbringt - er sei schlecht erschlossen und es gebe
in Selfranga ein besser geeignetes Skiübungsgelände - ist
nicht geeignet, das öffentliche Interesse am Heidlift in
Frage zu stellen, es kann auf die zutreffenden Ausführungen
des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Entscheid (E. 4
S. 8 ff.) und die Ergänzungen der Gemeinde Klosters-Serneus
dazu in der Vernehmlassung (E. 7 S. 7 ff.) verwiesen werden
(Art. 36a Abs. 3 OG).

     4.- Die umstrittene Erteilung des Enteignungsrechts an
die Gemeinde Klosters-Serneus ist daher nicht verfassungs-
widrig, die Rüge ist unbegründet. Die Beschwerde ist somit
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

        Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwer-
deführer die Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Praxis-
gemäss hat er ausserdem der anwaltlich vertretenen Gemeinde
Klosters-Serneus eine angemessene Parteientschädigung zu be-
zahlen (Art. 159 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht
               im Verfahren nach Art. 36a OG:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Der Beschwerdeführer hat der Gemeinde Klosters-
Serneus für das bundesgerichtliche Verfahren eine Partei-
entschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.

     4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der
Gemeinde Klosters-Serneus sowie dem Bau-, Verkehrs- und
Forstdepartement und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden, Kammer 3, schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 9. April 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: