Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.355/2001
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1P.355/2001/bie

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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                       25. Juni 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes-
richter Nay, Bundesrichter Aeschlimann und Gerichtsschreiber
Steinmann.

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                         In Sachen

Jürg  E n g l e r, Edelgrub, Bühler, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. Tim Walker,
Hinterdorf 27, Trogen,

                           gegen

Gemeinderat  B ü h l e r, Bühler, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Eugen Auer, St. Gallen,
Regierungsrat des Kantons  A p p e n z e l l  A. R h.,
Verwaltungsgericht von A p p e n z e l l  A. R h.,
II. Abteilung,

                         betreffend
                     politische Rechte,

hat sich ergeben:

     A.- Die Gemeinde Bühler befasst sich seit längerer Zeit
mit der Frage einer Nutzung des "Türmlihauses" als Gemeinde-
haus. Ein Projekt und Kreditbegehren hierfür wurden von den
Stimmberechtigten am 29. November 1998 abgelehnt. Aufgrund
einer Initiative "Pro Türmlihaus" fand dieselbe Vorlage am
28. November 1999 Zustimmung.

        Die Gegner der Umnutzung des "Türmlihauses" als
Gemeindehaus reichten darauf die Initiative "Problematik
Gemeindehaus Bühler" ein. Nach Gültigerklärung am 13. März
2000 lehnten die Stimmberechtigten die Initiative schliess-
lich am 21. Mai 2000 mit 337 Nein- und 269 Ja-Stimmen ab.

     B.- Bereits am 25. April 2000 erhob Jürg Engler beim
Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. Stimmrechtsbe-
schwerde mit dem Antrag, der Gemeinderat Bühler sei anzuwei-
sen, die auf gemeindeeigenem Boden beim "Türmlihaus" aufge-
stellte Werbetafel mit der Überschrift "Nein zur Initiative"
unverzüglich beseitigen zu lassen und den Abstimmungstermin
zu verschieben. Zur Begründung gab der Rekurrent an, die
Werbetafel widerspreche der behördlichen Pflicht zu objek-
tiver Information und sei zudem ohne Baubewilligung aufge-
stellt worden. Der Regierungsrat wies die Stimmrechts-
beschwerde am 23. Mai 2000 ab.

        Dagegen erhob Jürg Engler beim Verwaltungsgericht
des Kantons Appenzell A.Rh. Beschwerde mit dem Antrag, die
ganze Angelegenheit sei an die Vorinstanz zurückzuweisen.

        Das Verwaltungsgericht wies die Stimmrechtsbe-
schwerde am 29. November 2000 ab und stellte den begründe-
ten Entscheid am 11. April 2001 Jürg Engler zu. Es hielt
fest, dass die beanstandete auf öffentlichem Grund aufge-
stellte Werbetafel der Initiativgegner von privater Seite
stammte und nicht irreführend war. Auch die Initianten hät-
ten die Möglichkeit gehabt, eine Werbetafel auf öffentlichem
Grund aufzustellen. Die politischen Rechte seien daher nicht
verletzt worden.

     C.- Mit Eingaben vom 22./23. Mai 2001 liess Jürg Engler
durch seinen Rechtsvertreter beim Bundesgericht Stimmrechts-
beschwerde erheben; der Beschwerde sind "Gedanken zur zu
ergreiffenden staatsrechtlichen Beschwerde" von Jürg Engler
beigelegt. Er beantragt die Aufhebung der Entscheide des
Verwaltungsgerichts und des Regierungsrates; der Antrag auf
Aufhebung eines Entscheides des Gemeinderates Bühler ist
in der korrigierten Beschwerdeschrift nicht mehr enthalten.
Ferner ersucht der Beschwerdeführer um Gewährung der auf-
schiebenden Wirkung. Auf die Begründung der Beschwerde im
Einzelnen ist, soweit erforderlich, in den Erwägungen ein-
zugehen.

        Das Verwaltungsgericht stellt den Antrag, auf die
Beschwerde nicht einzutreten, sie allenfalls abzuweisen. Der
Regierungsrat hat auf Bemerkungen verzichtet. Der Gemeinde-
rat Bühler stellt Antrag auf Abweisung des Gesuchs um auf-
schiebende Wirkung; in der Sache selber ist ihm die Frist
für eine Stellungnahme abgenommen worden.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Der Rechtsvertreter hat die Beschwerde in zwei
Fassungen eingereicht; entsprechend seinen Ausführungen ist
im Folgenden von der korrigierten zweiten Beschwerdeschrift
auszugehen. Zusätzlich ist grundsätzlich die vom Beschwerde-
führer persönlich verfasste Schrift vom 17. April 2001 mit-
zuberücksichtigen.

        Der Beschwerdeführer ist zur Stimmrechtsbeschwerde
legitimiert. Diese kann sich lediglich gegen das angefoch-
tene Urteil des Verwaltungsgerichts richten, sodass der An-
trag auf Aufhebung des Entscheides des Regierungsrates unzu-
lässig ist (vgl. BGE 111 Ia 353, 125 I 492 E. 1a).

        Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ist in der staats-
rechtlichen Beschwerde darzulegen, worin eine Verfassungs-
oder Gesetzesverletzung liegen soll. Diesen Anforderungen
genügt vorab die Schrift vom 17. April 2001 nicht. Darüber
hinaus muss die Begründung der Beschwerde in der Beschwerde-
schrift selber enthalten sein (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
Verweisungen auf die kantonalen Akten sind nicht zulässig.

        Die Beschwerde erweist sich als rechtzeitig im
Sinne von Art. 89 OG. Der angefochtene Entscheid ist dem Be-
schwerdeführer während des Friststillstandes nach Art. 34
lit. a OG zugestellt worden. Demnach gilt der Montag 23. Ap-
ril 2001 als Zustellungsdatum (vgl. BGE 122 V 60). Im Hin-
blick auf diesen Zeitpunkt hat der Beschwerdeführer mit der
am 23. Mai 2001 zur Post gegebenen Beschwerde die Frist ein-
gehalten.

     2.- Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, es seien
kantonale Bestimmungen betreffend Vorbereitung und Durchfüh-
rung von Abstimmungen verletzt worden. Er bezieht sich sinn-
gemäss ausschliesslich auf die Wahl- und Abstimmungsfreiheit
im Sinne von Art. 34 Abs. 2 BV.

        a) Der Beschwerdeführer beanstandet eine Werbeta-
fel, die vor dem "Türmlihaus" auf öffentlichem Boden auf-
gestellt war. Vorab ist streitig, ob diese Tafel als private
oder als behördliche zu betrachten ist.

        Die gegen die Initiative gerichtete Werbetafel war
vorerst nicht unterschrieben. Auf behördliche Intervention
hin wurde sie dann mit der Unterschrift des Gewerbevereins
gekennzeichnet. Diese Sachlage belegt mit hinreichender
Deutlichkeit, dass die Werbung von privater Seite stammte
und es sich nicht um eine behördliche Propaganda handelte.
An dieser Beurteilung vermögen auch die konkreten Umstände
nichts zu ändern. Der Beschwerdeführer macht in keiner
Weise geltend, die Aufmachung habe die Werbetafel als
öffentliche erscheinen lassen (vgl. ZBl 102/2001 S. 38/44
E. 6); aus diesem Grunde ist auch unerheblich, wann genau
die Unterschrift des Gewerbevereins darunter gesetzt wurde.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stellt auch
der Umstand, dass die Tafel auf öffentlichem Grund aufge-
stellt worden war, keinen Hinweis darauf dar, dass sie von
Seiten der Behörden stammen würde; das Aufstellen von Wahl-
und Abstimmungstafeln auf öffentlichem Grund im Vorfeld von
Urnengängen ist vielmehr durchaus üblich und weit verbrei-
tet; ob hierfür eine Bewilligung erforderlich ist, ist unter
dem Gesichtswinkel der politischen Rechte nicht von Bedeu-
tung. Demnach ist die umstrittene Werbetafel als private
Abstimmungspropaganda zu betrachten.

        b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann
unter strengen Voraussetzungen eine private Werbekampagne
die Abstimmungsfreiheit beeiträchtigen (BGE 119 Ia 271 E. 3c
S. 274). Wie es sich damit verhält, braucht nicht weiter ge-
prüft zu werden. Der Beschwerdeführer legt in keiner Weise
dar, dass und inwiefern die Werbetafel irreführend gewesen
sein soll.

        c) Sinngemäss macht der Beschwerdeführer weiter
geltend, die Initianten seien gegenüber den Gegnern benach-
teiligt worden. Das Verwaltungsgericht hat in dieser Hin-
sicht ausgeführt, dass auch die Initianten eine Tafel ohne
Bewilligung hätten aufstellen können. Dies wurde dem Be-
schwerdeführer rund einen Monat vor dem Abstimmungstermin
vom Sekretär der Direktion des Innern telefonisch mitge-
teilt. Die Initianten hätten demnach entsprechende Massnah-
men ergreifen und Werbung betreiben können, und sie hätten
hierfür insbesondere auch die Bestätigung von Seiten der
Gemeinde nicht abwarten müssen. Von einer Benachteiligung
gegenüber den Gegnern bzw. von nicht hinreichender Zeit für
eine eigene Propaganda kann demnach nicht gesprochen werden.

         d) Schliesslich ist in den Beschwerdeschriften von
weitern "erheblichen Unregelmässigkeiten" im Vorfeld der Ab-
stimmung die Rede. Mangels näherer Begründung kann darauf
nicht näher eingegangen werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).

     3.- Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet
und ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Bei dieser Sachlage wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

        Trotz der trölerischen Beschwerde mag es sich hier
rechtfertigen, praxisgemäss auf Kosten zu verzichten. Der
Beschwerdeführer hat die Gemeinde Bühler für das bundes-
gerichtliche Verfahren zu entschädigen.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Der Beschwerdeführer hat die Gemeinde Bühler für
das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 500.-- zu entschä-
digen.

     4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem
Gemeinderat Bühler sowie dem Regierungsrat und dem Verwal-
tungsgericht des Kantons Appenzell A.Rh. schriftlich mitge-
teilt.
                       _____________

Lausanne, 25. Juni 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: