I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.344/2001
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001
1P.344/2001/sta I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 2. August 2001 Es wirken mit: Bundesrichter Nay, präsidierendes Mitglied der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Wiprächtiger, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichts- schreiber Störi. --------- In Sachen G.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Felix Barmettler, Bahnhofstrassse 8, Küssnacht am Rigi, gegen Staatsanwaltschaft I des Kantons U r i, Obergericht des Kantons U r i, Strafrechtliche Abteilung, betreffend Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV (Strafverfahren), hat sich ergeben: A.- Das Landgericht Urseren verurteilte am 4. Februar 2000 G.________ wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 36 Abs. 3 SVG und Art. 14 Abs. 1 VRV i.V.m. Art. 90 Ziff. 2 SVG zu einer Busse von 700 Franken. Es hielt für erwiesen, dass G.________ am 21. September 1997 mit seinem Personenwagen von Andermatt Richtung Oberalp fuhr und um 14:07 Uhr im Bereich des Nätschen nach links abbiegen wollte, um zum Restaurant Nätschen zu gelangen. Dabei habe er aus Unaufmerksamkeit den auf der Gegenfahrbahn passab- wärts fahrenden Motorradfahrer S.________ übersehen und die- sem den Weg abgeschnitten, sodass dieser in die rechte Seite des abbiegenden Personenwagens von G.________ prallte und erhebliche Verletzungen erlitt. Mit Urteil vom 25. Mai 2000, welches es am 2. April 2001 versandte, wies das Obergericht des Kantons Uri die Be- rufung von G.________ ab. B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 18. Mai 2001 wegen Verletzung von Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV beantragt G.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben. Das Obergericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen. Die Staatsanwaltschaft verzichtet darauf, sich vernehmen zu lassen. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- a) Beim angefochtenen Urteil des Obergerichts han- delt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endent- scheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen rechtlich ge- schützten Interessen berührt (Art. 88 OG) und er macht die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten geltend (Art. 84 Abs. 1 lit. b OG). Da diese und auch die übrigen Sachur- teilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten. b) Die staatsrechtliche Beschwerde ermöglicht in- dessen keine Fortsetzung des kantonalen Verfahrens. Das Bun- desgericht prüft in diesem Verfahren nur in der Beschwerde- schrift erhobene, detailliert begründete und soweit möglich belegte Rügen. Der Beschwerdeführer muss den wesentlichen Sachverhalt darlegen, die als verletzt gerügten Verfassungs- bestimmungen nennen und überdies dartun, inwiefern diese verletzt sein sollen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c). Soweit im Folgenden auf Aus- führungen in der Beschwerde nicht eingetreten wird, er- schöpfen sie sich in appellatorischer, diesen Anforderungen nicht genügender Kritik oder gehen von einem anderen Sach- verhalt als das Obergericht aus, ohne zu begründen, inwie- fern es diesen willkürlich feststellte. Ersteres trifft zum Beispiel auf den Einwand zu, das Obergericht habe einen Entlastungsbeweis missachtet, indem es sich mit der Aussage von Frau R.________ nicht weiter auseinandergesetzt habe, wonach ein Töffkollege von S.________ angehalten und zum am Boden liegenden Unfallopfer gesagt habe: "Hesch gseh, jetzt prässierts nömme!". Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern diese Aussage geeignet sein könnte, die obergerichtliche Be- weiswürdigung (in Bezug auf die Anfahrgeschwindigkeit des Motorrades) als willkürlich nachzuweisen. Letzteres gilt etwa für seine Behauptung, die Ge- genfahrbahn bereits weitgehend überquert gehabt zu haben, als es zur Kollision gekommen sei: das Obergericht hält dazu fest, dass sich der Personenwagen im Kollisionszeitpunkt noch mit allen vier Rädern auf der Gegenfahrbahn befand. 2.- Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht willkür- liche Beweiswürdigung sowie eine Gehörsverweigerung vor, weil es einen Beweisantrag abgelehnt habe. a) Willkürlich handelt ein Gericht, wenn es seinem Entscheid Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die mit den Akten in klarem Widerspruch stehen. Im Bereich der Beweis- würdigung besitzt der Richter einen weiten Ermessensspiel- raum. Das Bundesgericht greift im Rahmen einer staatsrecht- lichen Beschwerde nur ein, wenn die Beweiswürdigung offen- sichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Ver- sehen beruht (BGE 124 I 208 E. 4a; 117 Ia 13 E. 2c; 18 E. 3c je mit Hinweisen). b) Nach dem in Art. 29 Abs. 2 BV verankerten An- spruch auf rechtliches Gehör sind alle Beweise abzunehmen, die sich auf Tatsachen beziehen, die für die Entscheidung erheblich sind (BGE 117 Ia 262 E. 4b; 106 Ia 161 E. 2b; 101 Ia 169 E. 1, zu Art. 4 aBV, je mit Hinweisen). Das hindert aber den Richter nicht, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn er in willkürfreier Überzeugung der bereits abgenommenen Be- weise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und er überdies in will- kürfreier antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten Beweise annehmen kann, seine Überzeugung werde auch durch diese nicht mehr geändert (BGE 122 V 157 E. 1d; 19 Ib 492 E. 5b/bb, zu Art. 4 aBV). 3.- a) Das Obergericht geht, vorab gestützt auf das Gutachten Widmer, in tatbeständlicher Hinsicht davon aus, dass S.________ vor der Kollision mit eingeschaltetem Ab- blendlicht und unter Einhaltung der zulässigen Höchstge- schwindigkeit von 80 km/h vom Oberalppass Richtung Andermatt fuhr. Daraus zog es den Schluss, dass der Beschwerdeführer, der bei der Einleitung seines Abbiegemanövers die Gegenfahr- bahn unbestrittenermassen rund 290 m weit einsehen konnte, das herannahende Motorrad hätte sehen können. In rechtlicher Hinsicht hält es dafür, dass der vortittsbelastete Beschwer- deführer den vortrittsberechtigten S.________ bei der für ein Abbiegemanöver nach links gebotenen Sorgfalt auch hätte sehen müssen. Der Beschwerdeführer habe "völlig unkonzen- triert und ohne ersichtlichen rechtserheblichen Grund nicht auf das Verkehrsgeschehen geachtet und dabei eine für die Verkehrssicherheit grundlegende Norm missachtet". Er habe einen Fehler begangen, der einem aufmerksamen Fahrer ange- sichts der konkreten Situation schlechterdings nicht pas- sieren dürfe. Selbst wenn diese Unaufmerksamkeit nur kurz gedauert habe, sei ihm Grobfahrlässigkeit vorzuwerfen, "da die konkrete Situation eine bedeutend erhöhte Aufmerksamkeit verlangte" (angefochtener Entscheid S. 13. f). b) Der Beschwerdeführer will aus dem Umstand, dass weder er noch seine Beifahrerin S.________ herannahen sahen, ableiten, dass dieser vor dem Unfall mit weit übersetzter Geschwindigkeit gefahren sei. Das Obergericht sei, gestützt auf das Gutachten Widmer, willkürlich davon ausgegangen, dass S.________ mit einer Geschwindigkeit von (bloss) 71 km/h auf die Unfallstelle zugefahren sei. Der Gutachter habe willkürlich eine Aufprallgeschwindigkeit von 45 km/h angenommen und von dieser auf eine Anfahrgeschwindigkeit von S.________ von 71 km/h geschlossen. Wenn das Obergericht da- zu ausführe, die Aufprallgeschwindigkeit ergebe sich insbe- sondere aus dem Beschädigungsbild der beteiligten Fahrzeuge, so ergänze es das Gutachten Widmer in unzulässiger Weise mit Überlegungen, die in diesem nicht enthalten seien. Es könne nicht Aufgabe des Richters sein, ein Gutachten selber zu er- gänzen. Das Obergericht sei daher in Willkür verfallen, in- dem es aufgrund einer blossen Annahme des Gutachters für er- wiesen halte, die Anfahrtsgeschwindigkeit von S.________ ha- be bloss 71 km/h betragen. Zudem habe es sein rechtliches Gehör verletzt, indem es die Abnahme von Ergänzungsbeweisen zu dieser Frage abgelehnt habe. c) Aus dem Umstand, dass weder der Beschwerdeführer selber noch seine Mitfahrerinnen das herannahende Motorrad von S.________ wahrgenommen haben, lässt sich nichts zu sei- nen Gunsten ableiten. Zu Beginn seines Abbiegemanövers konnte er die Gegenfahrbahn unbestrittenermassen auf eine Tiefe von rund 290 m einsehen, und die Sichtverhältnisse waren gut. S.________ hätte sich somit auch dann bereits in diesem Zeitpunkt im Blickfeld des Beschwerdeführers befun- den, wenn er tatsächlich mit weit übersetzter Geschwindig- keit unterwegs gewesen wäre. Dass dieser (und seine Mitfah- rerinnen) ihn nicht sahen, beweist damit einzig, dass sie ihre Aufmerksamkeit nicht auf den Gegenverkehr richteten; ein schlüssiges Indiz für einen "Geschwindigkeitsexzess" von S.________ ist darin nicht erkennbar. d) Der Gutachter Widmer erklärt zunächst, dass ihm aufgrund der "Akten und Unfallfotos" eine "Beurteilung des Unfallablaufes als Eingrenzung möglich" sei (Gutachten S. 4 oben) und kommt dann unter Verweis auf seine Beilagen 7 und 7a zum Schluss, dass die Kollisionsgeschwindigkeit des Mo- torrades 45 km/h (und damit dessen Anfahrgeschwindigkeit 71 km/h) betragen habe. In diesen Beilagen berechnet der Gutachter (u.a.), wie hoch die Anfahrtsgeschwindigkeit von S.________ gewesen sein muss, wenn seine Kollisionsge- schwindigkeit 30, 40 oder 45 km/h betrug. Unter Beilage 7a hält der Gutachter in Fettdruck fest, dass das Beschädi- gungsbild der beteiligten Fahrzeuge der Kollisionsgeschwin- digkeit des Motorrades entsprechen müsse. Diese Ausführungen des Gutachters lassen sich zwangslos dahingehend verstehen, dass er aufgrund des Be- schädigungsbildes der beiden Unfallfahrzeuge, mit welchem er sich an anderer Stelle detailliert auseinandersetzt, davon ausgeht, dass das Motorrad mit mindestens 30 km/h und höchs- tens 45 km/h auf den Personenwagen des Beschwerdeführers prallte und in der Folge auf den für diesen günstigsten Sachverhalt - der höchsten Aufprallgeschwindigkeit des Mo- torrades - abstellt. Der Einwand des Beschwerdeführers, der Gutachter habe in nicht nachvollziehbarer Weise und damit willkürlich eine Aufprallgeschwindigkeit angenommen und da- raus die Anfahrtsgeschwindigkeit von S.________ berechnet, trifft nicht zu. Inwiefern diese Annahme und die Ausführun- gen des Obergerichts zu deren Stützung aufgrund des Scha- densbildes offensichtlich unhaltbar sein sollen, legt er nicht dar. Da der Beschwerdeführer die Rückrechnung des Gut- achters von der Aufprall- auf die Anfahrtsgeschwindigkeit nicht beanstandet, konnte das Obergericht willkürfrei davon ausgehen, dass die Anfahrtsgeschwindigkeit von S.________ die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h nicht oder jedenfalls nicht erheblich überschritt, zumal sich dies mit den Aussagen von S.________ deckt, welche er ohne Kenntnis des Gutachtens machte. Die Willkürrüge ist offensichtlich unbegründet. Konnte somit das Obergericht die (ungefähre) An- fahrgeschwindigkeit von S.________ aufgrund des Gutachtens Widmer willkürfrei bestimmen, brauchte es darüber keine weiteren Beweise mehr abzunehmen (vorn E. 2b). Die Gehörs- verweigerungsrüge ist damit ebenfalls unbegründet. 4.- Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Be- schwerdeführer die Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG) Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Be- schwerdeführer auferlegt. 3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft I und dem Obergericht des Kantons Uri, Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt. ______________ Lausanne, 2. August 2001 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: