Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.2/2001
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1P.2/2001/boh

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                       25. April 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes-
richter Aeschlimann, Bundesrichter Féraud und Gerichts-
schreiber Forster.

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                         In Sachen

A.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Stephan A. Buchli, Stauffacherstrasse 35, Postfach, Zürich,

                           gegen

Bezirksanwaltschaft  W i n t e r t h u r,
Staatsanwaltschaft des Kantons  Z ü r i c h,

                         betreffend
                 Art. 9, Art. 29 Abs. 1 BV
        (Strafprozess; formelle Rechtsverweigerung),

hat sich ergeben:

     A.- Die Bezirksanwaltschaft Winterthur führt eine
Strafuntersuchung gegen A.________, B.________, C.________
und D.________ wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmit-
telgesetz. Den Angeschuldigten wird vorgeworfen, sie hätten
über die Firma X.________ Handel mit illegalen Hanfprodukten
(Marihuana, Haschisch) betrieben. Anlässlich einer Haus-
durchsuchung und Beschlagnahme vom 30. Oktober 2000 wurden
in den Geschäftslokalen der genannten Firma mehrere Hundert
Hanf-Topfpflanzen sowie grosse Mengen getrocknete Hanfpro-
dukte sichergestellt. Gegen die Eigentümerin der beschlag-
nahmten Ware, die Firma X.________, wurde ein Einziehungs-
verfahren eingeleitet.

     B.- Am 22. November 2000 erliess die Bezirksanwalt-
schaft Winterthur folgende Beschlagnahme- und Verwertungs-
verfügung:

     "4. Die durch die Kantonspolizei Zürich am 30. Oktober
         2000 im Keller des Ladengeschäftes 'Firma
         X.________' festgestellten und seither sicherge-
         stellten Topfpflanzen (...) werden als Beweismittel
         und zur Einziehung beschlagnahmt.
      5. Die durch die Kantonspolizei Zürich (...) sicher-
         gestellten Trockenblumen und Blütenstengel (...)
         werden als Beweismittel und zur Einziehung be-
         schlagnahmt.
      6. Die Kantonspolizei Zürich wird beauftragt, für die
         Sicherung und weitere Pflege der Pflanzen vor Ort
         bis zu deren Verwertung oder Vernichtung zu sorgen.
      7. Die Kantonspolizei Zürich wird beauftragt, für die
         sofortige Verwertung der Pflanzen als Industriehanf
         einen Abnehmer zu suchen, der jede missbräuchliche
         Verwendung ausschliessen kann.
      8. Wird kein Abnehmer gefunden, sind die Hanfpflanzen
         durch die Kantonspolizei Zürich ab dem 29. November
         2000 zu vernichten."

     C.- Gegen die Verfügung der Bezirksanwaltschaft Winter-
thur rekurrierte A.________ an die Staatsanwaltschaft des
Kantons Zürich. Diese trat mit Rekursentscheid vom 29. No-
vember 2000 auf das Rechtsmittel nicht ein und legte dem Re-
kurrenten die Verfahrenskosten auf.

     D.- Dagegen gelangte A.________ mit staatsrechtlicher
Beschwerde vom 29. Dezember 2000 an das Bundesgericht.

        Die Bezirksanwaltschaft Winterthur und die Staats-
anwaltschaft des Kantons Zürich beantragen mit Vernehmlas-
sungen vom 29. Januar bzw. 1. Februar 2001 je die Abweisung
der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Es fragt sich zunächst, ob bzw. inwieweit auf die
Beschwerde einzutreten ist. Das Bundesgericht prüft deren
Zulässigkeit von Amtes wegen und mit freier Kognition
(BGE 126 I 81 E. 1 S. 83 mit Hinweisen).

        a) Der Beschwerdeführer vertritt den Standpunkt, er
sei nicht nur in verfahrensrechtlicher (Eintretens- und Kos-
tenfrage) sondern auch in materieller Hinsicht (Anfechtung
der Verwertung bzw. Vernichtung der beschlagnahmten Ware)
zur Beschwerde legitimiert. Da die Vernichtung bereits am
6. Dezember 2000 vollzogen wurde und durch die blosse Aufhe-
bung des angefochtenen Entscheides nicht mehr rückgängig ge-
macht werden könne, stellt er das Rechtsbegehren, es sei die
Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Zwangsmassnahme
festzustellen. Ausserdem erhebt er die Rüge, das Nichtein-

treten auf seinen Rekurs stelle eine formelle Rechtsverwei-
gerung dar und verstosse gegen Art. 9 bzw. Art. 29 Abs. 1
BV, und er stellt den Antrag, es seien die Kosten des Re-
kursverfahrens dem Kanton Zürich zu überbinden.

        b) Soweit die Staatsanwaltschaft auf den Rekurs des
Beschwerdeführers nicht eingetreten ist und ihm Verfahrens-
kosten auferlegt hat, ist er vom angefochtenen Entscheid be-
schwert. Insofern kann unter dem Gesichtspunkt der kassato-
rischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde (vgl. BGE 124
I 327 E. 4b S. 332 f.) und des aktuellen praktischen Rechts-
schutzinteresses (Art. 88 OG) auf die Beschwerde eingetreten
werden. Insbesondere ist die Rüge zu prüfen, der Nichtein-
tretensentscheid komme einer formellen Rechtsverweigerung
gleich und beruhe auf einer willkürlichen Anwendung des kan-
tonalen Prozessrechtes (vgl. BGE 126 I 81 E. 3b S. 86; 123
I 25 E. 1 S. 26 f.; 122 I 267 E. 1b S. 270, je mit Hinwei-
sen).

        c) Soweit der Beschwerdeführer sich jedoch mate-
riell gegen die angeordnete Zwangsmassnahme wendet, ist er
zur Prozessführung nicht legitimiert.

        Die staatsrechtliche Beschwerde steht Rechtsuchen-
den nur in dem Umfange zu, als sie vom angefochtenen Ent-
scheid in ihren rechtlich geschützten Interessen selbst per-
sönlich betroffen sind (Art. 88 OG). Die Beschwerdeführung
im Interesse Dritter ist (von hier nicht zutreffenden Aus-
nahmen abgesehen) grundsätzlich unzulässig (BGE 123 I 279
E. 3c/ee S. 281; 122 I 44 E. 2b S. 45 f., je mit Hinweisen).
Unbestrittenermassen handelt es sich beim Beschwerdeführer
nicht um den Eigentümer der beschlagnahmten Ware. Zudem
fehlt es ihm (materiellrechtlich) auch am aktuellen prakti-
schen Rechtsschutzinteresse, nachdem die direkt betroffene

Eigentümerin selbst eine - inhaltlich analoge - staatsrecht-
liche Beschwerde gegen die Zwangsverwertung der beschlag-
nahmten Ware eingereicht hat (Verfahren 1P.1/2001).

     2.- Der Beschwerdeführer macht geltend, das Nichteintre-
ten auf seinen Rekurs beruhe auf einer willkürlichen Ausle-
gung des kantonalen Verfahrensrechtes (Art. 9 BV) und komme
einer formellen Rechtsverweigerung gleich (Art. 29 Abs. 1
BV).

        a) Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und
Verwaltungsinstanzen Anspruch auf gleiche und gerechte Be-
handlung sowie auf Beurteilung innert angemessener Frist
(Art. 29 Abs. 1 BV). Tritt eine Behörde auf eine ihr frist-
und formgerecht unterbreitete Sache nicht ein, obschon sie
darüber entscheiden müsste, begeht sie eine formelle Rechts-
verweigerung (vgl. BGE 117 Ia 116 E. 3a S. 117 f.).

        b) Der streitige Nichteintretensentscheid erfolgte
in Anwendung des kantonalen Verfahrensrechtes. Die Staatsan-
waltschaft erwog, die beschlagnahmten Hanfprodukte gehörten
unbestrittenermassen nicht dem Beschwerdeführer, sondern der
Firma X.________. Somit sei diese und nicht der Beschwerde-
führer von der angefochtenen Verfügung unmittelbar betroffen
und beschwert. Nach kantonalem Verfahrensrecht könne sich
ein Rechtsuchender "nicht rekursweise für Rechte Dritter
einsetzen".

        c) In dieser Praxis ist weder eine schlechterdings
unhaltbare Auslegung des kantonalen Verfahrensrechtes noch
eine formelle Rechtsverweigerung zu erkennen. Daran ändert
auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nichts, er sei Ge-
sellschafter ("Stammanteilsinhaber") der Fa. X.________ und

habe daher ein (indirektes) wirtschaftliches Interesse an
der Anfechtung der Zwangsverwertung, insbesondere habe er
Anspruch auf einen Anteil des Jahresgewinns der Gesell-
schaft.

        Nach zürcherischem Strafprozessrecht ist der Ange-
schuldigte insbesondere zur Ergreifung von Rechtsmitteln
gegen Straferkenntnisse legitimiert (§ 395 Abs. 1 Ziff. 3
StPO/ZH). Ausserdem steht allen Personen, die durch eine
Verfügung der Untersuchungs- und Anklagebehörden "in ihren
Rechten betroffen werden", der Rekurs nach §§ 402 ff.
StPO/ZH zu (§ 395 Abs. 2 StPO/ZH). Rekurslegitimiert ist
insbesondere, wer durch strafprozessuale Zwangsmassnahmen
(wie z.B. Beschlagnahmen) unmittelbar beschwert ist (vgl.
Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kan-
tons Zürich, N. 17 zu § 395 StPO/ZH). Auch der Angeschul-
digte kann Zwangsmassnahmen nur anfechten, soweit er dadurch
in seinen eigenen Interessen betroffen ist und an der Aufhe-
bung oder Änderung der Verfügung ein rechtliches Interesse
hat (vgl. a.a.O., N. 22). Im hier zu beurteilenden Fall
kommt hinzu, dass die direkt betroffene Firma selbst einen
(inhaltlich analogen) Rekurs (sowie eine analoge staats-
rechtliche Beschwerde) gegen die Zwangsverwertung der be-
schlagnahmten Ware eingereicht hat. Dem Beschwerdeführer als
Gesellschafter (bzw. Geschäftsführer) der Firma dürfte dies
im Übrigen bekannt sein. Bei dieser Sachlage drängt es sich
umso weniger auf, den Kreis der nach kantonalem Recht Re-
kurslegitimierten von Verfassungs wegen auf mittelbar Be-
troffene auszudehnen. Sogar das indirekte Interesse des Be-
schwerdeführers, die Gesellschaft vor wirtschaftlichem
Schaden zu bewahren, wurde durch deren Beschwerdeführung
ausreichend gewahrt.

     3.- Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde
abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann.

        Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskos-
ten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit auf sie eingetreten werden kann.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der
Bezirksanwaltschaft Winterthur und der Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 25. April 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: