Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.283/2001
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1P.283/2001/mks

             I. ÖFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             *********************************

                        9. Juli 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes-
richter Nay, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiber
Härri.

                         _________

                         In Sachen

X.________, Beschwerdeführer,

                           gegen

Untersuchungsrichter des Kantons  F r e i b u r g, André
Piller,
Präsident des Untersuchungsrichteramtes des Kantons
F r e i b u r g,
Staatsanwaltschaft des Kantons  F r e i b u r g,
Kantonsgericht  F r e i b u r g, Strafkammer,

                         betreffend
             Ausstand des Untersuchungsrichters
    (staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des
 Kantonsgerichts Freiburg [Strafkammer] vom 30. März 2001),

hat sich ergeben:

     A.- Das Untersuchungsrichteramt des Kantons Freiburg
führt ein Strafverfahren gegen X.________ wegen des Ver-
dachts der Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz.

        Am 4. Juli 2000 verlangte X.________ den Ausstand
von Untersuchungsrichter André Piller mit der Begründung,
dieser habe am 14. Mai 1997 an der "Conférence des Prési-
dents des Tribunaux d'arrondissements et des juges d'ins-
truction" (im Folgenden: Konferenz) teilgenommen; dort sei
beschlossen worden, dass künftig die offiziellen Hanfpflan-
zen, also subventionierter Hanf, als legal und die nicht
offiziellen Hanfpflanzen als illegal angesehen und deshalb
zerstört werden müssten; ein derartiges Abgrenzungskriterium
ergebe sich aus dem Gesetz jedoch nicht; der Untersuchungs-
richter habe aufgrund der Konferenz sämtlichen von
X.________ betriebenen Hanfhandel als illegal bezeichnet,
obwohl die beschlagnahmten Hanfpflanzen noch nicht von einem
unabhängigen Labor auf den THC-Gehalt untersucht worden
seien; dadurch habe X.________ den Eindruck erhalten, dass
ihn der Untersuchungsrichter bereits vorverurteile.

        Untersuchungsrichter Piller beantragte die Abwei-
sung des Ausstandsbegehrens.

        Am 15. Dezember 2000 wies der Präsident des Unter-
suchungsrichteramtes das Ausstandsbegehren ab.

        Die von X.________ dagegen erhobene Beschwerde wies
das Kantonsgericht Freiburg (Strafkammer) am 30. März 2001
ab.

     B.- X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit
dem Antrag, den Entscheid des Kantonsgerichtes aufzuheben.

Er rügt, das Kantonsgericht habe Art. 9, Art. 29 Abs. 2 und
Art. 30 BV sowie Art. 6 EMRK verletzt.

     C.- Untersuchungsrichter Piller, der Präsident des
Untersuchungsrichteramtes und das Kantonsgericht haben auf
eine Vernehmlassung verzichtet.

        Die Staatsanwaltschaft hat sich vernehmen lassen
mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um
einen letztinstanzlichen kantonalen Zwischenentscheid über
ein Ausstandsbegehren. Dagegen ist die staatsrechtliche
Beschwerde gegeben (Art. 86 und Art. 87 Abs. 1 OG).

     2.- a) Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwer-
deschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste
Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen
Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den
angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind.
Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundes-
gericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit mög-
lich, belegte Rügen (BGE 125 I 492 E. 1b mit Hinweisen).

        Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern das
Kantonsgericht Art. 9 und Art. 29 Abs. 2 BV verletzt habe.
Insoweit kann auf die Beschwerde von vornherein nicht ein-
getreten werden.

        b) Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK ent-
halten die Garantie des verfassungsmässigen Richters. Danach
hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem
unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter
ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen
bei objektiver Betrachtung Gegebenheiten vor, die den An-
schein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommen-
heit zu begründen vermögen, so ist die Garantie verletzt
(BGE 126 I 68 E. 3a mit Hinweisen).

        Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK sind
nicht anwendbar bei der Ablehnung eines Untersuchungsrich-
ters oder eines Vertreters der Staatsanwaltschaft. Denn
diese nehmen im Wesentlichen Aufgaben der Untersuchung oder
des öffentlichen Anklägers wahr und nicht solche eines Rich-
ters im engen Sinne (BGE 124 I 76, 119 Ia 13 E. 3a, 118 Ia
95 E. 3b). Art. 29 Abs. 1 BV gewährleistet jedoch, ausser-
halb des Anwendungsbereichs von Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6
Ziff. 1 EMRK, einen gleichwertigen Schutz (vgl. die Recht-
sprechung zu Art. 4 aBV: BGE 125 I 119 E. 3b mit Hinweisen);
eine Ausnahme gilt insoweit, als Art. 29 Abs. 1 BV im Unter-
schied zu Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK die Un-
abhängigkeit und Unparteilichkeit als Grundsatz der Behör-
denorganisation nicht gewährleistet (BGE 125 I 119 E. 3f).

        c) Das Kantonsgericht begründet seinen Entscheid
zunächst damit, das Strafverfahren gegen den Beschwerde-
führer sei nicht Gegenstand der Konferenz gewesen; die
Konferenz habe dazu auch keinen Entscheid getroffen. Des-
halb würden sich aus der Teilnahme von Untersuchungsrichter
Piller an der Konferenz keine objektiven Anhaltspunkte
ergeben, die einen Ausstand zu begründen vermöchten.

        Das Kantonsgericht verweist sodann auf BGE 126 IV
198, der im Januar 2001 in der amtlichen Sammlung ver-
öffentlicht wurde. Das Bundesgericht stellte in diesem

Entscheid klar, wann ein Hanfprodukt als Betäubungsmittel
gilt und deshalb nicht in Verkehr gebracht werden darf. Das
Kantonsgericht legt dar, Untersuchungsrichter Piller werde
den Fall des Beschwerdeführers im Lichte dieser Rechtspre-
chung und nicht aufgrund allfälliger - für den vorliegenden
Fall ohnehin nicht getroffener - Absprachen zu prüfen haben.

        Das Kantonsgericht stützt seinen Entscheid somit
auf eine Doppelbegründung. Es verneint die Gefahr der Vor-
eingenommenheit, (1) weil an der Konferenz der Fall des
Beschwerdeführers nicht besprochen wurde und (2) weil selbst
dann, wenn eine Absprache stattgefunden hätte, diese für den
Untersuchungsrichter nicht (mehr) massgeblich wäre, sondern
die neue bundesgerichtliche Rechtsprechung.

        d) Beruht ein kantonaler Entscheid auf mehreren
selbständigen Begründungen, ist er nur dann verfassungs-
widrig, wenn dies hinsichtlich aller Begründungen zutrifft.
Wird nur eine von zwei selbständigen Begründungen des kan-
tonalen Entscheides angefochten, bleibt die andere bestehen.
Mangels einer entsprechenden Rüge kann das Bundesgericht
nicht prüfen, ob der Entscheid insoweit mit der Verfassung
in Einklang steht. In einem solchen Fall kann auf die
staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden (vgl.
BGE 121 IV 94; 107 Ib 264 E. 3b, 104 Ia 381 E. 6a mit Hin-
weisen).

        Der Beschwerdeführer richtet sich einzig gegen die
erste Begründung des Kantonsgerichtes. Er macht geltend, an
der Konferenz sei ausgehend von einem anderen konkreten Fall
allgemein über die rechtliche Beurteilung der Hanfpflanzen
im Kanton Freiburg gesprochen und dazu ein Beschluss gefällt
worden; dieser betreffe somit auch den Beschwerdeführer und
wirke sich auf sein Strafverfahren aus. Gegen die zweite
Begründung des Kantonsgerichts bringt der Beschwerdeführer
nichts vor. Auf die Beschwerde kann deshalb nicht einge-

treten werden. Auch wenn seine Einwände stichhaltig wären,
bliebe der Entscheid des Kantonsgerichts gestützt auf die
unangefochtene zweite Begründung bestehen.

     3.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Be-
schwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine
Parteientschädigung steht ihm nicht zu (Art. 159 Abs. 1 und
2 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht ein-
getreten.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem
Beschwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem
Untersuchungsrichter, André Piller, dem Präsidenten des
Untersuchungsamtes und der Staatsanwaltschaft des Kantons
Freiburg sowie dem Kantonsgericht Freiburg, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 9. Juli 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
          Der Präsident:    Der Gerichtsschreiber: