Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.265/2001
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1P.265/2001/sta

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                       8. August 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes-
richter Féraud, Bundesrichter Catenazzi und Gerichtsschrei-
ber Forster.

                         ---------

                         In Sachen

Fa. I.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Peter Popp, Unter Altstadt 28, Postfach
1421, Zug,

                           gegen

Kantonales Untersuchungsamt für Wirtschaftsdelikte des
Kantons  S t.  G a l l e n,
Anklagekammer des Kantons  S t.  G a l l e n,

                         betreffend
      Art. 8, Art. 9 BV (Kosten, Parteientschädigung),

hat sich ergeben:

     A.- Die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern führt eine
Strafuntersuchung wegen des Verdachtes von Fiskaldelikten
gegen L.________ und M.________ sowie R.________ und
J.________ (alle wohnhaft in Z.________/D). Mit Rechtshilfe-
ersuchen vom 23. April 1998 (und Ergänzungen vom 14. Septem-
ber 1998 und 8. Januar 1999) stellte der Leitende Ober-
staatsanwalt von Kaiserslautern bei den schweizerischen Be-
hörden ein Rechtshilfegesuch. Darin wurden Hausdurchsuchun-
gen und die Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen bei den
Firmen G.________ AG und S.________ AG sowie Erhebungen über
Bankkonten beantragt.

     B.- Auf Anordnung der Kantonalen Untersuchungsrichterin
für Wirtschaftsdelikte des Kantons St. Gallen wurden am
5. Januar 1999 eine Hausdurchsuchung bei der Fa.
N.________ AG, der Rechtsnachfolgerin der Fa. G.________ AG,
durchgeführt und diverse Geschäftsunterlagen beschlagnahmt.
Die kantonalen Behörden erlaubten zwei deutschen Er-
mittlungsbeamten die Anwesenheit bei der Hausdurchsuchung.
Ausserdem erfolgten Kontenerhebungen bei der UBS.

     C.- Mit Schlussverfügung vom 12. Mai 2000 verweigerte
die Kantonale Untersuchungsrichterin für Wirtschaftsdelikte
des Kantons St. Gallen die beantragte Rechtshilfe hinsicht-
lich der prozessualen Massnahmen gegenüber der Fa.
G.________ AG bzw. der Fa. N.________ AG. Gleichzeitig
ordnete sie die Rückgabe der beschlagnahmten Dokumente an
letztere Firma an. In der Schlussverfügung wurde der
Fa. N.________ AG die von ihr beantragte ausseramtliche Ent-
schädigung verweigert. Amtliche Kosten wurden nicht erhoben.

     D.- Gegen die Schlussverfügung vom 12. Mai 2000 erhob
die Fa. I.________ AG (als Rechtsnachfolgerin der Fa.
N.________ AG) Beschwerde, in der sie unter anderem die Zu-
sprechung einer ausseramtlichen Entschädigung verlangte. Die
Anklagekammer des Kantons St. Gallen wies die Beschwerde mit
Entscheid vom 5. Dezember 2000 ab. Gleichzeitig erhob sie
von der Rekurrentin eine Entscheidgebühr von Fr. 1'000.--.

     E.- Gegen den Entscheid der Anklagekammer gelangte die
Fa. I.________ AG mit staatsrechtlicher Beschwerde vom
11. April 2001 an das Bundesgericht. Sie beantragt, der an-
gefochtene Entscheid sei aufzuheben, soweit ihr im erst- und
zweitinstanzlichen kantonalen Verfahren "eine ausseramtliche
Entschädigung verweigert" und soweit ihr im zweitinstanzli-
chen Verfahren "die volle Entscheidgebühr auferlegt" wurde.
Die erhobenen Rügen ergeben sich aus den nachfolgenden Erwä-
gungen.

     F.- Die Anklagekammer des Kantons St. Gallen hat am
26. April 2001 ausdrücklich auf eine Vernehmlassung verzich-
tet, während vom Kantonalen Untersuchungsamt für Wirt-
schaftsdelikte keine Stellungnahme eingegangen ist.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig,
soweit die behauptete Rechtsverletzung nicht sonstwie durch
Klage oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer ande-
ren Bundesbehörde gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG).

        a) Gegen letztinstanzliche kantonale Schlussverfü-
gungen in Rechtshilfesachen ist zwar grundsätzlich die Ver-
waltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig
(Art. 25 Abs. 1, Art. 80f Abs. 1 IRSG). Im vorliegenden Fall
wird jedoch nicht die Gewährung oder Verweigerung der
Rechtshilfe angefochten. Vielmehr richtet sich die Beschwer-
de ausschliesslich gegen die Verweigerung der ausseramtli-
chen Entschädigung im kantonalen Rechtshilfe- und Beschwer-
deverfahren bzw. gegen die Kostenauflage im kantonalen Be-
schwerdeverfahren.

        b) Das Bundesgericht beurteilt letztinstanzlich
Verwaltungsgerichtsbeschwerden im Sinne von Art. 5 VwVG, die
sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen (Art. 97
Abs. 1 OG). Die eidgenössische Rechtshilfegesetzgebung
(IRSG, IRSV) enthält keine einschlägigen Vorschriften für
die Kostenregelung bzw. die Zusprechung ausseramtlicher Ent-
schädigungen im kantonalen Rechtshilfe- und Beschwerdever-
fahren (vgl. Art. 80e ff. IRSG). Die kantonalen Instanzen
wenden diesbezüglich das kantonale Verfahrensrecht an
(Art. 12 Abs. 1 Satz 1 IRSG).

        c) Dementsprechend haben die kantonalen Instanzen
ihre Entscheide betreffend Kosten und Entschädigung im vor-
liegenden Fall ausschliesslich auf das kantonale Verwal-
tungsverfahrens- bzw. Strafprozessrecht gestützt. Ein enger
Sachzusammenhang zwischen dem materiellen eidgenössischen
Rechtshilferecht und den hier streitigen Kosten- und Ent-
schädigungsfragen ist nicht ersichtlich, zumal die Beschwer-
deführerin auch nicht geltend macht, der angefochtene Ent-
scheid würde landesrechtliche Rechtshilfevorschriften ver-
letzen (vgl. BGE 123 I 275 E. 2b S. 277; 121 II 72 E. 1b
S. 75, je mit Hinweisen). Die (auch von der Beschwerdefüh-
rerin als solche bezeichnete) Eingabe ist daher als staats-
rechtliche Beschwerde entgegenzunehmen.

        d) Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen von
Art. 84 ff. OG erscheinen ebenfalls erfüllt.

     2.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Verweige-
rung der Parteientschädigung im erst- und zweitinstanzlichen
kantonalen Verfahren sowie die Kostenauflage im kantonalen
Beschwerdeverfahren verstosse gegen das Willkürverbot bzw.
das Rechtsgleichheitsgebot der Bundesverfassung.

     3.- a) Es fragt sich zunächst, ob für die Frage der
Parteientschädigung im erstinstanzlichen kantonalen Rechts-
hilfeverfahren kantonales Strafprozess- oder Verwaltungsver-
fahrensrecht anwendbar erscheint.

        Beim Verfahren der internationalen Rechtshilfe in
Strafsachen handelt es sich nicht um ein Strafverfahren,
sondern um ein streitiges Verwaltungsverfahren sui generis
(vgl. BGE 116 Ib 190 E. 5b S. 191). Verfahrensziel der
Rechtshilfe ist nicht die Abklärung von strafrechtlicher
Schuld, sondern die blosse Unterstützung der Ermittlungs-
behörden bei strafrechtlichen Untersuchungen im Ausland.

        Dementsprechend sieht das eidgenössische Rechts-
hilferecht nur für den Fall von strafprozessualen Massnahmen
(Prozesshandlungen) die analoge Anwendung des kantonalen
Strafverfahrensrechtes vor (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 IRSG). Die
Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und Kontenerhebungen
erfolgten im vorliegenden Fall denn auch nach Massgabe des
kantonalen Strafprozessrechtes. Bei der Regelung der Kosten-
und Entschädigungsfragen im (verwaltungsrechtlichen) kanto-
nalen Rechtshilfeverfahren handelt es sich hingegen nicht um
strafprozessuale Massnahmen. Diesbezüglich schreibt das Bun-
desrecht nicht die analoge Anwendung des Strafverfahrens-

rechtes vor. Bei der von den Rechtshilfemassnahmen betroffe-
nen Beschwerdeführerin handelt es sich im Übrigen weder um
eine angeschuldigte noch um eine mutmasslich geschädigte
Person im Sinne des Strafprozessrechts.

        b) Sodann ist zu prüfen, ob die Anwendung des kan-
tonalen Rechts im vorliegenden Fall willkürfrei erscheint.

        Willkür (im Sinne von Art. 9 BV bzw. der bisherigen
Praxis zu Art. 4 aBV) liegt nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtes vor, wenn der angefochtene kantonale
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächli-
chen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder
einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in
stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 125 II 10 E. 3a S. 15, 129 E. 5b S. 134; 124 I 208
E. 4a S. 211; 124 IV 86 E. 2a S. 88, je mit Hinweisen).

        c) Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, "gemäss
Art. 98 Abs. 3 lit. b VRP" würden "in erstinstanzlichen Ver-
fahren in der Regel keine ausseramtlichen Kosten zugespro-
chen". "Die Voraussetzungen für ein Abweichen vom Regelfall,
dass keine ausseramtlichen Kosten zugesprochen werden", lä-
gen "nicht vor". Dabei sei namentlich zu berücksichtigen,
dass "die deutschen Behörden den ursprünglich erhobenen Vor-
wurf, durch fingierte Provisionszahlungen seien auch die Be-
triebsausgaben der" Fa. "B.________ GmbH künstlich erhöht
worden", im vorliegenden Zusammenhang "fallengelassen
hätten". Damit könne "von einem komplizierten oder 'selbst
für den versierten Juristen' anspruchsvollen Fall von
Rechtshilfe" nicht (mehr) gesprochen werden. Weiter sei
"mitzuberücksichtigen, dass Rechtsanwalt Dr. Peter Dietsche,
Rorschach, einzelzeichnungsberechtigtes Verwaltungsratsmit-
glied der Beschwerdeführerin" sei. Im Übrigen würden die
geltend gemachten Aufwendungen "aufgrund der Sach- oder
Rechtslage nicht als notwendig und angemessen erscheinen".

        d) Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Erwä-
gung der Anklagekammer, wonach "der ersuchende Staat" im
hier streitigen Zusammenhang "den Vorwurf fingierter Provi-
sionszahlungen fallen" gelassen habe, sei aktenwidrig. "Ein
solches Argument" finde sich "weder in der Schlussverfü-
gung", noch in anderen Akten.

        Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit ist offensichtlich
unbegründet. Unter Hinweis auf eine Stellungnahme der
Staatsanwaltschaft Kaiserslautern vom 14. März 2000 wird in
der Schlussverfügung ausdrücklich erwogen, den "Vorwurf,
durch die fingierten Provisionszahlungen" über die Fa.
G.________ AG "seien auch die Betriebsausgaben der" Fa.
"B.________ GmbH künstlich erhöht worden", habe die ersu-
chende Behörde "fallengelassen".

        e) Auch die übrigen Vorbringen lassen die Erwägung
der Anklagekammer, wonach keine besonderen Umstände vorlä-
gen, welche ausnahmsweise die Zusprechung einer ausseramtli-
chen Entschädigung im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren
rechtfertigen, nicht als unhaltbar erscheinen. Insbesondere
folgt aus dem geltend gemachten Umstand, dass Rechtsanwalt
Dr. Dietsche von den kantonalen Behörden (als Organ der Be-
schwerdeführerin) zur Mitwirkung aufgefordert worden sei und
der Beschwerdeführerin für seine Bemühungen (nach dem An-
waltstarif) Rechnung gestellt habe, kein verfassungsmässiger
Anspruch auf eine Parteientschädigung.

        f) Nach dem Gesagten hält die Verweigerung der Par-
teientschädigung im erstinstanzlichen kantonalen Rechtshil-
feverfahren vor der Bundesverfassung stand.

     4.- Angefochten wird sodann der Kosten- und Entschädi-
gungspunkt im Beschwerdeentscheid der Anklagekammer. Diese
erachtete die Verweigerung der Parteientschädigung im erst-

instanzlichen kantonalen Rechtshilfeverfahren als rechtens,
wies die Beschwerde als unbegründet ab, legte der Rekurren-
tin die Entscheidgebühr von Fr. 1'000.-- auf und verweigerte
ihr eine Parteientschädigung für das kantonale Beschwerde-
verfahren.

        a) Die Anklagekammer wendete für ihren Kosten- und
Entschädigungsentscheid das kantonale Strafprozessrecht an.
Das kantonale Beschwerdeverfahren vor der Anklagekammer ist
(im Gegensatz zum erstinstanzlichen Rechtshilfeverfahren) in
der kantonalen Strafprozessordnung ausdrücklich geregelt.
Der Beschwerde nach Art. 230 ff. StP/SG unterliegt nament-
lich die Ausführung von Rechtshilfegesuchen ausländischer
Staaten (Art. 230 lit. a StP/SG). Es gelten insbesondere die
einschlägigen Bestimmungen betreffend Kosten und Entschädi-
gung (Art. 269, Art. 271 StP/SG).

        b) Danach trägt die Kosten des Rechtsmittelverfah-
rens, "wer mit seinem Begehren unterliegt oder die Einspra-
che oder das Rechtsmittel zurückzieht" (Art. 269 Abs. 1
StP/SG). Auch die Parteikosten werden (im Rechtsmittelver-
fahren) "nach Obsiegen und Unterliegen verlegt" (Art. 271
Abs. 1 Satz 2 StP/SG).

        c) Wie in Erwägung 3 dargelegt, durfte die kantona-
le Beschwerde gegen die Verweigerung der Parteientschädigung
im erstinstanzlichen kantonalen Rechtshilfeverfahren ohne
Verletzung der Bundesverfassung abgewiesen werden. In der
Verweigerung einer Parteientschädigung und in der Kostenauf-
lage für das kantonale Beschwerdeverfahren liegt offensicht-
lich keine unhaltbare Anwendung des kantonalen Verfahrens-
rechts.

     5.- Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde
als unbegründet abzuweisen ist.

        Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend, sind die
Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156
Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Be-
schwerdeführerin auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin sowie dem
Kantonalen Untersuchungsamt für Wirtschaftsdelikte und der
Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 8. August 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
      Der Präsident:           Der Gerichtsschreiber: