Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.202/2001
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1P.202/2001/boh

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                       9. April 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes-
richter Féraud, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichts-
schreiber Härri.

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                         In Sachen

X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Martin O. Huber, Freiestrasse 4, Uster,

                           gegen

Bezirksanwaltschaft  U s t e r,
Bezirksgericht  U s t e r, Haftrichter,

                         betreffend
           persönliche Freiheit (Haftentlassung)
      (staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung
          des Haftrichters am Bezirksgericht Uster
                   vom 14. Februar 2001),

hat sich ergeben:

     A.- Der bosnische Staatsangehörige X.________ steht
unter dem dringenden Verdacht, am 14. November 2000 in Uster
einen Menschen mit einem Eisenrohr niedergeschlagen und ihm
dabei schwere Kopfverletzungen zugefügt zu haben. X.________
habe anschliessend dem Portemonnaie des Opfers unter anderem
Bancomatkarten entnommen und damit bei verschiedenen Banco-
maten versucht, Bargeld zu beziehen.

        Am 17. November 2000 wurde X.________ in Untersu-
chungshaft versetzt.

        Am 12. Februar 2001 beantragte die Bezirksanwalt-
schaft dem Haftrichter am Bezirksgericht Uster die Verlänge-
rung der Haft um drei Monate.

        Am 14. Februar 2001 verfügte der Haftrichter die
Fortsetzung der Untersuchungshaft.

     B.- X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit
dem Antrag, die Verfügung des Haftrichters aufzuheben.

     C.- Der Haftrichter hat auf eine Vernehmlassung ver-
zichtet.

        Die Bezirksanwaltschaft hat sich vernehmen lassen
mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

        X.________ hat eine Replik eingereicht.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Der Beschwerdeführer bringt vor, der Haftrichter
stütze die angefochtene Verfügung auf den Haftgrund der
Fluchtgefahr gemäss § 58 Abs. 1 Ziff. 1 der Strafprozess-
ordnung des Kantons Zürich (StPO). Der Haftrichter begründe
nicht hinreichend, weshalb aufgrund bestimmter Anhaltspunkte
ernsthaft befürchtet werden müsse, dass sich der Beschwerde-
führer der Strafverfolgung oder der zu erwartenden Strafe
durch Flucht entziehen würde. Der Verweis auf den Antrag der
Bezirksanwaltschaft auf Verlängerung der Untersuchungshaft
genüge nicht.

        a) Soweit der Beschwerdeführer insoweit - durchwegs
unter Anrufung unzutreffender Artikel der Bundesverfassung -
eine rechtsungleiche Behandlung und eine willkürliche Anwen-
dung kantonalen Rechts rügt, genügt die Beschwerde den Be-
gründungsanforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht.
In der Sache geht es beim geltend gemachten Begründungs-
mangel um den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29
Abs. 2 BV. Eine Verletzung dieser Bestimmung macht der Be-
schwerdeführer nicht ausdrücklich geltend. Wollte man die
Beschwerde unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs
prüfen, wäre sie aus den nachfolgenden Erwägungen unbegrün-
det.

        b) Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach
Art. 29 Abs. 2 BV ergibt sich für den Richter die Pflicht,
seinen Entscheid zu begründen. Er muss wenigstens kurz die
wesentlichen Überlegungen darlegen, von denen er sich dabei
hat leiten lassen, so dass der Betroffene den Entscheid in
voller Kenntnis der Sache anfechten kann. Dabei muss sich
der Richter nicht mit allen tatsächlichen Behauptungen und
rechtlichen Einwänden auseinander setzen. Er kann sich viel-

mehr auf die für seinen Entscheid erheblichen Gesichtspunkte
beschränken (BGE 122 IV 8 E. 2c; 121 I 54 E. 2c je mit Hin-
weisen). Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird nicht ver-
letzt, wenn der Haftrichter auf den die Haftgründe genügend
darlegenden Antrag der Bezirksanwaltschaft verweist, statt
seinen Entscheid mit einer eigenen Begründung zu versehen
(BGE 123 I 31 E. 2)

        Der Haftrichter verweist in der angefochtenen Ver-
fügung (S. 1) auf den Antrag der Bezirksanwaltschaft vom
12. Februar 2001 auf Verlängerung der Untersuchungshaft und
dessen Begründung. Dort (S. 3) werden die Gründe für die An-
nahme der Fluchtgefahr einlässlich dargelegt. Der Verweis
des Haftrichters auf den Antrag der Bezirksanwaltschaft ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beschwerde-
führer war gestützt darauf in der Lage, die Fortsetzung der
Untersuchungshaft sachgerecht anzufechten. Der Anspruch auf
rechtliches Gehör ist nicht verletzt.

     2.- Der Beschwerdeführer macht geltend, die angefochte-
ne Verfügung verletze sein Recht auf persönliche Freiheit.
Es genüge nicht, dass gegen einen Angeschuldigten schwere
Vorwürfe erhoben würden, um Fluchtgefahr zu begründen; eben-
so wenig reiche dafür die ausländische Staatsangehörigkeit
aus.

        a) Bei staatsrechtlichen Beschwerden, die gestützt
auf das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit
gegen die Anordnung der Untersuchungshaft erhoben werden,
prüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung des kan-
tonalen Rechts frei (BGE 123 I 268 E. 2d mit Hinweis).

        b) Gemäss § 58 Abs. 1 Ziff. 1 StPO darf Untersu-
chungshaft angeordnet werden, wenn der Angeschuldigte eines
Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und
Fluchtgefahr besteht.

        aa) Der Beschwerdeführer anerkennt ausdrücklich den
dringenden Tatverdacht in Bezug auf eine schwere Körperver-
letzung (Art. 122 StGB). Er ist somit eines Verbrechens
dringend verdächtigt.

        bb) Nach der Rechtsprechung genügt für die Annahme
von Fluchtgefahr die Höhe der dem Angeschuldigten drohenden
Freiheitsstrafe für sich allein nicht. Fluchtgefahr darf
nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der
Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr müssen konkrete
Gründe dargetan werden, die eine Flucht nicht nur als mög-
lich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Höhe
der drohenden Freiheitsstrafe kann nur neben anderen eine
Flucht begünstigenden Tatsachen herangezogen werden (BGE 125
I 60 E. 3a mit Hinweisen).

        Der Beschwerdeführer hat den Angriff auf das Opfer
gestanden. Dieses wurde sehr schwer verletzt. Nach dem Aus-
trittsbericht des Universitätsspitals Zürich vom 10. Januar
2001 ist das Opfer sowohl beim Sprachverständnis wie auch in
den sprachlichen Äusserungsmöglichkeiten stark eingeschränkt;
es befindet sich zurzeit in einer Rehabilitationsklinik. Der
Beschwerdeführer muss mit einer langen Freiheitsstrafe rech-
nen.

        Der Beschwerdeführer ist am 26. September 1999 in
die Schweiz eingereist. Er befand sich bis zur Inhaftierung
somit etwas mehr als ein Jahr und damit noch nicht sehr
lange in der Schweiz. Im Oktober 1999 heiratete er die hier
wohnhafte A.________. Bereits im Februar 2000 zog die Ehe-

frau jedoch aus der gemeinsamen Wohnung aus. Im März 2000
reichte sie die Scheidungsklage ein. Der Beschwerdeführer,
der seit März 2000 keinen Kontakt mehr zur Ehefrau hat, ist
inzwischen mit der Scheidung einverstanden. Dem Beschwerde-
führer wurde die fremdenpolizeiliche Bewilligung B erteilt;
diese war bis zum 30. September 2000 gültig und ist bisher
nicht verlängert worden. Der Beschwerdeführer hat danach zur
Schweiz keine nahe Beziehung. Seine Behauptung, er spreche
ausgezeichnet deutsch, kann nicht zutreffen, da sonst der
Beizug eines Dolmetschers bei seinen Einvernahmen entbehr-
lich gewesen wäre.

        Zwar hat der Beschwerdeführer eine Schwester in der
Schweiz. Nahe Bezugspersonen von ihm wohnen aber im Ausland,
nämlich die Eltern in den Vereinigten Staaten von Amerika
und ein Bruder in Deutschland. Da den Beschwerdeführer in
diesen Ländern somit jemand aufnehmen könnte, wäre die Aus-
reise in diese Länder erleichtert.

        In Anbetracht dieser Umstände ist es nicht zu bean-
standen, wenn der Haftrichter die Fluchtgefahr bejaht hat.

     3.- Der Beschwerdeführer rügt, der Haftrichter sei in
willkürlicher Weise nicht auf sein Vorbringen eingegangen,
dass aufgrund einer Schriftensperre oder der Auferlegung
einer Kaution im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäs-
sigkeit die Haftentlassung erfolgen könnte.

        a) Auch insoweit kann auf die Beschwerde mangels
hinreichender Substantiierung nicht eingetreten werden, so-
weit der Beschwerdeführer Willkür geltend macht. Es geht
hier wiederum um seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nach
Art. 29 Abs. 2 BV. Eine Verletzung dieser Bestimmung macht
der Beschwerdeführer auch im vorliegenden Zusammenhang nicht

geltend. Ob auf die Beschwerde insoweit einzutreten ist,
kann offen bleiben, da sie aus den folgenden Gründen in die-
sem Punkt ebenfalls abzuweisen wäre.

        b) Wie dargelegt (E. 1b), muss sich der Richter zur
Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht mit allen tatsächlichen
Behauptungen und rechtlichen Einwänden auseinander setzen;
er kann sich auf die für seinen Entscheid erheblichen Ge-
sichtspunkte beschränken.

        Im Antrag der Bezirksanwaltschaft auf Verlängerung
der Untersuchungshaft vom 12. Februar 2001, auf den der
Haftrichter verweisen durfte, werden (S. 3) zunächst die
Gründe für die Annahme der Fluchtgefahr im Einzelnen ange-
geben. Anschliessend wird ausgeführt, die Untersuchungshaft
sei aufgrund der geschilderten Umstände verhältnismässig.
Damit ist gesagt, dass mildere Massnahmen anstelle der Un-
tersuchungshaft wie eine Schriftensperre oder die Auferle-
gung einer Kaution zur Verhinderung der Fluchtgefahr nicht
ausreichen; andernfalls wäre die Untersuchungshaft nicht
verhältnismässig. Der Beschwerdeführer war auch insoweit in
der Lage, die angefochtene Verfügung sachgerecht anzufech-
ten. Gegen die Verhältnismässigkeit der Untersuchungshaft
bringt er jedoch substantiiert nichts vor. Im Übrigen macht
er im Zusammenhang mit dem Gesuch um unentgeltliche Rechts-
pflege geltend, er sei mittellos; er legt nicht dar, wie er
unter diesen Umständen zur Leistung einer Kaution in der
Lage wäre.

     4.- Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf ein-
getreten werden kann.

        Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Ver-
beiständung kann bewilligt werden. Es werden deshalb keine
Kosten erhoben. Dem Vertreter des Beschwerdeführers wird
eine Entschädigung ausgerichtet.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Ver-
beiständung wird gutgeheissen.

     3.- Es werden keine Kosten erhoben.

     4.- Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt
Dr. Martin O. Huber, wird aus der Bundesgerichtskasse eine
Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet.

     5.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der
Bezirksanwaltschaft und dem Bezirksgericht Uster, Haft-
richter, schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 9. April 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
      Der Präsident:           Der Gerichtsschreiber: