Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.186/2001
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001


1P.186/2001/mks

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                       14. Juni 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung,
Bundesrichter Aeschlimann, Ersatzrichter Seiler und
Gerichtsschreiber Pfäffli.

                         ---------

                         In Sachen

X.________ AG,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Hans
Bertschinger, Oberfeldstrasse 158/Lindenplatz, Postfach 241,
Winterthur,

                           gegen

Bauausschuss der Stadt  W i n t e r t h u r,
Verwaltungsgericht des Kantons  Z ü r i c h, 1. Abteilung,
1. Kammer,

                         betreffend
             Art. 8 und 9 BV (Baubewilligung),

hat sich ergeben:

     A.- Die X.________ AG betreibt auf dem Grundstück
Kat.Nr. 1/7692 in Winterthur (am Untertor 7, Kernzone I,
Winterthur-Altstadt) ein Bürofachgeschäft. Sie stellte am
18. Oktober 1999 ein nachträgliches Reklamegesuch für die
Bewilligung von zwei bereits angebrachten Reklametafeln (in
der Grösse von 170x21 bzw. 170x42 cm) an ihrem Gebäude. Der
Bauausschuss der Stadt Winterthur verweigerte am 26. Oktober
1999 die Baubewilligung und ordnete die Beseitigung der be-
reits angebrachten Tafeln innert 30 Tagen an. Er erwog, das
Gebäude Untertor 7 befinde sich in der Kernzone I der Win-
terthurer-Altstadt, welche als geschütztes Ortsbild von kan-
tonaler Bedeutung bezeichnet werde. Gemäss § 238 Abs. 2 des
kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975
(PBG) seien Reklametafeln so zu gestalten, dass eine gute
Gesamtwirkung erreicht werde. Der Bauausschuss bewillige in
ständiger Praxis in der Altstadt an Pilastern oder Gebäu-
deträgern keine Reklamen, damit die Fassaden nicht noch mehr
mit Schildern überhäuft würden. Die Beschriftung an der Fas-
sade sowie ein Stechschild pro Fassade werde bewilligt, so-
fern sich die Reklamen gut einordneten. Die X.________ AG
erhob dagegen zunächst erfolglos Rekurs an die Baurekurskom-
mission IV und anschliessend Beschwerde an das Verwaltungs-
gericht des Kantons Zürich. Dieses wies die Beschwerde mit
Entscheid vom 25. Januar 2001 ab.

     B.- Die X.________ AG erhebt mit Eingabe vom 12. März
2001 staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, die Ent-
scheide des Verwaltungsgerichts, der Baurekurskommission und
des Bauausschusses seien aufzuheben. Zudem beantragt sie Er-
teilung der aufschiebenden Wirkung. Das Verwaltungsgericht
und das Baupolizeiamt der Stadt Winterthur beantragen, die
Beschwerde abzuweisen. Mit Verfügung des Präsidenten der

I. öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom
5. April 2001 ist der Beschwerde aufschiebende Wirkung
zuerkannt worden.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- a) Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von
Art. 8 und 9 BV. Die Stadt Winterthur verfolge eine völlig
uneinheitliche und willkürliche Bewilligungspraxis für Be-
schilderungen. Sämtliche Liegenschaften am Untertor und ins-
besondere in unmittelbarer Umgebung ihrer Liegenschaft seien
ebenfalls beschildert. Die Verweigerung der Bewilligung für
ihre beiden Tafeln sei willkürlich und rechtsungleich, indem
ihr verboten werde, was praktisch allen andern Grundeigen-
tümern bewilligt wurde.

        b) Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann,
wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder
gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensicht-
lich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise
dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt so-
dann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Ent-
scheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 125 I
166 E. 2a; 124 I 247 E. 5; 123 I 1 E. 4a; je mit Hinweisen).

        c) Gemäss § 238 Abs. 1 PBG sind Bauten, Anlagen und
Umschwung für sich und in ihrem Zusammenhang mit der bauli-
chen und landschaftlichen Umgebung so zu gestalten, dass
eine befriedigende Gesamtwirkung erreicht wird; diese Anfor-
derung gilt auch für Materialien und Farben. Nach § 238
Abs. 2 PBG ist auf Objekte des Natur- und Heimatschutzes

besondere Rücksicht zu nehmen. Die Beschwerdeführerin be-
streitet nicht grundsätzlich, dass diese Bestimmung eine
gesetzliche Grundlage darstellt, um Reklametafeln zu unter-
sagen, zumal in einem geschützten Ortsbild. Doch müsse die
Praxis rechtsgleich und willkürfrei sein. Die Stadt Winter-
thur bringt vor, sie habe in neuerer Zeit eine strengere
Bewilligungspraxis angewendet. Das Verwaltungsgericht hat
erwogen, es bestehe kein Grund, nicht vom Vorliegen einer
solchen Praxis auszugehen. Sollten gleichwohl im Widerspruch
zu dieser Praxis Bewilligungen für Reklametafeln erteilt
worden sein, würde dies der Beschwerdeführerin keinen An-
spruch auf Gleichbehandlung im Unrecht verleihen.

        d) Die Beschwerdeführerin bringt mit Recht vor,
dass es sich nicht um eine Frage der Gleichbehandlung im
Unrecht handelt. § 238 PBG ist derart unbestimmt formuliert,
dass zahlreiche unterschiedliche Verwaltungspraxen möglich
sind. Eine relativ strenge Praxis kann darauf gestützt wer-
den, aber eine liberalere Praxis wäre ebenfalls nicht ge-
setzwidrig. Die Beschwerdeführerin verlangt somit nicht eine
Gleichbehandlung im Unrecht, sondern die Anwendung einer
(gesetzeskonformen) liberaleren Praxis (auch) für sich.

        e) Daraus folgt aber noch keine Gutheissung der Be-
schwerde. Das Verwaltungsgericht hat erwogen, die Stadt Win-
terthur habe eine Praxisänderung vorgenommen und in neuerer
Zeit Reklametafeln strenger beurteilt als früher. Praxisän-
derungen führen zwar zu einer Ungleichbehandlung der frühe-
ren und der neueren Fälle, sind jedoch zulässig, wenn sie
sich auf ernsthafte und sachliche Gründe stützen können
(BGE 125 II 152 E. 4c/aa S. 162 f.). Das Bestreben, ge-
schützte Ortsbilder besser als früher zu schützen und in
ihrem Erscheinungsbild zu erhalten, ist ein sachlich halt-
barer Grund, welcher eine Praxisverschärfung zu rechtferti-
gen vermag. Aus dem Umstand, dass früher allenfalls gross-
zügiger Reklametafeln bewilligt worden sind, vermag die

Beschwerdeführerin daher nichts für sich abzuleiten. Eine
verfassungswidrige Ungleichbehandlung läge nur vor, wenn
die Behörden auch in neuerer Zeit ähnliche Reklametafeln
wie diejenige der Beschwerdeführerin bewilligt hätten.

        f) Die Beschwerdeführerin verweist auf die bei den
Akten befindlichen und von ihr mit der staatsrechtlichen Be-
schwerde eingereichten Fotos, woraus hervorgehe, dass in
zahlreichen anderen Fällen ebenfalls analoge Reklametafeln
bewilligt worden seien. Das Verwaltungsgericht hat jedoch
erwogen, bei diesen andern Schildern handle es sich prak-
tisch ausschliesslich um Hinweisschilder betreffend Betriebe
und Praxen in Obergeschossen. Die eingereichten Fotos lassen
diese Feststellung nicht als willkürlich bzw. unhaltbar er-
scheinen. Die andern Gebäude weisen teilweise Reklamehin-
weise über oder in den Schaufenstern auf, was auch der Be-
schwerdeführerin offenbar erlaubt wird. Die an Pilastern
oder Gebäudepfeilern anderer Häuser angebrachten Hinweis-
schilder sind fast durchwegs kleiner und weniger auffällig
als diejenigen der Beschwerdeführerin. Soweit aus den Fotos
die Beschriftungen hervorgehen, handelt es sich meistens um
Hinweise auf Praxen und Betriebe in Obergeschossen, die mit
dem Geschäft im Erdgeschoss keinen Zusammenhang haben. Inso-
fern unterscheidet sich die faktische Lage solcher Betriebe
von demjenigen der Beschwerdeführerin: Diese hat die Mög-
lichkeit, in ihrem Schaufenster auf ihr gesamtes Angebot
hinzuweisen. In einigen Fällen handelt es sich bei den
fotografisch dokumentierten Schildern offensichtlich um
ältere Tafeln, die allenfalls aufgrund einer früheren,
liberaleren Praxis bewilligt worden sind. Augenfällig sind
einige Aushangtafeln von Restaurants und Zeitungskiosk
(Beschwerdebeilage, Fotos Nr. 3, 8 und 15). Dabei kann
einerseits im Hinblick auf die Besonderheiten der betref-
fenden Betriebe (Hinweise auf aktuelle Angebote bzw. Zei-
tungen) eine besondere Bewilligungspraxis gerechtfertigt
sein, andererseits möglicherweise angesichts der bloss

lockeren Befestigung solcher Tafeln eine Kontrolle und
Durchsetzung der Bewilligungspraxis schwierig sein. Gesamt-
haft hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan, dass in
neuerer Zeit anderen Betrieben in ähnlichen Umständen
gleichgeartete Reklametafeln wie die ihrigen bewilligt
worden wären. Der angefochtene Entscheid ist demnach nicht
willkürlich und verletzt auch nicht die Rechtsgleichheit.

     2.- Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten
der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der
Beschwerdeführerin auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Bau-
ausschuss der Stadt Winterthur und dem Verwaltungsgericht
des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 14. Juni 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
         Der Präsident:      Der Gerichtsschreiber: