I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.134/2001
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1P.134/2001/boh I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 8. Juni 2001 Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger, Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes- richter Nay, Bundesrichter Aeschlimann und Gerichts- schreiberin Widmer. --------- In Sachen X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Schilliger, Kantonsstrasse 40, Horw, gegen Psychiatrische Klinik K ö n i g s f e l d e n, Brugg, Verwaltungsgericht des Kantons A a r g a u, 1. Kammer, betreffend persönliche Freiheit (Weisung, sich ambulant einer Behandlung mit neuroleptischen Medikamenten zu unterziehen), hat sich ergeben: A.- Der Bezirksamtmann von Muri veranlasste, dass X.________ am 15. Dezember 2000 vom Bezirksarzt Muri unter- sucht wurde. Dieser verfügte gleichentags dessen Einweisung zur Abklärung in die Psychiatrische Klinik Königsfelden (PKK). Dagegen reichten der Betroffene und seine Ehefrau Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau ein. Gestützt auf die Abklärungen und Angaben der Kli- nikärzte verfügte der Bezirksarzt-Stellvertreter am 28. De- zember 2000 die definitive Einweisung von X.________ in die PKK zur Behandlung. Am selben Tag verfügte die ärztliche Leitung der PKK, X.________ im Falle der Verweigerung der freiwilligen Einnahme von Zyprexatabletten gegen seinen Willen mit Clopixol zu behandeln. Dieser Entscheid wurde unter aufschiebender Wirkung getroffen. B.- Am 3. Januar 2001 führte die 1. Kammer des Verwal- tungsgerichts in der PKK eine Verhandlung durch. X.________ und seine Ehefrau erklärten, sowohl gegen die Einweisung als auch gegen die Zwangsbehandlung Beschwerde zu erheben. Nach der Verhandlung fällte das Verwaltungsgericht sein Urteil, das sogleich mündlich eröffnet und am 18. Ja- nuar 2001 schriftlich begründet versandt wurde. Das Urteils- dispositiv lautet wie folgt: "1. Die Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirks- arztes Muri vom 15. Dezember 2000 wird zufolge Gegenstandslosigkeit als erledigt von der Kontrolle abgeschrieben. 2. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksarzt-Stellvertreters Laufenburg vom 28. Dezember 2000 wird diese aufge- hoben und der Beschwerdeführer mit folgenden Auf- lagen aus der Klinik entlassen: 1. Der Beschwerdeführer hat sich einer ambulan- ten psychiatrischen Behandlung mit neurolepti- schen Medikamenten zu unterziehen, wobei die Konsultationen anfänglich wöchentlich und später nach Weisung des Arztes zu erfolgen haben. 2. Diese Auflage wird auf 6 Monate befristet. 3. Der behandelnde Arzt hat dem Verwaltungsge- richt nach 3 Monaten und nach 6 Monaten sowie bei einem allfälligen Abbruch der Therapie einen Bericht über den Verlauf der Behandlung zu er- statten. 3. In Gutheissung der Beschwerde gegen den Zwangs- massnahmen-Entscheid der Klinik Königsfelden vom 28. Dezember 2000 wird dieser aufgehoben. 4. [Kosten] 5. [Parteientschädigung]" C.- Mit Eingabe vom 19. Februar 2001 führt X.________ staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung der vom Verwaltungsgericht im Urteilsdisposi- tiv angeordneten Auflage (Ziff. 2.1.), soweit diese mit der Einnahme von neuroleptischen Medikamenten verbunden sei und damit über eine psychiatrische Behandlung hinausgehe. Zur Begründung beruft er sich auf sein Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV) und macht insbesondere geltend, die in der Auflage angeordnete Zwangsmedikation lasse sich auf keine ausreichende gesetzliche Grundlage stützen. Das Verwaltungsgericht beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die ärztliche Leitung der PKK hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Beschwerdeführer hält in seiner Replik an seinen Anträgen fest. Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 1.- Beim angefochtenen Entscheid des Verwaltungsge- richts handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantona- len Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist durch die Weisung, sich ambulant einer Behandlung mit neuroleptischen Medikamenten zu unterziehen, in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen (Art. 88 OG), und er macht die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gel- tend (Art. 84 Abs. 1 lit. b OG). Da diese und auch die übri- gen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 2.- Das in Art. 10 Abs. 2 BV gewährleistete Recht auf persönliche Freiheit garantiert neben der Bewegungsfreiheit auch die körperliche und geistige Unversehrtheit sowie über- haupt alle Freiheiten, die elementare Erscheinungen der Per- sönlichkeitsentfaltung darstellen (127 I 6 E. 5a S. 10; 126 I 112 E. 3a; 124 I 336 E. 4a, 40 E. 3a mit zahlreichen Hin- weisen). Zur persönlichen Freiheit gehört auch das Recht auf Menschenwürde (Art. 7 BV; BGE 124 I 40 E. 3a). Andererseits schützt die persönliche Freiheit nicht vor jeglichem physi- schen oder psychischen Unbehagen (127 I 6 E. 5a S. 10; 124 I 85 E. 2a; 122 I 153 E. 6b/bb S. 162; 119 Ia 460 E. 5a S. 474, mit Hinweisen). Staatliche Akte, die in die persön- liche Lebensgestaltung eingreifen, sind zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sind; zudem dürfen sie den Kerngehalt des Grundrechts nicht beeinträchtigen, das heisst, dieses darf weder völlig unterdrückt noch seines Ge- halts als Institution der Rechtsordnung entleert werden (BGE 126 I 112 E. 3a; 125 I 369 E. 5d S. 379 mit Hinweisen; vgl. Art. 5 und 36 BV). Der Schutzbereich der persönlichen Freiheit samt ihren Ausprägungen sowie die Grenzen der Zu- lässigkeit von Eingriffen sind jeweils im Einzelfall - ange- sichts der Art und Intensität der Beeinträchtigung sowie im Hinblick auf eine allfällige besondere Schutzbedürftigkeit des Betroffenen - zu konkretisieren (BGE 126 I 112 E. 3a mit Hinweisen). a) Die Voraussetzungen, unter denen Medikamente zwangsweise verabreicht werden dürfen, sind im EG ZGB/AG im Abschnitt über die fürsorgerische Freiheitsentziehung gere- gelt (§§ 67a ff.). Nach § 67ebis dürfen Behandlungen und andere Vorkehrungen, "die nach Massgabe des Einweisungsgrun- des medizinisch indiziert sind", auch gegen den Willen der betroffenen Person vorgenommen werden, wenn die notwendige Fürsorge auf andere Weise nicht gewährleistet werden kann. Sind die Voraussetzungen für eine Entlassung aus der fürsor- gerischen Freiheitsentziehung nicht in allen Teilen erfüllt, kann gemäss § 67h Abs. 1 "die probeweise Entlassung, nöti- genfalls mit Weisungen, angeordnet werden". b) Das Verwaltungsgericht kam im angefochtenen Ent- scheid (E. III./3. und IV./2.) zum Schluss, die Vorausset- zungen für die Anordnung einer fürsorgerischen Freiheitsent- ziehung nach Art. 397a ff. ZGB zwecks stationärer ärztlicher Behandlung des Beschwerdeführers seien nicht erfüllt gewe- sen. Gemäss § 67ebis EG ZGB/AG komme eine Zwangsbehandlung nur in Frage, wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien, wes- halb eine Zwangsmedikation jeder rechtlichen Grundlage ent- behre. Es hob daher sowohl die Verfügung des Bezirksarzt- Stellvertreters vom 28. Dezember 2000, mit welcher der Be- schwerdeführer zur Behandlung in die PKK im Sinne einer für- sorgerischen Freiheitsentziehung eingewiesen wurde, als auch jene gleichen Datums der ärztlichen Leitung der PKK, der Be- schwerdeführer werde zwangsweise mit neuroleptischen Medi- kamenten behandelt, auf. Wenn das Verwaltungsgericht jedoch zum Schluss ge- langte, die Voraussetzungen für eine fürsorgerische Frei- heitsentziehung seien gar nicht erfüllt gewesen, konnte es nicht gleichzeitig davon ausgehen, die Voraussetzungen für eine Entlassung aus dieser Massnahme seien nicht in allen Teilen im Sinne von § 67h Abs. 1 EG ZGB/AG gegeben und gestützt darauf die umstrittene Weisung erlassen. Vielmehr hätte es den Beschwerdeführer, wie dieser zu Recht geltend macht (Beschwerde S. 5 Ziff. 3), bedingungslos entlassen müssen. Diese kantonale Bestimmung konnte im Falle des Be- schwerdeführers keine gesetzliche Grundlage für eine bloss probeweise und mit einer Weisung verbundene Entlassung bil- den, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung der Mass- nahme gar nicht erfüllt waren. Der angefochtene Entscheid krankt insoweit an einem inneren Widerspruch und verletzt bereits mangels Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmung, auf die sie sich stützt, die in Art. 10 Abs. 2 BV garan- tierte persönliche Freiheit des Beschwerdeführers. Es braucht daher nicht weiter geprüft zu werden, ob § 67h Abs. 1 EG ZGB/AG grundsätzlich überhaupt eine genügende gesetzliche Grundlage für die streitige Weisung - die ent- sprechend den Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der Vernehmlassung allein als "Auflage, sich (freiwillig) einer ambulanten medikamentösen Behandlung zu unterziehen," zu verstehen sein soll, - bilden könnte. 3.- Demnach ist die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin (Ziff. 2.1. des Dispositivs) die angefochtene ambulante Behandlung mit neu- roleptischen Medikamenten angeordnet ist. Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 OG). Demnach erkennt das Bundesgericht: 1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 3. Januar 2001 aufgehoben, soweit dem Beschwerdeführer über eine ambulante psychiatrische Behandlung hinaus die Einnahme von neuroleptischen Medikamenten auferlegt wird. 2.- Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 3.- Der Kanton Aargau wird verpflichtet, den Be- schwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Psychiatrischen Klinik Königsfelden sowie dem Verwaltungs- gericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, schriftlich mitge- teilt. ______________ Lausanne, 8. Juni 2001 Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: