Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 1P.111/2001
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung 2001


1P.111/2001/err

             I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
             **********************************

                        9. März 2001

Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundes-
richter Nay, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichts-
schreiber Störi.

                         ---------

                         In Sachen

H.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Markus Janett, Schulstrasse 1, Landquart,

                           gegen

Kreisamt  R h ä z ü n s, Riel 2, Postfach 6, Domat/Ems,
Staatsanwaltschaft des Kantons  G r a u b ü n d e n,
Kantonsgericht von  G r a u b ü n d e n, Kantonsgerichts-
ausschuss,

                         betreffend
                      Strafverfahren,

hat sich ergeben:

     A.- Der Kreisgerichtsausschuss Rhäzüns verurteilte
H.________ am 15. Mai 2000 wegen mehrfacher grober Verlet-
zung von Verkehrsregeln zu 14 Tagen Gefängnis bedingt und
Fr. 15'000.-- Busse. Es hielt für erwiesen, dass H.________
am 19. Mai 1998 mit seinem Porsche 911 zwischen Chur und
Thusis bei zwei Überholmanövern die Sicherheitslinie über-
fahren und am 23. Oktober 1998 auf der A13 zwischen Bel-
linzona und San Bernardino die zulässige Höchstgeschwindig-
keit von 80 km/h um mindestens 52 km/h überschritten hatte.

        Der Kantonsgerichtsausschuss Graubünden sprach
H.________ mit Urteil vom 6. Dezember 2000 in Bezug auf den
ersten Vorfall frei, weil er seine Täterschaft nicht für
rechtsgenüglich erwiesen hielt. In Bezug auf den Vorfall vom
23. Oktober 1998 bestätigte es die erstinstanzliche Verur-
teilung, sprach ihn der groben Verletzung von Verkehrsregeln
gemäss Art. 27 Abs. 1 und Art. 32 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 90
Ziff. 2 SVG schuldig und bestrafte ihn mit Fr. 6'000.-- Bus-
se.

     B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 9. Februar
2001 wegen Willkür (Art. 9 BV) sowie Verletzung der Un-
schuldsvermutung von Art. 6 Ziff. 2 EMRK und des rechtlichen
Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) beantragt H.________, das Urteil
des Kantonsgerichtsausschusses aufzuheben, soweit es ihn
belastet. Er bestreitet, den auf den Namen seiner Frau
eingelösten Porsche beim fraglichen Vorfall gelenkt zu
haben. Die Radarfoto, mit welcher die Geschwindigkeitsüber-
tretung dokumentiert worden sei, sei verwackelt und un-
scharf; er sei nicht mit dem abgebildeten Lenker identisch.

     C.- Die Staatsanwaltschaft und das Kreisamt Rhäzüns
verzichten auf Vernehmlassung. Der Kantonsgerichtsausschuss
erklärt in der Vernehmlassung, H.________ habe an der münd-
lichen Berufungsverhandlung teilgenommen. Alle Richter hät-
ten dabei etwa 2 Stunden Zeit gehabt, H.________ aus unmit-
telbarer Nähe zu mustern, und alle seien ohne irgendwelche
Zweifel zum Schluss gekommen, dass es sich beim Schnell-
fahrer, welcher am 23. Oktober 1998 bei Roveredo von der
automatischen Kamera fotografiert worden war, um H.________
handelt. Bei diesem klaren Beweisergebnis hätte sich die Er-
hebung von weiteren Beweisen erübrigt.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Beim angefochtenen Urteil des Kantonsgerichtsaus-
schusses handelt es sich um einen letztinstanzlichen kan-
tonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerde-
führer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen
rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG) und er
macht die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten geltend
(Art. 84 Abs. 1 lit. b OG). Da diese und auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Be-
schwerde einzutreten.

     2.- Der Beschwerdeführer wirft dem Kantonsgerichtsaus-
schuss vor, die Beweise willkürlich zu seinen Lasten gewür-
digt und sein rechtliches Gehör verletzt zu haben, indem er
seinen in der Berufungserklärung eingereichten Antrag auf
Einvernahme seiner Ehefrau M.H.________ als Zeugin aus unbe-
kannten Gründen abgelehnt habe.

        a) Willkürlich handelt ein Gericht, wenn es seinem
Entscheid Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die mit den
Akten in klarem Widerspruch stehen. Im Bereich der Beweis-
würdigung besitzt der Richter einen weiten Ermessensspiel-
raum. Das Bundesgericht greift im Rahmen einer staatsrecht-
lichen Beschwerde nur ein, wenn die Beweiswürdigung offen-
sichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Ver-
sehen beruht (BGE 124 I 208 E. 4a; 117 Ia 13 E. 2c; 18 E. 3c
je mit Hinweisen). Die in Art. 6 Ziff. 2 EMRK garantierte
Rechtsregel "in dubio pro reo", auf die sich der Beschwerde-
führer in diesem Zusammenhang beiläufig ebenfalls beruft,
geht in ihrer Funktion als Beweiswürdigungsregel nicht über
das Willkürverbot von Art. 9 BV hinaus.

        b) Nach dem in Art. 29 Abs. 2 BV garantierten An-
spruch auf rechtliches Gehör sind alle Beweise abzunehmen,
die sich auf Tatsachen beziehen, die für die Entscheidung
erheblich sind (BGE 117 Ia 262 E. 4b; 106 Ia 161 E. 2b; 101
Ia 169 E. 1, zu Art. 4 aBV, je mit Hinweisen). Das hindert
aber den Richter nicht, einen Beweisantrag abzulehnen, wenn
er in willkürfreier Überzeugung der bereits abgenommenen
Beweise zur Überzeugung gelangt, der rechtlich erhebliche
Sachverhalt sei genügend abgeklärt, und er überdies in will-
kürfreier antizipierter Würdigung der zusätzlich beantragten
Beweise annehmen kann, seine Überzeugung werde auch durch
diese nicht mehr geändert (BGE 122 V 157 E. 1d; 119 Ib 492
E. 5b/bb, zu Art. 4 aBV).

     3.- a) Der Kantonsgerichtsausschuss hält den Beschwer-
deführer aufgrund der Radarfoto als Täter überführt. Der
liechtensteinische Polizeibeamte M.________, der den Be-
schwerdeführer nach seiner Aussage persönlich kennt, hat als
Zeuge ausgesagt, dass es sich beim auf der Radarfoto erkenn-
baren Lenker "ganz klar" um den Beschwerdeführer handle. Zum

gleichen Schluss gelangten die Kantonsrichter, welche den
Beschwerdeführer an der Berufungsverhandlung kennen lernten,
auch aus eigener Anschauung.

        b) Unbestritten ist, dass mit dem von der Ehefrau
des Beschwerdeführers gehaltenen Porsche am 23. Oktober 1998
auf der A13 bei Roveredo die zulässige Höchstgeschwindigkeit
massiv überschritten wurde. Der Beschwerdeführer bestreitet
einzig, den Wagen seiner Frau bei dieser Gelegenheit gelenkt
zu haben. Er macht geltend, die Foto sei sehr undeutlich,
weshalb der Lenker nicht zweifelsfrei erkennbar sei; die
Mitlieder der Vorinstanz - "nota bene alles Brillenträger
und ehemalige bzw. praktizierende Anwälte, keine Spezialis-
ten für die Analyse von Fotos" - seien daher in Willkür ver-
fallen, indem sie ihn anhand der Foto als Lenker identifi-
ziert hätten. Er habe Brüder, welche ihm sehr ähnlich sehen
würden. Zudem habe er in der fraglichen Zeit einen Bart ge-
tragen und Kontaktlinsen verwendet, währenddem der Fahrer
auf der Foto eine Brille trage und glatt rasiert sei. Der
Zeuge N.________ habe ihn auf der Foto nicht erkennen kön-
nen. Der Zeuge M.________ sei unglaubhaft, weil seine Aus-
sage falsch sei: es stimme nicht, dass sie persönlich be-
kannt seien.

        c) Diese Einwände sind offensichtlich nicht geeig-
net, die Beweiswürdigung des Kantonsgerichtsausschusses als
willkürlich erscheinen zu lassen. Die Radarfoto ist ausrei-
chend scharf, um den Lenker zu identifizieren, und dies ha-
ben denn auch der Polizeibeamte M.________ und die Mitglie-
der des Kantonsgerichtsausschusses getan, ohne dass einem
von ihnen auch nur der geringste Zweifel gekommen wäre. Die
Einwände des Beschwerdeführers gegen seine Identifikation
sind geradezu trölerisch. Ob er zur Tatzeit glatt rasiert
war oder allenfalls einen Bartansatz - der Zeuge N.________
spricht von einem "Wochenbart" - trug, kann offen bleiben,
die Radarfoto lässt beides zu. Er behauptet auch nicht, zu

diesem Zeitpunkt ausschliesslich Kontaktlinsen als Sehhilfe
verwendet und gar nicht über eine passende Brille verfügt zu
haben. In der Zeugenaussage M.________ ist keine Unstimmig-
keit erkennbar, er hat nur ausgesagt, den in seiner Nachbar-
schaft wohnenden Beschwerdeführer persönlich, d.h. wenigs-
tens vom Sehen her, zu kennen, nicht, dass sie näheren Um-
gang pflegen würden. Vollends schleierhaft ist, inwiefern
die Mitglieder des urteilenden Kantonsgerichtsausschusses
als Brillenträger nicht in der Lage gewesen sein sollen, den
Beschwerdeführer, der sich an der Berufungsverhandlung in
unmittelbarer Nähe der Richterbank aufgehalten hat, zu iden-
tifizieren, zumal sie, wie der Kantonsgerichtsausschuss in
der Vernehmlassung ausführt, allesamt ihre Brillen getragen
und daher scharf gesehen haben. Die Zeugenaussage von
N.________, der seinen Onkel auf der Radarfoto nicht erken-
nen konnte und "meinte", es handle sich um eine andere Per-
son, vermag diese Identifikation nicht in Frage zu stellen,
schliesst doch auch er nicht ausdrücklich aus, dass es sich
beim auf der Radarfoto abgebildeten Lenker um den Beschwer-
deführer handelt.

        d) Bei diesem klaren Beweisergebnis konnte der Kan-
tonsgerichtsausschuss ohne Gehörsverletzung auf die Abnahme
weiterer Beweise verzichten. Die Einvernahme seiner Ehefrau
M.H.________ beantragte der Beschwerdeführer nur im Zusam-
menhang mit dem Vorfall vom 19. Mai 1998, in Bezug auf wel-
chen er freigesprochen worden ist. Es ist daher keineswegs
so, dass dem Kantonsgerichtsausschuss in Bezug auf die hier
zur Diskussion stehende Verurteilung ein Beweisantrag des
Beschwerdeführers vorlag, den er stillschweigend übergangen
hätte. Die Gehörsverweigerungsrüge ist unbegründet.

     4.- Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Ihre Erhebung
grenzt im Übrigen an Trölerei. Der Beschwerdeführer wie auch
sein Anwalt werden darauf aufmerksam gemacht, dass mutwil-

lige Prozessführung mit Disziplinarstrafe geahndet wird
(Art. 31 Abs. 2 OG) und dass auf querulatorische oder
rechtsmissbräuchliche Rechtsmittel nicht eingetreten wird
(Art. 36a Abs. 2 OG).

        Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Be-
schwerdeführer die Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG), wobei bei
deren Festsetzung dem nahezu trölerischen Charakter der Be-
schwerdeführung Rechnung zu tragen ist (Art. 153a Abs. 1
OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht
               im Verfahren nach Art. 36a OG:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kreis-
amt Rhäzüns, der Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden
sowie dem Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsaus-
schuss, schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 9. März 2001

      Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: