Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 23/1999
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B 23/99 Md

              II. Kammer

Präsident Lustenberger, Bundesrichter Spira und Bundes-
richterin Widmer; Gerichtsschreiber Grünvogel

      Urteil vom 25. Februar 2000

                         in Sachen

C.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
K.________,

                           gegen

Personalvorsorgestiftung der Firma S.________ AG,  Be-
schwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher T.________,

                            und

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

     A.- Der 1931 geborene C.________ bezog im Rahmen der
beruflichen Vorsorge seit 1988 eine Invalidenrente der
Personalvorsorgestiftung der Firma S.________ AG, welche
sich ab 1. Januar 1996 auf jährlich Fr. 37'268.- belief.
Mit Schreiben vom 7. August 1997 teilte ihm die Stiftung
mit, da er am 31. März 1996 das Rentenalter von 65 Jahren
erreicht habe, werde die Invalidenrente in Anwendung des
1988 in Kraft gewesenen Stiftungsreglementes (nachfolgend:

Reglement 1988) rückwirkend ab 1. April 1996 in eine
Altersrente umgewandelt, welche Fr. 8'466.- im Jahr be-
trage. Gleichzeitig forderte die Vorsorgeeinrichtung  den
aus ihrer Sicht für die ersten 18 Monate zuviel ausbezahl-
ten Betrag von insgesamt Fr. 43'203.- zurück. Damit war
C.________ nicht einverstanden, weshalb eine, allerdings
ergebnislose, Schlichtungsverhandlung vor einem Schiedsge-
richt durchgeführt wurde.

     B.- C.________ liess beim  Versicherungsgericht des
Kantons Solothurn Klage erheben mit dem Antrag, die Stif-
tung sei zu verpflichten, ihm "eine Rente so wie rechtens
zu bezahlen". In seiner Begründung machte er u.a. geltend,
vorliegend finde das seit 1. Januar 1996 gültige Stiftungs-
reglement (nachfolgend: Reglement 1996) Anwendung, welches
- anders als jenes aus dem Jahre 1988 - eine lebenslange
Invalidenrente vorsehe. Selbst wenn man das letztgenannte
Reglement anwenden und ihm daher lediglich eine Altersrente
zusprechen wollte, müssten bei der Berechnung der Renten-
höhe die bei der Aufnahme in die Personalvorsorge von der
Personalversicherung Firma G._______ AG für ihn beige-
brachten Freizügigkeitsleistungen berücksichtigt werden,
was die Stiftung übersehen habe. Die Vorsorgeeinrichtung
schloss in der Klageantwort auf Rückweisung, eventuell Ab-
weisung der Klage und beantragte gleichzeitig widerklage-
weise, C.________ sei zu verpflichten, der Stiftung
Fr. 18'577.- nebst Zins zu 5 % seit wann rechtens zu leis-
ten. Dieser Betrag bestand im Differenzbetrag zwischen den
nach Auffassung der Stiftung seit 1. April 1996 bis Ende
September 1997 irrtümlicherweise zuviel ausbezahlten Renten
von Fr. 43'203.- und dem vom Versicherten geltend gemachten
Freizügigkeitsguthaben "G.________" in der Höhe von
Fr. 24'626.-. Der Versicherte schloss auf Abweisung der
Widerklage.
     Während das kantonale Gericht die Widerklage abwies,
stellte es in teilweiser Gutheissung der Klage fest, dass
C.________ mit Wirkung ab 1. Oktober 1997 Anspruch auf eine

Altersrente in der Höhe von jährlich Fr. 10'274.- habe
(Entscheid vom 19. März 1999). Zur Begründung führte es in
Auslegung der Übergangsbestimmungen des vom 1. Januar 1990
bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Stiftungsreglementes
(im Folgenden Reglement 1990) und des dieses am 1. Januar
1996 ablösenden Regelwerkes aus, in Bezug auf die Rente des
Versicherten finde weiterhin das Reglement 1988 Anwendung,
welches bei Erreichen der Altersgrenze die Umwandlung der
Invaliden- in eine Altersrente vorsehe. Sodann erweise sich
die von der Stiftung geforderte Rückerstattung der bis Ende
September 1997 vom Versicherten gutgläubig zuviel bezogenen
Leistungen als unbegründet. Unter Berücksichtigung des
Freizügigkeitsguthabens "G._______" ergebe sich demnach ab
1. Oktober 1997 ein Rentenanspruch in der Höhe von
Fr. 10'274.- im Jahr.

     C.- Dagegen lässt C.________ Verwaltungsgerichts-
beschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids sei die Stiftung zu verpflich-
ten, ihm eine Altersrente von mindestens Fr. 37'268.- pro
Jahr zu bezahlen.
     Während die Stiftung auf Abweisung der Verwaltungsge-
richtsbeschwerde schliesst, unterstützt das Bundesamt für
Sozialversicherung (BSV) den Antrag des Versicherten.

     Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

      1.- a) Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens
bildet die Höhe der dem Beschwerdeführer gegenüber der Be-
schwerdegegnerin, einer registrierten privatrechtlichen
Vorsorgeeinrichtung im Sinne von Art. 48 BVG, zustehenden
Rente. Es handelt sich dabei um eine vorsorgerechtliche
Streitigkeit, die der Gerichtsbarkeit der in Art. 73 BVG
erwähnten richterlichen Behörden unterliegt, welche sowohl
in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht zuständig
sind (BGE 120 V 18 Erw. 1a, 117 V 50 je mit Hinweisen).

     b) Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Ver-
weigerung von Versicherungsleistungen ist die Überprüfungs-
befugnis des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht
auf die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Über-
schreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt, son-
dern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der
angefochtenen Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die
vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sach-
verhalts gebunden und kann über die Begehren der Parteien
zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG).

     2.- a) Im Bereich der vorliegend (mit-)betroffenen
freiwilligen beruflichen Vorsorge wird das Rechtsverhältnis
zwischen einer Vorsorgeeinrichtung und dem Vorsorgenehmer
durch den Vorsorgevertrag begründet, der den Innominats-
verträgen (eigener Art) zuzuordnen ist. Als solcher unter-
steht er in erster Linie den allgemeinen Bestimmungen des
Obligationenrechts. Das Reglement stellt den vorformulier-
ten Inhalt des Vorsorgevertrages bzw. dessen Allgemeine
Bedingungen (AGB) dar, denen sich der Versicherte ausdrück-
lich oder durch konkludentes Verhalten unterzieht (BGE 122
V 145 Erw. 4b mit Hinweisen).

     b) Die Auslegung des Reglements als vorformulierter
Inhalt des Vorsorgevertrages geschieht nach dem Vertrauens-
prinzip. Dabei sind jedoch die den Allgemeinen Bedingungen
innewohnenden Besonderheiten zu beachten, namentlich die
sogenannten Unklarheits- und Ungewöhnlichkeitsregeln. Nach
diesen Auslegungsgrundsätzen gilt es ausgehend vom Wortlaut
und unter Berücksichtigung des Zusammenhanges, in dem eine
streitige Bestimmung innerhalb des Reglements als Ganzes
steht, den objektiven Vertragswillen zu ermitteln, den die
Parteien mutmasslich gehabt haben. Dabei hat das Gericht zu
berücksichtigen, was sachgerecht ist, weil nicht angenommen
werden kann, dass die Parteien eine unvernünftige Lösung
gewollt haben. Sodann sind nach konstanter Rechtsprechung
mehrdeutige Wendungen in vorformulierten Vertragsbedingun-

gen im Zweifel zu Lasten ihres Verfassers auszulegen (zum
Ganzen: BGE 122 V 146 Erw. 4c mit Hinweisen auf die Recht-
sprechung und Lehre).

     3.- Unter den Parteien steht die Frage im Streit, nach
welchen Reglementsbestimmungen sich die Höhe der Renten-
leistungen ab 1. April 1996 beurteilt. Wie von der Vorin-
stanz zutreffend ausgeführt, ist dies nach Massgabe der
Übergangsbestimmung des zu diesem Zeitpunkt geltenden Reg-
lementes vom 1. Januar 1996 zu beantworten (vgl. BGE 122 V
319 Erw. 3c mit Hinweisen; SVR-Rechtsprechung 1994 BVG
Nr. 12 Erw. 4).
     Diese lautet wie folgt (Ziff. 6.1.):

         "1. Die am 31. Dezember 1995 der Kasse ange-
     schlossenen Mitglieder werden mit Wirkung ab 1. Januar
     1996 diesem Reglement unterstellt.

          2. Die nach dem bisherigen Reglement allenfalls
     laufenden Renten bleiben unverändert (Besitzstand)."

     4.- a) Die Vorinstanz, welcher sich die Beschwerdegeg-
nerin anschliesst, versteht Ziff. 6.1.2. nun derart, dass
sich die bereits laufenden Renten weiterhin nach den frühe-
ren Regeln richten, was über die Übergangsbestimmung des
Reglementes 1990, welche mit jener des Reglementes 1996
übereinstimme, zur Anwendung des Reglementes 1988 führe.

     b) Richtig ist, dass die Übergangsbestimmungen der
Reglemente 1990 und 1996 - soweit vorliegend von Inte-
resse - einen identischen Inhalt aufweisen (in beiden
Regelwerken jeweils Ziff. 6.1.1. und 6.1.2.). Indessen
finden sich im Wortlaut der fraglichen Reglementsbestim-
mungen keine Anhaltspunkte dafür, dass auf altrechtlich
entstandene (Invaliden-)Rentenansprüche uneingeschränkt
altes Recht anwendbar bleibt. Insbesondere lässt sich
nichts Derartiges aus Ziff. 6.1.2. ableiten. Der zur
Präzisierung dieser Bestimmung in der Klammer angeführte
Besitzstand verdeutlicht - wie vom Beschwerdeführer zu-

treffend dargetan - einzig, dass es dem Reglementgeber mit
Ziff. 6.1.2. darum gegangen sein muss, die Bezüger lau-
fender Renten vor einer künftigen Schlechterstellung zu
schützen, ohne damit gleichzeitig höhere Leistungen zum
Vornherein auszuschliessen. Berücksichtigt man zusätzlich
Ziff. 6.1.1., wonach die bisher der Kasse angeschlossenen
Mitglieder dem neuen Recht unterstellt werden, führt dies
auf den vorliegenden Fall bezogen zum Ergebnis, dass der
Invalidenrentenanspruch zwar unter dem Reglement 1988 ent-
standen ist und der Anspruch als solcher nach diesem
Reglement zu beurteilen ist, der Fortbestand der Rente ab
1. Januar 1996 sich aber nach dem Reglement 1996 richtet.
     Eine derartige Lesart der Übergangsbestimmungen er-
scheint zudem sachgerecht. Denn dadurch wird es dem Be-
schwerdeführer ermöglicht, auch nach Erreichen der Alters-
grenze seinen gewohnten Lebensstandard fortzuführen, was
einem Grundanliegen der beruflichen Vorsorge entspricht.

     5.- a) Nach Gesagtem steht fest, dass der Beschwerde-
führer auch nach Ablauf des 65. Altersjahres ab dem
1. April 1996 weiterhin Anspruch auf eine Invalidenrente
hat, welche mindestens - wie bisher - jährlich Fr. 37'268.-
betragen muss. Darüber, ob bei der Berechnung der Invali-
denrente ab 1. April 1996 das unbestrittene Freizügigkeits-
guthaben "G.________" zu berücksichtigen ist, fehlt ein
Entscheid, weshalb darüber in vorliegendem Verfahren nicht
zu befinden ist.

     b) Damit kann die vom BSV aufgeworfene Frage, ob der
in Art. 49 Abs. 1 BVG näher umschriebenen Gestaltungsfrei-
heit der Vorsorgeeinrichtungen dahingehend Grenzen gesetzt
sind, dass eine die Invalidenrente ablösende Altersrente
nicht nur im obligatorischen Bereich - wie vom Eidgenössi-
schen Versicherungsgericht in BGE 118 V 100 entschieden -,
sondern auch in der weitergehenden beruflichen Vorsorge
mindestens der dannzumaligen Invalidenleistung der berufli-
chen Vorsorge entsprechen muss, offen bleiben.

     Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

  I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
     der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons
     Solothurn vom 19. März 1999 aufgehoben, und es wird
     festgestellt, dass der Kläger ab 1. April 1996
     Anspruch auf eine Invalidenrente von mindestens
     Fr. 37'268.- im Jahr hat.

 II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

III. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer für
     das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsge-
     richt eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (ein-
     schliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

 IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsge-
     richt des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für
     Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 25. Februar 2000
                                 Im Namen des
                     Eidgenössischen Versicherungsgerichts
                         Der Präsident der II. Kammer:

                            Der Gerichtsschreiber: