Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.287/1999
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7B.287/1999/min

            SCHULDBETREIBUNGS- UND KONKURSKAMMER
            ************************************

                       25. Januar 2000

Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, Präsident der Schuld-
betreibungs- und Konkurskammer, Bundesrichter Weyermann,
Bundesrichterin Nordmann und Gerichtsschreiber Pfleghard.

                          ---------

                          In Sachen

Sch.________, Beschwerdeführer,

                            gegen

den Entscheid vom 9. Dezember 1999 des Obergerichts des
Kantons Luzern, Schuldbetreibungs- und Konkurskommission,
als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung
und Konkurs,

                   betreffend Lohnpfändung
    (Wiedererwägung der betreibungsamtlichen Verfügung),

hat sich ergeben:

     A.- Das Betreibungsamt Root verfügte in der Betreibung
Nr. xxx (Pfändungsgruppe Nr. yyy) am 17. Juni 1999 gegenüber
Sch.________ eine Lohnpfändung. In der Pfändungsurkunde vom
27. September 1999 setzte es die pfändbare Lohnquote auf
Fr. 2'687.45 monatlich fest, reduzierte sie aber - nachdem es
seine Verfügung aufgrund einer Mitteilung der Arbeitgeberin
des Schuldners in Wiedererwägung gezogen hatte - mit Verfü-
gung vom 8. Oktober 1999 auf Fr. 1'949.70 monatlich.

     Die gegen die betreibungsamtliche Verfügung vom 27. Sep-
tember 1999 gerichtete Beschwerde des Sch.________ schrieb
der Amtsgerichtspräsident III von Luzern-Land mit Entscheid
vom 4. November 1999 als gegenstandslos von der Kontrolle ab,
weil das Betreibungsamt die angefochtene Verfügung in Wieder-
erwägung gezogen und die pfändbare Lohnquote mit Verfügung
vom 8. Oktober 1999 auf Fr. 1'949.70 herabgesetzt habe. Auch
wenn dadurch die Anträge des Beschwerdeführers nur teilweise
berücksichtigt worden seien, sei das Beschwerdeverfahren nach
der kantonalen Rechtsprechung (LGVE 1997 I Nr. 53) dennoch
als gegenstandslos abzuschreiben.

     B.- Mit Beschwerde vom 23. Dezember 1999 ficht
Sch.________ bei der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts den Entscheid vom 9. Dezember 1999 der Schuld-
betreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kan-
tons Luzern an, womit diese den Beschwerde-Weiterzug abge-
wiesen hat. Der Beschwerdeführer beantragt die Aufhebung des
angefochtenen Entscheides und die Rückweisung der Sache zu
neuer Entscheidung an die Vorinstanz. Sodann begehrt er
"Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Beschwerde-
gegners".

     Mit Verfügung vom 12. Januar 2000 ist dem Gesuch des
Beschwerdeführers um Gewährung der aufschiebenden Wirkung
stattgegeben worden.

     Das zur Stellungnahme eingeladene Betreibungsamt Root
beantragt der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer mit seiner
Vernehmlassung vom 20. Januar 2000 die Abweisung der Be-
schwerde, die Feststellung der Richtigkeit der Amtshandlung
sowie "Kostenfolge zu Lasten des Beschwerdeführers". Sodann
begehrt es den Entzug der aufschiebenden Wirkung.

          Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
                     zieht in Erwägung:
          ________________________________________

     1.- Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von
Art. 17 Abs. 4 SchKG, Art. 58 Abs. 3 VwVG und Art. 4 BV
geltend.

     Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte kann indessen
nur mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden (Art. 43
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 81 OG). Insoweit der Beschwerde-
führer eine Verletzung von Art. 4 BV rügt, ist daher auf die
vorliegende Beschwerde nicht einzutreten.

     2.- Mit der Revision des Bundesgesetzes über Schuld-
betreibung und Konkurs vom 16. Dezember 1994 (in Kraft seit
1. Januar 1997) ist Art. 17 Abs. 4 SchKG eingefügt worden,
der lautet: Das Amt kann bis zu seiner Vernehmlassung die
angefochtene Verfügung in Wiedererwägung ziehen. Trifft es
eine neue Verfügung, so eröffnet es sie unverzüglich den
Parteien und setzt die Aufsichtsbehörde in Kenntnis.

     a) Die Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des
Obergerichts des Kantons Luzern anerkennt mit dem angefoch-
tenen Entscheid, dass trotz der Reduktion der pfändbaren
Quote von Fr. 2'687.45 auf Fr. 1'949.70 die Anträge des
Beschwerdeführers nur teilweise berücksichtigt worden sind.
Das hat sie nicht gehindert, die Beschwerde als gegenstands-
los von der Kontrolle abgeschrieben zu betrachten.

     Mit diesem Entscheid führt die obere kantonale Aufsichts-
behörde über Schuldbetreibung und Konkurs ihre (in LGVE 1997 I
Nr. 53 veröffentlichte) Rechtsprechung weiter, womit sie be-
zweifelt hat, ob die verwaltungsrechtliche Norm des Art. 58
Abs. 3 VwVG bzw. ihre Auslegung (in BGE 113 V 237) unbesehen
auf das betreibungsrechtliche Beschwerdeverfahren angewendet
werden könne. Zum einen - wird im zitierten luzernischen Ent-
scheid ausgeführt - habe der Gesetzgeber bei der Revision
des Schuldbetreibungsrechts offenbar darauf verzichtet, eine
Art. 58 Abs. 3 VwVG entsprechende Regel zu erlassen. Da aber
Art. 17 Abs. 4 SchKG die Regelung im Verwaltungsverfahren zum
Vorbild habe, müsse dieser Umstand als qualifiziertes Schwei-
gen des Gesetzgebers ausgelegt werden. Zum anderen spreche
das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren von der Vorin-
stanz. Das Betreibungsamt sei hingegen nicht im eigentlichen
Sinne Vorinstanz, auch wenn Art. 20a Abs. 2 Ziff. 4 SchKG
zwischen betroffenem Amt und den (Betreibungs-)Parteien
unterscheide. Das Betreibungsamt erlasse keine einseitige
hoheitliche Verfügung nur einem Rechtsunterworfenen gegen-
über, vielmehr schaffe seine Verwaltungstätigkeit Recht
zwischen beiden Betreibungsparteien; es vollziehe die Be-
treibungsordnung auf der Grundlage der gesetzlichen Inte-
ressen sowohl des Gläubigers wie des Schuldners. Deshalb
müsse eine besondere, auf das betreibungsrechtliche Be-
schwerdeverfahren zugeschnittene Lösung gefunden werden.

     Diese besondere Lösung besteht für die Schuldbetrei-
bungs- und Konkurskommission des Obergerichts des Kantons
Luzern darin, dass das Beschwerdeverfahren in der Regel auch
dann als gegenstandslos abzuschreiben ist, wenn mit der neuen
Verfügung die Anträge des Beschwerdeführers nur teilweise
berücksichtigt worden sind. Eine Fortsetzung des bisherigen
Beschwerdeverfahrens ist nach ihrer Auffassung jedenfalls
dann nicht zulässig, wenn die neue Verfügung in die Rechts-
stellung der bisherigen Gegenpartei eingreift.

     Cometta (in Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbe-
treibung und Konkurs, Basel/Genf/München 1998, Art. 17 N. 64)
hat dieser Lösung mit der Erklärung zugestimmt, sie erlaube
eine förderliche Beilegung des vollstreckungsrechtlichen
Streites und trage dem Beschleunigungsgebot Rechnung.

     b) Spühler (Die Änderungen beim Beschwerdeverfahren nach
dem revidierten Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz, in
AJP/PJA 1996, S. 1346), auf den sich der Beschwerdeführer
beruft, erklärt demgegenüber, Art. 17 Abs. 4 SchKG entspreche
grundsätzlich der Regelung von Art. 58 VwVG. Theoretisch
werde damit der Devolutiveffekt der betreibungsrechtlichen
Beschwerde im Interesse der Prozessökonomie modifiziert. Wenn
die neue Verfügung die Beschwerde nicht vollständig gegen-
standslos gemacht habe, setze die Beschwerdeinstanz analog
Art. 58 Abs. 3 VwVG die Behandlung der Beschwerde fort. Werde
jedoch die alte Verfügung durch die neue umfassend ersetzt,
so werde die Beschwerde von der Aufsichtsbehörde als gegen-
standslos abgeschrieben.

     Unter Hinweis auf BGE 113 V 237 vertritt Gilliéron (Com-
mentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et
la faillite, Lausanne 1999, Art. 17 N. 260) dieselbe Meinung.

     3.- Der bei der Revision des Bundesgesetzes über Schuld-
betreibung und Konkurs aufgrund der bisherigen Rechtsprechung
(BGE 103 III 31 E. 1b S. 34) eingefügte Art. 17 Abs. 4 SchKG
entspricht inhaltlich Art. 58 VwVG, wonach die Vorinstanz die
angefochtene Verfügung bis zu ihrer Vernehmlassung in Wieder-
erwägung ziehen kann (Abs. 1) und sie eine neue Verfügung
ohne Verzug den Parteien und der Beschwerdeinstanz eröffnet
(Abs. 2). Die nicht erkennbar übernommene Regel von Art. 58
Abs. 3 VwVG, welche die Beschwerdeinstanz anweist, die Be-
handlung der Beschwerde fortzusetzen, soweit sie durch die
neue Verfügung nicht gegenstandslos geworden ist, gibt den
allgemeinen, der Logik entsprechenden Grundsatz wieder, dass
ein Rechtsmittel insoweit gegenstandslos wird, als den ge-
stellten Begehren entsprochen worden ist.

     In der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist Art. 58
Abs. 3 VwVG unbekümmert darum, ob der Betroffene auch die
neue Verfügung angefochten hat oder nicht, nie anders ver-
standen worden (BGE 113 V 237 E. 1a). Es ist nicht einzu-
sehen, weshalb ein solcher allgemeiner Verfahrensgrundsatz
nicht auch im Zwangsvollstreckungsrecht gelten sollte, umso
mehr, als dieses den Inhalt der beiden Art. 58 Abs. 3 SchKG
vorausgehenden Absätze ausdrücklich übernommen hat. Wenn
Art. 17 Abs. 4 SchKG im Interesse der Prozessökonomie den
Devolutiveffekt im Beschwerdeverfahren modifiziert (BBl 1991
III 35), ihn also nicht hinfällig werden lässt, so weist dies
offenkundig darauf hin, dass er - obwohl im Bundesgesetz über
Schuldbetreibung und Konkurs nicht ausdrücklich erwähnt -
auch im Beschwerdeverfahren nach Art. 17ff. SchKG zum Zuge
kommt; und damit ist auch ausgeschlossen, dass der Gesetz-
geber den Devolutiveffekt mit einer neuen Verfügung insgesamt
dahinfallen lassen wollte. Ein qualifiziertes Schweigen des
Gesetzgebers (Cometta, a.a.O.) kann demnach nicht vorliegen.

     Was die obere kantonale Aufsichtsbehörde über Schuld-
betreibung und Konkurs hiegegen vorbringt, schlägt nicht
durch. Es wäre weder dem Beschleunigungsgebot noch der Pro-
zessökonomie dienlich, wenn die Beschwerde insgesamt als
gegenstandslos betrachtet würde, obwohl die nach der Wieder-
erwägung erlassene Verfügung den gestellten Begehren nur
teilweise entspricht, und wenn damit der Beschwerdeführer
zur Anfechtung der neuen Verfügung veranlasst würde. Dass in
Art. 58 Abs. 3 VwVG - in gleicher Weise wie in Art. 58 Abs. 1
und 2 VwVG - von der Vorinstanz die Rede ist, es sich beim
Betreibungsamt jedoch nicht um eine Vorinstanz im Sinne des
Verwaltungsverfahrensrechts handelt, ist auch dem Gesetzgeber
nicht entgangen, hat er doch bei der Gesetzesrevision, soweit
die Regelung von Art. 58 Abs. 1 und 2 VwVG übernommen wurde,
den Begriff der Vorinstanz durch jenen des Amtes ersetzt. Da
Verwaltungsbehörden nicht in jedem Fall einseitig gegenüber
einer Partei auftreten, sondern oft auch Rechtsbeziehungen
zwischen einer Mehrheit von Parteien regeln, lässt sich kein
Gegensatz des betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahrens zum
Verwaltungsbeschwerdeverfahren mit dem Argument herleiten,
das Betreibungsamt schaffe vorwiegend Recht zwischen zwei
und mehr Parteien. Greift die neue Verfügung weitergehend als
die in Wiedererwägung gezogene in die Rechtsstellung des
Beschwerdegegners ein, so ist er nicht an der Anfechtung der
neuen Verfügung gehindert; und es erwächst ihm kein Nachteil
durch die Weiterbehandlung der Beschwerde, soweit diese durch
die neue Verfügung nicht gegenstandslos geworden ist.

     4.- Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen,
soweit darauf einzutreten ist, und der angefochtene Entscheid
aufzuheben. Die Sache ist an die obere kantonale Aufsichts-

behörde zu allfälliger Aktenergänzung und zu neuer Entschei-
dung zurückzuweisen (Art. 64 Abs. 1 OG).

     Die vom Beschwerdeführer bezüglich der Berechnung des
Notbedarfs erhobenen Rügen werden - soweit noch nicht behan-
delt - Gegenstand des Verfahrens vor der oberen kantonalen
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs bilden.
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts
hat darüber wie auch über die diesbezüglichen Ausführungen in
der Vernehmlassung des Betreibungsamtes mit diesem Urteil
nicht zu befinden.

     5.- Der im angefochtenen Entscheid erhobene Vorwurf
trölerischer Beschwerdeführung ist angesichts der - wie oben
dargelegt - kontroversen Rechtsauffassungen und insbesondere
im Hinblick auf den hier von der erkennenden Kammer gefällten
Entscheid unberechtigt. Jedoch ist der Beschwerdeführer durch
diesen Vorwurf nicht beschwert, da im kantonalen Verfahren
von der Auferlegung von Verfahrenskosten und Busse abgesehen
worden ist.

     6.- Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos
(Art. 20a Abs. 1 SchKG). Eine Parteientschädigung wird im
Beschwerdeverfahren nach Art. 17ff. SchKG nie zugesprochen
(Art. 62 Abs. 2 GebVSchKG).

     7.- Mit dem Entscheid in der Sache wird das Begehren des
Betreibungsamtes, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu
entziehen, gegenstandslos.

                       Demnach erkennt
          die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
          _________________________________________

     1.- Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf
einzutreten ist, und der Entscheid vom 9. Dezember 1999 der
Schuldbetreibungs- und Konkurskommission des Obergerichts
des Kantons Luzern aufgehoben. Die Sache wird zu allfälliger
Aktenergänzung und zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

     2.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betrei-
bungsamt Root, Schulstrasse 14, 6037 Root, und dem Ober-
gericht des Kantons Luzern, Schuldbetreibungs- und Konkurs-
kommission, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 25. Januar 2000

      Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: